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Erich Gaertner
© Hans Gaertner

Erich Gaertner * 1890

Beim Andreasbrunnen 4 (Eimsbüttel, Eppendorf)

1941 Minsk
ermordet

Weitere Stolpersteine in Beim Andreasbrunnen 4:
James Cohn

Erich Gaertner, geb. 5.4.1890 in Svijany, Kreis Turnov, am 8.11.1941 nach Minsk
deportiert

Beim Andreasbrunnen 4

Mein Vater Erich Gaertner wurde am 5. April 1890 in Svijany, Kreis Turnov/Turnau, in Böhmen, damals Österreich-Ungarn, als Sohn des Gutsbesitzers und Pächters Alfred Gaertner und seiner Frau Berta, geb. Polak, geboren. Er hatte insgesamt sieben Geschwister, drei Schwestern und vier Brüder. Von seinen Geschwistern überlebten nur zwei den Holocaust.

Erich Gaertner absolvierte in Prag die Handelsakademie und studierte später an der landwirtschaftlichen Hochschule in Halle. Im Ersten Weltkrieg war er Artillerieoffizier in der k. und k. (königlich-kaiserlichen) Armee und diente in der Festung Przemysl, die 1915 nach Belagerung durch die Russen aufgegeben wurde, und geriet in russische Kriegsgefangenschaft. Nach der russischen Revolution kehrte er über Finnland nach Prag zurück.

Nach dem Krieg arbeitete er in Prag bei einer Speditionsfirma und ließ sich 1924 in Hamburg nieder, wo er eine Speditionsfirma gründete. Im selben Jahr lernte er bei einem Besuch in Prag meine Mutter Edith Gaertner, geb. Robitschek, geb. 1903, ebenfalls Tochter eines Gutsbesitzers, kennen und heiratete sie am 25. Januar 1925. Der glücklichen Ehe entsprossen zwei Söhne, Hans im Jahre 1926 und Stephan im Jahre 1929 geboren.

Erich Gaertner war ein sehr gütiger Mensch und ein guter Familienvater. Er trieb Sport, vor allem Turnen, Tennis und im Winter Skilaufen. Er sammelte leidenschaftlich Briefmarken und hatte eine schöne Sammlung, die von den Nationalsozialisten konfisziert wurde. Mit seiner Frau Edith war er u. a. Mitglied eines Iberoamerikanischen Clubs oder Vereins, an dessen Veranstaltungen die beiden gern teilnahmen. Seine Söhne schickte er auf die angesehene Bertram Schule am Harvestehuder Weg. 1936 wurde er Besitzer eines Opel 6-Zylinders und erwarb den Führerschein. Das Auto wurde später konfisziert.

Seine Firma befasste sich vor allem mit internationalen Transporten, wobei er viel mit Waren-Transporten aus der und in die Tschechoslowakei zu tun hatte, die in Hamburg auf Güterzüge umgeladen wurden und zollamtlich abgefertigt werden mussten. Mein Vater, dessen Firma E. Gaertner und Co. etwa 14 Angestellte beschäftigte, war geschäftlich sehr erfolgreich.

Als die jüdische Auswanderungswelle begann, arbeitete er mit einer Firma Neumann zusammen, die Möbeltransportwagen besaß. Er besorgte die Verpackung des Hausrats der Auswanderer in sogenannte Liftvans, heute Container, und den Transport in die Auswanderungsländer, auch nach Palästina, außerdem war er Vertragsspediteur des Palästina-Amtes.

Da mein Vater die deutsche Staatsangehörigkeit nicht angenommen hatte, galten für unsere Familie die Nürnberger Gesetze anfangs nicht und er konnte seine Firma, die er in langjähriger Arbeit aufgebaut hatte, auch nach der NS-Machtergreifung weiterführen. Später setzte der Gauwirtschaftsberater der NSDAP in der Firma einen Treuhänder ein, mit dem Erich Gaertner jedoch gut auskam und weiter in der Firma arbeitete.

Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Prag und der Errichtung des Protektorates Böhmen und Mähren im März 1939, wurde er eine Zeit lang in Hamburg inhaftiert, flüchtete danach in die Niederlande, wurde aber nach Deutschland ausgewiesen und kam zurück nach Hamburg, von wo er mit dem zweiten Transport aus Hamburg am 8. November 1941 ins Getto Minsk deportiert wurde. 1942 bekam Valerie Back, die in Prag lebende Schwester von Erich Gaertner, einen illegalen Brief von ihm, wonach er Dolmetscher in einer Schuhfabrik war. Wahrscheinlich wurde er Opfer eines – vermutlich im Jahre 1942 – in Minsk von der SS verübten großen Massakers. Später wurde er gerichtlich für tot erklärt.

Sein Sohn Hans überlebte den Holocaust nach mehr als dreijähriger Haft im Getto Theresienstadt, in Auschwitz-Birkenau und dem Außenlager des KZ Sachsenhausen Schwarzheide, dessen Mutter und Bruder Stephan überlebten den Krieg als Flüchtlinge in der Schweiz.

© Hans Gaertner/Sohn

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; StaH 314-15 OFP, R 1939/3010.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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