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Dora Deutschländer (geborene Tietz) * 1884
Schrammsweg 29 (Hamburg-Nord, Eppendorf)
1941 Minsk
Weitere Stolpersteine in Schrammsweg 29:
Annemarie Deutschländer, Arnold Deutschländer, Elfriede Rosenstein, Iwan Rosenstein
Arnold Deutschländer, geb.12.2.1882 in Hamburg, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert
Dora Deutschländer, geb. Tietz, geb.13.2.1884 in Driesen, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert
Annemarie Deutschländer, geb. 4.4.1920 in Hamburg, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert
Schrammsweg 29
Arnold Deutschländer wurde als Sohn des Lehrers Moses Deutschländer und seiner Frau Angela, geborene Brasch, geboren. Nach Abschluss des "Einjährigen" machte er eine Lehre zum Im- und Exportkaufmann und übernahm 1912 eine leitende Stellung als Einkäufer bei der Firma Hengstenberg, Schulz & Co. in Hamburg. Dort verdiente er genug, um im August 1913 Dora Tietz heiraten zu können und mit ihr eine Familie zu gründen. Gemeinsam zogen sie in den ersten Stock des Hauses Schrammsweg 29. Dora Johanna Tietz stammte aus einer alteingesessenen Familie in Driesen, dem heute polnischen Drezdenko, auf einem Landkeil zwischen der Alten und der Faulen Netze gelegen. Die nächstgelegene größere Stadt war Landsberg an der Warthe, heute Gorzów Wielkopolski. Schon 1869 war ihr Großvater dort Mitglied der Stadtverordnetenversammlung und nach diesem auch ihr Vater, der Kaufmann Julius Tietz. Dora war das zweite von fünf Kindern von Hedwig und Julius Tietz. Nach der Geburt ihres Bruders Willi 1885 waren die Eltern zum evangelischen Glauben konvertiert.
Als Dora und Arnold Deutschländer im August 1913 heirateten, war Julius Tietz bereits verstorben. Im Jahr darauf, am 28. Juni 1914, wurde Helmuth, das erste Kind des Ehepaares Deutschländer, geboren. Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde Arnold Deutschländer zum Militär eingezogen, wo er an der Ost- und Westfront eingesetzt wurde und nach dem Krieg in der Kommandantur in Hamburg diente. Im Krieg wurde er mit dem Eisernen Kreuz II und dem Hanseatenkreuz ausgezeichnet. Das Hanseatenkreuz war ein Orden, den die Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck für Verdienste im Krieg verliehen.
Nachdem die Firma seines früheren Arbeitgebers während des Krieges aufgelöst worden war, arbeitete Arnold Deutschländer nach seiner Entlassung aus dem Heer 1919 in verschiedenen Hamburger Im- und Exportfirmen und war zwischendurch immer wieder arbeitslos.
Im April 1920 kam die Tochter Annemarie zur Welt. Sie besuchte die Vorschule von Clara Lehmann in der Heilwigstraße (s. dort) und seit 1933 die Israelitische Töchterschule in der Carolinenstraße. Da sie nach dem Schulabschluss noch zu jung war, um eine angestrebte Ausbildung zur Krankenschwester zu beginnen, belegte sie zunächst einen Kurs in einer Haushaltungsschule. Im März 1937 konnte sie dann ihre dreijährige Ausbildung als Lehrschwester im Israelitischen Krankenhaus in der Eckernförderstraße beginnen, wo sie im Schwesternheim untergebracht war und bei freier Kost und Logis ein monatliches Taschengeld erhielt. Nachdem das Israelitische Krankenhaus in der Eckernförderstraße im September 1939 schließen musste, wurde der Betrieb in Ersatzgebäuden in der Johnsallee aufrechterhalten. Annemarie Deutschländer erhielt ein Gehalt von 70 Reichsmark und zog in ein Einzelzimmer in der Beneckestraße 6. Wie sie ihrem Cousin Horst Tietz erzählte, gefiel ihr diese verantwortungsvolle Arbeit sehr gut, da sie sich in der Klinik respektiert wusste und sich trotz der immer schwierigeren Bedingungen wohl fühlte.
Annemaries Vater, Arnold Deutschländer, arbeitete schließlich bei der Firma Davidson Gebrüder in der Mönckebergstraße 7, die mit Kaffee, Häuten und Balsam handelte. Nach der "Arisierung" der Firma fuhr er im Januar 1939 nach England, wahrscheinlich um eine gemeinsame Ausreise mit Frau und Tochter vorzubereiten, kehrte jedoch erfolglos zurück.
Ihr Bruder Helmuth Deutschländer emigrierte Ende 1938 zusammen mit seiner Frau Vera zunächst nach Palästina, wo 1940 ihr gemeinsamer Sohn Uri geboren wurde. Das Ehepaar trennte sich und Helmuth Deutschländer wanderte 1946 mit seiner zweiten Frau Sonja nach Melbourne/Australien aus.
Sein Onkel Willi Tietz schrieb ihm, Annemarie, Dora und Arnold Deutschländer seien "am 8. November 1941 zum Wiederaufbau nach dem Osten abgereist". Sie waren aus ihrer langjährigen Wohnung im Schrammsweg gemeinsam ins Getto Minsk deportiert worden. Nach dem Krieg versuchte Helmuth Deutschländer seine Angehörigen wiederzufinden, aber sie blieben verschollen und wurden für tot erklärt.
© Maria Koser
Quellen: 1; 4; 8; 9; AfW 220614 Delander, Helmut (zu Deutschländer, Arnold); StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992e1 Band 2; Archiwum Panstwowe Gorzów Wielkopolski, Akta miesta Drezdenko Nr.9, Nr.11, Nr.14, Nr.15, Nr.76, Nr.83; Offenborn, Jüdische Jugend, 2007, Bd. 2, S. 329 f.; Auskunft Uri Adar.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".