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Hannchen Elkeles (geborene Nossen) * 1868

Flagentwiet 5 (Eimsbüttel, Schnelsen)


HIER WOHNTE
HANNCHEN ELKELES
GEB. NOSSEN
JG. 1868
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 27.11.1942

Weitere Stolpersteine in Flagentwiet 5:
Alphons Elkeles, Ida Elkeles

Hannchen Elkeles, geb. Nossen, geb. 25.2.1868 in Gnesen, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, Todesdatum dort 27.11.1942
Alphons Elkeles, geb. 6.12.1896 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, am 6.10.1944 nach Auschwitz
Ida Elkeles, geb. Kaschmann, geb. am 22.11.1895, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, Todesdatum dort 20.9.1944

Flagentwiet 5 (Schwarzer Weg 2)

Anna Nossen, genannt Hannchen, heiratete am 25. Oktober 1888 in ihrem Geburtsort Gnesen/Gniezno (Polen) den Kaufmann Salomon Elkeles. Für ihn war es die zweite Ehe. Zuvor war er mit Clara Nossen verheiratet. Der Verwandtschaftsgrad der beiden Frauen ließ sich nicht mehr klären. Seine erstgeborene Tochter Mary starb mit 12 Jahren und wurde vermutlich in Hamburg beigesetzt. Gesichert ist, dass er Betty, die zweitgeborene Tochter aus erster Ehe, mitbrachte. Sie wurde am 3. Februar 1885 in Hamburg geboren und ist auf ihrer Kultussteuerkarte als geboren "um 1883" aufgeführt. Ihr Vater, der sich auch Sigismund nennen ließ, wurde am 18. März 1852 in Posen/Poznan geboren, lebte in Hamburg, wo er 1895 die Bürgerrechte erwarb und war von Beruf Buchhalter.

Am ersten Jahrestag nach der Eheschließung mit Hannchen wurde der Sohn Curt geboren. Sieben Jahre später, am 6. Dezember 1896, der Sohn Alphons. Zu diesem Zeitpunkt wohnte die Familie in der Weidenallee 59.

Ebenso wie Curt ging Alphons – vermutlich ab 1902 – in die Stiftungsschule von 1815 am Zeughausmarkt 32, heute ein Standort der Gewerbeschule GT (davor Anna-Siemsen-Schule). Die Stiftungsschule war als jüdische Armenschule von reformorientierten Hamburger Juden ge­gründet worden, die sich 1817 zum Neuen Israelitischen Tempelverband zusammenschlossen. Langjähriger Leiter war der Reformpädagoge Anton Rée (1815–1891), der die Schule als interkonfessionelle Ausbildungsstätte für Juden und Christen eröffnet hatte. Ab 1859 wurden auch christliche Schüler aufgenommen, um 1890 war nur noch ein Drittel der Schüler jüdischer Herkunft. Wie Curt sich nach dem Krieg erinnerte, hatte auch sein Bruder Alphons dort das so genannte Einjährige (in etwa entsprechend der heutigen Mittleren Reife) abgelegt, bevor er in einer Hamburger Firma den Beruf eines Exportkaufmanns erlernte. Am 12. März 1913 zog die Familie in die Bornstraße 4 II.

Über das Leben von Hannchen Elkeles konnten wir nicht viel in Erfahrung bringen. Ihre beiden Söhne nahmen am Ersten Weltkrieg teil. Betty verließ die Familie am 14. Juli 1915 und verzog nach Wedel. Grund und genaue Adresse sind nicht bekannt. So konnten wir die nächs­ten 25 Jahre ihres Lebens kaum erhellen. Jedoch befand sie sich ab dem 7. Januar 1928 im Alters- und Pflegeheim in Wedel. Weitere zehn Jahre später, 1938, war sie dort in Zusammenhang mit den Zuschüssen zur Unterbringung von Pfleglingen in einer Bewohnerliste vermerkt. Im ersten Quartal 1939 erhielt ihr Name dort den Zusatz "Sara" und ab dem zweiten Quartal fehlte der Pflegling Betty "Sara" Elkeles auf den Listen. So kann vermutet werden, dass sie von dieser Zeit an in Neustadt (Holstein) lebte.

Dem Memorbuch von Schleswig-Holstein ist zu entnehmen, dass sie am 13. September 1940 von Neustadt nach Brandenburg kam, vermutlich jedoch über Hamburg, wo der Transport für den 23. September zusammengestellt wurde. Im Hamburger Gedenkbuch ist zu lesen, Betty Elkeles sei am 23. September 1940 aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn in die Tötungsanstalt Brandenburg verlegt worden. Nach dem Gedenkbuch des Bundesarchivs war der Tag der Verbringung auch der Tag ihrer Ermordung. Sie wurde 55 Jahre alt, ihre Anschrift ist dort mit "unbekannt" angegeben. Auf ihrer Geburtsurkunde befindet sich ein nachträglich mit blauer Tinte hinzugefügter Vermerk: "Verstorben 269/41 ... Cholm II. Generalgouvernement". Nach Cholm waren angeblich jüdische Geisteskranke gebracht worden, eine fiktive Adresse.

Alphons diente im Ersten Weltkrieg beim Dragonerregiment in Hamburg, wurde verwundet und in ein Lazarett gebracht, vermutlich nach Marburg an der Lahn. Nach dem Krieg galt er als zu 60 Prozent kriegsbeschädigt und fand Beschäftigung bei der Fürsorgebehörde in Hamburg. 1919 war er Beamter bei der Arbeitsbehörde Hamburg, Behörde für das Versicherungswesen. Seine letzte Berufsbezeichnung lautete Verwaltungssekretär. Im Mai 1921 verstarb Salomon Elkeles. Sein Sohn Curt, der einige Jahre in Berlin gelebt hatte, kehrte nach Hamburg zurück und regelte die Beisetzung. Salomon Elkeles wurde auf dem Jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel beigesetzt.

Curt heiratete nur wenige Wochen nach dem Tod seines Vaters Anna Christine, geb. Abfalter, und wohnte mit seiner Frau in Groß Flottbek. Alphons heiratete 1926 Ida Kaschmann. Sie war in Ungedanken/Hessen (damals Hessen-Nassau) geboren und ein Jahr älter als ihr Mann. Die Ehe blieb kinderlos. Das Paar lebte zusammen mit der Mutter Hannchen Elkeles in der Bornstraße.

Bereits am 30. November 1931 verlor Alphons seine Anstellung als Beamter. Wie sein überlebender Bruder Curt sich erinnerte, kaufte er das Grundstück Schwarzer Weg 2 mit einem großen Obstgarten, in dem er sich betätigt haben soll. Im Grundbuch von Schnelsen ist eine Grundschuld von 2000 Goldmark eingetragen und es heißt dazu: "Zweitausend Goldmark (mindestens so viel Reichsmark zu zahlen) Darlehn, mit zehn vom Hundert jährlich verzinslich, unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 26. September 1932, für Frau Minna Clara Wessels geborene Becker in Hamburg, Hermannsthal 105/I (Witwe) eingetragen am 18. No­vember 1932". 1936 dann die Eintragung einer Veränderung: "Betrag 2000.– GM übergegangen infolge ,Befriedigung der Gläubigerin auf den Eigentümer Alphons Elkeles als Grundschuld eingetragen am 4. Januar 1936". Alphons Elkeles zog 1936 mit Ehefrau und Mutter auf dieses Grundstück. Zu dritt lebten sie von seiner Kriegsrente, dem Ruhegeld und der Witwenrente der Mutter. Der Schwarze Weg soll damals "ein besserer Feldweg von der Kieler Chaussee" (heute: Holsteiner Chaussee) abgehend gewesen sein. Das Haus, ein Flachbau einfacher Konstruktion, 1930 errichtet, stand 200 m von der Hauptstraße entfernt. Es hatte drei kleine Zimmer, Küche, Toilette ohne Wasserspülung, aber mit Elektrizität. Es gab einen Anbau, eine Art Stall. Das Grundstück lag unterhalb des Straßenniveaus, davor waren Gräben. Haus und Grundstück erlitten keine Kriegsschäden. Mit Beginn des Jahres 1940 änderte sich die Straßenbezeichnung Schwarzer Weg 2 in Flagentwiet 5.

Im Mai 1939 nahm der Oberfinanzpräsident von einer "Sicherungsanordnung" gegen das Vermögen von Alphons Elkeles Abstand, da, wie in einem Protokoll vermerkt, eine Auswanderung nicht beabsichtigt sei. Allerdings wurde ihm wegen seiner "rassischen Abstammung" zum 1. Juli 1939 das Ruhegeld gekürzt. Im Februar 1940 erreichte ihn dann doch ein Einschreiben mit Zustellungsurkunde. Darin die Aufforderung, eine Aufstellung zu fertigen mit Angaben zu den Ausgaben seines dreiköpfigen Haushalts. Die monatlichen Ausgaben betrugen 260 RM. Schon wenige Tage später erging die "Sicherungsanordnung", die den Dreien einen Freibetrag in Höhe ihrer angegebenen monatlichen Ausgaben zugestand. In den folgenden Tagen hatte Alphons Elkeles dafür Sorge zu tragen, dass er bei verschiedenen Banken für sich und seine Ehefrau "beschränkt verfügbare Sicherungskonten" einrichtete und die Banken anhielt, darüber eine Mitteilung an die Devisenstelle zu schicken mit dem Hinweis, dass sich eine Abschrift der behördlichen "Sicherungsanordnung" nun bei ihnen befinde. Die Behördendienststelle für sein Ruhegeld musste nachfragen, ob dieses nur darauf überwiesen werden durfte oder musste. Doch, doch, wurde dem zuständigen Sachbearbeiter mitgeteilt, der Herr Reichswirtschaftsminister habe das so angeordnet. Auch die Mutter erhielt Post vom Oberfinanzpräsidenten. Gegen sie wurde jedoch keine "Sicherungsanordnung" erlassen.

Ida Elkeles wurde am 18. Juli 1941 von der Gestapo Abt. II B 2, in Haft genommen und ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel gebracht. Am 6. August überführte man sie ins Stadthaus. Den Grund der Verhaftung kennen wir nicht.

Bereits seit Oktober 1941 hatte das Reichssicherheitshauptamt erste Deportationen angeordnet. Zunächst waren über 65-Jährige und Gebrechliche – vermutlich auch Kriegsversehrte – davon ausgenommen gewesen. Doch dann wurde das Lager Theresienstadt als "Altersgetto" für deutsche Juden vorgesehen. Die Gestapo stellte den Hamburger Juden Theresienstadt als "Mustergetto" dar, in dem alte Menschen versorgt würden. Deshalb musste die Reichsvereinigung resp. die Jüdische Gemeinde als Zweigstelle derselben förmliche "Heimeinkaufsverträge" schließen, was nicht nur den Verlust ihrer Ersparnisse, sondern auch den "Tod auf Raten" bedeutete, wie Regina van Son aus Theresienstadt an ihre Familie schrieb. Was als "Altersheim" dargestellt wurde, war in Wirklichkeit ein Konzentrationslager. Hunger, Erschöpfung und unbehandelte Krankheiten forderten dort über 30000 Menschenleben. Alphons Elkeles zahlte für sich und seine Frau aus Geldvermögen und Wertpapieren eine Summe von knapp 10.000 RM sowie 3300 RM "Judenvermögensabgabe". Hannchen Elkeles zahlte 1327,19 RM aus ihrem Geldvermögen und 297 RM in Wert­papieren. Zu diesem Zeitpunkt war sie 74 Jahre alt.

Der erste Transport von Hamburg nach Theresienstadt ging am 15. Juli 1942. Er trug die Nummer 807-VI/1. Die VI stand für Hamburg und die 1 für den 1. Transport. Mit dem zweiten Transport von Hamburg nach Theresienstadt – 807-VI/2 – kam die Familie am 20. Juli 1942 dort an. Ob Ida Elkeles von Fuhlsbüttel in den Transport kam oder bereits wieder zuhause war, als sie den Deportationsbefehl erhielt, ist uns nicht bekannt.

Vier Monate nach der Ankunft in Theresienstadt verstarb die Mutter Hannchen an einer Gallenblasenentzündung, wie die Todesfallanzeige aussagt. Zwei Tage später, am 29. November 1942, wurde sie in Theresienstadt beigesetzt.

Zwei Jahre später, am 20. September 1944, verstarb auch Ida Elkeles, vermutlich durch Hunger, Kälte und Krankheit. Kurz danach, am 6. Oktober 1944, musste ihr Mann Alphons "auf Transport" nach Auschwitz, wo er vermutlich sofort ermordet wurde. Der Bruder Curt erfuhr von Verwandten aus der Familie seiner Mutter, dass sie Alphons noch in Theresienstadt gesehen hatten. Von ihnen hörte er auch vom Weitertransport seines Bruders nach Auschwitz. Nach dem Krieg wurde dieser auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt.

Curt selbst überlebte in den Niederlanden und blieb auch nach dem Krieg in Amsterdam.
Der Grundbucheintrag zum Grundstück Flagentwiet 5 in Schnelsen wurde am 3. Mai 1944 auf das Deutsche Reich, vertreten durch den Oberfinanzpräsidenten Hamburg, umgeschrieben. Die Eigentümerschuld für Alphons Elkeles über 2000 RM bestand unverändert. Das Grundstück wurde bis März 1951 von der Hamburgischen Grundstücksverwaltungsgesellschaft m.b.H. von 1938 verwaltet. Es wurde auf der Grundlage des Art. 8 des Gesetzes Nr. 59 der Britischen Militärregierung durch das Wiedergutmachungsamt Hamburg an die Jewish Trust Corporation, die "erbenloses jüdisches Eigentum" erfasste und sicherte, zurückerstattet.

© Ursel Leilich

Quellen: 1; 2; 3; 4; 5; 7; 8; StaH 332-5 (Geburtshauptregister 1896), 9129, Eintragung Nr. 2830, Alphons Elkeles; StaH 332-5 (GeburtshauptregisterII.) 2099/1885, Betty Elkeles; StaH 332-8 (Meldewesen, Einwohnerkartei von 1892–1925), A 31 Band 2; StaH 314-15 (OFP), R 181/40 und Ablieferung 1998 1, J 7/123/24; 314-15 (OFP), V 1 286 (1942–1952); StaH 351-11 (AfW) Akte 11863; StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden) Abl.1993, Ordner 10; StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden) 992 e Band 7, Theresienstadt Deportationslisten Transport vom 19.7.1942; StaH 732-5 (Einwohner- und Firmenverzeichnis der Stadt Altona) 1935, Abschnitt II – Seite 364, Die Straßen der Stadt Altona – Grundstücke und deren Eigentümer; StaH 732-5, Abschnitt IV – Seite 364; Verein für Hamburgische Geschichte, Sonderabdruck aus dem Amtlichen Anzeiger Nr. 207 vom 2. Dezember 1938, Bekanntmachung über die Umbenennung von Straßen.); Auskunft StaH zu 331-1 II (Polizeibehörde II), Ablieferung 15 Band 1, Ulf Bollmann am 13.4.2010; Bundesarchiv Berlin, "Liste der jüdischen Einwohner im Deutschen Reich 1933–1945; Stadtarchiv Wedel, Signatur 854.4 Kostenabrechnung des Alters- und Pflegeheim Wedel 1936–1945; Miriam Gillis-Carlebach (Hrsg.), Memorbuch zum Gedenken an die jüdischen in der Shoa umgekommenen Schleswig-Holsteiner und Schles­wig-Holsteinerinnen, Hamburg 1996; Beate Meyer (Hrsg.), "Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933–1945", Hamburg/Göttingen 2006, S. 70f.; Jürgen Sielemann, "Aber seid alle be­ruhigt", Briefe von Regina van Son an ihre Familie 1941–1942, Hamburg 2005; Ursula Randt, Zur Ge­schichte des jüdischen Schulwesens in Hamburg (ca. 1780–1942), in: Ina Lorenz (Hrsg.). Zerstörte Ge­schichte. Vierhundert Jahre jüdisches Leben in Hamburg, Hamburg 2005 S. 76–106; www1.uni-hamburg.de/rz3a035//1zeughausmarkt. Html (eingesehen 2011).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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