Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Walter Ehrenhaus * 1872

Eppendorfer Baum 18 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
WALTER EHRENHAUS
JG. 1872
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 3.1.1943

Weitere Stolpersteine in Eppendorfer Baum 18:
Selma Ehrenhaus, Johanna Fröschel

Selma Ehrenhaus, geb. Fröschel, geb. 2.2.1879 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, auf den 5.4.1943 für tot erklärt

Walter Ehrenhaus, geb. 16.12.1872 in Berlin, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, Tod dort am 3.1.1943

Johanna Fröschel, geb. 11.7.1877 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, weiter deportiert 21.9.1942 nach Treblinka, dort ermordet

Eppendorfer Baum 18

Selma Ehrenhaus, geb. Fröschel, geb. 1879 in Hamburg, heiratete am 29. April 1905 in Hamburg den sechs Jahre älteren Kaufmann Walter Oscar Ehrenhaus, zugezogen aus Berlin. Bis dahin wohnte sie bei ihren Eltern in der Hansastraße 81, er in der Grindelallee 150 bei Ida/Jenny Ehrenhaus, der Witwe seines Onkels Lazarus/Louis. Am 25. Mai 1905 trat er als Gesellschafter in die Firma seines Schwiegervaters ein.

Die Wurzeln der Familie Ehrenhaus lagen in Schlesien. Walter Ehrenhaus’ Großvater Löbel stammte aus Breslau, seine Großmutter Johanna Ehrenhaus, geborene Schlesinger, kam aus Friedrichswille, polnisch Gorniki, im Landkreis Tarnowskie. Dort wurden ihre Tochter Sophie sowie die Söhne Nathan (1838) und Lazarus (1843) geboren. Beide Söhne wurden später Kaufleute und zogen nach Berlin bzw. nach Hamburg, wo sie eigene Familien gründeten.

Nathan Ehrenhaus heiratete die vierzehn Jahre jüngeren Klara Rosalie, geb. Flesch, geb. 1852 in Berlin. Er brachte es als Möbelfabrikant zum Hoflieferanten. Ihrem ersten Kind, Arthur (1871), folgten Walter Oscar (1872), Antonie Friederike (1876) und 1879 schließlich Johannes Wilhelm, der 1900 mit nur 21 Jahren starb.

Lazarus/Louis Ehrenhaus ging wie sein älterer Bruder die Ehe mit einer vierzehn Jahre jüngeren Frau ein, Ida/Jenny Horwitz, geb. 1858 in Hamburg. Dort kamen Hugo (1881) und Johanna (1883) zur Welt. 1884 zog Lazarus Ehrenhaus mit seiner Familie nach Berlin, wo er am 9. November 1894 starb und wo er beerdigt wurde.

Ida/Jenny Ehrenhaus erwartete ihr drittes Kind. Nach Berliner Recht erhielt sie die Vormundschaft für Hugo und Johanna. Sie kehrte am 1. April 1895 nach Hamburg zurück und fand eine Wohnung im Grindelviertel. Dort wurde im Mai 1895 Lissy Louise geboren, als Hugo gerade seine Schulpflicht beendete.

In Hamburg galten andere Vormundschaftsgesetze als in Berlin. Ida/Jenny Ehrenhaus wurde ein Beistand für Vermögensfragen zugeordnet. Ihr Ehemann hatte kein Vermögen hinterlassen, jedoch besaß ihr Vater, der "Lotterieeinnehmer" Nathan Horwitz, also der Großvater der Kinder, ein Grundstück in Hamm-Horn, das zu Gunsten der Enkel belastet wurde.

Hugo Ehrenhaus ging eine im lutherischen Hamburg ungewöhnliche "Mischehe" mit einer Katholikin ein: 1905 heiratete er die kunstgewerbliche Malerin Margarethe Winter. Aus ihrer Ehe gingen zwei Kinder hervor, Hans Louis (1906) und Liese-Lotte Ehrenhaus (1907). Vom 1. April 1909 bis zum 10. Oktober 1939 arbeitete Hugo Ehrenhaus als selbstständiger Handelsvertreter.

Hugos Schwester Lissy Ehrenhaus erlernte den Beruf einer Stenotypistin und zog nach Berlin, wo ihre Großeltern Nathan und Klara Ehrenhaus und ihre Tante Antonie Friederike noch wohnten. 1915 starb der Großvater im Alter von 77 Jahren.

Die Kusinen Johanna und Selma Fröschel stammten aus einer in Hamburg etablierten Familie. Ihr Großvater, der Tapezier (Polsterer und Dekorateur) Isaac Jonas Fröschel (1809 in Hamburg), verheiratet mit Betty, geb. Heymann (1808 in Altona), betrieb seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Isestraße 56 in Hamburg-Harvestehude eine Werkstatt.

Als Betty Fröschel 1882 starb, wohnte sie zwar in Hamburg (neuer Steinweg 93), wurde aber im damals dänischen Ottensen beerdigt, wo die Deutsch-Israelitische Gemeinde Hamburg (DIGH) ihren ersten eigenen Friedhof erworben hatte. Ein Jahr später (1883) wurde dann der Friedhof der DIGH an der Ilandkoppel in Ohlsdorf eröffnet. Als Isaac Jonas Fröschel 1896 starb, wurde er dennoch in Ottensen beigesetzt. Sein Sohn Hermann, der Vater Johannas, war das erste Familienmitglied, das in Ohlsdorf beigesetzt wurde (Doppelgrab Grablage A 13 13).
Wir wissen von drei weiteren Kindern aus Betty und Isaac Jonas Fröschels Ehe: Die später nach Berlin verzogenen Adolf Fröschel (1838 – 1916) und Jeanette, verheiratete Ahronheim (1841 – 1920) sowie Leo (1844 – 1918), der Vater Selmas.

Weder Hermann noch Leo Fröschel folgten beruflich ihrem Vater. Ihr Geschäftsfeld war "Agenturen und Commission". Leo Fröschels Firma wurde am 9. Dezember 1878 im Handelsregister eingetragen und er erhielt einen Börsenplatz. 1890 verzeichnete das Hamburger Adressbuch die Brüder in der Neustadt, Hermann Fröschel in der Wexstraße 6, Leo Fröschel in der Amelungstraße 6. Da hatten sie bereits Familien gegründet.

Hermann Fröschel verlegte sein Geschäft in die Colonnaden 13. Er heiratete Julie Ahronheim aus Waren an der Müritz in Mecklenburg (1850 – 1933). Wir kennen drei ihrer Kinder: Johanna (1877), Ludwig (1880) und Berthold (1884). Ludwig starb bereits 1894. Johanna wurde Putzmacherin, Berthold Kaufmann.

Nur eineinhalb Jahre nach seinem Vater Isaac Jonas starb 1897 Hermann Fröschel. Seine Witwe blieb zunächst mit den Kindern Johanna und Berthold Colonnaden 13 wohnen. Als Johanna ihre Volljährigkeit erreicht hatte, meldete sie dort auch ein Gewerbe als Modistin an. 1904 zog Julie Fröschel mit ihren Kindern in die Grindelallee 15. Dort brachte Johanna 1907 einen Sohn zur Welt, der nur drei Wochen alt wurde.

Leo Fröschel heiratete die ältere Schwester von Ida/Jenny Ehrenhaus, Rosalie, geborene Horwitz, geb. 4.1.1853 in Hamburg. 1875 wurde ihr Sohn John geboren, 1879 die Tochter Selma. Die Schulbildung der Kinder entsprach ihrem bürgerlichen Stand. Vermutlich lernte Selma schon als Kind Geige spielen.
Nur von John ist bekannt, dass er eine öffentliche Schule besuchte. Wie viele andere jüdische Söhne, absolvierte er das Wilhelm Gymnasium. Anschließend studierte er Elektrotechnik und wurde Ingenieur. Selma schloss offenbar keine Berufsausbildung ab.

Mit dem Aufbau des Grindelviertels (in den 1890er Jahren) verlegte auch Leo Fröschel den Familienwohnsitz von der Neustadt in die Grindelallee, bis er 1908 wieder in die Isestraße 56 zurückkehrte. Zumindest zeitweilig lebte die Familie auch in Blankenese.

Im Laufe der Jahre wandelten sich Leo Fröschels Geschäftstätigkeiten. Zu ihnen gehörten die Ausstattung von Zigarrenkisten und die lithographische Anfertigung von Reklame-Plakaten, "auch in Glas", wie er im Branchenverzeichnis annoncierte. Er wurde "Mitglied eines Ehrbaren Kaufmanns", wie der Name sagt, ein Zusammenschluss von Kaufleuten in Hamburg, denen Anstand in beruflichen wie persönlichen Dingen eine Frage der Ehre war und noch ist.

Wann Leo Fröschel in die Deutsch-Israelitische Gemeinde eintrat, ist nicht bekannt. In der 1913 eingeführten Kultussteuerkartei wurde er bereits als steuerpflichtiges Mitglied geführt.
Leo, Rosalie und John Fröschel verstanden sich als religiöse Dissidenten – was nach den Statuten der DIGH eine Mitgliedschaft nicht ausschloss, die Mitglieder konnten der Gemeinde angehören, ohne einer der religiösen Vereinigungen beizutreten.

1895, mit 20 Jahren, verließ John Fröschel Hamburg und zog nach Rhina in Baden, nach Darmstadt und 1920 offenbar endgültig nach Italien. Er heiratete eine Kölnerin. Ihre beiden älteren Kinder, Ilse (1905) und Heinz (1907) wurden in Genua geboren, Egon (1909) in Darmstadt. 1915, also während des Ersten Weltkriegs, reiste Leo Fröschel zur Familie seines Sohnes in die Schweiz, 1917 noch einmal zusammen mit seiner Ehefrau Rosalie Fröschel. Ob sie sich dort lediglich im Urlaub trafen oder ob John dort lebte, ist uns nicht bekannt. Nur besuchsweise kehrte er zu seinen Eltern zurück.

Aus den Angaben in ihren Pässen geht hervor, dass Leo Fröschel wie seine Ehefrau Rosalie von mittlerer Statur war und sie beide ein ovales Gesicht hatten. Ihr Haar war meliert, seines dunkel, ihres grau. Ihre Augen unterschieden sich in der Farbe, Leo Fröschels waren grau, Rosalies braun. Die Enkelkinder waren blond, Heinz hatte graue Augen, Ilse blaugrüne. Auch sie waren von mittlerer Statur und hatten ovale Gesichter.

Selma verließ ihr Elternhaus 1905 mit 26 Jahren, um zu heiraten. Ihr Ehemann, Walter Oscar Ehrenhaus, kam aus Berlin. Sein Zuzug datiert vom 6. Januar 1905 mit der polizeilichen Anmeldung bei seiner Tante Ida/Jenny Ehrenhaus. Trauzeugen bei ihrer Heirat am 29. April 1905 waren beider Väter. Das junge Ehepaar bezog eine Mietwohnung Schlump 23. Walter Ehrenhaus’ Vater Nathan trug zur Einrichtung der Wohnung mit stilvollen Möbeln bei. Am 4. September 1906 brachte Selma Ehrenhaus ihr erstes Kind zur Welt, den Sohn Rudolf Eduard, am 30. September 1908 die Tochter Ellen Marie.

1912 hatte Walter Ehrenhaus die Voraussetzungen für den Erwerb der hamburgischen Staatsangehörigkeit erfüllt und stellte den entsprechenden Antrag auf Einbürgerung. Er war unbescholten, konnte ein zu versteuerndes Einkommen von 5433 Mark für das Jahr 1911 nachweisen und hatte keine Armenunterstützung in Anspruch genommen. Unter Aufgabe seiner preußischen Staatsangehörigkeit wurde er zusammen mit seiner Ehefrau Selma und den Kindern Rudolf Eduard und Ellen Marie am 21. Mai 1912 in hamburgischen Staatsverband aufgenommen.

Am 11. Oktober 1915 erhielt Rosalie Fröschel Prokura für die Firma ihres Ehemannes und ihres Schwiegersohnes Walter Ehrenhaus. Kriegsbedingt geriet die Firma in finanzielle Schwierigkeiten. Leo Fröschel blieb Mitinhaber seiner Firma, betätigte sich dann aber als Handelsvertreter mit der Adresse Fuhlentwiete 51/53. Unmittelbar nach Kriegsende, am 18. September 1918, starb er und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf in einem Doppelgrab beigesetzt (Grablage B 9 232/233). Rechtzeitig vor der Beerdigung am 23. September traf sein Sohn John bei seiner Mutter in der Isestraße 56 ein.

Mit dem Tod schied Leo Fröschel als Gesellschafter seiner Firma aus, am 13. März 1919 erlosch die Prokura für Rosalie Fröschel.

Nur einmal besaß Selma Ehrenhaus selbst einen Pass, gültig für’s Inland von Juni 1918 bis Juni 1919. Darin wird sie als mittelgroß und dunkelblond mit ovalem Gesicht und grauen Augen beschrieben. Als besonderes Kennzeichen wird ein Fehler im linken Auge angeführt. Ob und wann Selma Ehrenhaus ihren Pass nutzte, ist nicht bekannt. Walter Ehrenhaus hat offenbar nie einen Pass besessen.

Am 26. Oktober 1918 starb Lissy Luise Ehrenhaus, Walter Ehrenhaus’ Kusine, im Israelitischen Krankenhaus in Berlin. Ihr Leichnam wurde nach Hamburg überführt und in einem Doppelgrab, Grablage C 9 162, auf dem Jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel beigesetzt.

Leo Fröschels Witwe Rosalie verfügte nun über kein Einkommen mehr und wurde von Angehörigen unterhalten. Sie wohnte bis zu ihrem Tod am 10. Oktober 1923 in der Husumer Straße 19 in Hamburg-Hoheluft Ost zusammen mit ihrer ebenfalls verwitweten Schwester Ida/Jenny Ehrenhaus und deren lediger Tochter Johanna, die am Eppendorfer Baum 1 ein Konfitürengeschäft führte. Rosalie Fröschel wurde an der Seite ihres Ehemannes Leo beigesetzt.

Noch während des Ersten Weltkriegs bezogen Walter und Selma Ehrenhaus mit ihren Kindern Rudolf und Ellen eine 5-Zimmer-Wohnung Eppendorfer Baum 18. Danach, am 15. Januar 1919, trat Walter in die DIGH ein. Bis zum Ende der Inflation 1923 entrichtete er Mindestbeiträge. Die Firma erholte sich nicht wieder und erlosch am 23. Januar 1924.

Nach dem Verlust der Firma arbeitete Walter Ehrenhaus zunächst als Buchhalter. Bis 1926 erzielte er ein Einkommen, das jedoch ständig sank, bis er 1927 nicht mehr steuerpflichtig war. Es erlaubte dennoch die feste Anstellung einer Zugehfrau, Frau Emma S., die auch noch nach 1929 Selma Ehrenhaus gelegentlich half.

Julie Fröschel und ihre Tochter Johanna konnten 1926 ihre Wohnung in der Grindelallee nicht mehr halten und bezogen im "Nanny Jonas-Stift" in der Agathenstraße 3 in Eimsbüttel eine Drei-Zimmer-Wohnung. Das Stift wurde von der Jüdischen Gemeinde verwaltet.

Johanna Fröschel konnte immer weniger mit den Putzgeschäften konkurrieren. Das hatte auch gesundheitliche Gründe, sie war zu 40 % erwerbsunfähig. Von Geburt an war sie infolge einer Fußlähmung erheblich gehbehindert, was sich auch durch orthopädische Stiefel nicht beheben ließ. Inzwischen zudem schwerhörig und "nervenschwach", wandte sie sich an die Wohlfahrt, um Unterstützungsleistungen zu erhalten.

Allein ihr Bruder Berthold hätte seiner Mutter und seiner Schwester helfen können, hatte aber eine eigene Familie zu ernähren. Seine nichtjüdische Ehefrau Gertrud Helene, geb. Neubacher, stammte aus einer evangelischen Arbeiterfamilie. Berthold Fröschel starb 1927. Er hinterließ ein oder zwei Kinder, die Angaben sind widersprüchlich.

Nach der Feststellung, dass es keine "unterstützungsfähigen" Angehörigen gab, erhielt Johanna Fröschel Unterstützungsleistungen für Stiefelreparaturen und laufende Hilfe für den gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter. Ein Antrag Johannas auf einen Erholungsaufenthalt in St. Andreasberg im Harz erledigte sich dadurch, dass sie 1928 von privater Seite zur Erholung nach Baden-Baden reisen konnte. Die Fürsorge bewilligte ihr und der Mutter eine Haushilfe.

Einmalig zahlte Walter Ehrenhaus 1930 einen geringen Gemeindebeitrag von 6 RM. Nach der Weltwirtschaftskrise betätigte er sich zwar als Vertreter, erreichte aber kein nennenswertes Einkommen mehr und wurde folglich auch nicht mehr zur Gemeindesteuer herangezogen.

In die Husumer Straße 19, wo nach dem Tod von Rosalie Fröschel ihre Schwester Ida/Jenny Ehrenhaus mit der Tochter Johanna wohnen blieb, zog 1930 ein Untermieter ein, der Angestellte Karl Schwarz, geb. 1876, der bis dahin Eppendorfer Baum 1 gewohnt hatte. Er heiratete Johanna Ehrenhaus. Gemeinsam führten sie ein gut gehendes Schokoladengeschäft.

Die mit der Machtübergabe an Adolf Hitler am 30. Januar 1933 verbundenen Einschnitte in das Leben von Regimegegnern und -gegnerinnen, die auch die jüdische Bevölkerung betrafen, erfassten auch die durch den Ersten Weltkrieg, die Inflationszeit und die Weltwirtschaftskrise gebeutelten Familien Fröschel und Ehrenhaus.

Schon vorher hatte Ellen Marie Ehrenhaus Partei gegen Hitler ergriffen. Wie ihr Bruder Rudolf besuchte sie eine Privatschule. Nach der Sekundareife arbeitete sie als Kinderpflegerin, bis sie 1925 eine kaufmännische Lehre begann. Sie wurde Kommunistin und nahm ab 1927 zusammen mit anderen Frauen aktiv an kleinen Aktionen teil.

Aufgrund einer Rippenfellentzündung und anschließender Lungentuberkulose konnte sie nicht unmittelbar nach Abschluss der Ausbildung eine Berufstätigkeit aufnehmen. Erst 1933 wurde sie als Büroangestellte tätig, kam dann aber schon am 2. Oktober 1933 unter dem Vorwurf der Vorbereitung zum Hochverrat in Schutzhaft. Ohne Anklage, aber misshandelt, wurde sie am 29. Dezember 1933 wieder entlassen.

Am 12. Dezember 1933 starb Julie Fröschel nach langer Krankheit. Fast ein Jahr lang hatte ihre Tochter Johanna sie in ihrer Wohnung gepflegt. Julie wurde bei ihrem Ehemann Hermann, den sie um 36 Jahre überlebt hatte, beigesetzt (Grablage Jüdischer Friedhof Ohlsdorf A 13 14). Johanna wäre gern in der Wohnung in der Agathenstraße geblieben und hätte untervermietet. Das war jedoch nicht gestattet, so dass sie sich eine andere Bleibe suchen musste. Am 17. September 1935 zog sie in das Martin-und-Clara-Heimanns-Stift in der Martinistraße 83 in Hoheluft-Ost gegenüber vom Universitätskrankenhaus Eppendorf.

Rudolf Ehrenhaus besuchte ebenfalls eine Privatschule. Er wurde Elektriker und Ingenieur wie sein Onkel John Fröschel, der Bruder seiner Mutter, fasste aber nicht richtig Fuß. Er verließ sein Elternhaus und wohnte Dillstraße 8. Im April 1933 zog er mit unbekannter Adresse weg. Möglicherweise bezieht sich diese Angabe auf der Steuerkarteikarte der Jüdischen Gemeinde auf seinen Aufenthalt in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg. Unterlagen aus der Anstalt liegen nicht mehr vor.
Rudolf Ehrenhaus zog noch einmal zu seinen Eltern, bevor er sich am 29. September 1934 in Garstedt das Leben nahm. Nach einer späteren Aussage seiner Schwester Ellen waren die Gründe dafür Arbeitslosigkeit und die fehlende Aussicht auf eine neue Tätigkeit. Sein Leichnam wurde nach Hamburg überführt und auf dem Jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel in einem Einzelgrab (Grablage O 3 467) bestattet.

Im folgenden Jahr, 1935, heiratete Ellen Ehrenhaus den gleichaltrigen Josef Seifert, geb. 26.3.1908, von Beruf Klempner und Heizungsmonteur und ebenfalls für die KPD aktiv. Im selben Jahr schickte die Lungenfürsorge sie nach Mölln zu einer Kur, aus der sie 1937 arbeitsfähig zurückkehrte.

Ida/Jenny Ehrenhaus, die ihren Neffen Walter 32 Jahre zuvor in Hamburg aufgenommen hatte, starb am 11. September 1937 im Israelitischen Krankenhaus in Hamburg. Ihr Tod wurde dem Standesamt von der Kripo mitgeteilt, als gäbe es keine Angehörigen mehr. Sie wurde bei ihrer Tochter Lissy Luise auf dem Jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel beigesetzt. (Grablage C 9 163) Ida/Jenny Ehrenhaus hatte ihren Ehemann Lazarus/Louis um 41 Jahre überlebt und blieb nun auch im Tod von ihm getrennt.

Johanna Fröschels Wohnung im Heimannstift im 2. Stockwerk war nicht nur ungeeignet wegen ihrer Gehbehinderung, sondern sie war auch kalt, feucht und zugig. Die Fürsorge erkannte an, dass die Unterkunft unbewohnbar war und unterstützte einen Umzug im Juli 1936 in die Bogenstraße 24. Dort lebte sie in einem Zimmer mit Notküche. Von da an wechselte sie mehrfach die Vermieter, bis sie im Juni 1937 zu ihren Verwandten Ehrenhaus zog, die inzwischen eine 4-Zimmer-Wohnung in der Hegestraße 23, ebenfalls im 2. Stockwerk, bewohnten.

Im Mai 1938 wanderte Walter Ehrenhaus’ Kusine Johanna Schwarz mit ihrem Ehemann Kurt nach Südafrika aus. Sie ließen sich in Bloemfontein nieder, wo Johanna 1968 starb. Auswanderungspläne von Verwandten sind nicht bekannt.

Walter und Selma Ehrenhaus nahmen ihre Möbel auch in die immer kleineren Behausungen mit. Ihr Radio mussten sie mit Beginn des Polenfeldzugs im September 1939 an die Gestapo abliefern, Walters Fahrrad, die Schreibmaschine und Nähmaschine blieben ihnen, bis sie 1941 von der Gestapo gezwungen wurden, sie abzuliefern. Doch anders als andere verarmte jüdische Familien, verkauften sie keine Teile ihres Hausstands. Wie eine Fürsorgerin in Johanna Fröschels Akte schrieb, "schlugen [sie] sich schlecht und recht" durch, indem sie Zimmer vermieteten und von Tür zu Tür Handel betrieben, Selma mit selbstgemachter Seife. Schließlich wandten sie sich an die Jüdische Wohlfahrt, der der NS-Staat mittlerweile die Fürsorge für Jüdinnen und Juden aufgebürdet hatte, und wurden ab 1. Januar 1941 von der Seite unterstützt.

Für Johanna Fröschel war jede ihrer Wohnsituationen unbefriedigend. Jedes neue Quartier musste billiger sein als das vorherige. 1939 übergab die staatliche Fürsorge sie an die Jüdische Wohlfahrt. Schließlich, 12. Januar 1940, brachte die Jüdische Gemeinde, die nun Jüdischer Religionsverband hieß, Johanna Fröschel im Heim II in der Schlachterstraße 40 unter.

Nachdem der Mieterschutz für Juden aufgehoben war, mussten im August 1940 auch Selma und Walter Ehrenhaus ihre Wohnung in der Hegestraße aufgeben und sich jüdische Vermieter suchen. Sie bezogen in der Schlachterstraße 46/47 eine 2 ½ -Zimmerwohnung mit Küche. Trotz der räumlichen Enge nahmen sie wieder ihren gesamten Haushalt mit und stapelten die Möbel bis unter die Decke, wie Frau S. bezeugte. Dieser wurde nach ihrer Deportation zugunsten des Deutschen Reichs versteigert, der Auktionator bezeichnete ihn als alt, aber solide, gut bürgerlich, doch unmodern. Den Erlös überwies er der Hamburger Finanzverwaltung.

Mit der Einführung des "Judensterns" am 1. September 1941 wurden Walter und Selma Ehrenhaus und Johanna Fröschel auch äußerlich stigmatisiert, nachdem sie schon seit August 1938 ein "J" in ihren Pässen und seit Oktober die Zwangsnamen "Sara" und "Israel" tragen mussten.

Im Oktober 1941 begannen in Hamburg die Deportationen der Jüdinnen und Juden bis zur offiziellen Altersgrenze von 65 Jahren zum angeblichen Aufbau im Osten, was die befassten örtlichen Gestapostellen nicht immer einhielten. Selma, Walter Ehrenhaus und Johanna Fröschel wurden für das "Altersgetto Theresienstadt" vorgesehen, eine Kleinstadt mit ehemaliger Garnison in Böhmen. Doch Walter Ehrenhaus’ in Berlin lebende Schwester Antonie, die bereits 65 Jahre alt war, wurde am 23. Januar 1942 nach Riga deportiert. Ein halbes Jahr später mussten auch ihre Hamburger Verwandten den Zug besteigen, für sie ging es nach Theresienstadt.

Wie alle untergeordneten Stellen musste auch der Jüdische Religionsverband in Hamburg für die "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" Heimeinkaufsverträge mit den Vermögenderen unter den Betroffenen abschließen und den Erlös auf ein Konto überweisen, auf das das Reichssicherheitshauptamt Zugriff hatte. Pro Person wurden Summen für angeblichen Unterhalt und Logis berechnet, ihr Vermögen darüber hinaus ebenfalls eingezogen, um den Aufenthalt minderbemittelter Deportierter zu finanzieren. Von der Wohlfahrt abhängig, konnten Walter und Selma Ehrenhaus und Johanna Fröschel keinen Beitrag leisten und gehörten so zur zweiten Gruppe.

Zur zweiten Theresienstadt-Deportation aus Hamburg am 19. Juli 1942 wurden auch die Eheleute Ehrenhaus und Johanna Fröschel aufgerufen. Der Transport umfasste 771 Personen, die sich am Tag vor der Abreise in der Schule Schanzenstraße versammeln mussten. Von dort schickte Selma Ehrenhaus noch eine Postkarte an Frau S.. Danach gab es keine weiteren Nachrichten von den drei Deportierten.

Bei ihrer Ankunft in Theresienstadt wurden die Neuankömmlinge nach Geschlecht getrennt. Wo Walter Ehrenhaus und die beiden Frauen unmittelbar danach untergebracht und eventuell tätig waren, ist nicht bekannt. Vor der Ankunft des Hamburger Transports waren die alten Straßennamen des Wohnbezirks durch Buchstaben – L für Längsstraßen, Q für Querstraßen – ersetzt worden. Spätestens im Januar 1943 wohnte das Ehepaar Ehrenhaus in Q 310, Walter in Zimmer 6, Selma in Zimmer 13. Vorher hatte Q 3 "Badehausgasse" geheißen.

Theresienstadt war eine Durchgangsstation in die Vernichtungslager. Mit "Evakuierungstransporten" wurden Tausende von Bewohnerinnen und Bewohnern in andere Gettos oder Konzentrationslager transportiert. Das betraf auch Johanna Fröschel. Sie wurde bereits am 21. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka weiter deportiert, das erst vier Monate zuvor fertig gestellt wurde. Ihre Ermordung erfolgte unmittelbar nach ihrer Ankunft. Sie wurde 65 Jahre alt.

In Q 310 starb Walter Ehrenhaus am 3. Januar 1943 um 15.10 Uhr an einer Sepsis, wie der jüdische Arzt Karl Bergmann bescheinigte. Aus der Todesfallanzeige geht hervor, dass die Beisetzung zwei Tage später um 15 Uhr stattfand. Er wurde in dem seit September 1942 arbeitenden Krematorium eingeäschert, der Verbleib der Urne ist ungewiss. Den Großteil der Asche aus den Urnen mussten Häftlinge auf Befehl der Kommandantur kurz vor Kriegsende in die Eger schütten.

Selma Ehrenhaus’ Todesfallanzeige ist nicht erhalten. Sie starb am 5. April 1943 im Alter von 64 Jahren. Walter Ehrenhaus war 70 Jahre alt geworden.

Nach Theresienstadt, als "auswärtiger Arbeitseinsatz" bezeichnet, wurden im Februar 1945 auch ihre Tochter Ellen Seifert und Walter Ehrenhaus’ Vetter Hugo Ehrenhaus beordert. Ellen Seifert wurde aus gesundheitlichen Gründen zurückgestellt, nicht aber Hugo Ehrenhaus. Er arbeitete bei der Gebäudeerhaltung als Ofensetzer und Schornsteinfeger.
Nach der Befreiung des Gettos durch die Rote Armee kehrte er im Juni 1945 nach Hamburg zu seiner Familie zurück.

Ellen Seiferts Ehe wurde 1948 geschieden, sie ging eine zweite Ehe ein.

Stand: Februar 2023
© Hildegard Thevs

Quellen: 1, 3, 4, 5, 7, 8; Hamburger Adressbücher; StaHH 213-13, 8903, 29202; 231-1, 6305 Vormundschaftssachen; 231-7 Handelsregister, A 1 Band 46 Nr. 1119; 332-5 Personenstandsregister; 332-7 Staatsangehörigkeit, B III 114 032; 332-8 Meldewesen, 741-4 Fotoarchiv K 6033, 6099; Passprotokolle, A 24 Band 382, 383; 351-14 Fürsorge, 1146; 351-11 Wiedergutmachung, 5242, 34003; 522-1, jüdische Gemeinden, 992 e 2 Bd 1-5; H.G. Adler, Theresienstadt 1941-1945, Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft, Göttingen 2005; Wolfgang Benz, Theresienstadt, Eine Geschichte von Täuschung und Vernichtung, München 2013; https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCdischer_Friedhof_Ottensen; https://www.jüdischer-friedhof-altona.de/datenbank.html; https://sternschanze1942.wordpress.com/2018/09/17/uber-die-judenhauser-im-viertel/; alle abgerufen 6.2.2023; freundliche Mitteilungen von Uri Shani, Israel, 2022/2023.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang