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Martha Fürstenberg (r.) und Clara Levy auf der Hochzeitsfeier für ihren Bruder (1919)
© Privatbesitz

Martha Fürstenberg * 1886

Isestraße 55 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Lodz

Weitere Stolpersteine in Isestraße 55:
Rudolf Fürst, Isidor Fürst, Hedwig Fürst, Walter John Israel, Clara Levy, Herbert Pincus, Ignatz Pincus, Marianne Pincus

Martha Fürstenberg, geb. Pein, geb. 1.2.1886 in Hamburg, deportiert am 25.10.41 nach Lodz

Martha Fürstenberg war mit dem russischen Kürschnermeister Viktor-Hermann Fürstenberg verheiratet. Ihre Nichte, Inge Hutton, erinnerte sich an die Besuche bei ihrer Tante und ihrem Onkel: "Tante Martha, das war so eine lustige kleine Person. Das war immer toll, als sie das Pelzgeschäft in der Lübecker Straße noch hatten … Vorne war der Laden, und hinten war so ein langer Korridor, und da hingen immer diese Felle, das war für Kinder natürlich hochinteressant. Dahinter war dann die Wohnung, und wir besuchten sie immer mal wenn einer Geburtstag hatte, er oder sie. Da ging man mit den Eltern nachmittags hin und das war eigentlich immer sehr schön. Nur hatten sie später einen großen, weißen Königspudel. Der war sehr eifersüchtig und sie mussten ihn immer wegsperren, wenn wir kamen. Er hieß Luki. Bei zwei kleinen Mädchen wurde der verrückt, der hätte uns gebissen. Also wurde er eingesperrt und dann war Friede."

Inge Hutton kann sich auch noch an Diskussionen zwischen ihrem Vater und ihrem Onkel Viktor-Hermann Fürstenberg erinnern. Ihr Onkel war überzeugter Kommunist und stieß mit dieser politischen Einstellung in der Familie nicht immer auf Verständnis. Scherzhaft wurde er manchmal als "Salonbolschewist" bezeichnet. Sein Bekenntnis zum Kommunismus und seine jüdische Herkunft brachten ihn sofort nach dem Machtwechsel in Bedrängnis. Aus berechtigter Angst vor Verfolgung floh er schon 1933 in die Sowjetunion. In seiner Familie hieß es, dass er wohl vom Regen in die Traufe gekommen und vermutlich von den Gehilfen Stalins ermordet worden sei.

Durch ihre Ehe mit dem Russen Fürstenberg galt Martha als staatenlos. Mit ihrem Mann verlor sie zugleich ihre wirtschaftliche Existenz. Die Familie ihrer Schwester Clara Levy nahm sie in ihr Haus in der Werderstraße auf. Inge Hutton erinnert sich, ihre Tante habe sehr unter dem Verlust ihres Mannes gelitten und verzweifelt Russisch gelernt, wohl weil sie hoffte, ihm nachreisen zu können. Er hatte ihr nämlich vor seiner Flucht versprochen, sie in die Sowjetunion nachzuholen. Tatsächlich sah sie ihn jedoch nie wieder.

Nachdem auch ihre Schwester Clara Levy Mann und Haus verloren hatte, zogen die beiden Frauen 1939 zur Untermiete bei den Tichauers, einem jüdischen Zahnarztehepaar aus Bergedorf, in die Isestraße 55. Ein Jahr später richteten die Schwestern noch eine Hochzeitstafel für ihren Bruder Alfred Pein, den Vater von Inge Hutton, aus, der zum zweiten Mal heiratete. Dazu hatten die Schwestern einen langen Tisch durch zwei Zimmer hindurch für die Hochzeitsgesellschaft gedeckt und Kaffee und Kuchen aufgetischt.

1941 bekam Martha Fürstenberg den Deportationsbefehl nach Lodz zugestellt, möglicherweise aufgrund ihres Status’ als Staatenlose war sie gleich dem ersten Transport am 25. Oktober zugeteilt worden, während ihre Schwester Clara erst im Dezember nach Riga deportiert wurde. Martha Fürstenberg bekam im Getto von Lodz einen Wohnplatz in der Alexanderhofstraße 37 zugewiesen.

Am 9. Mai 1942 verfasste sie einen Brief an das "Amt für Aussiedlung", der erhalten ist. Darin bat sie um eine Zurückstellung von dem bevorstehenden Transport im Mai 1942. Sie legte ein Attest bei, in dem bestätigt wurde, dass sie in Kürze operiert werden müsse.

Sie hatte Glück, es wurde zu ihren Gunsten entschieden. Der Behördenstempel auf ihrem Gesuch lautete: "UWZGLEDNIONE", was übersetzt "berücksichtigt" bedeutet. Martha Fürstenberg überlebte zwei weitere Jahre in der Alexanderhofstraße und bekam dann erneut einen Deportationsbefehl mit dem "Transport 78" am 28. Juni 1944 nach Chelmno ins Vernichtungslager. Es ist anzunehmen, dass der 28. Juni 1944 zugleich Martha Fürstenbergs Todesdatum ist.

© Maike Grünwaldt

Quellen: 1; 4; 8; StaH, 351-11, AfW 3868; USHMM, RG 15083, M 301/699-700; Fritz Neubauer, Universität Bielefeld, E-Mail vom 6.11.2009; Inge Hutton, geb. Pein, Interview am 5. Juni 2007; Beate Meyer (Hrsg.), Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933–1945, Göttingen 2006, S. 94.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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