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Paula Frank * 1872
St. Benedictstraße 29 (Eimsbüttel, Harvestehude)
HIER WOHNTE
PAULA FRANK
GEB. MEYER
JG. 1872
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
11.11.1941
Weitere Stolpersteine in St. Benedictstraße 29:
Anna Fürth, Olga Joseph, Rosa Seidler
Paula Frank, geb. Meyer, geboren am 22.12.1872, gedemütigt/entrechtet, Flucht in den Tod am 11.11.1941
St. Benedictstraße 29 (Harvestehude)
Paula Meyer war am 22.12.1872 als zweites von drei Kindern des jüdischen Ehepaares Moritz Meyer und Julie, geb. Kaufmann, in Köln geboren worden. Wir wissen nichts über ihre Kindheit und eine eventuelle Ausbildung. Sie heiratete am 5. August 1892 in Köln Simon Samuel Frank.
Samuel Frank, geboren am 4.3.1863 als erstes von drei Kindern des Holzhändlers Samuel Elias Semmy Frank und seiner Ehefrau Caroline, geb. Karpeles, stammte aus Hamburg. (Semmy Frank verstarb am 27. März 1899, Caroline Frank am 14. August 1910, beide wurden auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt). Wir wissen nichts über die Kindheit von Samuel Frank, wo er studiert hatte oder wann er promoviert wurde. Er hatte am 11. März 1884 in Hamburg das Bürgerrecht erworben. Samuel Frank führte als Rechtsanwalt von 1889 bis 1892 eine Praxis in der Straße Hohe Bleichen 18 in der Neustadt, die er dann in die Hohe Bleichen 15 verlegte.
Anlässlich seiner Hochzeit verließ Samuel Frank die Wohnung seiner Eltern am Grindelberg 44 und mietete am 29. Juli 1892 eine eigene am Schlump 86 im Stadtteil Rotherbaum an. Die Hochzeit fand in Köln statt. Am 4.12.1893 bekam das Ehepaar Frank den Sohn Edgar. 1898 zogen sie dann in die Klosterallee 22 um, wo am 18.2.1899 die Tochter Anna geboren wurde. Die Familienmitglieder gehörten der Jüdischen Gemeinde an, aber Edgar und Anna wurden von ihren Eltern evangelisch erzogen.
Am 4. Juli 1901 kaufte Samuel Frank ein 1887 erbautes Haus mit einem 885 m² großen Grundstück in der Hansastraße 55 in Harvestehude, es kostete die stattliche Summe von 140.000 Mark. Gedacht war es nicht als Wohnsitz, sondern zur Alterssicherung. Aus diesem Grund erwarb er noch weiteres Haus an der Kieler Straße 27-31 (heute Clemens-Schultz-Straße 27-31) auf St. Pauli für 76.000 Mark.
Samuel Frank sicherte durch die beiden Häuser mit einer geschickten juristischen Konstruktion die gesamte Familie finanziell ab: Als Grundeigentümer ließ er seine Geschwister Simon Samuel, Max Semmy Frank, Rosa Stein, geb. Frank, und deren Ehepartner nebst Kindern, wie auch die Eltern seiner Ehefrau, Moritz und Julie Meyer in Köln, eintragen. Es wurde zwischen diesen Parteien Gütergemeinschaft vereinbart. Jeder Eigentümer konnte, wenn er oder sie in finanzielle Not geriet, auf diese Häuser eine Hypothek aufnehmen. Und wie in der Grundbuchakte zu lesen ist, zahlten alle, die dies in Anspruch nahmen, die Hypothek auch ab. (Nur später, als die Schwiegereltern von Edgar Frank in finanzielle Not gerieten und eine Hypothek auf das Haus in der Hansastraße 55 aufgenommen hatten und diese nicht zurückzahlen konnten, erließ Paula Frank ihnen 1926 diese Schuld).
Von 1903 bis 1905 arbeitete Samuel Frank als Rechtsanwalt in seiner Kanzlei in der Dammtorstraße 38 in der Neustadt. Von 1906 bis 1916 fungierte er als Lotteriedirektor in der Straße Neuer Wall 30. (1842, nach dem schweren Hamburger Brand, der 50 Todesopfer gefordert und 20.000 Menschen ihre Wohnungen gekostet hatte, wurde – wie auch schon in früheren Jahren – von der Stadt Hamburg eine Lotterie zur Linderung der Not in der Stadt durchgeführt.)
Am 2. April 1916 verstarb Samuel Frank im Alter von 54 Jahren. Er wurde am 5. April 1916 auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.
1917 zog Paula Frank mit Edgar und Anna, die inzwischen junge Erwachsene waren, in die Schlüterstraße 14 im Stadtteil Rotherbaum. Sie wohnte dort bis 1927.
1928 kaufte Edgar Frank, inzwischen Grundstücksverwalter von Beruf, für seine Mutter ein Haus mit 6 Wohnungen (je zwei im Erdgeschoss, im ersten und im zweiten Stock) in der Heimhuder Straße 37. 1929 zog Paula Franks Tochter Anna, die von ihrem Ehemann Siegmund Fürth wieder geschieden war, mit ihrer Tochter Marianne dort ein. Auch die Schwiegermutter von Edgar Frank, Rosalie Saul, geb. Baneth (geb. 8.7.1863), bekam eine der Wohnungen.
Am 30. Juli 1938 verhängte die Devisenstelle auf Paula Franks Konto bei der Hamburger Sparkasse eine "Sicherungsanordnung", d.h. sie durfte nur noch über einen genehmigten Geldbetrag verfügen. 1000 RM gestand die Stelle für ihren eigenen und den Unterhalt von Tochter und Enkelin zu.
Paula Frank, Anna Fürth und Marianne Fürth wechselten am 13. Oktober 1938 in die St. Benedictstraße 29 in Eppendorf, denn Edgar Frank musste das Haus in der Heimhuder Straße 37 an eine nichtjüdische Käuferin veräußern, die dort anschließend eine Pension einrichtete.
Paula Frank, Anna und Marianne Fürth lebten nun von ihren Rücklagen und den Mieteinnahmen der Wohnungen in der Hansastraße 55 und der Kieler Straße 27-31 (heute Clemens-Schultz-Straße). Sie vermieteten ein Zimmer an Paul und Lucie Salomon unter, die am 31. Dezember 1938 einzogen. (Deren Haus in der St. Benedictstraße 27 war ebenfalls an nichtjüdische Erwerber verkauft worden. Das Ehepaar Salomon verübte am 22. September 1941 Selbstmord. Siehe www.stolpersteine-hamburg.de).
Auch Paula Franks Immobilien sollten verkauft werden. Im Jahr 1936 war der sog. Einheitswert von Grundstücken/Immobilien reichseinheitlich geregelt worden. Der Einheitswert (der für die Berechnung der Grundsteuer diente und oft weit unter dem marktabhängigen Verkaufswert lag) für das Haus Hansastraße 55 war am 17. September 1936 mit 74.000 RM festgesetzt worden. 1938 wurde festgeschrieben, dass eine Genehmigung der Oberfinanzdirektion bei dem Verkauf eines Hauses Pflicht war.
Paula Frank erhielt eine solche für den Verkauf der Häuser in der Hansastraße und der Kieler Straße. Das Haus in der Hansastraße wurde am 14. Februar 1939 für 76.000 RM (was nur wenig über dem Einheitswert und weit unter dem Verkaufswert lag) an den nichtjüdischen Ludwig Artmann aus Jesteburg veräußert. Das Haus in der damaligen Kieler Straße auf St. Pauli wechselte am 25. November 1939 für 135.500 RM zu den nichtjüdischen Käufern Walter und John Werth. Die Verkaufserlöse musste Paula Frank auf ein Treuhandkonto einzahlen, über das sie ebenfalls nicht frei verfügen konnte.
In dieser für Paula Frank so schwierigen Zeit befand sich ihre Tochter Anna Fürth von März bis August 1938 im Krankenhaus und dann bis Ende des Jahres in einem Sanatorium in Berlin. Die Kosten dafür trug Paula Frank. Ihr Sohn Edgar, der 1938 mit seiner Familie in die USA emigriert war, hatte ihr dafür eine Anleihe im Wert von 9.000 RM geschenkt.
Am 4. September 1939 forderte die Oberfinanzdirektion Paula Frank auf, ihre Einkommensverhältnisse darzulegen. Ihre eingereichte Aufstellung über die Lebenshaltungskosten wurde genau überprüft. Sie hatte beantragt, von ihrem Vermögen für den 3-Personenhaushalt monatlich 790 RM zum Leben verwenden zu dürfen, genehmigt wurde ihr ab 20. Oktober 1939 die Summe von 475 RM.
Für den Verkauf des Hauses in der Kieler Straße 27-31 erhob das Finanzamt zudem eine Ausgleichsabgabe von 15.000 RM. Es rechnete die Ausgleichsabgabe dem Veräußerungspreis hinzu und setzte durch Bescheid vom 27. Dezember 1939 eine Wertzuwachssteuer von 10.064,45 RM zu Lasten Paula Franks fest.
Den komplizierten Schriftwechsel mit dem Finanzamt und der Warburg Bank übernahm Paula Franks Neffe Leonhard Stein (geb. 8.7.1894), früher Staatsanwalt in Hamburg, am 19. April 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft entlassen. Am 5. Januar 1940 erhob er für die Familie Frank Einspruch gegen den Bescheid, denn die Ausgleichszahlung müsse bei der Berechnung der Wertzuwachssteuer wegfallen. Außerdem seien die Veräußerungskosten nicht im vollen Umfang berücksichtigt. Das Finanzamt berücksichtigte daraufhin 65,40 RM Notarkosten, stellte die eigentliche Entscheidung jedoch bis zur Klärung eines ähnlichen Falles durch den Reichsfinanzhof zurück. Dieser entschied zu Ungunsten des Verkäufers. Familie Frank zog den Einspruch deshalb am 2. Dezember 1940 zurück. Spätere Einsprüche der Familie wegen der Wertzuwachssteuer wurden ebenso abgewiesen.
Inzwischen waren in Hamburg die Deportationen angelaufen: Rosa Stein und ihr Sohn Leonhard Stein wurden am 25. Oktober 1941 ins Getto Lodz deportiert (siehe www.stolpersteine-hamburg.de). Paula Frank engagierte deshalb als neuen Rechtsvertreter den jüdischen Rechtsanwalt Ernst Kaufmann (siehe www.stolpersteine-hamburg.de), der sich jetzt "Konsulent" nennen musste. Auch seine Bemühungen blieben erfolglos, alle Kosten der Eingaben gingen zu Lasten von Paula Frank.
Inzwischen war Paula Franks Enkelin am 29. Dezember 1940 an Hirnhautentzündung im Universitätskrankenhaus Eppendorf verstorben. Sie wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.
Am 11. November 1941 wählten Paula Frank und Anna Fürth den Freitod und nahmen sich mit Barbituraten in ihrer Wohnung in der St. Benedictstraße 29 das Leben. Sie wurden drei Tage später auf dem jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.
Zum Schicksal des Kindes von Paula und Samuel Frank:
Edgar Frank (geb. 4.3.1893) und Ruth, geb. Saul (geb. 12.5.1902), bekamen die Kinder Lotte Frank (geb. 15.3.1923), Werner Frank (geb. 9.9.1926) und Gerda Frank (geb. 29.6.1931). Die Familie flüchtete 1938 in die USA. Edgar Frank verstarb dort am 19. September 1961.
Zum Schicksal der Geschwister von Paula Frank, geb. Meyer:
Philipp Ernst Meyer (geb. 26.08.1871) gelang zu einem uns unbekannten Zeitpunkt die Flucht nach Brasilien.
Helene Meyer (geb. 3.1.1880) heiratete in Köln Benno Rülf. Das Ehepaar flüchtete 1939 in die Niederlande, es wurde vom Lager Westerbork nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Zum Schicksal der Geschwister von Simon Samuel Frank:
Max Semmy Frank (geb. 10.11.1868) heiratete am 27. Juni 1913 Emma Tentler (geb. 18.5.1873). Sie bekamen die Kinder Clara Louise Frank (geb. 15.8.1896) und Edith Frank (geb. 19.8.1899). Die Kinder konnten flüchten. Emma Frank verstarb am 8. Mai 1905 und wurde beigesetzt auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel. Max Semmy Frank ging eine 2. Ehe mit der Schwester Jenny Philippine Tentler (geb. 24.5.1874) ein. Sie verstarb am 13. Januar 1931, Max Semmy Frank folgte am 31. August 1932. Beide wurden auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.
Rosa Stein, geb. Frank (geb. 2.12.1872.) und Karl Stein (geb. 18.6.1858) bekamen die Kinder Leonhard Stein (geb. 8.7.1894) und Margarete Stein (geb. 7.5.1897). Karl Stein verstarb am 17. Februar 1898 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt. Margarete Stein flüchtete 1934 nach Palästina. Rosa Stein und ihr Sohn Leonhard Stein wurden – siehe oben - am 25. Oktober 1941 ins Getto Lodz deportiert.
Stand: April 2021
© Bärbel Klein
Quellen: StaH 1; 2; 4; 5; 8; 9; 213-13_2481; 213-13_2591; 213-13_2592; 213-13_2593; 213-13_2594; 213-13_2595; 213-13_2596; 213-13_2597; 213-13_6940; 213-13_13834; 213-13_24818; 221-4_15; 351-11_11463; 351-11_36009; 351-11_46527; 351-11_11463; 351-11_47974; 331-5_3 Akte_250/1941; 331-5_3 Akte_222/1941; 332-5_2007/1893; 332-5_316/1895; 332-5_656/1899; 332-5_390/1899; 332-5_380/1910; 332-5_176/1913; 332-5_249/1916; 332-5_401/1927; 332-5_532/1932; 332-5_2289/1940; 332-5_515/1941; 332-5_499/1941; 621-1/84-4, Nr. 432/1932 Sterbeurkunde Frankfurt am Main / Fürth Nr. 58/1808 Heirat Katzenstein/Fürth; Amtsgericht Grundbuch Harvestehude Hansastraße 55/Bl. 2217; 331-5_Journal 1941 zu Salomon; Beate Meyer (Hrsg.), Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden. Geschichte. Zeugnis. Erinnerung, Hamburg/Göttingen 2006, S. S. 56f.; www.geni.com; www.wikipedea.de; www.geni.com; www.ancestry.de; https://de.wikipedia.org/wiki/Henriette_F%C3%BCrth (Einsicht am 18.9.2020).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".