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Pauline Frankenthal (geborene Wolff) * 1894

Dillstraße 15 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
PAULINE FRANKENTHAL
GEB. WOLFF
JG. 1894
DEPORTIERT 1941
LODZ
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Dillstraße 15:
Gustav Gabriel Cohn, Siegbert Stephan Frankenthal, Lothar Frankenthal, Judith Moritz, Margot Moritz, Siegmund Nissensohn, Aron Julius Rosemann, Werner Streim, Dr. Siegfried Streim, Sulamith Streim, Johanna Streim, Kurt Salo Streim, James Tannenberg, Senta Tannenberg

Siegbert Stephan Frankenthal, geb. 4.6.1894 in Altona, am 25.10.1941 ins Getto Lodz deportiert, dort am 9.4.1942 umgekommen

Pauline Frankenthal, geb. Wolff am 23.12.1894 in Hamburg, am 25.10.1941 ins Getto Lodz deportiert, am 7.7.1944 weiterdeportiert ins Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno), ermordet

Lothar Frankenthal, geb. 2.8.1924 in Hamburg, am 25.10.1941 ins Getto Lodz deportiert, am 7.7.1944 weiterdeportiert nach Kulmhof (Chelmno), ermordet

Dillstraße 15

Siegbert Stephan Frankenthal wurde am 4.6.1894 in Altona als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Seine Eltern waren Joseph Levy Frankenthal, geb. am 23.4.1863 in Lübeck und Frieda, geb. Leser, geb. am 24.2.1863 in Altona. Er wuchs mit zwei jüngeren Geschwistern auf, Alfred (geb. 22.11.1895) und Margot (geb. 6.10.1904). Margot erlernte später den Beruf der Kontoristin (=kaufmännische Angestellte), verstarb jedoch bereits 1926 unter unbekannten Umständen. Joseph Frankenthal starb am 23. April 1940 und ist auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf unter der Grabnummer K2-221 begraben. Frieda Frankenthal starb am 19. November 1932.

Siegbert Frankenthal arbeitete in den späten 1920er Jahren bei seinem Schwiegervater Michaelis Wolff in dessen Tabakfabrikat Großhandel in der Dammtorstraße 18, wahrscheinlich als Handelsvertreter, Kaufmann oder Buchhalter. Zur Zeit des Nationalsozialismus jedoch war er Turnlehrer an der Israelitischen Töchterschule in der Karolinenstraße.

Seine Frau, Pauline Frankenthal, geb. Wolff, war am 23.12.1894 in Hamburg zur Welt gekommen. Als ihr gemeinsamer Sohn Lothar am 2.8.1924 geboren wurde, lebte das Ehepaar in der Hudtwalckerstraße 16. Ihre ältere Schwester Hedwig Wolff, geboren am 29.10.1888, arbeitete ebenfalls im Großhandel ihres Vaters, verstarb jedoch 1931, sie ist unter der Nummer K1-84 auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf begraben. Pauline Frankenthal war gelernte Büroangestellte mit einer Zusatzqualifikation als Stenotypistin.

Siegbert, Pauline und Lothar Frankenthal zogen 1933 zu den Schwiegereltern Wolff in die Dillstraße 15, wo diese bereits in den frühen 1920er Jahren wohnhaft waren. Zusammen mit dem Vater Michaelis und der Mutter Sara Wolff verlebten sie dort die Jahre vor der Deportation. Das Gebäude gehörte einer jüdischen Stiftung, die einst Zacharias, Nanette, Mathilde und Simon Hesse gegründet hatten. Dort wohnten jüdische Bedürftige mietfrei. Als das Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden 1939 bewirkte, dass viele Juden ihre Wohnungen bei "arischen" Vermietern verloren, brachte die Jüdische Gemeinde sie vor allen in solchen Stiftsgebäuden unter, die nun zu "Judenhäusern" erklärt wurden wie das Haus Dillstr. 15.

Lothar besuchte um 1939/ 1940 die 9. Klasse der Talmud Tora Schule mit dem Klassenlehrer Bamberger. Lothars Schülernummer war die 6108. Nach der Schule nahm er anscheinend noch eine Lehre als Tischler auf, (vermutlich in der Tischlerwerkstatt der Jüdischen Gemeinde in der Weidenallee), denn in der Adressliste des Gettos Lodz wurde er als Tischler registriert.

Am 25. Oktober 1941 wurde die Familie ins Getto Lodz deportiert, wo sie am 26. Oktober eintraf. Dort bezog sie am 1. November 1941 ein Zimmer ohne Küche mit sechs Personen in der Hanseatenstraße 42/17. Siegbert und Lothar Frankenthal leisteten im Getto Erdarbeiten und schaufelten Schnee.

Aus Briefen aus dem Getto Lodz wissen wir, dass Siegbert und Pauline Frankenthal dort enge Freundschaften mit Kollegen, Nachbarn und anderen Mitgliedern der Hamburger Jüdischen Gemeinde pflegten. In einigen Schreiben zum Neujahr 1942 an Freunde und Kollegen daheim berichtet Siegbert Frankenthal, dass es ihnen einigermaßen gut ginge und fragte, ob man ihnen Geld schicken könnte, damit sie sich "einige Wünsche" erfüllen könnten.

So heißt es zum Beispiel in einem Brief vom 1. Januar 1942 an Walter Bacher (siehe www.stolpersteine-hamburg.de): ,,Lieber Herr Doktor, ich benutze den ersten Tag des neuen Jahres Ihnen das Beste zu wünschen und Ihnen für die Anregung zu danken, dass einige Schüler anlässlich des Lichterfestes an mich geschrieben haben. Grüssen Sie bitte auch im Namen von Lothar besonders Inge Reiss, Claus Borchardt, Günther Neustadt, Arno Zimack und Hilde Dublon. Ich danke aller herzlichst. (…) Gesundheitlich geht es uns einigermaßen, aber die Witterung ist nasskalt und es schneit fast jeden Tag. Wenn Sie vielleicht zusammen mit anderen noch im Beruf befindlichen Kollegen mir per Bankanweisung einen Betrag zusenden würden, wäre ich sehr glücklich und könnte mir einige dringende Wünsche erfüllen! Mit Fräulein Rothschild und Thea Bernstein komme ich oft zusammen, Wir denken so häufig an unsere frühere Wirkungsstätte! Grüssen Sie bitte alle Kollegen sowie Herrn Direktor, Fräulein Hirsch und Familie Julius Meyer von mir und seien Sie nebst Frau Gemahlin herzlichst gegrüßt von Ihrem Siegbert Frankenthal und Frau sowie Lothar."

Die insgesamt sieben Briefe, die sich im Archiv von Lodz befinden (also vermutlich ihre Adressaten nicht erreichten) ähneln sich sehr: Siegbert Frankenthal berichtet vom Wetter, fragt hauptsächlich nach dem Wohlergehen seiner Freunde und Kollegen Zuhause, außerdem bittet er um Geld. Einigen schreibt er, dass er sich auf ein Wiedersehen freue und sich revanchieren werde, falls man ihm Geld schicken würde, wie im Brief an Harry Goldstein aus der Bogenstraße 25-27: ,,Gerade Du kennst mich am besten, um zu wissen wie schwer mir solche Bitte wird. Also lass mich bitte nicht im Stich. Vielleicht kann ich es eines Tages wieder gutmachen! (…) Antwort bitte bald Deinem alten, ewig treuen Kameraden, Siegbert Frankenthal".

Ob postalische Geldsendungen ins Getto Lodz, die zeitweise erlaubt waren, dort für Frankenthals eintrafen, ist ebenso wenig bekannt wie die "Wünsche", für die sie das Geld benötigten.
Einige Monate darauf, am 9. April 1942, starb Siegbert Frankenthal im Getto.

Pauline Frankenthal besaß seit dem 5. Januar 1943 eine "Arbeiterlegitimationskarte": Als Arbeiterin in der Tischlerei Reiter 3 war sie dazu befugt, die Straßen nach der Sperrstunde noch zu passieren. Trotz dieses Arbeitsplatzes wurden Pauline und Lothar am 7. Juli 1944 nach Chelmno ins Vernichtungslager gebracht und dort ermordet.

Stand: September 2020
© Franziska Harder

Quellen: 1; 4; 5; 8; Hamburger Adressbücher von 1924-1941; Jüdischer Friedhof Ohlsdorf jfhh.org;; Loose, Ingo: Das Vernichtungslager Kulmhof am Ner 1941 bis 1945, in: Deutsche Jüdinnen und Juden in Ghettos und Lagern (1941-1944), Beate Meyer (Hg.), Hamburg 2017, S. 54-75; Löw, Andrea: In der Öde von Lodz. Deutsche Jüdinnen und Juden im Ghetto Litzmannstadt, ebd., S. 24-42; Archiwum Panstwowe w Lodzi, An- und Abmeldungen, Briefe; Irmgard Stein, Jüdische Baudenkmäler in Hamburg, Hamburg 1984.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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