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Adele Friedberg (geborene Goldschmidt) * 1862

Rappstraße 15 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1942 Theresienstadt
ermordet 10.04.1943

Weitere Stolpersteine in Rappstraße 15:
Julie Hirsch, Bella Hirsch, Leopold Hirsch, Rosa Kuntzsch

Adele Friedberg, geb. Goldschmidt, geb. 9.6.1862 Wandsbek, am 19.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, dort verstorben am 10.4.1943

Rappstraße 15 (Eimsbüttel)

Adele Goldschmidt war am 9.6.1862 in Wandsbek als Tochter des jüdischen Ehepaares Levy Goldschmidt und Bernhardine, geb. Hesslein, geboren worden. Ihr Vater war Schlachter von Beruf und auch unter dem Vornamen Louis aktenkundig. Die Familie lässt sich im Jahr von Adeles Geburt erstmalig im Adressbuch Wandsbek nachweisen unter dem Eintrag "L. Goldschmidt, Schlachter, Kampstr. 7" und 1865 wieder im westlich zur Hamburger Grenze gelegenen Wohnquartier in der Mathildenstraße. Ab 1866 lebte sie in Hamburg, zuerst in der 2. Marienstraße 14, 1870 in der Straße Eichholz 10 in Hafennähe und ab ca. 1875 bis 1879 in der Altstadt Hamburgs, Brauerstraße 7.

Die häufigen Wohnungswechsel waren vielleicht der Geburt der Kinder oder prekären Einkommensverhältnissen geschuldet. Wie viele Geschwister Adele Goldschmidt letztlich hatte, konnte nicht herausgefunden werden. In den Akten wird eine Schwester namentlich erwähnt, Emma Cohn/Kohn, wohnhaft Anfang der 1930er Jahre in St. Pauli, Sophienstraße 27.

Über die Kindheit, Jugendzeit und eine eventuelle Ausbildung Adeles oder ihrer Schwester ist nichts bekannt.

Am 7.12.1884, im Alter von 22 Jahren, heiratete Adele Goldschmidt den neun Jahre älteren, ebenfalls jüdischen Samuel Friedberg (geb. 1853 in Hamburg). Er war in den Adressbüchern bzw. Akten unter der Berufsbezeichnung Comptoirist (Kontorist/ Büroangestellter), Agent (Vertreter), später als kaufmännischer Angestellter aufgeführt.

Ende 1885 kam der Sohn Alphons zur Welt, zwei Jahre später die Tochter Ella. Hugo, das dritte Kind der Eheleute wurde 1889 geboren, und Herbert 1891. Auf der Kultussteuerkarte der Jüdischen Gemeinde ist noch eine Nachzüglerin eingetragen, die Tochter (Bernhardine) Dina, geboren 1902.

In den Akten zur Familie wird die Kinderzahl manchmal mit "Sechs" angegeben. Anzunehmen ist, dass ein weiteres Kind – vermutlich in den Jahren 1890 bis 1900 geboren – früh verstorben ist.

In diesem frühen Zeitraum des Familienlebens wohnten die Friedbergs in Altona, Adolphstraße 42 bzw. 154. In den Jahren 1892 bis 1895 waren sie nicht in den Adressbüchern Altonas und Hamburgs verzeichnet. Erst 1896 lautet ein Eintrag "S. Friedberg, Agent, Rosenhofstr. 1". Damit waren sie im Hamburger Schanzenviertel angekommen, doch 1910 lautete die Adresse Schlachterstraße 47 (heute nahe Neanderstraße westlich vom Großneumarkt). Fünf Jahre später wohnten sie im heutigen Weidenstieg-Viertel in der Lindenallee 18 und danach dort in der Margarethenstraße 35. Hier lebte Adele Friedberg auch, nachdem sie 1922 Witwe geworden war.

Wie schon erwähnt, stehen häufige Wohnungswechsel oft für eine wachsende Familie oder auch finanzielle Not. Auf die Familie Friedberg traf beides zu, denn bereits seit dem Jahr 1900 war sie auf finanzielle Unterstützung angewiesen. 1905 wurde Samuel Friedberg wegen Bettelns zu einem Tag Haft verurteilt. Von jüdischen Stiftungen erhielten sie zwischen 1912 und 1914 Einmalzahlungen in Höhe von 50 bis 150 Mark. Sie lebten offenbar in großer Armut, denn am 10.1.1915 schrieb Samuel Friedberg (er besaß die Hamburger Staatsangehörigkeit) an den "Spezialfonds der Allgemeinem Armenanstalt" und bat, die Miete für Dezember 1914 zu übernehmen. Er nannte als Begründung, dass er wegen eines alten Magen- und Darmleidens nicht arbeiten könne und "somit auch die M 3,50 ausfallen (für eine geringfügige Beschäftigung A.L.), da (ich) auf Anraten des Arztes Herrn Dr. Gottberg… vorläufig weder arbeiten noch überhaupt das Haus verlassen darf." Er wies auch darauf hin, dass der Verdienst der Tochter Ella ausgefallen sei, die zum Haushaltseinkommen beigetragen, jedoch inzwischen ihre Stellung infolge des Krieges verloren habe. Schließlich gab Samuel Friedberg der Hoffnung Ausdruck, dass seiner Bitte nachgekommen werde, andernfalls werde er vom Hausbesitzer "unbedingt ausgesetzt", also aus der Wohnung gewiesen.

Wie die Angelegenheit geregelt wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Der Zuständige des "Spezialfonds" jedenfalls wies die Bitte ab. In einem internen Vermerk vom 2.2.1915 heißt es: "kein Fall für den Spezialfonds… haben 1914 schon viel Unterstützung erhalten."
Ende 1921 wurde wieder eine Bitte um Unterstützung für Miete aktenkundig. Zuständig war nun die Wohlfahrtsbehörde Hamburg. Diese war berechtigt, die Kinder zur Unterstützung der Eltern heranzuziehen, doch das wollte Samuel Friedberg offenbar vermeiden und zog seinen Antrag zurück. Ende Februar bewilligte die Wohlfahrtsbehörde ihm vorübergehend jedoch Gelder, da seine Erwerbslosenunterstützung ausgelaufen sei. Das Amt verwies aber noch einmal intern auf die erwachsenen Kinder: Die drei Söhne Alphons, Hugo und Herbert Friedberg seien in der Lage zu zahlen, sie betrieben jeder eine Agentur in Weißwaren. Auch bezweifelte der Sachbearbeiter der Wohlfahrtsbehörde, dass die Tochter Ella ihrer Mutter Adele Friedberg den Haushalt führen müsse, das könne die Mutter selbst oder die Tochter müsse das nach der Arbeit machen.

Inzwischen war Samuel Friedberg eine Invalidenrente bewilligt worden in Höhe von 88,90 M monatlich. Doch lange konnte er den Ruhestand nicht mehr genießen, er starb am 21.3.1922.

Auch die nun verwitwete Adele Friedberg wurde bei der Wohlfahrtsbehörde aktenkundig. Ende 1922 vermerkte diese wieder, dass sie doch von ihren Kindern unterstützt werden könne und keine Wohlfahrt in Anspruch nehmen müsse. Aus der Akte geht hervor, dass sie seit 1903 in Hamburg gemeldet war und seit 1916 in der Margarethenstraße 35 in einer 4 Zimmerwohnung lebte. Ihre inzwischen verheiratete Tochter Ella und ihr Schwiegersohn Carl Rühmke bewohnten davon 2 Zimmer und zahlten Miete. Seit 1916 war Adele Friedberg auch Mitglied der Jüdischen Gemeinde, d.h. der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg.

In der Fürsorgeakte, die über Adele Friedberg geführt wurde, befinden sich drei Aufnahmebögen, nach denen die Behörde Leistungen zuteilte, und zwar in den Jahren 1931, 1936 und 1939. Das Formular von 1936 unterteilte die Antragsteller bereits im Sinne der NS-Ausgrenzungspolitik. Darin hieß es über Adele Friedberg in kalter Bürokratiesprache: "Staatsangehörigkeit: Deutsches Reich. Deutschstämmig: nein. Fremdrassig: Jüdin. Religionsbekenntnis: mosaisch. Ohne Beruf. Ohne Erwerb." Aus den Leistungsbögen der Fürsorge von 1934-1939 geht hervor, dass Adele Friedberg Krankenscheine wegen verschiedener gesundheitlicher Beschwerden erhielt. Ihren Lebensunterhalt bestritt sie durch eine Invalidenrente, zudem wurde sie von der Jüdischen Gemeinde unterstützt. Sie wohnte mittlerweile in der Agathenstraße 3 zur Untermiete.
Adele Friedbergs Leben zeichnete sich nach 1935 durch viele Wohnungswechsel aus. Die Wohnungen lagen überwiegend im Weidenstieg, dem Grindelviertel und in Eimsbüttel. Bis 1937 waren es 12 Adressen, meist war sie als Untermieterin eingezogen, einmal lebte sie auch für kurze Zeit bei ihrer Tochter (Bernhardine) Dina Grohmann.

In der Rappstraße 15, wo der Stolperstein an Adele Friedberg erinnert, wohnte sie nur die kurze Zeit vom 4.10. bis zum 15.12.1936 als Untermieterin bei Kramer, danach zog sie in die Kielortallee 4. Ab 19.9.1941 war sie gezwungen, den sogen. Judenstern zu tragen. Ab 18.3.1942 lebte Adele Friedberg in einem sogen. Judenhaus, in der Schlachterstraße 46-47.

Ein Jahr später, am 19.7.1942, musste sie sich an der Sammelstelle zur Deportation aus Hamburg einfinden. Sie war nicht allein, ihr Sohn Alphons und ihre Tochter (Bernhardine) Dina hatten ebenfalls den Befehl erhalten. Als jüdische Partner aus Mischehen, die durch Scheidung oder Tod aufgelöst waren, genossen sie keinen Schutz vor der Deportation mehr. Adele Friedberg war unter der Nummer 175 in der Deportationsliste aufgeführt, Alphons unter der Nummer 759 und Bernhardine, die unter dem neuen Ehenamen Levy vermerkt war, erhielt die Nummer 397. Sie erreichten Theresienstadt am 20.7.1942 mit dem Transport VI/2. Niemand von ihnen überlebte dort.

In einem Schreiben, das die Leiterin des Suchdienstes Theresienstadt – dieser unterstand der tschechoslowakischen Militärmission mit Sitz in Berlin-Dahlem - 1955 an die Tochter Ella Rühmke richtete, ging hervor, dass Adele Friedberg am 10.4.1943 in Theresienstadt verstorben sei.


Adeles Sohn Alphons Friedberg hatte 1907 die christliche Wilhelmine Elsa, geb. Schwetscher (1886), geheiratet. Die Eheleute bekamen zwei Kinder: Irma (1907) und Hellmuth (1921). Seine Frau starb 1933. 1939 betrieb Alphons Friedberg eine Tabakvertretung und wohnte in der Grindelallee 168. Offensichtlich in Unkenntnis, dass Juden inzwischen weder Handels- noch Gewerbebetriebe besitzen oder führen durften, beantragte er eine Genehmigung zur Einrichtung eines Großhandelsunternehmens. Der Antrag wurde am 1.3.1939 durch den Reichsstatthalter in Hamburg zurückgewiesen. Auch erhielt er keinen Wandergewerbeschein mehr, so dass er nicht mehr als Vertreter arbeiten konnte. Er war vermögenslos, wie die Jüdische Gemeinde notiert hatte, deshalb erließ der Oberfinanzpräsident keine "Sicherungsmaßnahmen" gegen ihn.
Alphons Friedberg starb am 1.6.1943 in Theresienstadt, wo er am 3.6.1943 verbrannt wurde. (Ein Stolperstein erinnert an ihn in der Vereinsstraße 61. Siehe auch Biografie www.stolpersteine-hamburg.de).

Die jüngste Tochter, (Bernhardine) Dina, geb. Friedberg, verheiratete Grohmann, hatte zwei Kinder, Egon (1923) und Ursula (1929), ihr nicht jüdischer Ehemann arbeitete als kaufmännischer Angestellter. Die Ehe wurde geschieden. Später heiratete sie einen jüdischen Mann namens John Levy.
Über Bernhardine Levy erfahren wir aus dem Schreiben des Suchdienstes: "am 28.10.1944 mit dem Transport Ev 286 nach dem Osten verschleppt, dort ist diese wahrscheinlich umgekommen, denn der meiste Teil dieser Personen blieben nicht am Leben." Bernhardine Levy wurde in Auschwitz ermordet. (Stolpersteine für Bernhardine und John Levy befinden sich in der Bundesstraße 40. Siehe auch Biografie www.stolpersteine-hamburg.de).

Auch der Sohn Hugo Friedberg war seit 1919 mit einer nichtjüdischen Partnerin, Hilda, geb. Hug (1898 Leipzig), verheiratet. Die Eheleute hatten eine Tochter, Tosca (1922). Hugo Friedberg verdiente in den 1920er Jahren den Lebensunterhalt als selbständiger, auf Provision arbeitender Vertreter. 1926 arbeitete er beim Eimsbütteler Wohlfahrtsamt als Angestellter. Er trat 1934 aus der Jüdischen Gemeinde aus (Hugo Friedberg überlebte die NS-Zeit dank der Mischehe und starb 1967).

Der Sohn Herbert Friedberg war seit 1920 mit der ebenfalls jüdischen Pauline, geb. Nissensohn (1895 Hamburg), verheiratet und hatte mit ihr die Tochter Carmen (1920). Er war selbständiger Kaufmann und Vertreter für Wäsche. Im Juli/August 1938 hatte er erfolglos einen Auslandspass beantragt, der ihm verweigert wurde, aber Ermittlungen wegen des Verdachts auf Kapitalflucht nach sich zog, weil die Behörde argwöhnte, er beabsichtige wohl, mit Ehefrau und Tochter auszuwandern. Herbert Friedberg gehörte auch zu den Verhafteten infolge des Novemberpogroms: vom 10.11.1938 bis zum 23.12.1938 saß er im KZ Sachsenhausen ein. Vermutlich entließ man ihn mit der Maßgabe, sich um seine Auswanderung zu kümmern und diese zu forcieren. Auch er verfügte über kein Vermögen. Herbert Friedberg gelang Ende Januar 1939 die Auswanderung nach Sao Paulo/Brasilien, im April konnten auch Pauline Friedberg und ihre Tochter Carmen dorthin emigrieren. Beide Eheleute hatten noch die Zusatznamen "Israel" und "Sara" beim Standesamt eintragen lassen, wozu auch im Ausland lebende jüdische Deutsche verpflichtet waren.

Adele Friedbergs ältere Tochter Ella hatte die Höhere Israelitische Töchterschule besucht, begann danach eine Ausbildung als Verkaufslehrling und arbeitete 14 Jahre lang als Verkäuferin. Von 1916 bis 1920 war sie für das Rote Kreuz tätig. 1921 ging sie die Ehe mit dem in Hamburg geborenen Carl August Wilhelm Rühmke (1897) ein. Berufstätig war sie vorerst nicht mehr. Carl Rühmke fuhr bis 1932 zur See. Danach war er bei verschiedenen Firmen in Hamburg tätig. 1928 wurde der gemeinsame Sohn Günther geboren. 1941 beantragte Carl Rühmke die Scheidung von seiner Frau. Ella Rühmke gab dagegen zu Protokoll, sie wolle sich nicht scheiden lassen. Die Familie wohnte im Grindelviertel, Heinrich-Barth-Staße 15. Das Scheidungsverfahren zog sich bis 1942 hin.
Inzwischen war den Behörden aufgefallen, dass Ella weder die gesetzlich vorgeschriebene Kennkarte für Juden vorlegen konnte, wozu sie seit 1938 verpflichtet gewesen wäre, noch den zusätzlichen Vornamen "Sara" beim Standesamt hatte eintragen lassen. Zugegeben hatte sie lt. einem Vermerk auch, bei einem Rüstungsbetrieb falsche Angaben zu ihrer Religion (evangelisch) und dem Vornamen ihres Vaters (Siegfried statt Samuel) gemacht zu haben. Gegen Ella Rühmke erging ein Strafbefehl in Höhe von dreimal 10 RM, ersatzweise sechs Tage Gefängnis. Bis Juli 1942 zahlte sie die Geldstrafe in Raten ab.
In den Jahren 1942 bis Ende 1943 war sie auf Anweisung der Gestapo im Israelitischen Krankenhaus als Hausangestellte und bei der Firma Lauffenberg als Arbeiterin zwangsverpflichtet.
Vorerst war Ella Rühmke noch durch die Versorgung ihres minderjährigen "halbjüdischen" Sohnes Günther vor der Deportation geschützt. Mit seinem 16ten Lebensjahr erlosch dieser Schutz. So erhielt sie Anfang 1944 den Deportationsbefehl. Sie hatte sich bei der Sammelstelle Talmud-Tora-Schule am Grindelhof einzufinden. Von dort wurde sie mit 60 weiteren Personen – mehrheitlich Partner nicht mehr bestehender "Mischehen" - am 19.1.1944 in das Getto Theresienstadt verbracht, wo die Inhaftierten am 22. Januar 1944 ankamen.
Elle Rühmke überlebte und wurde bei Kriegsende befreit. Am 30.6.1945 kehrte sie nach Hamburg zurück. Erhalten sind etwa zehn Postkarten, die sie aus dem Getto an Angehörige schickte und sich in Familienbesitz befinden.
Ihr 15jähriger Sohn Günther Rühmke stand nach der Deportation seiner Mutter nun allein da – sein Vater war zur Wasserschutzpolizei eingezogen. Günther war getauft und hatte keine "Judenschule" besucht, wie es in einem Vermerk des 26. Polizeireviers im September 1941 hieß. Angeblich war Günther auch Mitglied der HJ (Hitler-Jugend). Da er nicht dem jüdischen Glauben angehörte und keine jüdische Schule besucht hatte, wurde er als "Mischling ersten Grades" eingestuft. Damit drohte ihm zwar keine Deportation, doch sicher konnte er sich nicht fühlen, so versteckte er sich eine Zeitlang bei Verwandten in Langenhorn. Nachdem er wegen seiner "Rassezugehörigkeit" als Lehrling aus einem Anlernverhältnis zum Boten degradiert worden war, musste er sich - vermutlich wegen Depressionen - im UKE in stationäre Behandlung begeben. Vor dem Kriegsende musste er – wie alle "Mischlinge ersten Grades" über 17 Jahre - Zwangsarbeit leisten.

In den Jahren 1949 bis 1954 stellten Adele Friedbergs drei noch lebende Kinder Wiedergutmachungsanträge auf Haftentschädigung für die KZ-Haft ihrer Mutter.
Wegen Fristversäumnis wurde der Antrag, den Herbert Friedberg von Sao Paulo aus stellte, abgelehnt. Auch seine eigenen Schäden aus der Haft im KZ Sachsenhausen, wo er Erfrierungen an den Händen erlitten hatte, machte er geltend. Ohne Erfolg.
Hugo Friedberg hatte sich offenbar an die Fristen gehalten, er erhielt eine Haftentschädigung nach der Mutter zugesprochen. Ihr Fristversäumnis wurde auch Ella Rühmke zum Verhängnis, als sie einen Anteil an der Haftentschädigung der Mutter beantragte. Für die Zeit in Theresienstadt erhielt sie 1949 eine Haftentschädigung und zehn Jahre später auch für den Berufsschaden. In den Folgejahren erstritt sie sich eine Rentenausgleichszahlung.
In den Nachkriegsjahren wohnte sie nun zusammen mit Günther wieder in der Heinrich-Barth-Straße 15. 1954 lebten Mutter und Sohn in der Bundesstraße 35 und Sedanstraße 23, ehemals jüdische Stiftshäuser.

Günther Rühmke machte beim Wiedergutmachungsamt seinen Ausbildungsschaden geltend. Er hatte Schiffsingenieur werden wollen, ein Ziel, das er als "jüdischer Mischling" nicht hatte erreichen können. Sein Antrag wurde 1955 zunächst abgelehnt, später kam es zu einem Vergleich. Darüber hinaus erhielt er eine Entschädigung für einen erlittenen Gesundheitsschaden und die Monate, in denen er bei Hamburger Firmen zwangsverpflichtet worden war.
Günther arbeitete dann als Polizist, später wurde er Krankenpfleger. 1957 heiratete er und hatte mit seiner Frau Erika, geb. Pellunat, die Töchter Margit und Sylvia. Günther Rühmke starb 1977. Seine Mutter Ella Rühmke war 1965 im jüdischen Altersheim Schäferkampsallee 27 verstorben.

Auch die Wiedergutmachungsanträge der vier Enkel und Enkelinnen von Adele Friedberg zogen sich aufgrund der Einsprüche der Finanzbehörde lange hin: Im Mai 1962 ließen die Erben dem Amt für Wiedergutmachung mitteilen, dass sie alle Rückerstattungsanträge zurückzögen.

Stand: März 2025
© Astrid Louven

Quellen: StaHH 522-1 Jüdische Gemeinden 992b Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg; StaHH 213-13 25257 Landgericht Hamburg Rückerstattung; StaHH 351-11_756 Amt für Wiedergutmachung; StaHH 314-15_R1939/2042 Oberfinanzpräsident; StaHH 314-15_R1938/1176 Oberfinanzpräsident; Adressbuch Wandsbek 1862, 1865; Adressbuch Altona 1886 und 1891 u. 1895, 1905 Adressbuch Hamburg 1885, 1895, 1896, 1900, 1905, 1910, 1915, 1920, 1925; Deportationen aus Hamburg http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger.html; StaHH 351-11_9369 und 351-11_48730 Amt für Wiedergutmachung; StaHH 213-11_65479 Staatsanwaltschaft Landgericht; Mails von Wolfgang und Margit Ehrke vom 19.+22.7. und 19.+25.11.2024.

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