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Serge Duvert * 1944

Essener Straße 54 (Hamburg-Nord, Langenhorn)


SERGE DUVERT
GEB. 27.5.1944
ERMORDET 8.8.1944

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Serge Duvert, geb. am 27.5.1944 in Hamburg, gestorben am 8.8.1944

Essener Straße 54
früher Lager Tannenkoppel, Weg 4, auch "Tarpenbek" genannt
Zwangsarbeitslager der Rüstungsindustrie in Hamburg Langenhorn


Serge Duvert kam am 27. Mai 1944 in Hamburg zur Welt. Seine Eltern, Hélène Julie, geb. Mouceau, geb. am 24.8.1917 in Nemours, und Jules Ernest Duvert, geb. am 31.7.1917 ebenfalls in Nemours, waren katholischen Glaubens und hatten am 31. Mai 1941 dort geheiratet. Aus ihrer Heimat Frankreich verschleppt, mussten sie zunächst in Hamburg-Langenhorn für die Hanseatische Kettenwerk GmbH (HAK) Zwangsarbeit leisten, Hélène seit dem 29. Oktober 1942 und Jules seit dem 14. April 1943. Sie waren im "Gemeinschaftslager Tarpenbeck", Weg 4, getrennt voneinander im Frauen- und Männerlager untergebracht.

Hélène Julie Duvert wurde am Tag der Geburt ihres ersten Kindes im Krankenhaus Alsterdorf aufgenommen; es war eine "Frühgeburt". Nach acht Tagen, am 5. Juni 1944, kehrte sie mit ihrem Sohn Serge zurück in das "Gemeinschaftslager Tarpenbek". In diesem Zwangsarbeitslager musste Serge eine kurze Zeit seines Lebens verbringen. Die Ernährungs- und Lebensbedingungen waren für ihn dort völlig unzureichend.

Wenige Tage später wurde er in das Universitätskrankenhaus Eppendorf eingeliefert und kam nach zwei Monaten, am 2. August 1944, von dort in das Ausweichkrankenhaus Wintermoor. Vier Tage danach, am 8. August 1944, verstarb er in diesem Krankenhaus Ehrhorn bei Soltau um 9:00 Uhr. In der Krankenhausliste ist als Todesursache "Frühgeburt" angegeben. Im Sterberegister findet sich des Weiteren der Eintrag: "eingetragen auf schriftliche Anzeige der Krankenhaus-Sonderanlagen Aktion Brandt – Anlage Wintermoor". Dies deutet darauf hin, dass Serge durch gezielte Vernachlässigung, durch Verhungernlassen oder eine Überdosis von Medikamenten getötet wurde.

Serge wurde 2 Monate und 13 Tage alt.

Acht Tage nach seinem Tod wurde er am 16. August 1944 auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt, Grablage: Q 39, Reihe 5, Nr. 36. Sein Grab ist nicht mehr erhalten. Ende des Jahres 1959 wurde es zusammen mit mindestens 146 Gräbern der Kinder von Zwangsarbeiterinnen auf Areal Q 39 eingeebnet.

Hélène Julie Duvert gebar ein Jahr nach der Geburt ihres ersten Sohnes ihren Sohn Max Ernest Duvert (geb. am 11.5.1945 in Hamburg, siehe dazu seine Biographie).

Erläuterungen:
Bei der von Karl Brandt, Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen, geleiteten und nach ihm benannten "Aktion Brandt" wurden ab 1943 Patientinnen und Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten in andere Pflegestätten und Ausweichkrankenhäuser verlegt, offiziell um Bettenplätze für die zunehmende Anzahl von Kriegsverletzten freizumachen.

Vielfach wurden sie dort durch gezielte Vernachlässigung, Verhungernlassen oder durch eine Überdosierung von Medikamenten getötet. Die "Aktion Brandt" wird deshalb als "regionalisierte Euthanasie" oder als "dezentrale Euthanasie" bezeichnet. Sie stand in der Nachfolge der "T 4-Aktion", der gezielten "Euthanasie"-Ermordung von psychiatrischen Patientinnen und Patienten, die auf Grund des Widerstandes von Kirchenvertretern beider Konfessionen und von Teilen der Bevölkerung sowie einiger Anstalten im August 1941 offiziell eingestellt worden war.

Karl Brandt wurde im Jahre 1947 bei dem Nürnberger "Ärzteprozess" als einer der Hauptverantwortlichen der NS-"Euthanasie"-Verbrechen zum Tode verurteilt und im Jahr darauf hingerichtet.

Die "Krankenhaus-Anlage-Wintermoor” wurde 1942/43 als Hamburger Ausweichkrankenhaus mit Zwangsarbeitern, sowjetischen Kriegsgefangenen und italienischen Militärinternierten aufgebaut, unter der Leitung der "Organisation Todt" (OT), einer paramilitärisch gegliederten Sonderorganisation des NS-Staates, die kriegswichtige Bauprojekte durchführte. Nach dem Unfalltod ihres Gründers und Organisators Fritz Todt im Februar 1942 wurde die Leitung Albert Speer, Reichsminister für Bewaffnung und Munition, übertragen. Elf sowjetische Kriegsgefangene von etwa 100 Kriegsgefangenen des Außenlagers StaLag (Stammlager) Sandbostel, die in einer Holzbaracke in Ehrhorn untergebracht waren und beim Aufbau des Krankenhauses Wintermoor ums Leben kamen, sind namentlich bekannt. Polnische Zwangsarbeiterinnen arbeiteten im Krankenhausbetrieb in der Küche und als Reinigungskräfte.

Stand: Oktober 2021
© Margot Löhr

Quellen: Standesamt Hamburg 1b, Geburtsregister, 513/1944 Serge Duvert; Standesamt Ehrhorn/Krs. Soltau, Sterberegister Nr. 81/1944 Serge Duvert; Heiratsregister Nemours/Frankreich, Mai 1941; StaH 131-1 II, 518 Listen der während des Zweiten Weltkrieges in Hamburg verstorbenen und beigesetzten ausländischen Zivilarbeiter, S. 85, S. 176; 131-1 II_2721 Listen der Gräber von im Zweiten Weltkrieg verstorbenen ausländischen Zivilisten auf Hamburger Friedhöfen, S. 31; StaH 332-8, A 48 Alphabetische Meldekartei der Ausländer 1939–1945; StaH 332-8 Meldewesen, Hausmeldekartei, 741-4 Fotoarchiv, K 2357 Sportstraße DAF Lager; ITS Archives, Bad Arolsen, Copy of Krankenhausliste Krankenhaus Alsterdorf 2.1.2.1 / 70646154, Geburtsurkunde 2.2.2.3 / 76949521 Serge Duvert, Sterbeurkunde 2.2.2.4 / 77083252 Serge Duvert, Duvert Helene Doku 2.3.3.2 / 78003117, 2.2.2.1 / 72134972, Duvert Serge Doku 2.3.3.2 / 78003119, DE ITS 2.1.2.1 HA 001 11 FRA ZM/70646945/70642598, DE ITS 2.1.2.1 HA 001 11 NiE ZM/70647749, DE ITS 2.1.2.1 HA 001 9 RUS ZM/70646387; http://www.zwangsarbeit-in-hamburg.de, eingesehen 17.2.2016; https://archiv-wintermoor.de/allgemein/zwangsarbeit, eingesehen 12.1.2017; www.gedenkorte-europa.eu/de_de/article-organi sation-todt-ot.html, einges. 12.1.2017; Archiv Friedhofsverwaltung Ohlsdorf, Beerdigungsregister 1944.

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