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Fanni Frimeta Deutschländer * 1880

Grindelallee 148 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
FANNI FRIMETA
DEUTSCHLÄNDER
JG. 1880
DEPORTIERT 1941
RIGA
ERMORDET

Fanni Frimeta Deutschländer, geb. 27.8.1880 in Hamburg, deportiert am 6. Dezember 1941 nach Riga/Jungfernhof

Grindelallee 148

Fanni Frimeta Deutschländer kam zusammen mit ihrem Zwillingsbruder Iska Eduard am 27. August 1880 in Hamburg zur Welt. Ihre beiden älteren Brüder, Max Wilhelm und Franz, waren noch in Altona geboren worden, wo der Vater, Moses Deutschländer, als Lehrer an der Jüdischen Gemeindeschule arbeitete.

Moses Deutschländer, geb. am 3.9.1852 im damaligen ungarischen Puchó, heute Slowakei, war Sohn des Rabbiners Samuel und seiner Ehefrau Franziska, geb. Schönthal. Er hatte wie sein Bruder Nathan die Jeschiwa (= jüdische Lehranstalt für das Studium der Thora) in Eisenstadt besucht. Beide wurden Lehrer: Nathan 1869 bei der Gründung der orthodoxen Jüdischen Gemeinde Adass Jisroel in Berlin, Moses am 1. April 1875 in Altona. Moses absolvierte zunächst noch das "Königliche Seminar für Stadtschulen" in Berlin und bestand trotz seiner sprachlichen Schwierigkeiten die Prüfung am 16. März 1875 mit gutem Erfolg.

Er wurde als Erster Lehrer an der Israelitischen Gemeindeschule zu Altona eingestellt. Altona gehörte damals zu Holstein, weshalb er die zweite Lehrerprüfung am 1. Oktober 1879 am Holsteinischen Lehrerseminar in Segeberg ablegen musste. Bei der Altonaer Gemeindeschule handelte es sich um eine achtklassige Schule für Jungen und Mädchen. Parallel zu seiner Schultätigkeit in Altona leitete Moses Deutschländer in Hamburg eine private Handelsschule und erteilte selbst Unterricht in Handelsfächern.

Am 26. September 1876 schloss Moses Deutschländer die Ehe mit Angelica, geb. Brasch, geb. 22.5.1853 in Hamburg, und heiratete damit in eine hoch gebildete sefardische Familie ein. Der Vater Meyer Wolff Brasch arbeitete als Lehrer und beeidigter Übersetzer, die Mutter Ester, geb. Meldola, stammte väterlicherseits von Kantoren und Übersetzern ab, die aus Amsterdam nach Hamburg gekommen waren. Ihr Vater David Eliasib war außerdem Hebräischlehrer, ihr Großvater Abraham auch Notar. Sie spielten in der Portugiesisch-Jüdischen und in der Hamburger Tempelgemeinde bedeutende Rollen.

Angelica Deutschländer war als Lithographin und Zeichenlehrerin unter derselben Adresse wie ihr Ehemann selbstständig tätig. Zwischen 1878 und 1887 brachte sie neun Kinder zur Welt: Max Wilhelm und Franz, das erste Zwillingspaar Fanni Frimeta und Iska Eduard, Arnold (1882), ein Jahr später Friederike Sulamith, genannt Frieda, Elsa Ester (1886) und 1887 die Zwillinge Rafael Georg und Samuel Ferdinand. Samuel wurde nur ein Jahr alt, Rafael starb mit 19 Jahren. Zehn Jahre später, am 20. Januar 1898, kam als Nachkömmling ihr zehntes Kind zur Welt, Natalie Auguste.

Max wurde 1885 schulpflichtig und besuchte die Jüdische Gemeindeschule in Altona, obwohl die Familie inzwischen nach Hamburg gezogen war. Ob alle Kinder die Schule ihres Vaters besuchten, ist nicht bekannt. Die Söhne schlugen kaufmännische Laufbahnen ein, Fanni und Auguste wurden Kontoristinnen, Elsa besuchte ein Lehrerinnenseminar und wurde Volksschullehrerin. Sie war die einzige, die beruflich ihren Eltern nachkam. Keines der Kinder folgte in die geistlichen Ämter ihrer Großväter.

Während ihre Geschwister das Elternhaus verließen, blieb Fanni ledig und wohnte bei ihren Eltern, bis auch der Vater 1934 starb.

Als Erster verließ ihr Bruders Franz das Haus. Mit 19 Jahren wanderte er im Dezember 1898 in die USA aus, heiratete und wurde in Detroit ansässig. 1906 heiratete Fannis ältester Bruder, Max. Seine Ehefrau, Hanna Pfifferling, stammte auch aus einer orthodoxen Familie. 1908 und 1909 wurden die Söhne Erich und Alfred geboren. Max Deutschländer kehrte nach Ende des Krieges (WK I) nach Hamburg zurück und wurde ein erfolgreicher Bücherrevisor.

Fannis Zwillingsbruder Eduard zog nach Königsberg und heiratete dort 1911 die Zahnärztin Ida Freudenheim. Ausgebildet als Kaufmann, wurde er Bankbeamter. Er starb bereits 1923 mit nur 43 Jahren.

1913 heiratete Arnold Deutschländer und gründete eine Familie. Er und Fanni verloren als einzige der Kinder Angela und Moses Deutschländers ihr Leben in der Shoah.

Friederike Schulamith, genannt Frieda, verheiratet mit Joseph Rosenstein, wanderte in die USA aus, wo sie sich in St. Louis/Missouri niederließen. Sie half später ihren Geschwistern Elsa und Max mit ihren Angehörigen, sich in die USA zu retten.

Nach erfolgreicher Prüfung trat Elsa Esther Deutschländer 1907 als Hilfslehrerin in den Hamburger Volksschuldienst ein und erhielt nach vier Jahren eine Festanstellung. Als sie 1912 Julius/Jules Richard Gutmann aus Lyon heiratete, gab sie ihre Berufstätigkeit auf. Jules Gutmann nahm auf der französischen Seite am Krieg teil und fiel bald nach Kriegsbeginn. Elsa Gutmann lebte bis zu ihrer Wiederverheiratung 1923 mit ihrer Tochter Sabine bei ihren Eltern und ihrer Schwester Fanni in der Grindelallee 53.

Die jüngste Tochter, Auguste heiratete 1922 einen Nichtjuden, den Buchhändler Volkmar Scheel, den Geschäftsführer der Genossenschaft Hamburger Buchhändler, und zog von Zuhause aus. Im Jahr darauf verließ auch Elsa das Elternhaus. Sie war eine zweite Ehe eingegangen, mit Walter Gutmann, (s. derselbe) einem Verwandten ihres ersten Ehemannes, der beruflich in Erfurt tätig war.

Als Moses Deutschländer 1917 das Pensionsalter erreichte, dachten weder er noch seine Vorgesetzten an das Ende seiner Lehrertätigkeit in Altona. Erst aufgrund des Pensionierungsgesetzes vom 15. Dezember 1920 wurde er nach 46 Dienstjahren zum 1. April 1921 in den Ruhestand versetzt. Neben seinen Lehrtätigkeiten hatte er als Übersetzer gearbeitet, war Redakteur zweier jüdischer Zeitungen und hatte sich für mehrere jüdische Vereine engagiert. Sein Engagement für die Jüdische Gemeinde war groß und anerkannt, aber überwiegend ehrenamtlich, so dass die wirtschaftliche Situation der Familie schwierig blieb. In welchem Rahmen Angelica Deutschländer Zeichenunterricht erteilte und Lithographien schuf, ist nicht bekannt. Offenbar war ihr Beitrag zum Familieneinkommen gering. Nach dem Umzug der Familie nach dem Ersten Weltkrieg in die Grindelallee 53 wird sie nicht mehr mit ihrer eigenen Tätigkeit im Hamburger Adressbuch aufgeführt.

Fanni Deutschländer lebte nun allein mit ihren Eltern in der Neumünsterstraße 2. Ihr Einkommen war jahrelang wechselhaft und stets so gering, dass sie nicht steuerlich veranlagt wurde. Freiwillig zahlte sie kleine Beiträge an die Jüdische Gemeinde, so 1926 einmalig fünf Reichsmark. Ihr Vater entrichtete bis 1930 lediglich den Grundbetrag von einer Reichsmark monatlich. Das änderte sich mit der Weltwirtschaftskrise, als er mit 30 bis 40 Reichsmark jährlich zur Gemeindesteuer veranlagt wurde.

Am 1. Januar 1928 starb Angelica Deutschländer. Sie war 75 Jahre alt geworden und fand ihre letzte Ruhestätte auf dem Altonaer Friedhof Bornkampsweg. Moses Deutschländer blieb bis zu seinem Tod im Alter von 82 Jahren im Jahr 1934 in der Neumünsterstraße 2. Wie schon vor ihm seine Ehefrau und die Söhne Samuel und Rafael, wurde er auf dem Friedhof Bornkampsweg beigesetzt. Über seinen Tod hinaus blieb er so mit Altona verbunden.

Fanni Deutschländer zog nach dem Tod ihres Vaters zu ihrer Schwester Elsa. Elsa Gutmann war mit ihren Töchtern Sabine und Hilde in die Eiffestraße 393 in Hamburg-Hamm gezogen. Als Jüdin hatte sie nach ihrer Scheidung 1933 nicht in den staatlichen Volksschuldienst zurück kehren können, erhielt aber 1934 an der Israelitischen Töchterschule in der Carolinenstraße 35 eine Anstellung.

Aus uns nicht bekannten Gründen wechselte Fanni Deutschländer zweimal zwischen der Wohngemeinschaft mit ihrer Schwester Elsa in der Eiffestraße und als Untermieterin des Wäschehändlers Leon Gerstenhaber in der Grindelallee 148. Nachdem beide ausgewandert waren, kam sie vorübergehend bei Familie Jacobsohn in der Rutschbahn 15 I unter, bevor sie 1939 in die "Zacharias und Ranette Hesse und Mathilde und Simon Hesse Stiftung" in der Dillstraße 15 zog. Das Wohnhaus galt ab 1941 als "Judenhaus". Fanni Deutschländer wurde von der Wohlfahrt unterhalten.

In dieser Zeit emigrierten weitere Angehörige: Max Deutschländer, Fannis ältester Bruder, im Juli 1937 wegen "Rassenschande" zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Bereits im Mai 1937 war sein ältester Sohn, Alfred, in die USA emigriert. Auch Hanna Deutschländer, Fannis Schwägerin, bereitete ihre Auswanderung mit dem jüngeren Sohn Erich nach St. Louis/Missouri vor und verließ am 22. Februar 1939 Hamburg. Max Deutschländer wurde Ende Januar 1940 mit der Auflage, das Deutsche Reich umgehend zu verlassen, aus der Haft entlassen. Auch seine Auswanderung in die USA war vorbereitet. Da das Visum noch nicht zuteilungsreif war, reiste er auf dem Landweg nach Shanghai, wofür er kein Visum benötigte. (Von dort konnte er erst 1946 zu seiner Familie in St. Louis weiterreisen.)

Im März 1939 emigrierte ein weiterer Neffe Fannis, Arnold Deutschländers Sohn Helmuth, nach Australien. Seine Eltern Arnold und Dora blieben mit der Tochter Annemarie zurück. Sie wurden am 8. November 1941 von ihrer langjährigen Wohnung in Eppendorf aus nach Minsk deportiert. (s. dieselben) Danach lebten von den zehn Deutschländer-Kindern nur noch Fanni und Auguste in Hamburg.

Von Auswanderungsabsichten Fanni Deutschländers ist nichts bekannt. Sie war gerade 60 Jahre alt, als sie am 6. Dezember 1941 nach Riga abtransportiert wurde. Da das dortige Getto überfüllt war, wurden die 753 Hamburger Deportierten vom Bahnhof Skirotava zu Fuß auf das aufgelassene ehemalige Gut "Jungfernhof" direkt an der Düna getrieben, das keine winterfesten Gebäude besaß und nicht genügend Raum bot für die ca. 4000 Deportierten der vier Transporte mit reichsdeutschen Jüdinnen und Juden des Dezember 1941. Wann und unter welchen Umständen Fanni Deutschländer ums Leben kam, ist nicht bekannt.

Nach ihrer Deportation lebte als einzige ihrer Geschwister noch die jüngste Schwester Auguste in Hamburg. Sie litt mit ihrem Mann, Volkmar Scheel, und den Töchtern Inge und Sidonie unter der Enteignung ihres Besitzes, Arbeitslosigkeit und der Verpflichtung des Familienvaters als "jüdisch Versipptem" zur Zwangsarbeit. Auguste selbst wurde zum 14. Februar 1945 für einen "besonderen Arbeitseinsatz" in Theresienstadt aufgerufen, so lautete der verschleiernde Text des Deportationsbefehls. Sie tauchte unter und überlebte in einem Versteck die drei Monate bis zum Ende der NS-Herrschaft.

Stand: Februar 2020
© Hildegard Thevs

Quellen: 1, 4, 5, 6, 9; Hamburger Adressbücher; diverse Personenstandsregister; StaH 131-11, 1321; 213-11, 53622; 213-13, 6221, 6222; 242-1 II, 13431; 314-15, FVg 3553, 8369; 332-8, A 24, Band 382, 384; 351-11 AfW, 3585, 9176, 21109, 34894; 361-3, A 0818; 424-4 Personalakte, D 097; 522-1, 992 d Band 35; http://real-phd.mtak.hu/33/1/PhD%20Lengyel%2006032011_DOI.pdf, Aufruf 10.5.2019; http://www.steinheim-institut.de /edocs/books/Biographisches_Handbuch_der_Rabbiner_Teil_2.pdf; Erika Hirsch, Moses Deutschländer, in: Das jüdische Hamburg, Hamburg 2006, S. 61.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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