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Herbert Frank * 1899

Agathenstraße 3 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
HERBERT FRANK
JG. 1899
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET

Siehe auch:

Weitere Stolpersteine in Agathenstraße 3:
Margarethe Conu, Frieda Laura Frank, Kraine Goldberger, Benjamin Goldberger, Lea Goldmann, Bela Meier, Henry Meier, Alexander Nachum, Clara Nachum

Frieda Laura Frank, geb. Schmits, geb. am 27.12.1911 in Rotterdam, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, dort umgekommen
Herbert Frank, geb. am 21.1.1899 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, dort umgekommen

Agathenstraße 3

Frieda und Herbert Frank heirateten in Hamburg am 2. August 1940 – zu einer Zeit, als die unzähligen antijüdischen Gesetze und Verordnungen, die immer neuen Schikanen und alltäglichen Gewalterfahrungen den Jüdinnen und Juden in Deutschland keinerlei Freiraum mehr ließen, und in der erste Gerüchte über Deportationen Angst und Schrecken verbreiteten. Wenige Tage nach der Trauung zog das Ehepaar in eine kleine Wohnung im zweiten Stock des Nanny-Jonas-Stifts, in der Agathenstraße 3. Im selben Haus, vielleicht sogar in derselben Wohnung, hatte lange Jahre Friedas Mutter, Bertha Schmits, gewohnt. (1941 erklärten die Nationalsozialisten das mehrstöckige Wohnhaus an der Ecke zur Weidenallee zum "Judenhaus".)

Bei ihrer Hochzeit war Frieda Frank 28, ihr Mann Herbert 41 Jahre alt. Während er aus Hamburg stammte, war Frie­das Geburtsort Rotterdam. Ihre Mutter Bertha war am 29.4.1883 in Hamburg als Tochter des Gastwirts Louis Meyer und seiner Frau Charlotte, geb. Goldmann, zur Welt gekommen. Sie hatte am 12. Juli 1909 in der Hansestadt den Schiffsoffizier Alfred August Schmits geheiratet. Er war evangelisch und als Sohn des Kaufmanns Carl Friedrich Schmits und dessen Frau Bertha Clara, geb. Mondt, am 1.11.1879 in Düren geboren. Zur Zeit der Eheschließung wohnte er in Rotterdam, wohin ihm seine Ehefrau nach der Heirat folgte. Bertha und Alfred Schmits bekamen kurz hintereinander zwei Töchter: Alice am 14.12.1910, Frieda Laura am 27.12.1911. Doch nur vier Jahre nach der Hochzeit wurde Bertha Schmits Witwe: Durch ein rechtskräftiges Urteil erklärte das Amtsgericht Hamburg Alfred Schmits für tot. Als Todesdatum galt der 19. September 1913. Möglicherweise war er Opfer eines Schiffsunglücks geworden und verschollen. Nach dem Tod ihres Mannes kehrte Bertha Schmits mit ihren beiden kleinen Töchtern nach Hamburg zurück. Sie wohnten zunächst kurz in der Sophienallee 33, ab 1917 dann lange Zeit im Nanny-Jonas-Stift in der Agathenstraße 3.

Herbert Franks Eltern wiederum waren der Schlachter und Schlachterssohn Isidor "Sally" Frank und das Dienstmädchen Julie, geborene Weinberg. Die Mutter war am 28.1.1874 in Freren bei Hannover zur Welt gekommen, der Vater am 9.10.1869 in Hamburg. Beide hatten am 9. September 1895 in Hamburg geheiratet. Die Familie wohnte in der Neustadt, wo in der damals noch vorhandenen Schlachterstraße zwischen Großneumarkt und Englischer Planke viele, zumeist jüdische Schlachter arbeiteten und wo sich auch das Amtshaus der Knochenhauer und Schlachter befand. Herbert hatte fünf Geschwister, zwei ältere Brüder und drei jüngere Schwestern: Max, geboren am 6.11.1895 und als Infanterist im Ersten Weltkrieg am 27.9.1916 umgekommen; Arthur Joseph, geboren am 28.12.1896; Gertrud, geboren am 13.10.1902; Helene, geboren am 12.7.1907, und Edith, geboren am 30.12.1909.

Mit sechs Jahren kam Herbert in die Talmud Tora Schule. Sie verband traditionelle jüdische Disziplinen mit modernen Unterrichtsfächern und -methoden und nahm damals vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien auf. Mit 14 Jahren beendete er die Schule und absolvierte eine kaufmännische Lehre im Großhandel. Nach Abschluss der Lehre, mit nicht einmal 18 Jahren, musste er genau wie seine beiden Brüder Heeresdienst im Ersten Weltkrieg leisten. 1921 trat er in die Jüdische Gemeinde ein. Als kaufmännischer Angestellter war er bei der Lederwarenfirma Heckscher & Levy auf St. Pauli beschäftigt und nach seiner Entlassung 1931 noch einige Monate in einem anderen Betrieb. Anfang 1933 wurde er – dreiunddreißigjährig – endgültig erwerbslos. Frieda Frank hatte ebenfalls einen Beruf erlernt – welchen, ist jedoch nicht bekannt. Auch Herbert Franks noch lebende Geschwister waren berufstätig. Arthur arbeitete als Handelsvertreter, Edith als Verkäuferin, Gertrud als Kontoristin und Helene war ebenfalls angestellt.

Bereits am 12. November 1932 war Herbert Franks Vater Isidor im Alter von 63 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Die Mutter, Julie Frank, blieb nach dem Tod ihres Mannes in der gemeinsamen Wohnung im Durchschnitt 8 – zunächst mit den vier Kindern Herbert, Gertrud, Helene und Edith, später nur mit Gertrud und Helene, die beide ledig blieben. Das Haus wurde 1941 als "Judenhaus" genutzt.

Herberts Bruder Arthur hatte 1921 zusammen mit einem Kompagnon in Hamburg die Großhandelsfirma Hämmerling & Frank gegründet, die Fahrräder und Zubehörteile verkaufte. 1926 verließ er die Hansestadt zusammen mit seiner nichtjüdischen Frau Ilse Johanna, geborene Spangenberg. Beide ließen sich in Barchfeld in Thüringen nieder, das durch die Gründung der Pallas Werke Reum & Börner-Sachs gerade zu einem Zentrum der Fahrradzubehörfertigung im Deutschen Reich geworden war. Arthur Frank arbeitete für die Pallas Werke als Verkaufsleiter und Reisedirektor. Doch 1937 folgte das Unternehmen der NS-Rassenideologie und entließ ihn nach über zwölf Jahren als "Nichtarier" ohne jede Entschädigung. Daraufhin kehrte das Ehepaar nach Hamburg zurück, wo Arthur Frank erfolglos versuchte, als Vertreter zu arbeiten. Nach Kriegsende, am 25. März 1947, schrieb Arthur Frank in einem Brief an seinen ehemaligen Arbeitgeber, Rudolf Börner-Sachs in Barchfeld bezogen auf seine Entlassung 1937 wiederum Folgendes: "[…] Gerne denke ich an die Jahre, als wir noch zusammen arbeiten konnten & ich werde es nie vergessen, dass Sie sich persönlich gegen meine von den Nazis geforderte Entlassung wehrten, bis im Jahre 1937 der Druck so stark wurde, dass meine Entlassung nicht mehr aufzuhalten war."

Im Oktober 1938 verließen beide Deutschland – ohne zu wissen, ob sie ihre Familien je wiedersehen würden. Sie emigrierten ins indische Bombay. Dort hatten sie Freunde, die für sie bürgten und zusicherten, für ihren Unterhalt aufzukommen. Denn die britisch-indische Regierung machte es den etwa 2.000 jüdischen Flüchtlingen aus Europa schwer, ein Visum für Indien zu bekommen. Unterstützung bekam das Ehepaar Frank, ebenso wie die meisten anderen Flüchtlinge in Indien, von verschiedenen jüdischen Hilfsorganisationen.

Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Arthur Frank sofort interniert. Drei Monate später entließen ihn die britischen Kolonialbehörden wieder, da sie offenbar eingesehen hatten, dass die wenigsten Deutschen und Österreicher als "enemy aliens" (feindliche Ausländer) einzuschätzen waren. Gleichwohl kam es in der ersten Hälfte des Jahres 1940 zu einer zweiten Verhaftungswelle. Diesmal wurde auch Arthur Franks Ehefrau Ilse interniert. Und diesmal dauerte die Internierung länger als zwei Jahre. Beide wurden vom 21. Juni 1940 bis zum 18. August 1942 in einem Lager festgehalten. Nach der Freilassung versuchte Arthur Frank, in Bombay Arbeit zu finden. Mit Erfolg: Zunächst war er als Vorarbeiter beschäftigt, später als Aufseher in einer Fahrradfabrik.

Nicht nur Herbert Franks Bruder Arthur, auch seine Schwester Edith konnte Deutschland noch rechtzeitig vor den Deportationen verlassen. Sie flüchtete 1939 nach England.

Frieda Franks Schwester Alice hatte Hamburg 1933 verlassen und war ins Ruhrgebiet nach Herne gezogen. Ihre Mutter Bertha gab um 1939 aus unbekannten Gründen ihre Wohnung in der Agathenstraße auf und wohnte nun in der Heinrich-Barth-Straße 17, ein Gebäude, das 1941 zum "Judenhaus" erklärt wurde. Am 27. Februar 1943 starb sie, 60-jährig, im Jüdischen Altersheim in der Schäferkampsallee 29.

Herbert und Frieda Frank wurden am 8. November 1941 ins Getto nach Minsk deportiert, Herberts Mutter Julie und seine beiden Schwestern Gertrud und Helene am 18. November 1941. Niemand von ihnen überlebte.

Sein Bruder Arthur und dessen Frau Ilse kehrten 1964 nach Hamburg zurück.

Auch die jüngste Tochter der Familie Frank, Edith, entkam der Shoah. Sie lebte später in Sydney, Australien.

Frieda Franks Schwester, Alice Schmits, überlebte die Shoah ebenfalls und wohnte nach dem Krieg in Leverkusen.

Stand: April 2020
© Frauke Steinhäuser

Quellen: 1; 5; Hamburger Adressbücher; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 22445; Meyer (Hrsg.), Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden; Ursula Randt, "Talmud Tora Schule (TTR)", www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/Talmud Tora Schule-ttr (Zugriff 5.11.2012); Gedenkbuch des Reichsbunds jüdischer Frontsoldaten (RjF), Liste der im 1. Weltkrieg gefallenen Soldaten jüdischen Glaubens aus Hamburg, www.denkmalprojekt.org/Verlustlisten/rjf_hh_a-k_wk1.htm (Zugriff 12.12.2012); Schreiben von Arthur Frank an Rudolf Börner-Sachs, LATh-StA MGN, Bezirkstag/Rat des Bezirkes Suhl, H 123; Joachim Oesterheld, Exil in Indien, www2.hu-berlin.de/presse/zeitung/archiv/95/nummer9/6-indien.html (Zugriff 12.12.2012).

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