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Familienbild Mutter, Tochter, 2 Söhne, Aufnahme bei Waldspaziergang 1919
Mutter Hermine Fabian mit Kindern Gertrud, Bruno und Hans (r.)
© Privatbesitz Alexander Watson

Hans Fabian * 1893

Kuhmühle 6 (Hamburg-Nord, Hohenfelde)


HIER WOHNTE
HANS FABIAN
JG. 1893
EINGEWIESEN 1940
LANDESANSTALT
BRANDENBURG
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Kuhmühle 6:
Helene Herz

Hans Fabian, geb. am 20.6.1893 in Berlin, Tod am 23.9.1940, Tötungsanstalt Brandenburg
Kuhmühle 6

"Hierdurch wird bescheinigt, dass laut den uns vorliegenden Unterlagen Herr Hans Fabian, geb. 20.6.1893 in Berlin, am 23.9.1940 unter der Nr. 24.587 mit einem Sammeltransport von Langenhorn aus Hamburg verlassen musste."
Jüdische Gemeinde in Hamburg, 13.3.1958

1958 war amtlich noch nicht bekannt, was es mit diesem Transport auf sich hatte. Das Abgangsbuch der Staatskrankenanstalt Hamburg-Langenhorn führte zwar unter dem Datum 23. September 1940 insgesamt 62 jüdische Patienten und 74 jüdische Patientinnen mit ihren Aktennummern auf, jedoch ohne Zielangabe. Sie wurden in die "Landespflegeanstalt Brandenburg" an der Havel gebracht – eine Tötungsanstalt des "Euthanasie"-Programms der Nationalsozialisten, "Aktion T4" – und dort noch am selben Tag mit Kohlenstoffmnoxyd ermordet. Weder die Anstaltsleitung in Langenhorn noch Angehörige erfuhren davon. Vielmehr wurden im Lauf der folgenden Monate fingierte Sterbeurkunden von einem angeblichen Standesamt Chelm bei Lublin mit ebenfalls fingierten Angaben zur Todesursache ausgestellt und den Angehörigen oder deren Vertretern zugeschickt. Hans Fabians Sterbeurkunde ist nicht erhalten, auch nicht seine Patientenakte. 1964 lag noch keine Für-Tot-Erklärung vor.

Hans Fabian wurde am 20. Juni 1893 in Charlottenburg geboren. Seine Eltern, Meyer Fabian und Hermine, geborene Rosenberg, hatten bis 1885 in Neuwedell/Westpommern gelebt und waren dann nach Berlin gezogen. Meyer Fabian führte einen erfolgreichen Großhandel mit "Produkten" – also landwirtschaftlichen und handwerklichen Erzeugnissen –, den er um die Verwertung von losem Altpapier und das Einstampfen von Büchern erweiterte. In Neuwedell waren die sieben älteren Kinder zur Welt gekommen – Max, Elsbeth-Recha, Siegfried, Alfred, Helka, Georg und Gertrud –, in Berlin Bruno, Martin, Margarete, Hans und Walter. Meyer Fabian starb 1904 mit nur 62 Jahren. Da waren die vier jüngsten Kinder noch schulpflichtig. Hermine Fabian führte den Betrieb fort. Die Mehrzahl der Kinder, darunter zunächst auch Hans, blieb wie Hermine Fabian in Berlin. Diese starb dort 1936.

Hans’ Bruder Martin, geboren am 1. Mai 1889, war nach Hamburg gezogen, wo er sich noch vor dem Ersten Weltkrieg als Kaufmann selbstständig machte. Einen Bezug dorthin stellte sein aus Hamburg stammender Schwager dar, der Schlachter John Hailbronner. Er hatte Martins und Hans’ Schwester Helka geheiratet.

Nach Kindheitsjahren ohne besondere Erkrankungen erlitt Hans Fabian mit 17 und mit 18 Jahren erste Epilepsieanfälle. Anders als sein Bruder Martin schlug er nicht die kaufmännische Laufbahn ein, sondern ließ sich zum Bildhauer ausbilden. Trotz seiner gesundheitlichen Einschränkung galt er als heeresverwendungsfähig und wurde 1914 eingezogen. Seine Krankheit verschlimmerte sich durch die Kriegserfahrungen, zumal er in Frankreich verschüttet wurde und sein Bruder Georg 1915 als Soldat ums Leben kam. 1916 wurde Hans Fabian aus dem Heeresdienst entlassen und zog zu seinem Bruder Martin nach Hamburg. Dort trat er noch im selben Jahr, am 26. August, in die Deutsch-Israelitische Gemeinde ein.

Zunächst arbeitete er zusammen mit seinem Bruder in dessen Zigarrengroßhandel am Steindamm 71, wo beide auch wohnten. Am 3. Mai 1919 erwarb er einen Gewerbeschein für den Handel mit Zigarren, Zigaretten, Tabak und Rauchutensilien. Am 27. März 1921 heiratete er Herta Herz, geboren am 17. November 1895 in Hamburg. Sie war die Älteste von vier Geschwistern. Ihr folgten die Brüder Manfred (1897; s. "Stolpersteine in Hamburg-Eilbek" und www.stolpersteine-hamburg.de) und Walter (1899; s. www.stolpersteine-hamburg.de) sowie die Schwester Berta (1900; s. www.stolpersteine-hamburg.de). Hertas Mutter Helene Herz, geborene Nathan, kam aus einer Kaufmannsfamilie (s. a. dort und auf www.stolpersteine-hamburg.de). Ihr Bruder Neumann Nathan hatte einen Uhren- und Goldgroßhandel aufgebaut, der durch die Inflation in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war. Hertas Vater Henry Herz war von Beruf Tapezier und in seinem Metier nicht sehr erfolgreich. 1922 wurde die Ehe von Hertas Eltern geschieden. Schon 1919 hatte sich Hertas Mutter Helene mit einer Sommerpension, dem Park-Hotel in Niendorf an der Ostsee, selbstständig gemacht. Einen Wohnsitz in Hamburg hatte sie jedoch behalten, sie lebte ebenso wie ihr Sohn Manfred an der Kuhmühle 6 in der Wohnung ihrer Tochter Herta und ihres Schwiegersohnes Hans.

Nur wenig später überließ Helene Herz Hans Fabian die Pension und bereits am 30. Mai 1921 erhielt er die für den Betrieb nötig Konzession. Er führte das Hotel zusammen mit dem Mitinhaber Weinberg als "Einziges jüdisches Hotel an der Lübecker Bucht", wie er annoncierte. Im November 1922 erwarb er außerdem einen Gewerbeschein für einen Groß- und Einzelhandel mit Stoffen. Der Stempelbetrag von 200 Reichsmark war an die Inflation angepasst.

Auch Hans Fabians Bruder Martin wechselte die Branche. Zusammen mit seiner Frau Katharina eröffnete er um 1923 ein Herrenbekleidungsgeschäft am Steindamm 102 in St. Georg, das in den folgenden Jahren immer besser lief. Katharina Fabian, geborene Rosener, geboren am 26.4.1890, stammte ebenfalls aus Berlin. Die gemeinsame Tochter Steffi war am 24. Mai 1919 in Hamburg geboren worden.

1924 verschlechterte sich Hans Fabians gesundheitlicher Zustand erheblich, woraufhin er 1925/26 einen Antrag auf Gewährung einer Versorgungsrente stellte. Die Gutachter erklärten, es handele sich um eine gemeine Epilepsie, deren Verschlimmerung nichts mit dem Kriegsgeschehen zu tun habe und deren gewöhnlicher Verlauf es sei, dass sie sich mit den Jahren verstärke. Damit erledigte sich der Rentenantrag. Trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen und des Scheiterns seines Rentenantrags blieb Hans Fabian acht Jahre lang Pächter des Parkhotels, bis er im September 1929 aus dem Pachtverhältnis ausschied.

In der Zwischenzeit war Hans’ Schwager Manfred Herz erst Mitinhaber der Firma seines Onkels Neumann Nathan geworden, 1926 hatte er sie ganz übernommen. Am 28. Juni 1928 hatte er zudem geheiratet und war aus der Wohnung an der Kuhmühle ausgezogen. Hans’ Schwägerin Berta Herz hatte ihre Berufstätigkeit aus psychischen Gründen bereits 1925 aufgeben müssen. Sein Schwager Walter wiederum war von seiner Zeit auf See psychisch krank zurückgekehrt und wurde 1925 in der Hamburger Staatskrankenanstalt Friedrichsberg untergebracht. In dieser Situation hatte sich seine Schwiegermutter Helene Herz entschieden, die jüdische Gemeinde zu verlassen und sich der "Ersten Kirche Christi, Wissenschafter, Hamburg" zuzuwenden.

Ob Hans Fabian nach seinem Ausscheiden aus dem Hotel überhaupt noch berufstätig war und wenn ja, ob er als Gastwirtsgehilfe oder selbstständiger Vertreter arbeitete, lässt sich anhand der vorhandenen Dokumente nicht mit Sicherheit feststellen. Jedenfalls verdiente er so wenig, dass er 1932 nicht einmal Kultussteuer zahlen musste. Erst gaben seine Frau Herta und er die Wohnung an der Kuhmühle auf, dann trennten sie sich. Hans Fabian fand eine Unterkunft zur Untermiete in Borgfelde, Herta Fabian wechselte auf die andere Seite der Alster.

Als sich Hans Fabian nicht mehr selbstständig versorgen konnte, zog er am 1. Januar 1936 in das Daniel-Wormser-Haus. Dieses Auswanderer- und Altersheim des Israelitischen Unterstützungsvereins für Obdachlose lag in der Nähe des Hauptbahnhofs, in der Westerstraße 27 am Klostertor. Nach rund einem Jahr Aufenthalt im Daniel-Wormser-Haus wurde Hans Fabian am 20. Januar 1937 im städtischen Versorgungsheim Farmsen untergebracht.

Nach der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 wurde Martin Fabian im KZ Sachsenhausen inhaftiert und gezwungen, sein Herrenbekleidungsgeschäft aufzugeben, Manfred Herz’ Uhrenhandel wurde "arisiert". Gleichwohl unterstützte Martin Fabian noch einige Verwandte. So bezahlte er seinem Bruder Bruno die Fahrkarte nach Schanghai und schickte seiner Schwester Gertrud Fabian in Berlin, seiner Schwägerin Lucie Bleiweiss in Essen und seiner Schwiegermutter Fraenze Rosener in Aachen Geld. Zu Zahlungen für seinen Bruder Hans wurde er offenbar jedoch nicht herangezogen. Als sich dessen Ehefrau Herta entschloss, die Scheidungsklage einzureichen, stellte sie beim Amtsgericht den Antrag, für das Scheidungsverfahren einen Pfleger für Hans zu beauftragen. Dieser bat daraufhin, seinen Bruder Martin mit der Pflegschaft für ihn zu betrauen. Das Amtsgericht entschied anders und beauftragte einen jüdischen "Konsulenten". Dieser emigrierte jedoch ebenso wie Martin Fabian mit seiner Familie noch vor dem Scheidungsverfahren. Am 17. Mai 1939 wurde die Ehe zwischen Hans und Herta Fabian dennoch rechtskräftig geschieden.

Nach dreijährigem Aufenthalt im Versorgungsheim Farmsen wurde Hans Fabian am 2. Februar 1940 in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn überwiesen. Dort traf er auf seine Schwägerin Berta Herz. Sein Schwager Walter Herz war im Oktober 1939 zuvor nach Lübeck-Strecknitz verlegt worden. Als jedoch "Langenhorn" zur Sammelstelle für jüdische psychiatrische Patienten und Patientinnen wurde, kam Walter dorthin zurück. Am 23. September 1940 wurden Hans Fabian sowie Berta und Walter Herz mit einem Sammeltransport von 136 jüdischen Kranken in die Tötungsanstalt Brandenburg verlegt und noch am selben Tage ermordet.

Von den in Berlin und Stettin wohnenden Geschwistern Hans Fabians wurden 1942 und 1943 Elsbeth-Recha und ihr Ehemann Franz Ehrlich, Gertrud, Margarete und Walter Fabian sowie Max’ Witwe Luise ermordet. Bruno starb 1943 in Schanghai. Herta Fabian wurde mit ihrem Bruder Manfred, dessen Frau Rosalie und deren gemeinsamen Kindern Ruth (geboren am 28.7.1931), und Herbert (geboren am 3.12.1933), am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Ihre Mutter Helene Herz wurde am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt verbracht. Von ihnen überlebte niemand.

Stand: Mai 2016
© Hildgard Thevs

Quellen: 1; 2; 4; 5; 6; 7; 9; StaH 232-5, 429; StaH 314-15 OFP R 1941/53; StaH 332-5, 1009 u. 368/1933; 1904 u. 857/1877; 2846 u. 49/1895; 3043 u. 755/1905; 6670 u. 290/1928; 9112 u. 2055/1895; 9134 u. 2359/1897; 13404 u. 1946/1900; StaH 351-11 AfW 11088; StaH 376-3 Zentralgewerbekartei 10272/1919, 3428/22; Hamburger Adressbücher; H. Herde, Niendorf/Ostsee; Dokumente und Mitteilungen von Alexander Watson, Januar 2015.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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