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Else Rauch Weihnachten 1939
© Werner Brügmann

Else Rauch (geborene Meyer) * 1888

Grindelallee 152 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
ELSE RAUCH
GEB. MEYER
JG. 1888
DEPORTIERT 1941
LODZ
1942 CHELMNO
ERMORDET

Else Rauch, geb. Meyer, geb. am 28.6.1888 in Lüneburg, am 26.10.1941 deportiert nach Lodz, am 10.5.1942 ermordet

Grindelallee 152

Else Rauchs Eltern waren Geschäftsleute in Lüneburg. Der Vater Gustav Meyer, geboren am 12. September 1860, arbeitete als "Produktenhändler" im Geschäft seiner Familie. Er war verheiratet mit Emma Rosenbaum, geboren am 26. Februar 1865. Sie bekamen vier Kinder. 1890 zogen Elses Eltern mit ihr nach Hamburg, wo Gustav Meyer ein Geschäft für Elektroartikel führte. Elses Bruder Erich Gustav wurde im Umzugsjahr geboren, am 6. Dezember 1890. Der zweite Bruder Ludwig Walter kam erst zehn Jahre später, am 16. November 1900, in Hamburg zur Welt und das jüngste Kind der Familie war Käthe Frieda, geboren am 12. Oktober 1904, ebenfalls in Hamburg.

Die Familie stand dem Christentum schon lange näher als der jüdischen Religion. Else Meyer wurde 1903 zusammen mit den Eltern und ihrem Bruder getauft und am 13. April 1904 konfirmiert. Sie verstand sich immer als gläubige Protestantin, was sich auch daran zeigte, dass sie später als Lehrerin evangelischen Religionsunterricht erteilte. Im Jahr 1904 beantragte Familie Meyer die Hamburger Bürgerrechte und trat aus der Jüdischen Gemeinde aus. Sie zog in Hamburg zweimal in größere Wohnungen, was auf den wachsenden wirtschaftlichen Erfolg des Vaters schließen lässt. Nachdem sie zunächst an der Hoheluftchaussee 14 lebte, wohnte sie ab 1900 am Hansaplatz und zog 1904 in die Lenaustraße, Hohenfelde, eine ruhige Villengegend.

Else besuchte ein Lyzeum, das sie mit der mittleren Reife verließ. Ihr Bruder Erich legte das Abitur ab und studierte Medizin in Straßburg, Kiel und Bonn.

1911 bezog Else eine Wohnung oder ein Zimmer in der Wartenau 7 und besuchte das Lehrerseminar in Altona. Im April 1913 begann sie ihren Schuldienst. Später zogen die Eltern ebenfalls in die Wartenau und von da aus in die Gosslerstraße (heute Kielmannseggstraße) in Wandsbek, wo auch Else später wohnte. Ihr Vater Gustav Meyer starb im Mai 1918. Die Mutter Emma eröffnete daraufhin ein Geschäft für Putzmoden in der Hamburger Straße mit dem Namen "Meyers Putzmodehaus".

Else Meyer arbeitete ab 1918/19 als Lehrerin an der Volksschule Humboldtstraße, seit 1921 wohnte sie in der Wagnerstraße. Im gleichen Jahr heiratete sie den Ingenieur Gustav Heinrich Philipp Rauch. Die kirchliche Trauung fand am 1. April 1922 in Wandsbek statt. Anschließend lebte das Ehepaar in der Stadthausbrücke 3. Else Rauch scheint, wenn man ihrem Biographen und ehemaligen Schüler Arthur Riegel folgt, eine Lehrerin aus Berufung gewesen zu sein. Arthur Riegel verdankte ihr sehr viel, schrieb er – sowohl was sein Wissen anging, die Kenntnis der Geschichten der Bibel und die damals so bezeichnete Heimatkunde.

1923 verließ Else Rauch den Schuldienst. Ob sie das freiwillig tat oder aufgrund der damals schon gültigen Bestimmungen über das sogenannte Doppelverdienertum, das insbesondere Beamtinnen traf, ist unklar. Danach musste eine verheiratete Frau aus dem Arbeitsleben ausscheiden, wenn ihr Ehegatte in einem Beschäftigungsverhältnis stand. 1926 nahm Else Rauch ihre Tätigkeit an der Schule Luttherothstraße wieder auf. 1928 war sie wieder an einer neuen Adresse gemeldet: Grindelallee 152, wo sie bis zu ihrer Deportation wohnte. Die kinderlose Ehe wurde vermutlich 1928 geschieden, anschließend ließ sie sich mit "Fräulein Rauch" anreden. 1933 wurde Else Rauch zwangspensioniert. Von 1937 bis 1941 lebte sie in ihrer Zweizimmerwohnung wieder mit ihrem Ehemann zusammen. Ab 1939 zahlte sie Kultussteuer an die Jüdische Gemeinde.

Im Oktober 1941 erhielt sie die Nachricht, dass sie sich am 24. des Monats im Logenhaus an der Moorweide einzufinden habe. "Der Zug fährt am 25.10.1941 um 10.10 Uhr ab Hamburg, Hannöverscher Bahnhof, und soll fahrplanmäßig am 26.10.1941 um 11.00 Uhr in Litzmannstadt eintreffen", hieß es in der Verfügung. "Sie verließ das Haus ganz allein und ging ohne Begleitung zuerst zum Polizeirevier, um die Schlüssel abzugeben und dann zum Logenhaus an der Moorweidenstraße. Nach einer Nacht im Logenhaus wurden alle Opfer zum Hannoverschen Bahnhof gebracht und im Zug nach Lodz transportiert", beschrieb Arthur Riegel Else Rauchs letzten Tag in Hamburg. Ihre Wohnung wurde später vom NSDAP-Ortsgruppenleiter übernommen.

Else Rauchs Aufenthalt im Getto Litzmannstadt/Lodz ist vom 26. Oktober bis zum 10. Mai 1942 belegt. Sie lebte mit zwei anderen Hamburger Lehrerinnen zusammen, Bella Spanier und Rosa Hella. Ob das Zufall war oder andere Gründe hatte, wissen wir nicht. Insgesamt waren in der Wohnung mehr als zehn Personen untergebracht.

Am 10. Mai musste Else Rauch das Getto verlassen und wurde im Güterwagen nach Wartbrücken (Kolo) transportiert. Nach einem beschwerlichen Fußmarsch wurden die Deportierten in Lastwagen verladen, nach Chelmo am Ner gebracht und mit den Abgasen des Lastwagens getötet. Zu ihnen gehörte vermutlich auch Else Rauch.

Arthur Riegel versuchte später Else Rauchs Lebensgeschichte zu rekonstruieren. Die Informationen über ihre Zeit im Getto sind spärlich, ihre letzte namentliche Erwähnung findet sich in der Liste des oben genannten Sonnabend-Transports.

Elses Bruder Erich Meyer wurde Arzt. Er nahm nach seiner Einberufung 1916 in dieser Funktion am Ersten Weltkrieg teil, wurde schwer verwundet und schrieb später ein Buch über seine Fronterlebnisse. Mit Mutter Emma Meyer und Schwester Käthe emigrierte er später über Italien, wo er von 1936 bis zum Januar 1939 lebte, nach Kuba. Warum Else und ihr Bruder Ludwig nicht mit der Mutter und Erich auswanderten, ist nicht bekannt.

Ludwig hatte im Alter von 17 Jahren den Kaufmannsberuf ergriffen. Wir wissen nicht, wie lange er diesen ausüben konnte. Am 10. Oktober 1941 wurde er ins "Judenhaus" Rutschbahn 25a eingewiesen. Seine "arische" Frau ließ sich scheiden, sodass er den Schutz der "Mischehe" verlor. Er wurde im Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Arthur Riegel erreichte es, dass ein Platz in Eimsbüttel in der Nähe der Schule, an der Else Rauch unterrichtet hatte, nach ihr benannt wurde. 2015 wurde die Gedenktafel am Else-Rauch-Platz ein Ziel von Vandalismus und mit schwarzer Farbe nahezu unkenntlich gemacht.

Stand: Juli 2017
© Charlotte Wilken

Quellen: 1; Riegel: Else; Berufsoberschulklasse BOS 12/2: Geschwärzt, S. 38.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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