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Karl-Heinz Dohrmann im Alter von 4 Jahren
Karl-Heinz Dohrmann im Alter von 4 Jahren
© Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf

Karl-Heinz Dohrmann * 1937

Feuerbergstraße 43 (Hamburg-Nord, Ohlsdorf)


KARL-HEINZ DOHRMANN
JG. 1937
UNTERGEBRACHT 1940
KINDERHEIM FEUERBERGSTR.
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 7.8.1943
HEILANSTALT EICHBERG
"KINDERFACHABTEILUNG"
ERMORDET 12.10.1943

Weitere Stolpersteine in Feuerbergstraße 43:
Anna-Maria Tomassetti

Karl-Heinz Dohrmann, geb. am 17.5.1937 in Hamburg, 12.10.1940 Aufnahme in die ehemaligen Alsterdorfer Anstalten, am 7.8.1943 "verlegt" nach Hattenheim in die "Landesheilanstalt Eichberg", dort am 12.10.1943 ermordet

Feuerbergstraße 43, ehemals "Warteschule"

Als Karl-Heinz Dohrmann am 17. Mai 1937 in der Frauenklinik Finkenau auf die Welt kam, verlief die Geburt normal. Seine Mutter war 26 Jahre alt, unverheiratet und arbeitete als Hausangestellte. Ein Jahr später, sie war inzwischen verheiratet, gebar sie eine gesunde Tochter.

Mit zwei Monaten wurde Karl-Heinz wegen Darmstörungen in die Kinderklinik des Universitätskrankenhauses Eppendorf eingeliefert und behandelt. Die Diagnose lautete "Abstillungsdyspepsie". Im Protokoll vom 31. Juli 1937 ist aufgeführt: "Das Kind spielt, lacht, trinkt gut. Keine Meningitis mehr." Karl-Heinz wurde zwei Wochen später in gutem "A.Z." (Allgemeinzustand) aus der Kinderklinik entlassen.

Die Bedingungen, unter denen Karl-Heinz in den nächsten zweieinhalb Jahren in seinem Zuhause in der Grindelallee lebte, sind nicht bekannt. Auch die Umstände, die zu seiner Untersuchung durch den Psychiater und Neurologen Dr. Hülsemann, leitender Oberarzt des Jugendamtes Hamburg, bzw. durch seinen Assistenzarzt Dr. Gräfe, führten, sind nicht überliefert. Nach einer Untersuchung am 11. Januar 1940, die unter der Fragestellung "Kann das Kind bei der Mutter bleiben?" erfolgte, wurde eine Unterbringung in der "Warteschule Feuerbergstraße" (Betreuungseinrichtung gegen die Verwahrlosung von Kleinkindern aus ärmeren Familien) empfohlen. Mit dem Einverständnis der Mutter kam Karl-Heinz dorthin. Als seine Vormundin wurde eine Carmen Einhard, geb. Richard, ernannt.

Ein Gruppenbericht von Schwester H. Schöffer und Schwester Ruth Schüttel vom 15. März 1940 lässt erkennen, dass Karl-Heinz zwischenzeitlich vom Heim Feuerbergstraße in das Johannes-Petersen-Heim in Volksdorf, Schemmannstraße, verlegt worden war. Dieses Heim der Pestalozzi- Stiftung von 1846 der Freimaurer-Loge "Zur Brudertreue" hatte die Stiftsgründungsaufgabe, "Kinder zu retten, die durch das Leben ihrer Eltern als verwaiset zu betrachten waren". In dem Bericht der Schwestern zeigt sich ein durchweg negatives Bild des Jungen: "[…] in der Gemeinschaft sehr störendes und für diese Gefahr bringendes Kind" und "ist ein in der Gemeinschaft völlig unmögliches Kind […]". Über eine Förderung von Karl-Heinz ist nichts zu erfahren.

Am 10. April 1940 erstellte der Assistenzarzt Gräfe des Landesjugendamts Hamburg ein Gutachten über Karl-Heinz und beurteilte ihn darin als: "hochgradig schwachsinniges, gemeinschaftsstörendes, in seinen gesamten Körperfunktionen stark unterentwickeltes Kind. […] es wird sich die Bewahrung des Kindes nicht umgehen lassen". Für die Zwischenzeit empfahl er die Unterbringung in der "Warteschule Feuerbergstraße". Bald darauf kam Karl-Heinz vorübergehend wieder dorthin.

Am 25. Mai 1940 wurde Karl-Heinz mit der Diagnose "Diphteriebazillenträger" in das Altonaer Kinderhospital eingeliefert. Siebzehn Wochen dauerte die Behandlung. Es traten keine Komplikationen auf und Karl-Heinz wurde am 4. Oktober 1940 als geheilt entlassen. In der "Warteschule Feuerbergstraße" war inzwischen seine Verlegung zur "Bewahrung" in die "Alsterdorfer Anstalten" vorbereitet worden.

Mit der am 1. Oktober 1940 veranlassten Überweisung, "Bedarf wegen Schwachsinns und Erziehungsschwierigkeiten der Aufnahme in die Alsterdorfer Anstalten", wurde Karl-Heinz am 12. Oktober 1940 in die "Alsterdorfer Anstalten" aufgenommen. Im Protokoll vom 17. Juni 1942 oder 1943 (unleserlich) ist eine positive Entwicklung für Karl-Heinz bescheinigt. "Mit Spielzeug kann er sich gut allein beschäftigen. Sprechen kann er alles", sind die letzten Eintragungen in Alsterdorf, die über Karl-Heinz dort festgehalten sind.

Laut Protokoll vom 6. August 1943 von Dr. Kreyenberg wurde Karl-Heinz aus den "Alsterdorfer Anstalten" entlassen und "verlegt, da die Alsterdorfer Anstalten zerstört sind". Am 7. August 1943 wurde Karl-Heinz zusammen mit 127 Patient*innen, Kindern und Männern, aus den "Alsterdorfer Anstalten" mit den gefürchteten grauen, scheibenverhängten GeKraT-Bussen (Gemeinnützige Krankentransportgesellschaft) zum Güterbahnhof Ochsenzoll verbracht. Gemeinsam mit 82 Patient*innen, Männer und einigen Frauen, aus der "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" wurden sie im Güterzug nach Limburg transportiert. Dort wurden in der Nacht die Waggons mit den 51 Jungen, die für den "Kalmenhof" in Idstein bestimmt waren, abgetrennt. Der restliche Zug traf am nächsten Morgen in Hattenheim ein und Karl-Heinz wurde zusammen mit 28 Kindern und Erwachsenen aus den "Alsterdorfer Anstalten" und den Langenhorner Patient*innen in die "Landesheilanstalt Eichberg" verbracht.

Zwei Monate später, am 12. Oktober 1943, wurde Karl-Heinz um 15:30 Uhr in der "Landesheilanstalt Eichberg" ermordet. Karl-Heinz war 6 Jahre, 4 Monate, 3 Wochen 4 Tage alt.

Die Tötungen erfolgten in der "Kinderfachabteilung" durch überdosierte Morphium-, Schlaf- bzw. Betäubungsmittel, u. a. mit Luminal. Die Todesursache ist hier mit "Herzschwäche durch Lungenentzündung bei Gehirnleistungsschwäche" angegeben. Karl-Heinz Dohrmann ist fälschlicherweise dort im Sterberegister unter dem Nachnamen Bohrmann registriert. Ob der Anstaltsfriedhof Eichberg seine letzte Ruhestätte ist, oder ob das Gehirn Karl-Heinz Dohrmanns nach seinem Tod, wie das vieler der Opfer, der Forschungsabteilung der Psychiatrisch-Neurologischen-Klinik Heidelberg auf pietätlose Weise zugeführt wurde, ist nicht bekannt.

Stand: Januar 2023
© Margot Löhr

Quellen: StaH, 213-12 Staatsanwaltschaft, 0018 Quickert, Wiegand, Dr., u. a.; Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf, Patientenakte V 86, Aufnahmeakte 8122; Evangelische Stiftung Alsterdorf, Auskünfte Michael Wunder; Gedenkstätte Hadamar, Auskünfte Georg Lilienthal; Landeswohlfahrtsverband Hessen, Fachbereich Archiv, Gedenkstätten, Historische Sammlungen, Kassel, Auskünfte Dr. Dominik Motz, Karl-Heinz Dohrmann (Bohrmann), Sterberegister 1944, Heilanstalt Eichberg, Signatur-Nr. B 10 Nr. 121; Patientenliste Alsterdorf, Ingo Wille; Stadtarchiv Eltville am Rhein, Auskünfte Maritta Klewitz, Sterberegister 12.10.1943, unter Bohrmann registriert; Klaus Böhme/Uwe Lohalm (Hrsg.): Wege in den Tod. Hamburgs Anstalt Langenhorn und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus, Hamburg 1993; Herbert Diercks: "Euthanasie". Die Morde an Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in Hamburg im Nationalsozialismus, hrsg. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Hamburg 2014; Christina Vanja: Von der herzoglichen Irrenanstalt zum modernen Gesundheitskonzern. Die Geschichte der nassauischen Psychiatrie, in: Nassauische Annalen 123 (2012), S. 603–633; Michael Wunder: Euthanasie in den letzten Kriegsjahren. Die Jahre 1944 und 1945 in der Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn, Husum 1992; MichaelWunder/Ingrid Genkel/Harald Jenner: Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr. Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Hamburg 1987.

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