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Günther Frühling
© StaHH

Günther Frühling * 1911

Breitenfelder Straße 1 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)


HIER WOHNTE
GÜNTHER FRÜHLING
JG. 1911
ZWANGSSTERILISIERT 1934
EINGEWIESEN 1939
HEILANSTALT LANGENHORN
VERLEGT
MESERITZ-OBRAWALDE
ERMORDET 24.2.1944

Günther Frühling, geb. 13.10.1911, gestorben am 24.2.1944 in der Tötungsanstalt Meseritz-Obrawalde

Breitenfelder Straße 1

Johannes Alfred Günther Frühling wurde am 13. Oktober 1911 in Hamburg als Sohn von Christian Frühling, Organist an der ev.-luth. Christuskirche Othmarschen, und Luise, geb. Kohlmeier, geboren. Er hatte einen jüngeren Bruder sowie aus der ersten Ehe des Vaters vier Halbgeschwister.

Mit 13 Jahren erlitt er einen Sturz aus fünf Metern Höhe. Seit dieser Zeit plagten ihn epileptische Anfälle, eine Krankheit, an der auch sein Vater in jungen Jahren gelitten hatte.
Nach dem Besuch der Volksschule begann er eine Maschinenbauerlehre, die er nach einem Beinbruch und epileptischen Anfällen abbrechen musste. Eine Lehre als Verkäufer konnte er wegen des Konkurses zweier Lehrbetriebe nicht zu Ende führen. Da seine Krampfanfälle häufig zu Verletzungen führten, veranlassten die Eltern im April 1932 seine Einweisung in die Heil- und Pflegeanstalt Bethel bei Bielefeld, aus der er nach einem knappen Jahr als "gebessert" entlassen wurde. In seiner Patientenakte war vermerkt, dass er noch "kindlich naiv" und ein "weichlicher Mensch" sei. Mit acht Jahren soll er von einem 40-jährigen Mann zu homosexuellem Verkehr verführt worden sein; er schaue "gern nackte Kinder, insbesondere Jungens" an und finde darin sexuelle Befriedigung. 1934 wurde Günther Frühling im Eppendorfer Krankenhaus sterilisiert.

Nach seinem Aufenthalt in Bethel wechselte er beruflich ins Musikfach und schloss erfolgreich eine Ausbildung in den Fächern Klavier und Horn ab. Aufgrund dieser Ausbildung war er kurze Zeit als Aushilfe im Orchester der Volksoper an der Reeperbahn tätig und spielte fast ein Jahr ehrenamtlich in der Kapelle des Reichsluftschutzbundes. Längere Anstellungen scheiterten an seiner Epilepsie, sodass er finanziell von seinen Eltern abhängig war. Frühling war Mitglied der Reichsmusikkammer.

Nachdem 1939 in der Nachbarschaft des inzwischen 27-jährigen Günther Frühling Gerüchte kursierten, nach denen er sich an Jungen "heranmache", wurde er am 13. März 1939 zum Verhör durch die Kripo ins Stadthaus einbestellt. Gegenüber der Polizei gab Frühling einen einmaligen sexuellen Kontakt mit seinem gleichaltrigen Jugendfreund im Jahr 1935 oder 1936 zu. Darüber hinaus schilderte er für die Jahre 1934 bis 1938 vier Vorgänge mit Jungen zwischen 10 und 14 Jahren: ohne Anwendung von Gewalt habe er sie zur Entblößung ihrer Geschlechtsteile aufgefordert, doch habe er sie nicht in allen Fällen berührt.

Nach diesem Geständnis wurde er sofort verhaftet und ins Untersuchungsgefängnis gebracht. Angeklagt wurde Frühling nach §§ 175, 175 a Ziffer 3 und 176,1 Ziffer 3 RStGB. Nach Gutachten von Medizinern und der Ermittlungshilfe der Strafrechtspflege litt Günther Frühling spätestens seit 1937 unter epileptischer Demenz mit erheblich verminderter Fähigkeit, das Unerlaubte seiner Tat einzusehen.

Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 6. Juli 1939 war vielschichtig:
1. Es verurteilte Frühling zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr Gefängnis.
2. Wegen eines Falls aus dem Jahr 1934 wurde Frühling freigesprochen.
3. Für die sexuellen Handlungen an den vier Kindern wurde § 51,2 RStGB geltend gemacht: Statt einer langen Gefängnis- oder Zuchthausstrafe wurde die Einweisung in eine Heil- und Pflegeanstalt verfügt.

Die Gefängnisstrafe verbüßte Frühling in der Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis 3; am 19. März 1940 wurde er in die "Heil- und Pflegeanstalt" Langenhorn überführt. Dort erkrankte er im August 1941 an Diphterie, die im Krankenhaus St. Georg behandelt wurde. Sein Ernährungszustand sei schlecht, wurde im Krankenblatt vermerkt, er sehe "schmal und blaß" aus. Frühlings Mutter setzte sich Ende 1941 mit Hilfe eines Rechtsanwalts für die Verlegung ihres Sohnes nach Bethel ein, weil es in Langenhorn an sinnvoller Beschäftigung fehle, was dort jedoch bestritten wurde.

Die Verlegung nach Bethel, obwohl ärztlicherseits befürwortet, kam nicht zustande. Auch nach Hause wurde er nicht entlassen, die Langenhorner Ärzte lehnten sie mit folgender Begründung ab: "Frühling ist ein schwachsinniger Epileptiker, der zu perversen Triebhandlungen neigt. … Eine ständige Aufsicht, wie er sie nötig hat, kann auf die Dauer von den Angehörigen nicht geleistet werden." Kurz darauf, am 17. April 1943, wurde er "im Rahmen einer allgemeinen Verlegeaktion" in die Tötungsanstalt Meseritz-Obrawalde überführt. In der dortigen Krankenakte hieß es für Februar 1944: "liegt schon längere Zeit zu Bette, hat eine Verletzung am Fuß, sehr schwach". Nach offiziellen Angaben ist Günter Frühling dort am 24. Februar 1944 gestorben.

© Ulf Bollmann/Gottfried Lorenz

Quellen: StaH, 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 5467/39; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferung 16; StaH, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Ablieferung 1995/1 Nr. 27028.

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