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Katharina Falk (geborene Zerkowitz) * 1862

Kurzer Kamp 6 Altenheim (Hamburg-Nord, Fuhlsbüttel)

1942 Theresienstadt
tot 23.1.1943

Weitere Stolpersteine in Kurzer Kamp 6 Altenheim:
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Katharina Falk, geb. Zerkowitz, geb. am 3.6.1862 in Wien, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort umgekommen am 23.1.1943

Kurzer Kamp 6

Katharinas Vorfahren väterlicherseits stammten aus Zerkow in Posen, wie ihr Geburtsname andeutet. Juda Lobl Kohn-Zerkowitz war in diesem jüdischen Zentrum 1695 geboren worden.

Katharina Zerkowitz (geb. 3.6.1862 in Wien, Schottenfeld 225) kam aus einer Wiener Kaufmannsfamilie. Sie war die dritte Tochter von neun Kindern von Anna, geb. Neustadt (geb. 1835), und Gerson Loebl Zerkowitz. Der Vater stammte aus Leipnitz, Mähren (geb. 20.4.1822), und war Börtel-Fabrikant, auch Schnurmacher oder Posamentier (d.h. er fertigte textile Verzierungen für Kleidungsstücke an). Die Familie gehörte der Israelitischen Kultusgemeinde Wien an. Katharinas ältere Schwestern Bertha und Amalia und die jüngeren Geschwister Martha und Max waren ebenfalls in Wien zur Welt gekommen. Der älteste Bruder Julius stammte aus einer vorehelichen Verbindung ihres Vaters. Ihr Vater verstarb im Alter von 51 Jahren am 15. Januar 1874 in Wien und wurde auf dem Zentralfriedhof Wien beigesetzt, Grablage Gruppe 6, Reihe 23A, Grab 25A.

Katharina Zerkowitz war noch keine 18 Jahre alt, als sie am 2. Februar 1880 mit dem 13 Jahre älteren Jakob Wertheimer (geb. 29.12.1849) von Rabbiner Jellinek in ihrer Geburtsstadt Wien im Stadttempel getraut wurde. Ihr Ehemann stammte aus Stampfen in Ungarn. Mit ihm bekam sie in Wien fünf Kinder, Netti (geb. 17.12.1881), Gustav (geb. 25.12.1882) und Johanna (geb. 23.8.1887, mit dreieinhalb Wochen verstorben), Oskar (geb. 1.4.1889) und Otto (geb. 31.7.1890).

Es ist zu vermuten, dass es um die Ehe Katharina Wertheimers nicht gut stand. Im Anschluss an einen fünftägigen Aufenthalt in London verzog sie 1892 nach Hamburg. Zunächst wohnte sie im Mittelweg 25, 1. Stock. Am 14. September 1894 wurde in Wien ihre Ehe dann offiziell nach 14 Jahren geschieden. Katharina, geb. Zerkowitz, heiratete ein zweites Mal. Mit dem fünf Jahre älteren Zigarrenhändler Liepmann Falk aus Hamburg wurde sie am 10. September 1903 in West Ham, London, getraut. Liepmann Falk war der Sohn von Louise, geb. Heilbut, und dem Kaufmann Eduard Falk aus Altona. Er war Witwer, seine erste Ehefrau Czerline, geb. Hirsch, war 1901 mit 45 Jahren in Altona verstorben. Aus dieser Ehe stammte seine Tochter Louise, sie war im Alter von Katharinas Söhnen.

Katharinas Ehe mit Liepmann Falk wurde sieben Jahre später am 17. Mai 1910 vor dem Landgericht Hamburg geschieden. Liepmann Falk heiratete danach Julie Giedel Nussbaum aus Witzenhausen. Ein Vierteljahr später, im Januar 1912, verstarb er mit 54 Jahren in seiner Wohnung, Rutschbahn 15, Parterre; er hatte an Arteriosklerose gelitten. Nach der Scheidung und dem Tod von Jakob Wertheimer am 7. November 1907 in Wien, war Katharina Falk am 4. August 1910 in den Hamburger Staatsverband aufgenommen worden. Zu dieser Zeit hielt sie sich bis zum 10. August in Helgoland auf. Als Beruf hatte sie "Friseurin und Putz" mit einem jährlich zu versteuernden Einkommen von 4.800,- Mark angegeben.

Im Dezember 1915 ließ sich Katharina Falk anlässlich einer geplanten Reise einen Pass ausstellen. Sie wollte einen ihrer Söhne in Österreich besuchen. Aus dem Passprotokoll ist zu erfahren, dass sie "unter dem Mittel groß" war, blondes Haar und graublaue Augen hatte und am Mittelweg 25, 1. Stock, wohnte. Ihre Mutter Anna Zerkowitz, geb. Neustadt, verstarb im Jahre 1917.

Nach Ende des Ersten Weltkrieges meldete Katharina Falk am 21. Dezember 1918 ein Gewerbe als "Inhaberin einer Agentur und Kommissionsgeschäftes" in ihrer Wohnung Dorotheenstraße 161, 1. Stock, an.

Um sich einen gesicherten Lebensabend ermöglichen zu können, zog Katharina Falk nach dem Jahre 1934 in das Stift "Olen Dage" des "Mietehülfsverein von 1861 e. V. in Volksdorf", Saseler Weg 9. Der Mietehülfsverein von 1861 war von elf Bürgern zusammen mit dem Vorstandsmitglied Dr. Richard Robinow mithilfe von Spenden und letztwilligen Verfügungen gegründet worden, um unverschuldet in Not geratene Hamburger Bürger*innen mit Darlehen oder Beihilfen zu unterstützen. 1932 war ein Legat fällig geworden und so hatte der Verein auf dem landschaftlich schön gelegenen 3000 qm großen Gelände in Volksdorf, Saseler Weg 9, ein Altersheim errichten können. Nach den Plänen der Architekten Hans und Oskar Gerson war es 1934 erbaut worden; das Stresow Stift hatte dabei als Vorbild gedient. Insgesamt 14 Frauen konnten eine eigene kleine moderne Wohnung mit Bad und allen neuzeitlichen Einrichtungen zu einem geringen Mietpreis, incl. Warmwasser- und Heizungskosten in Höhe von 15,- bis 18,- RM, beziehen. Eine Zahlung von ca. 300–500,- RM war einmalig für die Wohnung zu entrichten.

Über dem Eingangstor standen die Worte: "Opdat es uns wohl ergehe op unse olen Dage!" (Auf dass es uns wohl ergehe auf unsere alten Tage). Diese Hoffnung erfüllte sich für die jüdischen Bewohnerinnen Katharina Falk und Jenny Friedemann nicht. Die nationalsozialistischen Machthaber zerstörten für die Menschen jüdischer Herkunft selbst im fortgeschrittenen Alter jegliche Sicherheit. Ganz im Gegensatz dazu wurde die Absicherung für die "arischen" Rentner wesentlich verbessert, ab 1941 mit der Einführung der allgemeinen Krankenversicherung als Pflichtversicherung für Rentner und der Schaffung einer gesetzlichen Witwenrente.

Am 23. Oktober 1938 wurden die Vermögensverhältnisse von Katharina Falk von der Zollfahndung überprüft. Daraufhin wurde am 4. November 1938 für sie eine vorläufige "Sicherungsanordnung" erlassen, die am 18. November 1938 von der Devisenstelle bestätigt wurde. Katharina Falk durfte nicht mehr frei über ihr Geld verfügen. Zu dieser Zeit war sie zur Behandlung im Jüdischen Krankenhaus, Johnsallee. Die Wertpapiere aus ihrem Depot bei der Vereinsbank wurden nach und nach zur Bestreitung des Lebensunterhaltes und zur Entrichtung von Abgaben freigegeben. Die antijüdischen Gesetze der nationalsozialistischen Machthaber zwangen Katharina Falk zum Umzug in ein "Judenhaus". Am 23. Oktober 1939 musste sie zusammen mit Jenny Friedemann ihr Stift im Saseler Weg 9 verlassen und in das Mendelson-Israel-Stift, Wohnung Nr. 13, einziehen.

Am 10. Juli 1941 wurde in einem Artikel im "Hamburger Anzeiger" der Mietehülfsverein anlässlich seines 80-jährigen Jubiläums gewürdigt. Erwähnt wurde nicht, dass jüdische Menschen diesen Verein ins Leben gerufen hatten und dass solche inzwischen aus dem Stift verdrängt worden waren.

Zu ihren Söhnen Oscar und Otto hatte Katharina Falk ein enges Verhältnis, wie aus den wenigen Briefwechseln, die erhalten geblieben sind, zu ersehen ist. Sie machte sich Gedanken um die Versorgung der Kinder. "Ferner habe ich mich in eine Sterbekasse eingekauft, nach meinem Tode bekommst Du und Otto ein paar hundert Mark." Ihr Sohn Oscar Wertheimer, seit 1914 Franzose, war Makler/Agent und lebte in Marseille. In den 1930er Jahren war er erwerbsunfähig und krank geworden. Er hatte drei Kinder, geb. 1928, 1932 und 1938. Oscar hatte seiner Mutter bei einem Besuch eine goldene Herren-Anker-Uhr mit drei goldenen Deckeln und ein silbernes Zigarettenetui mit Monogramm aus dem Jahre 1924, bei Mohr in der Königsstraße gekauft, zur Aufbewahrung gegeben. Katharina Falk hatte ihm diese ihm wertvollen Gegenstände nach Frankreich nachsenden wollen. Ein im Mai 1939 von ihr bei der Devisenzentrale eingereichter Bittbrief um Ausfuhrerlaubnis war jedoch abgelehnt worden.

Katharina Falks zweiter Sohn Otto Wertheimer, von Beruf Kaufmann, war gezwungen, auszuwandern. Er entkam nach Shanghai.

Ein Brief von Katharina Falk an ihre Nichte Gretel dokumentiert die Drangsal, in der sie sich in den letzten Minuten vor ihrer Deportation aus dem Mendelson-Israel-Stift befand:
"Mein liebes gutes Gretel!
Heute muß ich mit allen die in meiner Nähe sind nach Theresienstadt reisen. Dein lang ersehntes Schreiben ist per Zufall noch in mein Besitz gelangt. Tante B. ist seit 20/5 bei Onkel Karl es geht ihr besser wie mir. Mein Gepäck ist seit 3 Tagen schon an der Bahn. Habe nur dicke Kissen und Proviant bei mir Geld noch 4 M., dazu bin ich alt geworden. Ich bin so dünn Du würdest mich kaum erkennen. Genug davon. Irma hat Anfang Juni von mir M 50 erhalten Sie kann ja doch nichts kaufen sie soll dir 25 M davon senden. Kleider habe ich die ich hatte eingepackt. Ich fahr nur in Reisekleidung, ein Sack Inhalt 1 Decke 1 Kissen Tasche mit Proviant, und Handtasche. Gott steh mir bei. Am liebsten wäre ich... B. nach gegangen, Aber eine Heldin bin ich nicht, du bist jung und wirst noch alles in Freuden erzählen Halte durch Gott wird Dir die Kraft geben. Ich bin sehr traurig, dass ich Deinen Wunsch nicht erfüllen kann. Alles ist seit einigen Tagen gekommen. Ich muß
schließen da der Wagen in Sicht ist noch muß ich sehen Cuvert u. Marken zu bekommen. Nochmals liebes Kind sei tapfer habe Muth halte Dich gesund für alle die Dich lieben Deiner Mutter Paldi Refi & alle anderen sende ich viele herzliche Grüße & Küsse Dich in dieser Abschiedsstunde für noch ein Moment von dieser Tante die Euch und Dich immer liebte und so lange ich noch atme werde ich Eurer gedenken. Ich kann heute nicht schöner schreiben entschuldige Nochmals Lebewohl Vergeßt mich nicht. Tante B ist hier noch ein großer Verlust."
(Rechtschreibung und Zeichensetzung wie im Original)

Am 19. Juli 1942 wurde Katharina Falk zusammen mit 22 Leidensgenoss*innen aus dem Mendelson-Israel-Stift nach Theresienstadt deportiert. Kurz darauf, am 23. Januar 1943, verstarb Katharina Falk mit 80 Jahren in Theresienstadt. In der Todesfallanzeige ist als Todesursache "Altersschwäche" verzeichnet. In Theresienstadt bedeutete dies, sie verstarb unter den unmenschlichen Bedingungen, geprägt von Hunger und Kälte.

Vor ihrer Deportation hatte sie noch für den Aufenthalt im Getto Theresienstadt einen "Heimeinkaufsvertrag" abschließen und dafür 4.165,63 RM zahlen müssen. Der Betrag ging auf das "Sonderkonto H" der Reichsvereinigung, auf das das Reichssicherheitshauptamt Zugriff hatte.

Der Erlös von 333,70 RM aus der Versteigerung ihres zurückgelassenen Hausstandes nach ihrer Deportation am 1. September 1942 im Kurzen Kamp 6 durch Schopmann & Sohn ging an den Oberfinanzpräsidenten.

Ihre Nichte "Irma", verheiratete Kornfein, die sie in ihrem Brief erwähnt, Tochter ihres Bruders Karl und Auguste Zerkowitz aus Wien, wurde im Oktober 1944 in Auschwitz ermordet. Deren Tochter Rosina Kornfein konnte mit einem Kindertransport nach England entkommen.

Ihre Nichte Margarita Spengler, genannt Gretel, Tochter ihres Bruders Leopold, hatte mit ihrer Familie von Wien nach Buenos Aires, Argentinien, entkommen können.

Ihre Schwester Bertha, verehelichte Bondi, war kurz vorher, am 18. Juni in Wien verstorben (vermutlich bezieht sich "Tante B." in ihrem Brief auf diese Schwester). Ihr Bruder Karl Zerkowitz war in Wien in einem "Judenhaus" ein halbes Jahr zuvor, am 7. Januar 1942, verstorben. Beide sind nebeneinander auf dem Zentralfriedhof in Wien bestattet. Im "Jüdischen Nachrichtenblatt Wien" hatte die Familie mit "Schwester Kati Sara Falk" die Traueranzeige für den Bruder Karl, Torwart und Tempeldiener der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, aufgegeben. Er hatte seit 1904 im Dienste der Gemeinde gestanden und war für seine Pflichttreue und Verlässlichkeit und sein konziliantes Wesen geehrt worden. Seine Frau Auguste Zerkowitz, Katharinas Schwägerin, verstarb in Theresienstadt am 2. Dezember 1942. Ob sich die beiden Frauen dort begegnet sind, ist ungewiss.

Katharinas Sohn Otto Wertheimer lebte nach seiner Emigration nach Shanghai später eine Zeit lang in Tel Aviv. Nach dem Krieg kehrte er nach Wien zurück und verstarb dort vermutlich am 31. Oktober 1967. Sein Grab ist auf dem Alten Jüdischen Friedhof am Wiener Zentralfriedhof, Tor IV, Simmeringer Hauptstraße 244, zu finden.

Neben Katharinas Brief an ihre Nichte Gretel liegt gleichsam als ein letztes Zeugnis zwischen Akten im Staatsarchiv Hamburg ihr kleines Büchlein mit handgeschriebenen Aufzeichnungen ihrer wohlgeordneten Haushaltsbuchführung.

Stand: Januar 2023
© Margot Löhr

Quellen: 1; 2; 3; 4; 5; 7; 8; StaH, 314-15 Oberfinanzpräsident, R 1938-3013 Falk Katharina; StaH, 332-5 Standesämter, 8011 u. 51/1912, 8676 u. 328/1911; StaH, 352-5 Todesbescheinigungen, 1912 Sta 3 Nr. 51; StaH, 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, BIII 105573; StaH, 332-8 Meldewesen, A 24 Reisepassprotokolle, Bd. 131, Nr. 8636 /1915; StaH, 351-10 I Sozialbehörde, A K 22.23 Bd. 2 Mietehülfsverein v. 1861; StaH, 351-11 Amt für Wiedergutmachung, Falk, Katharina, 030662; StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, Abl. 1993/1 A 10; StaH, 741-4 Fotoarchiv, K 3837 Gewerbeanmeldungen, K 6057; Institut Theresienstädter Initiative, Nationalarchiv Prag, Jüdische Matrikeln, Todesfallanzeigen, 345489 Falck, Katharine; "Hamburger Anzeiger" Nr. 159 vom 10.07.1941; "Jüdisches Nachrichtenblatt" Wien, 9.2.1942, Ausgabe 2, S. 2; http://alfredhanscom.tripod.com/zerkowitz.pdf, eingesehen 2010; Jakob (Jacob) Wertheimer, https://www.geni.com/people/Jakob-Jacob-Wertheimer/6000000019324635406, eingesehen am: 27.3.2022; Marriage Katharina Zerkowitz u. Liepmann Falk, https://www.freebmd.org.uk/cgi/information.pl?r=110809121:7395&d=bmd_1646647063, eingesehen am: 29.3.2022; Zentralfriedhof Wien, https://de.findagrave.com/memorial/192575883/jakob-wertheimer, eingesehen am: 27.3.2022; Photo: Sidonie Grünwald-Zerkovitz: "Eheweh", Wien 1906, Titelseite.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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