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Else Freudenthal (geborene Badt) * 1893

Jungfrauenthal 37 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1942 Theresienstadt
1944 Auschwitz

Weitere Stolpersteine in Jungfrauenthal 37:
Sophie Rosalie Alexander, Hendel Henny Behrend, Henny Dublon, Dr. Ludwig Freudenthal, Jakob Grünbaum, Lea Grünbaum, Renate Jarecki, Elchanan Jarecki, Arnold Rosenbaum

Else Freudenthal, geb. Badt, geb. 17.2.1893 in Schönlanke, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 16.10.1944 nach Auschwitz

Jungfrauenthal 37

Else Badt stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Familie. Ihre Eltern Moritz (Moses) Badt und Cäcilie (Zerline) Badt, geb. Ehrlich (1868–1940), besaßen u.a. in Schönlanke in der Moltkestraße 2 ein Grundstück. Der Geburtsort Schönlanke in der Nähe von Schneidemühl war seit 1772 preußisch und Hauptstadt des Netzekreises in der Grenzmark Posen-Westpreußen. Der jüdische Bevölkerungsanteil des Ortes lag um 1900 bei rund 8%. Die Einwohnerzahl betrug 1925 ca. 8.600 Personen. In Schönlanke gab es u.a. eine Synagoge (Neubau von 1883) und einen jüdischen Friedhof (seit den 1820er Jahren), die beide in der Zeit des Nationalsozialismus nahezu komplett zerstört wurden.

Die 27jährige Else Badt heiratete 1920 den Erfurter Rechtsanwalt Ludwig Freudenthal (geb. 4.4.1885 in Gotha), der sieben Jahre älter war als sie. Als Mitgift brachte sie 100.000 Reichsmark in die Ehe, die kinderlos blieb. Die Erfurter Wohnung von Else und Ludwig Freudenthal in der Wilhelmstraße 23 (1926–1935), heute Wilhelm-Külz-Straße, war entsprechend ihrer finanziellen Möglichkeiten elegant bis luxuriös eingerichtet.

Schon 1933 wurde Ludwig Freudenthal von den Nationalsozialisten die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen, da er Jude war und unter keine Ausnahmeregelung, etwa für die Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges, fiel. Ab 1. April 1933 erhielt er Hausverbot für das Gerichtsgebäude in Erfurt und am 9. Mai 1933 Berufsverbot als Notar. Im Erfurter Adressbuch von 1935 stand hinter seinem Namen die Berufsbezeichnung "Rechtskonsulent", d.h. er durfte nur noch jüdische Klienten vertreten. Für diese Angeklagten hatten sich allerdings Gesetze und Rechtsprechung in der NS-Diktatur so nachteilig entwickelt, dass jüdische Rechtsanwälte wohl eher für den äußeren Schein noch bis 1938 geduldet wurden. Zum 11. März 1935 erfolgte der Umzug der Eheleute Freudenthal von der Wilhelmstraße 23 Parterre in die Futterstraße 17 I.Stock und zum 30. April 1936 in die Paulstraße 8.

1936 zogen Ludwig und Else Freudenthal von Erfurt nach Hamburg. Die Abmeldung erfolgte offiziell zum 6. Juli 1936, doch bereits am 4. Juni 1936 war der 51jährige Ludwig Freudenthal in die Deutsch-Israelitische Gemeinde Hamburg und in den dortigen liberalen Tempelverband (T.V.) eingetreten und mit ihm automatisch auch Else Freudenthal als seine Ehefrau. Auf seiner Hamburger Kultussteuerkartei-Karte wurde unter Berufsangabe "Syndikus im Central-Verein Beneckestraße 2, Rechtsberater" und "Hilfsverein" eingetragen. Max Plaut (1901-1974), erst Syndikus und dann Leiter der Gemeinde, bezeugte 1958 im Rahmen des Entschädigungsverfahrens: "Herr Dr. Freudenthal wurde nach Hamburg als Geschäftsführer des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens berufen. In dieser Tätigkeit hat er, meiner Erinnerung nach, bis zum 9. November 1938 gearbeitet. Hiernach wurde der Zentralverein liquidiert und Herr Dr. Freudenthal war dann in der Auswanderungsabteilung (ehemals Hilfsverein der Deutschen Juden) tätig. Er hat auch andere Aufgaben im Rahmen der Gemeinde erfüllt. Sein Einkommen dürfte etwa RM 600 betragen haben und dann, den Vorschriften entsprechend, wiederholt gekürzt worden sein." Ludwig Freudenthal war auch in der Verwaltung der Beratungsstelle für jüdische Wirtschaftshilfe tätig, deren Arbeitsgebiete die Wirtschaftshilfe, Berufsumschichtung und Ausbildungslehrgänge umfassten.

In Hamburg wohnten die Eheleute Freudenthal kurzzeitig von Juni bis August 1936 in der Sierichstraße 84 (Winterhude), wechselten dann für ein Vierteljahr zur Untermiete in die Brahmsallee 6 I.Stock (Harvestehude) zu Kaufmann Max Hoffmann (geb. 6.10.1885 in Hamburg) und dessen Ehefrau Henny, geb. Goldscheider (geb. 3.8.1889 in Hamburg), ehe sie im November 1936 in der Klosterallee 35 (Harvestehude) eine passende 2 ½-Zimmer-Wohnung im 3.Stock fanden. Else Freudenthals Nichte Charlotte Bauchwitz, die von 1937 bis 1939 in Hamburg lebte und dann in die USA emigrierte, beschrieb später die Hamburger Wohnungseinrichtung der Freudenthals, die noch aus Erfurt stammte: die Esszimmereinrichtung war aus Mahagoni gefertigt (ovaler Ausziehtisch für 12–14 Personen, Stühle mit Ledersitzen, Buffet, Kredenz) dazu achteckiger Teetisch aus Glas mit zwei Sesseln sowie Ölbild und Teppiche, das Wohnzimmer mit Schreibtisch, Ledersesseln, Sofa, Rauchtisch und Teppichen. Massive Silberbestecke lagen für 24 Personen bereit und Else Freudenthal gehörte wertvoller Schmuck (Platinring mit Brillanten, Perlenkette mit Brillantverschluss, Brillantbrosche, goldene Damen-Armbanduhr). 1939 musste sie – wie alle Juden – ihren Schmuck sowie Gold- und Silbergegenstände bei einer staatlichen Ankaufstelle gegen eine sehr geringe Entschädigung abgeben.

Am 10. November wurde Ludwig Freudenthal im Konzentrationslager Fuhlsbüttel inhaftiert und – wie ca. 700 weitere jüdische Männer – ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt.

Im Mai 1939, zum Zeitpunkt der Volkszählung, bei der Juden separat erfasst wurden, wohnten Freudenthals noch in der Klosterallee 35 III. Stock. Diese Wohnung wird auch in den Adressbüchern von 1940, 1941 und 1942 angegeben. Hier besuchte Elses verwitweter Schwager Kurt Bauchwitz die Freudenthals im Juli 1941, wie ein Eintrag auf der Hausmeldekarte festhielt. Die letzte Hamburger Adresse von Else und Ludwig Freudenthal lautete Jungfrauenthal 37, wohin sie am 28. März 1942 umziehen mussten. Dieses Haus wurde vom NS-Regime als sogenanntes Judenhaus in die Vorbereitung der Deportationen einbezogen und war keine frei gewählte Unterkunft mehr.

Ihre Mutter Cäcilie (Cerline) Badt, geb. Ehrlich (geb. 21.6.1868 in Schönlanke) hatte zum Zeitpunkt der Volkszählung (Mai 1939) in Berlin-Tiergarten in der Altonaer Straße 11 im Haus ihres Schwagers Heinrich Badt (geb. 25.6.1869 in Schönlanke) gelebt. Am 17. Mai 1940, vier Wochen nach dem Tod ihrer Tochter Frieda, war sie zu Ludwig und Else Freudenthal nach Hamburg in die Klosterallee gezogen. Am 28. Juni 1940 hatte sie eine eigene Wohnung in der Hochallee 66 (Eigentümer Leo Robinsohn) angemietet. Cäcilie Badt starb am 28. April 1940 an den Folgen eines Schlaganfalls (Apoplexie Kolaps) im Allgemeinen Krankenhaus Hamburg-Altona, sie soll in Berlin beerdigt worden sein.

Else und Ludwig Freudenthal wurden am 19. Juli 1942 ins Getto Theresienstadt und von dort am 16. Oktober 1944 weiter ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert.

Für sie wurden 2003 Stolpersteine vor dem Haus Jungfrauenthal 37 verlegt.


Die anderen Familienmitglieder:

Elses verwitweter Schwager Kurt Bauchwitz (geb. 27.1.1881 in Sangerhausen), bis 1935 Rechtsanwalt und Notar in Halle/ Saale (Humboldtstr. 19), wurde im Zuge des Novemberpogroms verhaftet und bis zum 16. Dezember 1938 im Konzentrationslager Sachsenhausen festgehalten. Laut Volkszählung vom Mai 1939 wohnte Kurt Bauchwitz in Halle/ Saale in der Großen Ulrichstraße 2; hier erinnert seit 2004 ein Stolperstein an ihn. Kurt Bauchwitz musste dann in ein zum "Judenhaus" erklärtes Gebäude in der Hindenburgstraße 63, heute Magdeburger Straße, umziehen und wurde von dort am 1. Juni 1942 ins Vernichtungslager Sobibor deportiert.

In der reichsweiten Volkszählung vom Mai 1939 wurden weitere Personen mit dem Geburts- oder Familiennamen Badt und dem Geburtsort Schönlanke (Kreis Czernikau) von der deutschen Bürokratie erfasst, bei denen es sich um Onkel und Tanten von Else Freudenthal handeln dürfte:
- Henriette Philippson, geb. Badt (geb. 28.8.1858 in Schönlanke), wohnhaft Mai 1939 in Stettin (Kronenhofstr. 27), deportiert am 12. Februar 1940 nach Lublin, dort 3 Tage später gestorben;
- Max Badt (geb. 3.6.1856 in Schönlanke, Eltern: Seifensieder Emanuel Badt u. Rosa "Röschen" geb. Asch), Bruder von Heinrich Badt (1869-1943), Kaufmann, seit 1886 verheiratet mit Berta Badt geb. Sternberg (geb. 22.10.1859 in Spandau), 3 Kinder (Gertrud 1889 sowie die Zwillinge Fritz und Werner 1899, die alle in Aschersleben geboren wurden), wohnhaft Mai 1939 in Berlin (Frankfurter Allee 89), Wohnort zum Zeitpunkt der Deportation Berlin-Wilmersdorf W 30, Pragerstr. 34 II.Stock bei Schwarz, deportiert am 29. Oktober 1942 von Berlin ins Getto Theresienstadt, dort am 16. November 1942 gestorben (offiziell an Altersschwäche); Bertha Badt starb am 8. Dezember 1942 im Getto Theresienstadt
- Heinrich Badt (geb. 25.6.1869 in Schönlanke/ Pommern), Bruder von Max Badt (1856–1942), Kaufmann, gründete 1900 die Schuhwarengroßhandlung "Heinrich Badt" (ab Dezember 1936 war der Sohn Emil Hans Badt, geb. 1903 in Berlin, Mitinhaber), verheiratet mit Helene Badt geb. Levin (geb. 29.12.1873 in Rogowo, Kreis Znin), Heinrich Badt wohnte im Mai 1939 und Juli 1942 in Berlin-Tiergarten (Altonaer Str. 11) und wurde am 24. Juli 1942 ins Getto Theresienstadt deportiert, wo er am 22. Januar 1943 an Lungenentzündung starb. Seine Ehefrau wurde ebenfalls am 24. Juli 1942 nach Theresienstadt und am 16. Mai 1944 weiter ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert.


Stand: April 2019
© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 213-13 (Landgericht Hamburg, Wiedergutmachung), 9885 (Cerline/Zerline Badt geb. Ehrlich); StaH 332-5 (Standesämter), 5422 u. 1367/1940 (Sterberegister 1940, Cäcilie Badt geb. Ehrlich); StaH 332-8 (Meldewesen), Hauskartei, Klosterallee 35 III (Freudenthal, Schalmayer); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 7667 (Dr. Ludwig Freudenthal); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 1323 (Cäcilie/Zerline Badt); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Ludwig Freudenthal, Nationalarchiv Prag, Institut Theresienstädter Initiative (Todesfallanzeigen Max Badt, Heinrich Badt); Bundesarchiv Koblenz, Gedenkbuch, Helene Badt geb. Levin, Heinrich Badt, Ludwig Freudenthal, Else Freudenthal geb. Badt, Max Badt, Heinrich Badt, Henriette Philippson geb. Badt; Gedenkbuch Hamburger jüdische Opfer des Nationalsozialismus, Hamburg 1995, S. 111 (Ludwig und Else Freudenthal); Europäisches Kultur- und Informationszentrum in Thüringen (Hrsg.), Juden in Thüringen 1933–1945, Erfurt 2000, S.34 (Lina Freudenthal geb. Hellmann, Dr. Ludwig Freudenthal); Jutta Hoschek, Ausgelöschtes Leben, Juden in Erfurt 1933–1945, Erfurt 2013, S. 133–137 (Biografie Lina Freudenthal geb. Hellmann u. Dr. Ludwig Freudenthal); Meyers Lexikon, Band 10, Leipzig 1929, S. 1435 (Schönlanke); Wilhelm Mosel, Wegweiser zu ehemaligen jüdischen Stätten in Hamburg, Heft 3, Hamburg 1989, S. 124 (Beneckestraße 2); Hamburger Adressbuch 1937, 1938, 1940–1942 (Ludwig Freudenthal); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1926, S. 348 (Carl Gröschner, Inh. Carl Ludwig Max Gröschner, gegr. 1920 und Max Gröschner, Inh. Carl Ferdinand Max Gröschner, gegr. 1888, Agent und Makler); www.tacingthepast.org (Volkszählung Mai 1939), Carline Badt geb. Ehrlich, Kurt Bauchwitz, Ludwig Freudenthal, http://data.synagoge-eisleben.de/gen/fg01/fg01_199.htm (Kurt u. Frieda Bauchwitz); https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Halle_(Saale) (Kurt Bauchwitz, eingesehen 21.11.2017); http://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/s-t/1763-schoenlanke-westpreussen (eingesehen 2.11.2017); http://www.alemannia-judaica.de/oehringen_synagoge.htm (eingesehen 2.11.2017); Informationen von Dr. Jutta Hoschek.

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