Namen, Orte und Biografien suchen
Bereits verlegte Stolpersteine
Suche
Else Delbanco (geborene Haarburger) * 1876
Badestraße 2 (Eimsbüttel, Rotherbaum)
HIER WOHNTE
ELSE DELBANCO
GEB. HAARBURGER
JG. 1876
DEPORTIERT 1941
LODZ
???
Elsa Delbanco, geb. Haarburger, geb. 20.4.1876 in Hamburg, deportiert 25.10.1941 nach Lodz, Mai 1942 im Vernichtungslager Chelmno ermordet
Badestraße 2 (Rotherbaum)
Elsa Rebecca Haarburger wurde 1876 in der Wohnung Kohlhöfen 27 (Neustadt) der Eheleute Israel Haarburger (1826–1904) und Mirjam/Marjane (genannt Marianne) Haarburger geb. Schlomer (1842–1910) geboren. Israel Haarburger, geboren in Hamburg als Sohn des Kaufmanns Isaac Wolff Haarburger, besaß seit 1856 das Hamburger Bürgerrecht. Sein Adressbucheintrag lautete in diesem Jahr "J. Haarburger jr., Geld- u. Wechsel-Geschäfte, Kohlhöfen 28". 1857 hatte er zusammen mit seinem Schwager Joseph Elkan (J. E.) Cohn die Firma Cohn & Haarburger mit Geschäftsräumen am Neuen Wall eröffnet, die im gleichen Geschäftsfeld tätig war. Joseph Elkan Cohn war mit Jeanette Haarburger (1835–1908) verheiratet.
1896 wurde Israel Haarburger zuletzt im Hamburger Adressbuch als Mitinhaber der Firma geführt.
Familie Haarburger wohnte anfänglich in dem ursprünglichen jüdischen Wohngebiet der Hamburger Neustadt in der Straße Kohlhöfen 28 (1851–1863) und Kohlhöfen 27 (1864–1878). Im Zuge der innerstädtischen Wanderungsbewegung verzog die Familie in den neu erschlossenen Stadtteil Rotherbaum, wo sich ein großer Prozentsatz der jüdischen Hamburger Bevölkerung niederließ. Hier wohnten sie in der Grindelallee 14 (1879–1884), Heimhuder Straße 3 (1885–1888) und im Mittelweg 25 (1889–1906). Marianne Haarburger geb. Schlomer, die aus Moisling bei Lübeck stammte, zog zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes in eine kleinere Wohnung im Jungfrauenthal 20 (Harvestehude); das Adressbuch führte sie nun unter eigenem Namen mit dem Zusatz "Rentiere" (Rentnerin).
Elsa Haarburger heiratete 1898 in Hamburg Dr. jur. Alfred Delbanco (1868–1938). Sein Vater, der Bankier Isaac Abrahamson Delbanco (1822–1875), mit eigener Firma für Geld- und Wechselgeschäfte (Firma L. C. Delbanco 1849–1875), war schon früh in Dresden verstorben. Seine Mutter Ida Delbanco geb. Heimann (ca. 1832–1906) war später nach Berlin verzogen. Alfred Delbanco hatte im Dezember 1892 die 1. juristische Prüfung in Berlin bestanden, war danach zum Referendar ernannt, im Januar 1893 in Leipzig promoviert und nach der 2. juristischen Prüfung im Oktober 1896 zum Assessor ernannt worden. Von 1900 bis 1933 fungierte er in Hamburg als Amtsrichter. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde er am 15. Juli 1933 durch den Hamburger NS-Justizsenator Curt Rothenberger zwangsweise pensioniert.
Seit 1912 war Alfred Delbanco Mitglied der Patriotischen Gesellschaft in Hamburg, die 1935 einen "Arierparagraphen" einführte und damit alle jüdischen Mitglieder automatisch ausschloss. Alfred Delbanco starb am 1. Juli 1938 im Israelitischen Krankenhaus in Hamburg.
In der Heiratsurkunde war Alfred Delbanco bereits 1898 mit evangelischer Konfession vermerkt worden, während bei seiner Ehefrau Elsa Haarburger die jüdische Religionszugehörigkeit stand. Die evangelisch getaufte Tochter Elisabeth Delbanco (geb. 30.12.1898) heiratete 1920 den Landgerichtsrat Kurt Kaufmann Soelling (geb. 4.3.1884 in Bromberg/Posen), der 1918 in Schleswig seinen Familiennamen Seligsohn in Soelling hatte ändern lassen; die Ehe wurde 1928 in Berlin geschieden, Elisabeth Soelling geb. Delbanco heiratete am 10. September 1941 in Hamburg in zweiter Ehe den Witwer Arthur Westfeld (geb. 16.4.1885 in Braunschweig).
Elsa und Alfred Delbanco wohnten in den Hamburger Stadtteilen Harvestehude und Rotherbaum in der Hochallee 2 (1898), Schlüterstraße 75 (1899–1902), Gellertstraße 20 (1903–1907), Bei St. Johannis 10 (1908), Rothenbaumchaussee 152 (1909–1920), Isestraße 45 (1921–1929) und Badestraße 2 (1930–1940). Als letzte und unfreiwillige Wohnadresse wurde ab März 1941 die Eichenstraße 46 in Eimsbüttel notiert.
Am 13. Februar 1939 vermerkte das zuständige Standesamt auf der Geburtsurkunde von Elsa Delbanco den zusätzlichen Zwangsvornamen "Sara", der von nun an auf allen Dokumenten und auch der Unterschrift erscheinen musste, um sie als Jüdin kenntlich zu machen. Ab 19. September 1941 war sie verpflichtet, deutlich sichtbar einen gelben "Judenstern" an ihrer Kleidung zu tragen. Ihr Vermögen war bereits vorher beschlagnahmt worden.
Elsa Delbanco wurde am 25. Oktober 1941 ins Getto Lodz (deutsch Litzmannstadt) deportiert und dort im Talweg 11/36 einquartiert. Der jüdische Rechtsanwalt Ernst Kaufmann, nun als "Konsulent" nur noch für jüdische Klienten zugelassen, bemühte sich am 13. Dezember 1941 erfolglos bei Justizinspektor Heinrich Frahm um die Weiterzahlung der ab 31. Oktober 1941 eingestellten Versorgungsbezüge (monatlich knapp 300 Reichsmark) an die Adresse im Getto Lodz. Einen Tag später schrieb auch der ehemalige Landgerichtsrat Kurt Ledien (1893–1945) als Bevollmächtigter von Elsa Delbanco an den Generalstaatsanwalt beim Hanseatischen Oberlandesgericht und wiederholte das Gesuch um Auszahlung der Pension am 26. Januar 1942.
Im Mai 1942 wurden in Lodz Transportlisten für die Weiterdeportation von rund der Hälfte der 21.000 deutschsprachigen Juden aufgestellt. Ziel der Deportation war das Vernichtungslager Chelmno (deutsch Kulmhof). Von dieser Deportation konnten sich nur diejenigen mit einem formlosen Antrag befreien lassen, die Träger des Eisernen Kreuzes oder Verwundetenabzeichens aus dem Ersten Weltkrieg waren oder aber eine offizielle Arbeitsstelle im Getto Lodz hatten (z. B. in einer der Textilfabriken). Der Antrag der 66jährigen Elsa Delbanco auf Verbleib im Getto Lodz vom 2. Mai 1942 wurde abgelehnt. Das Gesuch hatte ihre Tochter für sie gestellt: "Meine Mutter Frau Elsa Sara Delbanco, Thalweg 11/36, erhielt heute mittag, 12 Uhr ihren Ausreisebefehl. Dieselbe ist 66 Jahre alt, sehr schwerhörig und in Folge dessen vollständig hilflos. Da ich als Krankenschwester eine etatisierte Anstellung im Greisenheim Gnesener Straße 26 habe, bitte ich die Evakuierung bis auf weiteres zurückzustellen zu wollen. Hochachtungsvoll Schwester Elisabeth Sara Westfeld geb. Delbanco, Hamburger Str. 63/24 II".
Elsa Delbanco wurde wahrscheinlich am 7. Mai 1942 mit Transport 4 mit den meisten der aus Hamburg Deportierten ins Vernichtungslager Chelmno deportiert und dort bald darauf ermordet. Ihr genaues Todesdatum ist nicht bekannt.
Ihre Tochter Elisabeth Westfeld geb. Delbanco arbeitete als Krankenschwester im Getto Lodz; deren Ehemann Arthur Westfeld (geb. 16.4.1885 in Braunschweig) war ebenfalls als Krankenpfleger im Getto Lodz tätig und starb dort am 2. Juli 1942 an Unterernährung. Elisabeth Westfeld wurde im Rahmen der Septemberdeportation am 10. September 1942 nach Chelmno deportiert und dort ein halbes Jahr nach ihrer Mutter ermordet.
Elsa Delbancos Bevollmächtigter Kurt Ledien (geb. 5.6.1893 in Berlin-Charlottenburg), ab 1927 Amtsgerichtsrat am Amtsgericht Hamburg-Altona, aus "rassischen Gründen" zwangsweise in den Ruhestand versetzt, wurde Ende November 1943 als Mitglied der "Weißen Rose" verhaftet und ohne Anklage am 23. April 1945 im KZ Neuengamme gehenkt. An ihn erinnern Stolpersteine vor seinem Wohnhaus Hohenzollernring 34 (Altona) und dem Ziviljustizgebäude am Sievekingplatz 1 (Neustadt).
Stand August 2014
© Björn Eggert
Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 213-11 (Staatsanwaltschaft Landgericht Strafsachen), 2659/40 (Elisabeth Soelling, Beantragung der Kennkarte u. zusätzlichen Vornamen Sara versäumt); StaH 231-3 (Handelsregister), B 10790 (L.C. Delbanco); StaH 241-2 (Justizverwaltung – Personalakten), A 1226 (Dr. Alfred Delbanco); StaH 332-5 (Standesämter), 1882 u. 2059/1876 (Geburtsregister 1876, Elsa Rebecca Haarburger); StaH 332-5 (Standesämter), 13086 u. 8/1899 (Geburtsregister 30.12.1898 Elisabeth Delbanco); StaH 332-5 (Standesämter), 7972 u. 298/1904 (Sterberegister 1904, Israel Haarburger); StaH 332-5 (Standesämter), 7992 u. 452/1908, (Sterberegister 1908, Jeanette Cohn geb. Haarburger); StaH 332-5 (Standesämter), 8741 u. 442/1920 (Heirat Elisabeth Delbanco u. Kurt Kaufmann Soelling 1920, dort Hinweis auf 2. Ehe); StaH 332-5 (Standesämter), 1089 u. 247/1938 (Sterberegister 1938, Alfred Ferdinand Delbanco); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), A I e 40 Bd.6 (Bürger-Register 1845-1875, G-K), Israel Haarburger; StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Elsa R. Delbanco (1936–1941), Elisabeth Soelling/ Westfeld, Arthur Westfeld; StaH 731-8 (Zeitungsausschnittsammlung), A 753 (Cohn, J.E., Goldene Hochzeit 1905); StaH 741-4 (Alte Einwohnermeldekartei 1892-1925, Mikrofilm), Israel Haarburger; Hamburger Adressbuch 1851–1858, 1860, 1863–1865, 1870, 1873, 1878–1879, 1883–1890, 1895, 1899, 1903–1909, 1921–1922, 1928–1929, 1940; Staatsarchiv Hamburg, Gedenkbuch Hamburger jüdische Opfer des Nationalsozialismus, Hamburg 1995, Seite 79 (Else Delbanco geb. Haarburger), S. 432 (David Arthur Westfeld, Elisabeth Westfeld geb. Delbanco); Bundesarchiv Koblenz, Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945, Koblenz 2013 (Elsa Else Delbanco, Elisabeth Westfeld geb. Delbanco, David Arthur Westfeld); Birgit Gewehr, Stolpersteine in Hamburg-Altona. Biografische Spurensuche, Hamburg 2008, S. 59–61 (Kurt Ledien); Jahrbuch der Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe/Patriotische Gesellschaft, Mitgliederverzeichnis 1910–1912, Hamburg 1913 (Alfred Delbanco); United States Holocaust Memorial Museum (USHMM), RG 15.083 (Last Letters from Lodsch), Nr. 770 (Elsa Delbanco u. Elisabeth Westfeld geb. Delbanco).