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Fanny Freundlich * 1898

Glashüttenstraße 110/112 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)


HIER WOHNTE
FANNY FREUNDLICH
JG. 1898
DEPORTIERT 1941
LODZ
SCHICKSAL UNBEKANNT

Weitere Stolpersteine in Glashüttenstraße 110/112:
Johanna Freundlich, Louise Freundlich

Johanna Freundlich, geb. Baumgarten, geb. 4.4.1874 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk, Todesdatum unbekannt
Fanny Freundlich, geb. 3.2.1898 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, Todesdatum unbekannt
Louise Freundlich, geb. 24.12.1904 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk, Todesdatum unbekannt

Glashüttenstraße, zwischen Hausnummer 110 und 112 (Glashüttenstraße 111a)

Als die Hamburger Jüdin Johanna Baumgarten um 1894 den Kaufmann Samuel (Schmul) Freundlich heiratete, wurde sie mit einem Schlag Mutter von sechs Kindern, die ihr Mann aus erster Ehe mit in die neue Verbindung einbrachte. Diese Kinder waren zwischen 1886 und 1891 geboren worden, das älteste von ihnen war somit 12 Jahre jünger als die junge Frau. In den folgenden Jahren vergrößerte sich die Familie erheblich: Im März 1895 brachte die zwanzigjährige Johanna ihr erstes Kind, den Sohn Max, zur Welt. Ihm folgten in kurzen Abständen drei weitere Jungen und drei Mädchen. Das jüngste Kind, die Tochter Louise, wurde 1904 geboren. Welchen Handel Samuel Freundlich betrieb bzw. welcher Tätigkeit er nachging, um den Lebensunterhalt für seine Großfamilie zu sichern, lässt sich an Hand der Steuerkarte der Jüdischen Gemeinde nicht erkennen. Für 1916 erscheint der Vermerk "nicht mehr besteuern". Im Hamburger Adressbuch von 1920 wird Samuel Freundlich als "Reisender" aufgeführt.

Um 1913 verließ die Familie Freundlich Eppendorf, wo sie an häufig wechselnden Adressen gewohnt hatte, und zog in die Glashüttenstraße 111a ins Hinterhaus. Als Samuel Freundlich 1922 im Alter von 58 Jahren starb, waren selbst die jüngsten Kinder weitgehend erwachsen und vermutlich auch erwerbstätig, sodass sie ihre Mutter unterstützen konnten. Über ein eigenes Einkommen schien die Witwe Johanna Freundlich nicht zu verfügen, sie lebte wahrscheinlich seit 1934 im Haushalt ihres ledigen Sohnes Carl, der zunächst in der Feldstraße 51, später im Laufgraben 41 wohnte. Diese Adressen finden sich auch auf ihrer Kultussteuerkarte.

Mit zunehmender Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen für Juden in Hamburg bereiteten sich einzelne Mitglieder der Familie Freundlich auf ihre Auswanderung vor. Während die inzwischen verheirateten Söhne Julius und Georg Ende 1938 mit ihren Familien in die USA emigrierten, setzte sich Sohn Carl erst im Mai 1940 nach Shanghai ab. Auch der Tochter Helene glückte noch rechtzeitig die Ausreise in die USA. In Hamburg blieben neben Johanna Freundlich ihre beiden ledigen Töchter Louise und Fanny. Der Sohn Julius, der in der Boßdorferstraße im Stadtteil Hoheluft eine Autovermietung betrieben hatte und überlebte, erinnerte sich noch deutlich an die letzten Wochen in Hamburg: "... bis am 12. Dezember 1938 die Verfügung über die Ablieferung der Führerscheine kam, die ein plötzliches Ende zu allem setzte. Ich erinnere nur eine Verwirrung ohne Ende und ‚Rette sich wer kann‘. Wir waren so viel glücklicher wie meine sel. Mutter und zwei Schwestern, dass wir am 23. Dezember 1938 Hamburg verlassen konnten, mit der Absicht andere Familienmitglieder später rauszuholen, was uns leider nur zum Teil gelungen ist. Meine Mutter und 2 meiner Schwestern sind leider in Polen umgekommen ..."

Seine unverheiratete Schwester Fanny, die am 3. Februar 1898 geboren worden war, war von Beruf Kindergärtnerin, seit 1935 aber erwerbslos. Sie lebte an verschiedenen Adressen in Eimsbüttel und Eppendorf zur Untermiete und wurde am 25. Oktober 1941 mit dem ersten Hamburger Transport, der 1034 Juden und Jüdinnen umfasste, ins Getto Lodz deportiert. Ihre dortige Adresse wird mit "Neustadt, 31 Wohnung 5", ihre Beschäftigung mit "Kindergärtnerin" angegeben. Die Bewohnerliste des Gettos enthält als Eintrag zu ihrem Namen die Bemerkung: "ausg. 3.5.42", was bedeutete, dass Fanny Freundlich für einen Transport ins Vernichtungslager vorgesehen war. Vom 4. bis 15. Mai 1942 verließen fast 11000 Menschen das Getto, um in das Vernichtungslager Kulmhof gebracht zu werden, wo sie unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet wurden.

Nur wenige Wochen nach Fanny erhielten die jüngere Schwester Louise, auch Lieschen genannt, und die Mutter Johanna Freundlich den Deportationsbefehl. Sie kamen jedoch nicht, wie Sohn Julius erinnerte, nach Polen, sondern wurden am 18. November 1941 mit etwa 1000 Hamburger Juden und Jüdinnen nach Minsk "evakuiert". Ihr Todesdatum lässt sich nicht mehr ermitteln. Louise hatte zuvor viele Jahre als Kontoristin bei der "Hambg. Verkaufsstätte Zentrum" am Schulterblatt gearbeitet, bis sie 1935 ihre Tätigkeit aufgeben musste. Sie war ledig und lebte seit ihrem Verzug aus dem Karolinenviertel zusammen mit ihrem Bruder Carl und ihrer Mutter am Laufgraben 41. Seit Ende 1935 bis zu ihrer Deportation wohnten Louise und Johanna in der Neustadt am Neuen Steinweg 78 im Hinterhaus und bezogen zumindest vorübergehend Unterstützung durch den Jüdischen Hilfsverein. Unmittelbar nach ihrer Deportation wurde der Hausrat von Johanna Freundlich und ihrer Tochter für einen Erlös von 236,90 RM versteigert – ein Betrag, der nach Auffassung des Wiedergutmachungsamtes zu gering ausfiel, als dass die Erben einen Anspruch auf Entschädigung hätten geltend machen können.

Über das Schicksal des ältesten Sohns von Johanna Freundlich ist nichts bekannt. Er findet auch in den Wiedergutmachungsakten der Geschwister keinerlei Erwähnung. Bezüglich der Kinder aus der ersten Ehe des Mannes von Johanna Freundlich lässt sich anhand der Datenbank aus Yad Vashem schließen, dass die älteste Tochter Dorothea ebenfalls nach Minsk deportiert wurde. Der Sohn Berthold starb am 19. Oktober 1942 im KZ Sachsenhausen. Der weitere Lebensweg der anderen Geschwister ist nicht bekannt.

© Gunhild Ohl-Hinz

Quellen: 1; 4; 5; 8; StaH 314-15 OFP, Abl. 1998/ F 470; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1, 261200 Freundlich, Julius; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1 040474 Freundlich, Johanna; ITS/ARCH/Ghetto Litzmannstadt, Ordner 6, Seite 328; AB 1913 – 1938.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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