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Bruno Otto Fries * 1885
Braamkamp 12 (Hamburg-Nord, Winterhude)
HIER WOHNTE
BRUNO OTTO FRIES
JG. 1885
"SCHUTZHAFT" 1943
GEFÄNGNIS FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 24.8.1943
Bruno Otto Fries, geb. am 1.3.1885 in Hamburg, 1943 im Konzentrationslager Fuhlsbüttel inhaftiert, am 8.2.1943 nach Auschwitz deportiert, dort ermordet am 24.8.1943
Braamkamp 12 (Hamburg-Nord)
Bruno Otto Fries war das einzige Kind seiner Eltern Sally Fries und Zipora, geb. Brandon. Er entstammte einer seit Generationen in Hamburg ansässigen großen jüdischen Familie. Sein Großvater Louis Fries (1816 – 1892) hatte 1852 das Hamburger Bürgerrecht erworben, was für Juden seit 1849 möglich war. Sein Geld verdiente er mit Auswanderern, denn er betrieb ein Logishaus, handelte mit Waren, die die Auswanderer brauchten und war möglicherweise Anteilseigner der HAPAG. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wanderten viele Menschen, besonders aus Osteuropa, über Hamburg in die Neue Welt aus. Schiffsreisen nach Amerika, beruflich oder privat, waren für Familie Fries nichts Ungewöhnliches. Auch Bruno Fries reiste schon als 20jähriger mit einem Schiff der HAPAG nach New York.
Als Bruno Fries 1885 geboren wurde, lebten seine Eltern am Neuen Pferdemarkt 7. In Hamburg lebten viele Vettern und Cousinen, und der Zusammenhalt der Kinder und Enkel seines Großvaters Louis Fries scheint groß gewesen zu sein.
Brunos Vater Sally Fries war vor dem Ersten Weltkrieg ein erfolgreicher Kaufmann. Um 1890 gehörte ihm die Firma seines Vaters Louis Fries & Co. zum Teil. Sie wurde 1901 in "Sally Fries" umfirmiert, und um die Jahrhundertwende handelte Sally Fries mit Lebensmitteln wie Fleischextrakt, später dann mit Petroleum und Mineralöl als Vertreter der Firma Pure Oil Company, die 1895 in Amerika gegründet worden war. Er besaß die Generalvertretung für Bilz-Sinalco mit einem Lager in der Süderstraße 83 und lebte in einer Villa in Blankenese im Baursweg 1, wo er im Adressbuch bis 1927 verzeichnet ist.
Bruno Fries war in der Firma seines Vaters tätig und wohnte bis zur Heirat zeitweise bei seinen Eltern in Blankenese. Er war Mitinhaber der Firma "Sally Fries Petroleum en gros", doch Vater und Sohn konnten die Firma in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg nicht halten und mussten 1925 Konkurs anmelden. Vermutlich verloren beide ihr Vermögen, und der Vater musste die Villa in Blankenese aufgeben. Die Mutter Zipora Fries verstarb schon 1919. Bis Mitte der 1920er Jahre wohnte Bruno in der Hochallee 10.
Im September 1910 heiratete er die Hamburgerin Anna Uhlfelder, die wie er jüdisch war. Ihre Eltern waren Jacob Uhlfelder und Friederike, geb. Frankfurt. Der Ehe entstammten zwei Söhne: Heinz Herbert (später Henry Herbert) (geb. 19.8.1911) und Werner Jürgen Fries (geb. 28.6.1914).
Die Ehe zwischen Bruno und Anna Fries wurde mit Urteil vom 6.3.1923 geschieden. Im November 1923 heiratete Bruno erneut. Seine zweite Ehefrau war Else, geb. Voss, geschiedene Ahrens (geb. 10.3.1895 in Altona), die nicht jüdischer Abstammung war. Sie brachte zwei Kinder mit in die Ehe, Günther (geb. 20.10.1913) und Ingeborg (geb. 21.9.1916), die von Bruno Fries adoptiert wurden. Beide Kinder waren evangelisch getauft.
1940 gibt es im Adressbuch einen Eintrag Braamkamp 12. Diese Adresse taucht unter anderen auch auf der Kultussteuerkarteikarte auf. Das Gebäude gehörte einer Wohnungsbaugenossenschaft. Da Bruno eine Nicht-Jüdin geheiratet hatte, lebte er nach NS-Terminologe in einer "Mischehe", was ihn vermutlich später vor den großen Deportationen 1941 schützte. Als Jude durfte er nach 1938 jedoch nicht mehr in einer Wohnungsbaugenossenschaft wohnen. Nach Angaben der Ehefrau soll er von der Wohnung im Braamkamp am 6. Januar 1943 in "Schutzhaft" genommen worden sein. Nach Aktenlage wohnte er in der Gryphiusstraße 12, vermutlich zur Untermiete, und zuletzt in der Bornstraße 22, einem "Judenhaus". Möglich wäre, dass er die eheliche Wohnung hatte verlassen müssen, weil er Jude war, und sich dann nur noch inoffiziell dort aufhielt.
Bruno Fries wurde als Jude verfolgt. Über die juristischen Verfahren gegen ihn wissen wir kaum etwas. Am 12. April 1941 verurteilte man ihn wegen Vergehens gegen die Verordnung über den Kennkartenzwang. Die Strafe war gering. Anfang 1943 war er dann sechs Wochen lang als "Schutzhäftling" im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert und wurde von dort am 18. Februar 1943 ins KZ Auschwitz überstellt. Inzwischen besagte ein Erlass vom Herbst 1942, dass die KZs, Gefängnisse und Zuchthäuser im Deutschen Reich "judenfrei" gemacht werden sollten, so wurden die dort Einsitzenden nach Auschwitz deportiert.
In Auschwitz findet sich noch eine Spur von ihm, denn sein Name taucht im April, im Mai und im August 1943 in den Operationsbüchern der Chirurgischen Abteilung (Block 21) des Häftlingskrankenbaus auf. Vermutlich wurde er dort viermal an Abszessen und einer Phlegmone operiert. Diese Krankheiten kamen bei den Inhaftierten häufig vor und waren bedingt durch die katastrophalen Lebensbedingungen, möglicherweise durch Schläge, Arbeitsunfälle und unhygienische Zustände. Laut Gedenkbuch des Bundesarchivs starb Bruno Fries am 24.8.1943. Ob er an einer Sepsis als Folge seiner Krankheiten verstarb oder im Gas ermordet wurde, ist unbekannt.
Brunos Fries geschiedene erste Ehefrau Anna Fries heiratete nach ihrer Scheidung nicht wieder. Sie nahm ihr Leben erfolgreich in die eigenen Hände und fand in Hamburg 1926 eine Stellung als Export-Korrespondentin und Privatsekretärin in der Firma S. & L. Durlacher Sociedad Vinicole. Zu Ende Juni 1937 wurde ihr gekündigt, weil sie Jüdin war. Die Firma, in der sie geschätzt wurde, beschäftigte sie noch etwas länger. Da sie für sich in Deutschland keine Perspektive mehr sah, wanderte sie im April 1938 in die USA aus. Ihr großbürgerlicher Haushalt mit dem Hausrat wurde versteigert. In den USA war es ihr nicht mehr möglich, beruflich Fuß zu fassen. Sie arbeitete als Haushaltshilfe und Kindermädchen. Am 23. März 1944 ließ sich Anna Fries dort einbürgern. Im Alter siedelte sie nach Frankreich über, wo ihr Sohn Heinz Herbert Fries lebte. Sie starb am 17.1.1974 in Baugé.
Bruno Fries‘ Sohn Heinz Herbert verließ Hamburg bereits im April 1933, nachdem er seine Stelle verloren hatte. Da war er 22 Jahre alt. Er ging nach Paris, und es gelang ihm, ein Auskommen zu finden. Er heiratete in Paris Germaine Louise Lucienne Pery, die beiden bekamen eine Tochter Claudine Annie (geb. 20.1.1938). Bei Ausbruch des Krieges wurde er im Norden Frankreichs interniert, flüchtete und ging in den noch nicht besetzten Süden, wo er Frau und Kind wiederfand. Verdienstmöglichkeiten hatte er dort nicht, aber seiner Mutter gelang es nicht, ihn aus Frankreich in die USA zu holen. Nach der Besetzung Südfrankreichs durch die Deutschen wurde er in der Haute Savoie in ein Arbeitslager gebracht und dort gefangen gehalten, bis es ihm gelang zu entkommen. Er fand Zuflucht in einem Kloster und blieb dort bis zur Befreiung. Während des Krieges unterstützte die Mutter die Familie ihres Sohnes in Frankreich. Heinz Herbert Fries reiste 1946 mit Frau und Kind von Lissabon aus in die USA, kehrte aber später nach Frankreich zurück.
Der jüngere Sohn Werner Fries verließ Deutschland im Oktober 1936, als er gerade 18 Jahre alt war. Er war Musiker und hatte es geschafft, als Schüler im Jerusalemer Konservatorium angenommen zu werden, nachdem er sich in Berlin in einer Prüfung qualifiziert hatte. So wurde ihm die Einreise nach Palästina ermöglicht. Das Geld für ein Jahr Unterricht, Unterkunft und die Schiffspassage musste seine Mutter aufbringen. Sie konnte ihm sogar einen Flügel, die Noten und Bücher nach Jerusalem schicken lassen. 1939 reiste Werner Jürgen Fries von Palästina in die USA zu seiner Mutter. Er studierte Musik und Deutsch an der Indiana University in Pennsylvania und arbeitete an verschiedenen Universitäten und Colleges. Verheiratet war er mit Edith Carstens (geb. 31.12.1922 in Hamburg). Werner Fries verstarb 1995, seine Frau 2000. Beide sind auf einem Militärfriedhof in Michigan begraben, da Werner im Zweiten Weltkrieg in der US-Armee gekämpft hatte.
Bruno Otto Fries‘ zweite Ehefrau Else bezog nach dem Krieg Wiedergutmachungs-leistungen. Sie wechselte häufig die Wohnung und war rauschgiftabhängig. Zeitweise lebte sie im Versorgungsheim Farmsen und im Kreis Storman. Sie verstarb am 29.12.1954.
Stand: August 2021
© Susanne Lohmeyer
Quellen: 1; 5; HAB; StaH 331-1 II_7254; StaH 351-11_9466; StaH 351-11_17342; StaH 332-5_8668-242-1910; StaHH 332-5_2100-1086-1885; Handelskammer Hamburg, Handelsregisterinformationen (S. Fries & Co, HR A 15233; Sally Fries Petroleum en gros, HR A 7239); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1910, S. 106 (Sally Fries, Prokuristen Semmy Kurzynski und Bruno Otto Fries); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1926, S. 301 (Sally Fries Nachfolger, Inhaber Semmy Kurzynski); Adressbuch Hamburg (J. Kurzynski) 1892–1896, 1898–1902; StaH 522-1_1064, Mitteilungen über den Tod von Hamburger Juden in Konzentrationslagern, 1943; StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, Nr. 992 b; StaH 331-1 II Polizeibehörde II, Nrn. 7252 -7254; StaH 213-8 (General-)Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht -Verwaltung, Nrn. 973 -977; IST Digital Archive, Arolsen Archives Operationsbücher der Chirurgischen Abteilung (Block 21) des Häftlingskrankenbaues Auschwitz. Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".