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Max Fränkel * 1910

Schloßstraße 108 a (Wandsbek, Marienthal)

1941 Riga
ermordet

Weitere Stolpersteine in Schloßstraße 108 a:
Ida Fränkel

Ida Fränkel, geb. Ehrlich, geb. 12.05.1878, deportiert am 6.12.1941 nach Riga
Max Fränkel, geb. 23.06.1910, 1938/39 Haft im KZ Sachsenhausen, deportiert am 6.12.1941 nach Riga.

(vormals: Schloßstraße 2c)

Der Kaufmann Jacob Fränkel war als Einzelhändler auf Bekleidung spezialisiert und wie andere Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Wandsbek aus der Provinz zugezogen. 1903 hatte er die Firma Gebr. Behr übernommen, ein in der Lübeckerstraße 54 (Wandsbeker Markstraße 165) gelegenes Geschäft für Herrenkonfektion und Schuhwaren.

Er stammte aus Obbach in Franken, wo er am 5. Januar 1874 als Sohn von Moses Fränkel und Babette, geb. Adler, zur Welt kam. Verheiratet war er mit der am 12. Mai 1878 in Bamberg geborenen Ida Babette, geb. Ehrlich. Die Eheleute bekamen drei Kinder, die in Wandsbek geboren wurden, aufwuchsen und die Schule besuchten: die Töchter Martha (Jg. 1905) und Hertha (Jg. 1906) und am 23. Juni 1910 den Sohn Max. Die Familie wohnte Freesenstraße 10, später Schillerstraße 2. In späteren Jahren zogen sie in die Schloßstraße 2c ptr. Als Jacob Fränkel ab 1915 als Kriegsteilnehmer abwesend war, führte Ida Fränkel das Geschäft weiter.

Jacob Fränkel betätigte sich in der Jüdischen Gemeinde Wandsbek, 1910 als stellvertretender Vorsteher und Mitglied des Israelitischen brüderlichen Hilfsvereins. Dessen Zweck bestand darin, bedürftige Gemeindemitglieder bei Krankheit durch kostenlose ärztliche Behandlung und Medikamente zu unterstützen. In den 1930er Jahren fungierte Fränkel auch als Synagogenvorsteher, nachdem ein Großteil der Ge- meindemitglieder bereits ins Ausland emigriert oder nach Hamburg verzogen war. Zurück blieb ein kleiner Kreis aktiver Gemeindemitglieder, die reihum verschiedene Aufgaben übernahmen.

Die Heirat der Tochter Martha Fränkel mit Josef Beith, dem Sohn des Hausmaklers und Gemeindevorstehers Benny Beith 1927, verband nicht nur die beiden Familien enger, sondern trug zu einer zunehmend familiären Atmosphäre innerhalb der Gemeindeverwaltung bei (s. Kap. Beith). 1931 heiratete auch die Tochter Hertha, allerdings blieb sie nicht in Wandsbek wie ihre Schwester, sie lebte mit ihrem Mann in Tilsit/Ostpreußen. Bis zu ihrer Heirat arbeitete sie im elterlichen Geschäft, danach übernahm ihr Bruder Max ihre Stellung.

Der Machtantritt der Nationalsozialisten belastete das Gefüge des Zusammenlebens in Wandsbek. Das Bekleidungsgeschäft Gebr. Behr war Opfer des Boykotts im April 1933, der den Niedergang des gut eingeführten Unternehmens einleitete – wie Jacob Fränkel in Briefen an seine Tochter Hertha darlegte.

Hertha Winster, geb. Fränkel, hat als einzige ihrer Familie überlebt. Ihr, ihrem Mann Leo und ihren beiden Töchtern gelang die Auswanderung nach Shanghai und später in die USA. In eidesstattlichen Versicherungen an das Amt für Wiedergutmachung beschrieb sie die Verfolgung ihrer Eltern und Geschwister in Wandsbek: "Mein Vater betrieb in Wandsbek ein gut gehendes und gut angesehenes Geschäft in Herrenkleidung, Arbeiterkleidung, Mützen etc. und Schuhen für Herren, Damen und Kinder. Das Geschäft war in einem Laden mit zwei Schaufenstern und guter Einrichtung untergebracht und beschäftigte vor 1933 drei Angestellte. Ich ... hatte u.a. auch die jährlichen Bilanzen und Inventuren zu machen. Nach meiner Erinnerung betrug der ... Jahresnutzen (Gewinn A.L.) mindestens 12.000 Mark."

Mitte der 1930er Jahre fanden sich Firma und Name des Inhabers auf dem antisemitischen Hetz-Flugblatt verzeichnet, das von der Wandsbeker NSDAP in Zusammenspiel mit der örtlichen Verwaltung in Umlauf gebracht wurde, um "arische" Kunden abzuschrecken und jüdische Geschäftsinhaber zu verunsichern. Fränkels Situation verschlechterte sich zunehmend, wenn auch das Geschäft noch weiter bestehen konnte.

Doch im November 1938 änderte sich die Lage bedrohlich. Der Geschäftsinhaber und sein Sohn Max wurden verhaftet – wie zahlreiche jüdische Männer infolge des Pogroms – und ins KZ Sachsenhausen eingewiesen. Dort wurden sie im Verwaltungsbüro der politischen Abteilung registriert, fotografiert und einem Häftlingsblock zugeteilt. Max Fränkel verbrachte seine Haftzeit in Block 20, sein Vater in Block 60. Jacob Fränkel blieb bis zum 6. Dezember 1938, sein Sohn bis zum 11. Januar 1939 inhaftiert. Beide wurden nach Hamburg zurücküberführt.

Nach seiner Haftentlassung blieb Max Fränkel weiterhin unter der Beobachtung der Gestapo, wobei ihm offenbar nahegelegt worden war, möglichst schnell auszuwandern – eine durchaus übliche Praxis, besonders oft angewandt gegenüber vermögenden Juden. Das Finanzamt Wandsbek teilte der berüchtigten Gestapo-Dienststelle mit Sitz Stadthausbrücke am 14. Januar 1939 mit, dass Max Fränkel kaufmännischer Angestellter bei der Firma Behr sei. Er beabsichtige nach eigenen Angaben, ins Ausland – nach Peru – zu gehen. Eine Vermögenserklärung liege nicht vor, und bestehe auch keine Pflicht zur Abgabe. Dieser Hinweis konnte wohl nur bedeuten, dass Max Fränkel kein Vermögen besaß. Nachdem er jedoch die Auflösung seiner Lebensversicherung bei der Devisenstelle beantragt hatte, wurde diese tätig und lud ihn vor. Ob Max Fränkels Auswanderungspläne aus finanziellen oder anderen Gründen scheiterten, ist nicht dokumentiert.

Von den rund 2200 RM, die Max Fränkel als Vermögen angab, bestanden etwa 1700 RM als Darlehen, das er noch von der Firma Gebr. Behr zu bekommen hätte. "Da die Firma sich jedoch in Liquidation befindet, ist es unbestimmt, ob das Geld zur Auszahlung gelangt", heißt es in der Akte. Damit war seine Forderung gegenstandslos geworden und sein Vermögen hatte sich auf rund 500 RM reduziert.

Im Januar 1939 besuchte Hertha Winster ihre Familie von Ostpreußen aus in Wandsbek. Das Geschäft, das Jacob Fränkel 35 Jahre lang geführt hatte, war mittlerweile zwangsweise geschlossen worden. Die Schlüsselgewalt für die Räume lag nach Angaben der Tochter bei zwei Beamten, die beauftragt waren, die Lagerbestände zu verkaufen. Jedem der Abwickler soll ein Entgelt von 1400 RM gezahlt worden sein. Im März 1939 hatten sie die Ware verkauft und die Liquidation der Firma abgeschlossen. "Mein Vater beklagte sich, dass alles zur Hälfe des Wertes verschleudert worden sei. Ich weiß nicht, wie hoch der erzielte Betrag nach Abzug der Schulden und Einkassierung evtl. Außenstände gewesen ist, ich weiß nur, dass mein Vater den noch gebliebenen Überschuss niemals ausgezahlt erhalten hat. Ich weiß auch nicht, ob von diesem Betrag Sonderabgaben gezahlt oder eingezogen worden sind", hielt Hertha Winster schriftlich fest.

Es ist davon auszugehen, dass auch die Familie Fränkel zu erheblichen Abgaben finanzieller Art herangezogen wurde, die der jüdischen Bevölkerung auferlegt worden waren.

1939 mussten sie zudem den Familienschmuck und für religiöse Zwecke genutzte Silbersachen zwangsweise abliefern. Die ehemals gut situierte Familie fristete ein zunehmend armseligeres Dasein. Dazu passte auch der Umzug aus der Schloßstraße in eine kleinere Wohnung im Hamburger Grindelviertel. Am 24. bzw. 25. Juli 1939 meldeten sich die Eltern und ihr Sohn Max zur Heinrich-Barth-Straße 17 ptr. ab. Zurück blieb der Großteil der wertvollen Wohnungseinrichtung von geschätzten 5000 RM.

Im April 1940 suchte Jacob Fränkel seinerseits bei der Devisenstelle um die Auszahlung einer kleinen Lebensversicherung nach. Sofort erging eine Sicherungsanordnung gegen ihn. Dabei verfügte er kaum noch über Bargeld. Aber als ehemals erfolgreicher jüdischer Geschäftsmann war er immer noch verdächtig, evtl. vorhandenes Vermögen an den Behörden vorbei ins Ausland zu schleusen. Als Freibetrag für den Lebensunterhalt seiner Familie beantragte er nun 80 RM zuzüglich 55 RM für Miete. Eine Vermögensaufstellung reichten die Fränkels nicht ein, vielmehr erklärten die Eheleute im Mai 1940: "Irgend welche Einnahmen haben wir nicht."

Im August 1939 begann die Zeit der Abschiede: Hertha Winster und ihre Familie wanderten am 25. August aus, wenige Tage vor Kriegsbeginn. Am 25. April 1941 starb Jacob Fränkel. Auf den Tag genau sechs Monate später verließen die Tochter Martha Beith, ihr Mann und die drei Kinder Hamburg, die im benachbarten Haus Heinrich-Barth-Straße 11 gewohnt hatten. Sie wurden ins Getto Lodz deportiert und im Todeslager Chelmno ermordet (s. Kap. Beith).

Am 6. Dezember 1941 mussten auch Ida und Max Fränkel den Deportationszug besteigen. In Riga-Jungfernhof verliert sich ihre Spur. Ihr restliches Vermögen wurde kurz danach eingezogen.

Ida Fränkel wurde auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt. Von ihren deportierten Kindern und Enkelkindern überlebte niemand. Nur ihre gerade noch rechtzeitig emigrierte Tochter Hertha konnte Zeugnis ablegen vom Familienleben in Wandsbek.

Die Stolpersteine vor der Schlossstraße 108a befinden sich vor einem Haus, das zu Zeiten der Familie Fränkel bereits existierte und dessen Charakter weder durch Bomben noch durch größere Sanierungsmaßnahmen verändert wurde, eine Besonderheit in Wandsbek.

© Astrid Louven

Quellen: 1; 2 R 1939/353, R 1940/750; AfW 120578; AB 1913 VI, 1920 VI, 1924 II, 1931 II, 1941 II; Archiv der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen D 1 A/1020, Bl. 469; D 1 A/1022, Bl. 515 und Bl. 700; D 1 A/1024, Bl. 019; Archiv der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Auskunft von Monika Liebscher am 12.7.2007 und 13.9.2007; Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung, Auskunft Frau Wolckenhauer vom 10.09.07; Frank Bajohr, "Arisierung", S. 311ff; Astrid Louven, Juden, S. 34, 134, 201; Günter Morsch, Organisations- und Verwaltungsstruktur, in: Ort, hrsg. von Wolfgang Benz und Barbara Distel, S. 58–75, hier: S. 65f; Jahrbuch 1931/32 Nr. 3, S. 75.

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