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Rosa Förster (geborene Wolff) * 1887
Carl-Petersen-Straße 109/Ecke Bei den Blöcken (Hamburg-Mitte, Hamm)
HIER WOHNTE
ROSA FÖRSTER
GEB. WOLFF
JG. 1887
DEPORTIERT 1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 26.3.1942
Weitere Stolpersteine in Carl-Petersen-Straße 109/Ecke Bei den Blöcken:
Boris Förster
Rosa Förster, geb. Wolff, geb. 10.4.1887 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 ins Getto Litzmannstadt/Lodz, Tod am 26.3.1942
Boris Förster, geb. 9.6.1936 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 ins Getto Litzmannstadt/Lodz
Carl-Petersen-Straße 109
Der Kürschner und Mützenmacher Josef Wolff, geb. 29.6.1851 in Gostyn in der damals preußischen Provinz Posen, war 1880 nach Hamburg gezogen und hatte sich in der Neustadt etabliert. Seine Eltern, der "Handelsmann" (Händler) Tobias Wolff und Ehefrau Rosel, geb. Bildhauer, blieben bis an ihr Lebensende in Gostyn. Josef Wolff heiratete am 26. Juni 1884 die in Hamburg geborene Pauline Salomon, Tochter des Zigarrenarbeiters Isaak Salomon und seiner Ehefrau Rahel, geb. Levin. Beider Familien waren jüdisch. Als erstes Kind wurde am 5.6.1885 in ihrer Wohnung Kattrepel 48 ihr Sohn Theodor geboren.
Josef Wolff betrieb seine Einbürgerung in Hamburg. Voraussetzungen dafür waren, dass er seine preußische Staatsangehörigkeit aufgab und genug verdiente, um dem Staat nicht zur Last zu fallen. Da er ein zu versteuernden jährliches Einkommen von 800 Mark nachweisen konnte, wurde er am 13. Dezember 1886 in den "Hamburgischen Staatsverband" aufgenommen. Er zog mit seiner Familie in die Spitalerstraße 67 in der Altstadt. Dort kam am 10.4.1887 Rosa, die einzige Tochter, zur Welt, ihr folgte nach einem Umzug in die Rosenstraße 28 am 16.11.1892 der Bruder Leo.
Im Juli 1894 verließen Josef und Pauline Wolff mit ihren drei Kindern Hamburg in der Absicht, in die USA auszuwandern. Mit dem Dampfschiff "Empress" gelangten sie über Liverpool nach Philadelphia in Pennsylvania. Sie kehrten jedoch schon bald zurück, und Josef Wolff ließ sich als Mützenmacher in der Brüderstraße 14 in der Neustadt nieder. Dort wurde am 6.2.1897 Michael, der Jüngste, geboren. 1904 zog die Familie zum Grindelberg 90, wo Josef Wolff ein Mützengeschäft eröffnete.
Über Rosas Wolffs Schulbesuch und ihre Ausbildung ist nichts bekannt. Am 29. Juni 1905 heiratete sie mit 18 Jahren den neun Jahre älteren, ebenfalls jüdischen Kaufmann und Makler Eduard Simonsohn, geb. 20.6.1878 in Scharmbeck, Kreis Osterholz.
Er war das jüngste der vier Kinder des Schlachters Simon Simonsohn und seiner Ehefrau Adelheid, geb. Masur, geb. 2.1.1846 in Friedrichstadt. Letztere war nach dem Tod ihres Ehemannes Simon mit ihren Töchtern Eva Ida (1872) und Jette Helene sowie den Söhnen Leopold (1876) und Eduard (1878) nach Hamburg gezogen. Sie konnten 1886 im Simon Kalker-Stift am Schaarmarkt 28 eine Wohnung beziehen. Eva wurde später Kindererzieherin und Köchin, Jette Dienstmädchen und Schneiderin, Leopold Bankier und Eduard Kaufmann. Jette Helene starb bereits 1899. Leopold als der älteste Sohn vertrat die Familie nach außen.
Als Erste der Geschwister Simonsohn heiratete Eva Ida im Mai 1899, sie ging eine "Mischehe" ein. Ihr Mann, Schlachtermeister Wilhelm August Schwarz, gehörte der evangelisch-lutherischen Kirche an. Nach Jette Henriettes Tod verließ Adelheid Simonsohn das Stift und zog zu ihrer Tochter Eva Ida in den Steindamm in St. Georg, wo deren Mann seinen Schlachtereibetrieb aufgebaut hatte.
Neues Zentrum der Familie wurde Leopold Simonsohns Wohnung Rappstraße 19. Am 7. Oktober 1902 zog Adelheid Simonsohn zu ihm, und dort fand sich oft auch Eduard ein, der viel reiste und oft umzog, auch nach seiner Heirat und der Geburt der Kinder.
Leopold Simonsohn gründete ein eigenes Bankgeschäft und zog nach seiner Heirat nach Harvestehude ins Jungfrauenthal 20. Dort lebte er mit seiner 1885 in Hamburg geborenen Ehefrau Ella, geb. Meyer, und ihrer Tochter Ilse, geb. 11.4.1905, bis 1935.
Am 6.1.1907 brachte Rosa Simonsohn ihre erste Tochter, Ruth, zur Welt. Nur wenige Wochen später starb ihr Vater Joseph Wolff (24.2.1907) und bald darauf auch ihre Schwiegermutter Adelheid Simonsohn (24.5.1907). Diese wurde auf dem jüdischen Friedhof Ihlandkoppel in Ohlsdorf beerdigt.
Eduard Simonsohn trat in die von seinem Schwiegervater Josef Wolff gegründete Firma ein und wohnte Kleiner Kielort 9. Kurze Zeit später zog er nach Lauenburg an der Elbe. Zu Rosa Simonsohns Geschwistern bestand ebenfalls enger Kontakt: Bei der Eheschließung seines Schwagers Theodor Wolff, Rosa Simonsohns ältestem Bruder, im Dezember 1909, nahm Eduard als Trauzeuge die Stelle ihres zwei Jahre zuvor verstorbenen Vaters ein. Theodor Wolff lebte in London, wo er eine Lichtdruckerei betrieb, und kam besuchsweise nach Hamburg, um Bella Salomon, geb. 29.6.1886 in Hamburg, Tochter des Lotterieeinnehmers Julius/Isaak Salomon und seiner Ehefrau Sara, geb. Pfifferling, hier zu heiraten. Das junge Ehepaar Wolff kehrte bei Beginn des Ersten Weltkrieges nach London zurück.
Eduard Simonsohn übernahm in Hamburg die Bankgeschäfte seines Bruders Leopold, hatte aber in den Kriegsjahren und der darauf folgenden Inflationszeit finanziell nur mäßigen Erfolg.
Am 22.5.1911 brachte Rosa Simonsohn ihre zweite Tochter Alice zur Welt. 1913 wurde Ruth eingeschult.
Eduard Simonsohn meldete sich am 2. Juli 1917 nach Konstanz zum Einsatz beim Hauptsteueramt des militärischen Grenzschutzes ab. Ob er eingezogen wurde oder freiwillig ging, und wo die Familie in dieser Zeit blieb, ließ sich nicht klären. Im letzten Kriegsjahr wurde am 25.6.1918 Margot, Rosa und Eduard Simonsohns jüngste Tochter, in Altona geboren.
Ruth, Alice und Margot Simonsohn besuchten in Hamburg jüdische Privatschulen, solange die Mittel der Familie dafür reichten. Ruth und Alice wurden später von beruf Kontoristinnen, Margot erhielt aus Geldmangel eine hauswirtschaftliche Ausbildung im Paulinen-Stift.
Die 1920er Jahre brachten viele familiäre Veränderungen mit sich. Seit dem Senatsbescheid vom 22. September 1920 führten Eduard Simonsohn und seine Familie nun den Namen "Förster". 1923 ließen sich sowohl Theodor und Bella Wolff wie auch Rosa und Eduard Förster scheiden. Am 17. März 1925 starb zudem Rosa Försters Mutter Pauline Wolff im Alter von 78 Jahren und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beerdigt.
Während die Ehen seiner älteren Geschwister scheiterten, heiratete Leo Wolff die Kürschnertochter Sarina, geb. Blanaré, geb. 23.9.1884 in Berlin. Am 30. 9.1925 wurde ihr einziges Kind geboren, der Sohn Heinz-Manfred. Er war vier Jahre alt, als sein Vater Leo Wolff 1929 starb.
Rosa Försters jüngster Bruder, Michael, ging eine "Mischehe" mit der fünf Jahre älteren Erna, geb. Turlach, geb. 2.8.1892 in Hamburg, ein. Erna, verw. Wagnitz, brachte einen Sohn mit in die Ehe.
Im Jahr nach ihrer Scheidung erkrankte Rosa Förster schwer. Rosa und Eduard Förster gaben deshalb Margot, ihre jüngste Tochter, in das Waisenhaus der jüdischen Gemeinde, von wo aus sie bis 1934 die jüdische Mädchenschule in der Carolinenstraße besuchte.
Rosa wie Eduard Förster zogen in den folgenden Jahren mehrfach um. Eduard Förster wurde am 10. September 1932 in seiner Wohnung in der damaligen Mittelstraße 109 (heutige Carl-Petersen-Straße) in Hamm, tot aufgefunden. Die Umstände seines Todes konnten nicht geklärt werden.
Währenddessen gingen die erwachsenen Kinder des Ehepaares Förster ihre eigenen Wege:
Alice Förster arbeitete ab November 1928 als Büroangestellte bei der Firma Schümann und Wenke für Seilerwaren in der Großen Bäckerstraße 11. Dort wurde sie infolge der Weltwirtschaftskrise am 1. März 1932 entlassen, fand keine neue Anstellung und lebte bis August 1934 von Arbeitslosenunterstützung. Als sie für sich in Deutschland keine Zukunft mehr sah, wandte sie sich an das Palästina-Amt und bereitete sich ab Oktober 1933 im Hachschara-Lager des Haschomer Hazair, einer sozialistisch-zionistischen Jugendorganisation, in Silsterwitz in Niederschlesien auf die Auswanderung nach Palästina vor. Doch erlitt sie dort einen schweren Arbeitsunfall und kehrte im Mai 1934 nach Hamburg zurück. Die Jüdische Gemeinde brachte sie in einem ihrer Heime unter. Sie heiratete und emigrierte im Oktober 1934 als Alice Stiel. Sie war eine Scheinehe eingegangen, die auch als solche abgesprochen war und geschieden wurde, nachdem sie die palästinensische Staatsbürgerschaft erhalten hatte. Ihre zweite Ehe, am 15. Oktober 1939 geschlossen, war auf Dauer angelegt.
Ruth Förster arbeitete bei der Maklerfirma Moritz Mündheim am Neuen Wall als Kontoristin. Ihr Einkommen ermöglichte ihr, ein selbständiges Leben zu führen. Als sie 1933 entlassen wurde, fand sie in Hamburg lange keine neue Anstellung und ging 1935 auf Arbeitssuche nach Berlin. Da sie auch dort keinen Erfolg hatte, kehrte sie nach Hamburg zurück und wanderte 1938 nach England aus.
Im selben Jahr schickte Sarina Wolff ihren dreizehjährigen Sohn Heinz-Manfred mit einem Kindertransport nach London.
Margot Förster wäre gern Laborantin geworden, aber diese Ausbildung war ihr als Jüdin verwehrt. Bis zu ihrer Emigration arbeitete sie als Haushaltshilfe in verschiedenen Haushalten. Am 9. Juli 1936 brachte sie einen Sohn zur Welt, Boris. Als uneheliches Kind einer unmündigen Mutter musste er einen Vormund erhalten. Da Margots Vater verstorben war, wurde ihrer Mutter die Vormundschaft für den Enkelsohn übertragen. Damit war auch Rosa Försters Unterhaltspflicht für Boris verbunden. Beide lebten von der Wohlfahrt.
1937 wurde Michael Wolff inhaftiert und Mitte April vom Landgericht Hamburg wegen Verstoßes gegen die Nürnberger Rassengesetze, sprich "Rassenschande", zu einer viermonatigen Gefängnishaft verurteilt. Nach seiner Entlassung konnte er nicht wieder an seinen Arbeitsplatz beim Gesamthafenbetrieb Hamburg zurückkehren, da er nicht Mitglied der DAF, der Deutschen Arbeitsfront, war, wurde aber auch nicht anderweitig vermittelt.
Im Zuge der "Juni-Aktion" 1938, die ursprünglich gegen "Arbeitsscheue" gerichtet war, dann aber auf Juden ausgedehnt wurde, wurden die Brüder Theodor und Michael Wolff zunächst in Fuhlsbüttel und am 23. Juni 1938 im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Michael Wolffs nichtjüdische Ehefrau betrieb erfolgreich seine Entlassung im September. Theodor Wolff wurde erst am 23. Dezember 1938 mit der Auflage entlassen, das Deutsche Reich innerhalb von 14 Tagen zu verlassen. Das war nur möglich, indem er den Weg nach Shanghai wählte, der ihm ohne Visum offen stand. Er ließ seine "arische" Verlobte zurück, die er wegen der Rassengesetze nicht hatte heiraten können.
Im Februar 1939 emigrierten auch Leopold und Ella Simonsohn in die USA. Ihre Tochter Ilse, verheiratet mit dem Arzt Otto Einzig, war schon 1935 nach Palästina gegangen, ebenso wie Theodor und Bella Wolffs Tochter Ruth, verheiratete Gotthelf.
1939 wanderte Margot Förster nach England aus. Ihren Sohn Boris ließ sie in der Obhut von Rosa Förster zurück. Von Auswanderungsplänen Rosa Försters mit ihrem Enkelsohn ist nichts bekannt.
Von Rosa Försters nächsten Verwandten lebten 1940 noch die geschiedene Schwägerin Bella Wolff-Salomon, die verwitwete Schwägerin Sarina Wolff-Blanaré, ihr Bruder Michael Wolff mit seiner Ehefrau Erna und ihre Schwägerin Eva Ida Schwarz, geb. Simonsohn, mit ihrer Familie in Hamburg. Sie waren selbst mittellos und konnten Rosa und ihren Enkelsohn nicht unterstützen.
Rosa und ihr Enkel Boris Förster wurden nach mehreren Umzügen zuletzt durch die Jüdische Gemeinde im Samuel Lewisohn-Stift, Kleiner Schäferkamp 32 untergebracht, das 1942 als "Judenhaus" deklariert wurde.
Sie wurden zum ersten Transport zum "Aufbau im Osten", der Hamburg am 25. Oktober 1941 verließ, aufgerufen. Am Tag vor ihrer Deportation hatten sie sich im Logenhaus an der Moorweide einzufinden, wo sie übernachteten und dann per Lkw zum Hannoverschen Bahnhof transportiert wurden. Im Getto von "Litzmannstadt"/Lodz wurde ihnen eine Unterkunft in der Sulzfelder Straße, einer der Hauptstraßen, zugewiesen.
Rosa Förster starb am 26. März 1942 im Getto und wurde auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt. Sie wurde 55 Jahre alt. Über Boris Försters Todesumstände ist nichts bekannt. Spätestens im September dürfte er der Ermordung aller der bis dahin noch lebenden Kinder unter 10 Jahren zum Opfer gefallen sein. Er wurde vermutlich sechs Jahre alt.
Epilog
Sarina Wolff wurde am 15. Juli 1942, Bella Wolff (s. dieselbe) zusammen mit Eva Ina Schwarz am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt transportiert. Sarina und Bella Wolff starben nach einer weiteren Deportation 1943 bzw. 1944 in Auschwitz.
Heinrich Schwarz wurde am 10. März 1943 nach Theresienstadt deportiert, wo er seine Mutter und Bella Wolff noch antraf. Er wurde am 28. September 1944 nach Auschwitz deportiert, wo er ermordet wurde (s. derselbe).
Michael Wolff wurde am 14. Februar 1945 zum Arbeitseinsatz nach Theresienstadt geschickt und dort ebenso wie Eva Ida Schwarz befreit. Sie kehrten nach Hamburg zurück. Michael Wolff traf wieder mit seiner Frau und dem Stiefsohn zusammen. Sein Neffe Heinz-Manfred Wolff, der als britischer Soldat nach Hamburg kam, stieß zu ihnen.
Theodor Wolff kehrte 1948 aus Shanghai zurück und heiratete nach 15 Jahren seine Verlobte.
Stand: Februar 2020
© Hildegard Thevs
Quellen: 1; 4; 5; 7; 9; HA; Auswanderungslisten, Auswanderungsamt 1, VIII B 1, Band 107;
332-5, Personenstandsregister; 332-7 Staatsangehörigkeit, B III 26655; 351-11 Wiedergutmachung, 7954, 9538, 36954, 42416, 47764; 522-1 Jüdische Gemeinden, 390 Wählerverzeichnis, 391 Mitgliederverzeichnis, 992 e Deportationslisten Band 5; ICRK; https://www.jmberlin.de/kurt-friedmann-alles-um-liebe, Abruf 25.1.2020; Beate Meyer (Hrsg.), Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933-1945, Hamburg 2006, S. 181; Anna von Villiez, Mit aller Kraft verdrängt, München Hamburg, 2009, S. 256f.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".