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Walter Friedrich
Walter Friedrich
© Psychiatrická nemocnice Kosmonosy, Archiv

Walter Friedrich * 1908

Vehrenkampstraße 15 (Eimsbüttel, Stellingen)


HIER WOHNTE
WALTER FRIEDRICH
JG. 1908
EINGEWIESEN 1915 IN
MEHRERE HEILANSTALTEN
"VERLEGT" 15.9.1942
HEILANSTALT KOSMANOS
ERMORDET 13.5.1943

Walter Erwin Friedrich, geb. 30.10.1908 in Hamburg, aufgenommen am 1.10.1915 in den Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf), mehrfach verlegt, am 15.9.1942 in die Landes-Irren-Heil- und Pflegeanstalt Kosmanos (heute: Kosmonosy, Tschechien) eingewiesen, dort am 13. Mai 1943 verstorben

Vehrenkampstraße 15, Stellingen

Walter Erwin Friedrich war am 30. Oktober 1908 in der Wohnung seiner Eltern in der Vehrenkampstraße 15 in Langenfelde, damals ein Ortsteil von Stellingen, zur Welt gekommen. Er war der Sohn des Bahnarbeiters Georg (Harry) Friedrich, geboren am 30. Mai 1868 in Zell im damaligen Kreis Erbach im Odenwald, und seiner Ehefrau Sophie Marie Henriette, geborene Bentschneider, geboren am 23. April 1873 in Teschow (Mecklenburg). Das Paar hatte 1901 in Stellingen geheiratet. (Die frühere Landgemeinde Stellingen gehörte bis 1927 zur preußischen Provinz Schleswig-Holstein, dann zu Altona und wurde 1938 ein Stadtteil von Hamburg.)

Über Walter Friedrichs Schicksal kennen wir nur die wesentlichen Lebensdaten sowie die Angaben auf einer Karteikarte (Erbgesundheitskarteikarte), die für das ab 1934 aufgebaute Hamburger Gesundheitspassarchiv zum Zwecke der "erbbiologischen Bestandaufnahme" der Bevölkerung angelegt wurde. Seine Patientenakte der Alsterdorfer Anstalten ist nicht überliefert.

Walter Friedrich war das fünfte von sieben Geschwistern. Bei seiner Geburt wurde bei ihm das Down-Syndrom (Trisomie 21) festgestellt. Er wohnte bei seinen Eltern, bis er am 1. Oktober 1915 in den Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) aufgenommen wurde. Nach den Angaben auf der Karteikarte für das Hamburger Gesundheitspassarchiv lernte er mit vier Jahren Gehen und Sprechen. Er wurde als still und anhänglich wahrgenommen und konnte sich selbst an- und auskleiden. Er half "mit kleinen Hausarbeiten, wie Geschirr abwaschen, abtrocknen, staubwischen". Walter betreute einen blinden Mitpatienten. Er soll für kleine Scherze und Balgereien stets empfänglich gewesen sein und verträglich gegenüber seinen Mitbewohnern. Wegen seiner Augen soll er oft in ärztlicher Behandlung gewesen sein. Näheres darüber ist nicht notiert.

Am 29. November 1935 wurde der 27jährige Walter Friedrich in die Landesheilanstalt Neustadt/Holstein verlegt. Dort lebte er fast sechs Jahre. Nach den Eintragungen in seiner nur wenige Seiten umfassenden Patientenakte sprach er bei seiner Ankunft nicht. Er soll willig allen Aufforderungen nachgekommen sein, habe sich aber nicht an gemeinsamen Spielen mit anderen Patienten beteiligt. Betont wurde, dass er keinerlei Schwierigkeiten machte, sauber, still und anspruchslos sei.

Vermutlich aufgrund dieser Verhaltenseigenschaften erwog die Anstalt in Neustadt, Walter Friedrich in Familienpflege zu geben, sobald eine geeignete Stelle gefunden würde. Diese Überlegungen blieben jedoch erfolglos.

Ob Walter Friedrich in Neustadt noch Kontakt zu seiner Familie hatte, wissen wir nicht. Seine Mutter starb am 28. Oktober 1938, sein Vater am 16. April 1942.

Infolge der seit 1941 intensivierten Luftangriffe auf norddeutsche Großstädte wurde die Neustädter Anstalt im Herbst 1941 weitgehend geräumt und als Reservelazarett genutzt. In diesem Zusammenhang wurden im September innerhalb von zwei Wochen über 700 Patientinnen und Patienten auf den Abtransport vorbereitet. Sie wurden in vier Transporten in die brandenburgischen Anstalten Sorau (Niederlausitz) und Landsberg an der Warthe, die Pflegeanstalt St. Marienstift in Branitz (Oberschlesien) und in die brandenburgische Heil- und Pflegeanstalt Neuruppin verlegt.

Der Transport nach Neuruppin umfasste 280 Männer und 70 Frauen. Unter ihnen befand sich Walter Friedrich. Diese 350 Patienten wurden am 28. September 1941 in aller Frühe mit Krankenpapieren und persönlicher Habe in einen Personenzug der Deutschen Reichsbahn "verladen" und in die Landesanstalt Neuruppin gebracht.

Dort wurde in nur zwei Eintragungen in die aus Neustadt mitgelieferte Patientenakte vermerkt: der Patient spreche nicht, sitze stumpf herum und "besorge sich selbst".

Im August 1942 wurde die Anstalt Neuruppin aufgefordert, kurzfristig 100 Betten für ein Ausweichkrankenhaus freizumachen. Am 15., 16. und 17. September gingen drei Transporte mit zusammen 212 Patienten in die Heil- und Pflegeanstalt Kosmanos (tschechisch Kosmonosy), etwa 70 km nordöstlich von Prag gelegen. Walter Friedrich gehörte zu dem Transport am 15. September 1942. Von den 212 Patienten aus diesen drei September-Transporten waren 161 (76 Prozent) bis Ende 1944 verstorben.

Walter Friedrich starb am 13. Mai 1943 in Kosmanos.

Die näheren Umstände seines Todes kennen wir nicht. Es ist davon auszugehen, dass nach dem Ende der ersten Phase der T4-"Euthanasie" Krankenmorde mit Gas Ende August auch in Kosmanos sowie in anderen Heil- und Pflegeanstalten der Tod von Patientinnen und Patienten durch Verhungernlassen, überdosierte Medikamente und Vernachlässigung herbeigeführt wurde. Darauf deutet auch die Sterberate hin, die in Kosmanos während der deutschen Besatzung doppelt so hoch war wie in der Vorkriegszeit.

Stand: Juni 2024
© Ingo Wille

Quellen: StaH 332-5 Standesämter 113352 Geburtsregister Nr. 138/1908 (Walter Erwin Friedrich), 8877 Heiratsregister Nr. 15/1901 (Georg Friedrich/Sophie Marie Henriette Friedrich), 5414 Sterberegister Nr. 1468/1938 (Sophie Marie Henriette Friedrich), 9933 Sterberegister Nr. 319/1942 (Georg Friedrich); Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Aufnahmebuch 1915, Erbgesundheitskarteikarte Walter Friedrich; Psychiatric kánemocnice Kosmonosy, Lípy 15, 293 06 Kosmonosy, Archiv, Patientenakte Walter Friedrich; Auskunft von Marcus Grimm, PRO Klinik Holding GmbH, früher Landesanstalt Neuruppin, über Walter Erwin Friedrich per email am 30.4.2024. Heinrich Laehr, Die Heil- und Pflegeanstalten für Psychisch-Kranke in Deutschland, der Schweiz und den benachbarten deutschen Ländern, Berlin 1875, S. 166f.; Dietmar Schulze, Die Landesanstalt Neuruppin in der Provinz Brandenburg, Berlin 2004, S. 117 ff.; Struwe, Friedrich Ernst, Landesheilanstalt Neustadt in Holstein. Berichte aus den Jahren 1918–1945, Heiligenhafen 2013, S. 123 ff.; https://de.wikipedia.org/wiki/Heilanstalt_Kosmonosy (Zugriff am 8.5.2024).

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