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Horst Düring * 1930
Simon-von-Utrecht-Straße 65 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)
HIER WOHNTE
HORST DÜRING
JG. 1930
DEPORTIERT 1941
RIGA-JUNGFERNHOF
ERMORDET 26.3.1942
Weitere Stolpersteine in Simon-von-Utrecht-Straße 65:
Josef Cohen, Max Düring, Kurt Düring, Elsa Düring
Max Düring, geb. 19.11.1893 in Köln, 9.11.1938 inhaftiert im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel, 12.11.1938 bis 15.12.1938 inhaftiert im KZ Sachsenhausen, gestorben am 1.6.1939 im Israelitischen Krankenhaus Hamburg
Elsa Düring, geb. Ascher, geboren am 5.4.1895 in Hannover, deportiert nach Riga-Jungfernhof am 6.12.1941, gestorben in Riga am 26.3.1942
Horst Düring, geboren am 5.7.1930 in Hamburg, deportiert nach Riga-Jungfernhof am 6.12.1941, gestorben in Riga am 26.3.1942
Kurt Düring, geboren am 1.2.1937 in Hamburg, deportiert nach Riga-Jungfernhof am 6.12.1941, gestorben in Riga am 26.3.1942
Simon-von-Utrecht-Straße 65 (ehemals Eckernförderstraße, St. Pauli)
Das jüdische Ehepaar Max und Elsa Düring hatte am 3. November 1916 in Köln geheiratet. Dort war Max Düring auch geboren worden, am 19. November 1893, seine Frau Elsa, geborene Ascher, am 5. April 1895 in Hannover. Geburtsort ihrer Kinder Johanna, geboren am 11. Januar 1918, Egon, geboren am 5. Januar 1920, und Eleonore, geboren am 23. Dezember 1920, war jeweils Köln-Kalk. Das jüngste Kind, Horst, kam am 5. Juli 1930 in Hamburg zur Welt.
Die Familie ließ sich 1928 in Hamburg nieder. Wir kennen weder die Beweggründe dafür, noch die erste Bleibe der Familie in Hamburg. Erst ab 1935 lassen sich die wechselnden Adressen auf Max Dürings Steuerkarte der Jüdischen Gemeinde nachvollziehen. Die Familie wohnte danach zunächst im Schlüterweg/Rothenbaumchaussee 101/103. Dies war eine Fußwegverbindung zwischen Rothenbaumchaussee und Schlüterstraße im wohlsituierten Stadtteil Rotherbaum. Wahrscheinlich infolge der sich rapide verschlechternden Einkommensverhältnisse für Juden zog die Familie im Juli 1936 in ein Hinterhaus in der Wexstraße 38 in Hamburg-Neustadt. 1938 oder 1939 wohnten sie als Untermieter im Keller zusammen mit F. Cohn in der damaligen Eckernförderstraße 65 (heute Simon-von-Utrecht-Straße) im Stadtteil St. Pauli, und schließlich in der Grindelallee 87.
Max Düring verdiente den Lebensunterhalt für seine Familie als Kaufmann. Den Gegenstand seiner Handelstätigkeit kennen wir nicht.
Egon Düring besuchte bis 1934 die Talmud Tora Schule und begann dann eine kaufmännische Lehre bei der Firma Theodor Gelles, Import/Export, am Hopfenmarkt. Die Lehre musste er abbrechen, weil der jüdische Lehrherr, der später aus Deutschland emigrierte, zur Veräußerung seines Geschäftes weit unter Wert gezwungen wurde. Egon Düring arbeitete danach als Laufbursche für verschiedene Firmen.
Horst Düring, schulpflichtig ab Ostern 1937, besuchte die Talmud Tora Schule. Ob Eleonore und Johanna Düring die Israelitische Töchterschule besuchten, wissen wir nicht.
Johanna Düring arbeitete nach der Schulzeit als Lehrling und dann als Verkäuferin bei der Firma L. Wagner, "Kurzwaren, Webwaren, Trikotagen, Spielwaren" in der Elbstraße 70/84 in Hamburg-Neustadt. Am 1. Februar 1937 bekam sie einen Sohn, Kurt, dessen Vater wir nicht kennen.
1937 wurde Egon Düring mehrmals zur Geheimen Staatspolizei (Gestapo) beordert, weil er verdächtigt wurde, einen Moskauer Radiosender abgehört zu haben. Infolge der bei den Verhören erlittenen Misshandlungen verlor er sein Gehör auf einem Ohr. Im Oktober 1938 floh er mit seiner Schwester Johanna aus Deutschland, zunächst mit dem Zug nach Antwerpen und von dort gelang ihnen die Weiterreise in die USA. Johannas Sohn Kurt blieb zurück in Hamburg bei der Familie seiner Großeltern.
Laut der Kultussteuerkartei der Jüdischen Gemeinde nahm Eleonore Düring nach Abschluss ihrer Berufsausbildung eine Stelle als Hausangestellte bei der jüdischen Familie Mularski in der Heinrich-Barth-Straße 1 (siehe www.stolpersteine-hamburg.de) an.
Max Düring wurde während des Pogroms am 9. November 1938 inhaftiert, zunächst ins Hamburger Polizeigefängnis Fuhlsbüttel (auch bekannt als KolaFu) eingeliefert, wurde er dann am 12. November in das Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt. Nach fünf Wochen Haft wurde er am 15. Dezember 1938 entlassen. Es ist nicht bekannt, ob seine Entlassung auch mit der regelmäßig erteilten Auflage verbunden war, Deutschland sofort verlassen zu müssen. Er starb am 1. Juni 1939 im Israelitischen Krankenhaus laut Sterbeurkunde an Magenkrebs. Verletzungen herbeigeführt durch Schläge oder Folter mögen den Tod beschleunigt haben. Zu diesem Zeitpunkt wohnte er noch mit seiner Frau Else in der damaligen Eckernförderstraße 65.
Nach dem Tod ihres Ehemannes lebte Else Düring zusammen mit ihrer Tochter Eleonore und wahrscheinlich auch mit ihrem Enkel Kurt in der Grindelallee 87 im Stadtteil Rotherbaum. Eleonore schwärmte laut Familienberichten später immer wieder von der Grindelallee, in der die kleine Restfamilie bis Dezember 1940 wohnte. Zu diesem Zeitpunkt mussten alle in Hamburg verbliebenen Familienmitglieder, die Witwe Else, ihre Kinder Eleonore und Horst sowie ihr Enkel Kurt Düring, in das "Judenhaus" im Neuen Steinweg 78 umziehen. Dort erhielten sie den Befehl für die geplante Deportation am 6. Dezember 1941 nach Riga, die euphemistisch "Evakuierung" genannt wurde.
Die 915 Personen aus Hamburg (753) und Schleswig-Holstein (162) konnten nicht in das Getto in Riga eingelassen werden, weil noch immer eine Massenerschießung der einheimischen Jüdinnen und Juden stattfand. Die Menschen mussten daher den Zug am Güterbahnhof Šķirotava verlassen und zum sechs Kilometer entfernten Gut Jungfernhof marschieren. Das baufällige Gut bestand aus einem Herrenhaus, drei Holzscheunen, fünf kleinen Häusern und Viehställen. Fast 4.000 Menschen (neben den Hamburgern auch Menschen aus Transporten aus Nürnberg, Stuttgart und Wien) waren dort zusammengepfercht. Viele erlagen im Winter den unmenschlichen Lebensbedingungen. 1700 bis 1800 der Überlebenden wurden am 26. März 1942 im Rahmen der "Aktion Dünamünde" erschossen. Die Verbliebenen wurden nach und nach in das Getto Riga eingewiesen.
Es wird angenommen, dass Elsa und Horst Düring am 26. März 1942 ermordet wurden. Sollte der damals fünfjährige Kurt Düring bis dahin überlebt haben, wird er ebenfalls am 26. März 1942 ermordet worden sein. Die genauen Umstände sind nicht bekannt.
Eleonore Düring war eine der wenigen, die die Schrecken von Riga und später vom KZ Stutthof überlebten. Wir wissen nicht, wie ihr dies gelang. Sie heiratete 1951 in den USA Kuba Markusfeld. Er stammte aus der Kleinstadt Wolomin unweit von Warschau. Sein Vorname lautete ursprünglich Kiwa. Das Paar bekam zwei Töchter, Evelyn und Deborah.
Kuba Markusfeld, Jahrgang 1921, hatte einen langen Leidensweg durch deutsche Lager überstanden, als er 1949 aus einem DP-Lager (DP - Displaced Persons) in Landsberg/Lech nach USA reisen konnte.
Nach seinen Berichten wurde er noch im September 1939 zu Zwangsarbeiten in seiner deutsch-besetzten Heimatstadt herangezogen und bald mit seiner Familie (Vater und sechs Brüder) in das Zwangsarbeitslager Volomin/Wolomin eingewiesen. Von April bis September 1942 leistete er Zwangsarbeit in dem Lager Warschau-Wilanów. Nach einem Schreckensaufenthalt im Vernichtungslager Majdanek folgte etwa ein Jahr Zwangsarbeit bis etwa Juni 1944 in dem Lager Skarzysko-Kamienna nördlich von Kielce, einem Produktionsort für Munition der HASAG (Hugo Schneider AG).
Mit einem Eisenbahntransport von etwa 100 Gefangenen kam er anschließend in das KZ Buchenwald (Häftlingsnummer 67965). Hier meldete sich Kiwa Markusfeld zu einer Überstellung in das Außenlager Schlieben im heutigen Elbe-Elster-Kreis, damals einem Produktionsstandort für Panzerfäuste der HASAG. Hier ereignete sich am 11./12. Oktober ein Explosionsunfall, den Kiwa Markusfeld unverletzt überstand.
Es folgte ein Aufenthalt in dem Konzentrationslagerkommando Bautzen, das zum KZ Groß Rosen gehörte. Schließlich befand er sich in Nixdorf im damaligen Sudetenland (heute Ikulášovice) in Nordböhmen (heute Tschechische Republik). Auch dort wurde für die deutsche Rüstung produziert.
Nach der Befreiung reiste Kuba Markusfeld zunächst nach Prag, dann nach Pilsen und gelangte schließlich nach Landsberg/Lech. Hier lernte er seine spätere Ehefrau kennen und folgte ihr 1949 in die USA.
Kuba Markusfeld starb 2020, seine Ehefrau Eleonore Markusfeld, geb. Düring im Jahre 2010,
Johanna Düring heiratete in den USA Arthur Whitehead. Aus dieser Beziehung ging ihre Tochter Elsie hervor.
Egon Düring gründete ebenfalls in den USA eine Familie mit Florence Guller, aus der die Kinder Ellen, Marc und Diane hervorgingen.
Stand: Dezember 2024
© Ingo Wille
Quellen: Adressbuch Hamburg 1920 – 1939 (verschiedene Ausgaben); StaH 332-5 Standesämter 1105 Sterberegister Nr. 343/1939 (Max Düring); 213-13 Landgericht Wiedergutmachung 20247 Max Düring, 351-11 Amt für Wiedergutmachung 15348 Egon Düring, 49293 Horst Düring; 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 3 (Transport nach Riga, Listen 1 und 2. Beate Meyer (Hrsg.), Die Verfolgung und Ermordung Der Hamburger Juden 1933-1945, S. 64 ff., Göttingen 2006. Das nationalsozialistische Lagersystem, Zweitausendeins, 3. Aufl. Franfurt/M 1998 S. 690 Volomin/Wolomin, S. 324 (Zwangsarbeitslager für Juden Warszawa-Wilanów), S. 239/566 Außenlager Schlieben des KZ Buchenwald, S. 324/680/688 Skarzysko-Kamienna, S. 276 Bautzen (Außenlager des KZ Groß Rosen); Wolfgang Scheffler, Diana Schulle, Buch der Erinnerung, Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden, München 2003, S. 509, 624.
Dank an Nicole Wines, Enkelin von Eleonore Markusfeld für Erläuterung der Familienbeziehungen.