Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Porträt Bertha Feld, 1933
Porträt Bertha Feld, 1933
© UKE/IGEM

Bertha Feld * 1915

Wandsbeker Chaussee 116 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
BERTHA FELD
JG. 1915
EINGEWIESEN 1940
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Bertha Feld, geb. am 25.8.1885 in Krojanke/Pommern (heute: Krajenka, Woiwodschaft Großpolen), ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Stolperstein in Hamburg-Eilbek, Wandsbeker Chaussee 116

Bertha Feld, Tochter jüdischer Eltern, geboren am 25. August 1885, gab als 57-Jährige über sich selbst Auskunft: Ihr Vater, der Schuldiener Aron Feld, sei sechs Wochen, ihre Mutter Rosalie, geborene David, drei Monate nach ihrer Geburt gestorben. Von einer Stiefschwester sei sie oft geschlagen worden. Als kleines Kind habe sie schon um vier Uhr früh aufstehen müssen, um zu arbeiten. Noch bis zum fünften oder sechsten Lebensjahr sei sie Bettnässerin gewesen. Im Alter von sechs Jahren sei sie in die Volksschule gekommen und habe diese bis zur ersten Klasse besucht (zu der Zeit war die erste die höchste Klassenstufe). Besondere Neigungen in der Schule seien ihr nicht erinnerlich. Sie beschrieb sich als einen trotz allem sehr lustigen und freundlichen Menschen, nicht streitsüchtig, nicht erregt. Nach der Schulzeit sei sie in ein Geschäft eingetreten und habe mit einem eigenen Verkaufsstand gut verdient. Sie sei ledig geblieben. Über eigene Kinder oder Schwangerschaften wollte sie keine Auskunft geben.

Offensichtlich hatte Bertha Feld ihr Leben recht gut meistern können, obwohl sie seit ihrer Kindheit an Erstickungsanfällen infolge einer Struma, einer Vergrößerung der Schilddrüse durch Jodmangel, litt, die 1931 operativ beseitigt wurde. Seit dieser Zeit bekam Bertha Feld Anfälle, die sie jedoch selbst nicht wahrnahm. Von Bekannten erfuhr sie, dass solche Anfälle zu Stürzen und Bewusstlosigkeit geführt hatten. Als Bertha Feld 1933 im Krankenhaus Eppendorf aufgenommen wurde, klagte sie darüber, dass neuerdings ihr Gedächtnis aussetze und sie deshalb begonnene Tätigkeiten oft nicht beenden könne.

Der Nervenarzt Dr. Leopold Koppel wies Bertha Feld im September 1933 in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg ein. Sie wohnte zu der Zeit in der Straße Blumenau 163 in Hamburg-Eilbek. In Friedrichsberg kam sie in die offene Nervenabteilung. Anscheinend waren die Ärzte dort nicht in der Lage, Bertha Feld zu helfen. Sie notierten in ihrer Patientenakte: "Da Pat. immer wieder mit neuen Klagen kommt, in ihrem Befinden angeblich keine Besserung eingetreten ist, wird ihr die Entlassung nahegelegt." Sie erfolgte am 9. Oktober 1933.

Im April 1934 verurteilte das Amtsgericht Bertha Feld zu drei Tagen Haft, die sie unmittelbar im Anschluss an das Urteil antreten musste. Es ist nicht überliefert, welchen Vergehens sie beschuldigt wurde. Auf ihrer Haftkarteikarte ist die Adresse Wandsbeker Chaussee 116 bei Siemers notiert.

Im Februar/März 1936 war Bertha Feld erneut Patientin in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg. Ihre Adresse lautete zu dieser Zeit Lübecker Straße 116 bei Wendt. Auch dieser Krankenhausaufenthalt führte nicht zur Klärung der Krankheitsursache. Ihr wurde indirekt Simulation unterstellt. Anlässlich ihrer Entlassung am 3. März 1936 wurde in der Patientenakte notiert: "Pat. läßt sich nichts anmerken, verabschiedet sich freundlich und [...] verbindlich vom Arzt."

Nach Aufenthalten im Versorgungsheim Farmsen und wiederum in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg wurde Bertha Feld im Dezember 1937 in die Staatskrankenanstalt Langenhorn eingewiesen, nun mit der Diagnose "Erregungszustand und Gewalttätigkeit". Ein halbes Jahr später, am 9. Mai 1938, überwies man sie in die Heilanstalt Lübeck-Strecknitz. Hier blieb sie bis zum 16. September 1940.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in staatlichen sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Bertha Feld traf am 16. September 1940 in Langenhorn ein. Am 23. September 1940 wurde sie mit weiteren 135 Patienten aus norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel transportiert. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Patienten umgehend in die Gaskammer und tötete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Aus keiner der Aufzeichnungen über Bertha Feld geht hervor, dass sie Angehörige hatte. Wir wissen somit nicht, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Bertha Felds Tod erhielten. In allen dokumentierten Fällen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) östlich von Lublin verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in dieser Stadt. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm/Cholm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferung 13, Journal Nr. 1126/1934; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; UKE/IGEM, Karteikarte Bertha Feld der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; UKE/IGEM, Archiv, Patientenakte Bertha Feld der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; IMGWF, Patientenakte Bertha Feld der Heilanstalt Lübeck-Strecknitz.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang