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Moraka Farbstein * 1898

ohne Hamburger Adresse


ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Weitere Stolpersteine in ohne Hamburger Adresse :
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Moraka Farbstein, geb. am 5.12.1898 in Ostrowo (Ostrów Wielkopolski), ermordet am 23.9.1940 in der "Tötungsanstalt " Brandenburg an der Havel

Ohne Stolperstein

Moraka (auch Moroka oder Morcka) Farbstein wurde am 5. Dezember 1898 in dem Ort Ostrowo in Polen geboren. Obwohl der Vorname auf eine weibliche Person hindeutet, handelte es sich bei Moraka Farbstein sehr wahrscheinlich um einen Mann. Er lebte in der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn in einem Haus der Männerabteilung und wurde 1940 in einer Liste des Abgangsbuches der Anstalt unter den Männern aufgeführt. Von seinem Vater ist nur der Name bekannt: Benjamin Farbstein. Über seine Mutter wissen wir nichts. Moraka war polnischer Staatsangehöriger. Dies ist auf der Kultussteuerkarte der Jüdischen Gemeinde in Hamburg vermerkt und wird durch den dort enthaltenen Hinweis "Nichtmitglied der Reichsvereinigung" bestätigt.

Die im Sommer 1939 zwangsgegründete "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" übernahm anstelle der bis dahin selbstständigen jüdischen Interessenvertretung Verwaltungsaufgaben, die auf Weisung des NS-Regimes, später des Reichssicherheitshauptamtes auszuführen waren. Jüdische Menschen im Sinne der NS-Definition, soweit sie die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen, mussten Mitglieder sein. Dies galt nicht für jüdische Menschen einer anderen Nationalität, aber sie wurden mit verwaltet.

Wir wissen nicht, wann und aus welchem Grunde Moraka nach Hamburg kam. Auch ein Wohnsitz ist weder für ihn noch für seine Eltern vermerkt. Auf der Kultussteuerkarte wurde als Familienstand "ledig" vermerkt.

Sicher ist, dass Moraka Farbstein im Oktober 1918 Patient der "Irrenanstalt Friedrichsberg” war. Dies beweist seine Patienten-Karteikarte Nr. 43938. Als sein Berufsstand wurde "Arbeiter" angegeben.

Die Anstalt Friedrichsberg war die zentrale Aufnahmeeinrichtung für Menschen mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen in Hamburg. Von dort wurden viele Patientinnen und Patienten in die "Irrenanstalt Langenhorn” verlegt. Auch Moraka Farbstein kam im Anschluss an seinen Aufenthalt in Friedrichsberg nach Langenhorn, und zwar am 21. Oktober 1918. Es ist nicht bekannt, ob er sich ohne Unterbrechung bis 1940 in Langenhorn aufhielt.

Moraka Farbstein lebte in Langenhorn, als die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, im Frühjahr/Sommer 1940 eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten plante. Das Reichsinnenministerium ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die in "Heil- und Pflegeanstalt" umbenannte Anstalt in Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die dort lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen. Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie gemeinsam mit den dort bereits länger lebenden jüdischen Patienten am 23. September 1940 nach Brandenburg an der Havel transportiert. Noch am selben Tag wurden sie in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd getötet. Nur eine Patientin, Ilse Herta Zachmann, entkam diesem Schicksal zunächst (siehe dort).

Wir wissen nicht, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Moraka Farbsteins Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) östlich von Lublin verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm/Cholm. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Da für Moraka Farbstein keine persönliche Adresse in Hamburg gefunden wurde, kann kein individueller Ort bestimmt werden, an dem seiner mit einem Stolperstein gedacht werden könnte.

Stand: Juni 2020
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 8; 9; AB; 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn 86182 Langenhorn Patienten jüdischen Glaubens Versorgung mit Matzot; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26. 8. 1939 bis 27. 1. 1941; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Moraka Farbstein der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg. Lorenz, Ina/Berkemann, Jörg, Die Hamburger Juden im NS-Staat 1933-1938/1939, Band I, Göttingen 2016, S. 89.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen"

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