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Passfoto des Ausmusterungsscheins für Hans-Werner Dübgen
© Ev. Stiftung Alsterdorf

Hans-Werner Dübgen * 1909

Bethesdastraße 38 (Hamburg-Mitte, Borgfelde)


HIER WOHNTE
HANS-WERNER DÜBGEN
JG. 1909
EINGEWIESEN 10.8.1943
’HEILANSTALT’
MAINKOFEN
TOT AN FOLGEN 4.7.1945

Hans-Werner Dübgen, geb. 12.3.1909 in Hamburg, am 4.7.1945 in der Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen/Niederbayern gestorben

Bethesdastraße 38

Das Ende des Zweiten Weltkriegs rettete Hans-Werner Dübgens Leben nicht. Im November 1945 erhielt seine Familie in ihrer Nachkriegsunterkunft in Aumühle die Nachricht vom Tod ihres Sohnes und Bruders, der am 4. Juli 1945 in der Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen in Niederbayern verstorben war.

Unmittelbar vor Hans-Werner Dübgens Verlegung aus den damaligen Alsterdorfer Anstalten nach Mainkofen wurde seine Familie in der Bethesdastraße 38 in Borgfelde ausgebombt, kam zunächst in der Bellealliancestraße in Eimsbüttel, dann in der Nähe von Soltau unter und schließlich in Brünn, wo sie bis über das Kriegsende hinaus blieb. Bis dahin hatte sie seit der Erkrankung Hans-Werners im Jahr 1925 sehr engen Besuchskontakt unterhalten, den sie nun bis zur erhofften Rückkehr nach Hamburg durch Briefe, Päckchen und Geldsendungen über den Direktor und die Pfleger ersetzte. Der Kontakt wurde einseitig, weil die Anstalt nicht mehr reagierte, Anfang April 1945 schrieb Hans-Werners Vater Nicolai Dübgen seinen letzten Brief.

Nicolai Dübgen war Verwaltungsangestellter des Allgemeinen Krankenhauses Barmbek und mit Frieda, geb. Deierling, verheiratet. Hans-Werner wurde am 12. März 1909 geboren und am 13. Juni des Jahres in der Erlöserkirche in Borgfelde getauft. Zur Familie gehörte noch eine Tochter. Hans-Werner erwies sich als ein sprachlich und musisch begabtes Kind und wuchs zu einem scheuen, introvertierten, träumerischen Jugendlichen heran.

Erfolgreich besuchte er die Realschule am Lübecker Tor und begann eine kaufmännische Lehre. Im August 1925 verfiel er plötzlich in einen Erregungszustand, in dem er sich für Christus hielt, und wurde in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg eingeliefert. Die anfängliche Diagnose einer jugendlichen Schizophrenie wurde revidiert. Hans-Werner litt jedoch weiter an Wahnvorstellungen, die Ärzte hielten ihn aber für körperliche Arbeit geeignet. Auf Wunsch seines Vaters wurde er am 9. Novem­ber 1925 entlassen und auf eine Handelsschule gegeben. Deren Besuch brach er nach einem halben Jahr ab, um Geiger zu werden, gab jedoch auch diese Ausbildung als zu "nervenaufpeitschend" auf.

Ende Mai 1926 wurde er wegen motorischer Unruhe und Wahnvorstellungen erneut in der Nervenklinik Friedrichsberg aufgenommen, wo er drei Monate blieb und wiederum auf Wunsch des Vaters, obwohl nur wenig "gebessert", entlassen wurde. Im Februar 1927 brachte ihn sein Vater wegen seiner Unruhe in den von-Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel unter. Im März 1934 wurde Hans-Werner Dübgen erneut in Friedrichsberg begutachtet und wegen einer "Dementia praecox", "Jugendirreseins", im folgenden Jahr Alsterdorf zugewiesen. Als er dort am 29. März 1935 aufgenommen wurde, war er körperlich gesund, 170 cm groß bei einem Gewicht von 67 kg, psychisch aber zeigte er sich ängstlich, antriebs- und affektlos. Am liebsten hielt er sich für sich, führte Selbstgespräche, blickte mal mürrisch, mal manieriert lächelnd drein und vernachlässigte seine persönliche Pflege.

Für den 5. Februar 1937 beraumte das Erbgesundheitsgericht einen Termin an, zu dem Hans-Werner Dübgen persönlich erschien. Er stimmte seiner Sterilisierung zu. Nach deren Vollzug wurde seine Urlaubssperre aufgehoben. Eines Tages überraschte er das Pflegepersonal wie seine Eltern mit seiner Selbstständigkeit: er kehrte von einem Urlaub nicht auf seine Abteilung zurück, sondern ging wieder nach Hause, nachdem seine Eltern ihn an der Pforte abgesetzt hatten. 1940 wurde Hans-Werner, inzwischen 31 Jahre alt, für wehruntauglich erklärt. Wegen seines starken Bewegungsdranges wechselte er in den folgenden Jahren die Abteilungen und wurde zeitweilig im Wachsaal (vgl. Anm. S. 25) und in der geschlossenen Abteilung untergebracht.

Als im August 1943 die Anstaltsleitung im Einvernehmen mit der Gesundheitsbehörde Bewohner abtransportieren ließ, gehörte Hans-Werner Dübgen zum Transport von 113 Männern, die am 10. August in die Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen bei Passau verlegt wurden. In seinen Briefen an die Anstaltsleitung äußerte Nicolai Dübgen seine Besorgnis um ausreichende Verpflegung, warme wie sonntägliche Kleidung und bat um ein Foto, weil alle Aufnahmen bei dem Bombenangriff verloren gegangen seien. Die Antwort zum Jahresende lautete: "Hans-Werner ist interesselos, inaktiv, spricht wenig, beschäftigt sich nicht, verhält sich ruhig." Warum Nicolai Dübgen seinen Sohn nicht besuchte, ist nicht bekannt. Er versorgte ihn schließlich mit Brotmarken, als Anfang 1945 eine Sperre für Postpäckchen verhängt wurde. Damit konnte er den Mangel an Nahrung nicht länger wettmachen, die anderen entkräftenden Lebensumstände ohnehin nicht, die schließlich zur Erkrankung an Tuberkulose führten. Hans-Werner Dübgen erlebte das Kriegsende, verlor aber fortlaufend weiter an Gewicht und starb am 4. Juli 1945 an Tuberkulose.

Die Rückverlegung der nach Mainkofen verbrachten Bewohnerinnen und Bewohner der ehemaligen Alsterdorfer Anstalten, die die nationalsozialistische Herrschaft überlebten, zog sich bis Ende 1946 hin.

© Hildegard Thevs

Quellen: Ev. Stiftung Alsterdorf, Archiv, V 423; Jenner, Meldebögen, in: Wunder/Genkel/Jenner, Ebene, S. 169–178; Wunder, Abtransporte, in: ebd., S. 181–188; ders., Exodus, ebd. S. 189–236.

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