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Lohhof 15
© Stadtteilarchiv Hamm

Adele Klein (geborene Simon) * 1876

Lohhof 15 (Hamburg-Mitte, Hamm)

1942 Theresienstadt
ermordet 22.09.1942

Adele Klein, geb. Simon, geb. 4.10.1876 Hamm/Sieg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, Tod am 22.9.1942

Lohhof 15

Adele Simon stammte aus dem bürgerlichen Milieu einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Hamm an der Sieg und heiratete in eine jüdische Kaufmannsfamilie in Recklinghausen ein. Beide Familien waren gut etabliert.

Adele Simon und ihr Zwillingsbruder Moritz waren die mittleren von zehn Kindern, die zwischen 1869 und 1885 in Hamm a.d. Sieg im Hause von Simon Simon (1838) und seiner Ehefrau Rosa, geb. Wallach (1845) geboren wurden. Moritz starb mit sechs Jahren. Die Schwestern Ida (1869), Hermine (1870), Bertha (1872), Laura (1874), Valeska (1879), Johanna (1882) und Hedwig (1884) sowie der jüngere Bruder Arthur (1885) erreichten das Erwachsenenalter und heirateten.

Adele Simon lebte nach ihrer Heirat Anfang des 20. Jahrhunderts in Recklinghausen, dem Geburtsort ihres Mannes Julius Klein, geb. 14.12.1875. Er war das jüngste der sechs Kinder des Kaufmanns Joseph Moises Klein (1875) und seiner Ehefrau Mina, geb. Katz (1841). Julius Klein wurde Versicherungsdirektor wie sein Bruder Louis (1872). Die übrigen Geschwister waren Emilie (1866), Helena (1868), Alex (1870) und Rosalie (1874). Soweit bekannt, folgte niemand von ihnen später ihrer Schwägerin nach Hamburg.

Am 30.1.1902 brachte Adele Klein ihre erste Tochter zur Welt, Edith Erna, vier Jahre später, am 16.6.1906, Herta. Drei Monate zuvor war Adeles Vater Simon Simon im Alter von 68 Jahren in Mannheim gestorben, die Mutter Rosa zog danach zu einem uns nicht bekannten Zeitpunkt zu ihrer ältesten Tochter Ida nach Paderborn, woher deren Ehemann Sammy stammte. Dort starb sie am 19. September 1924.

Edith und Herta besuchten die private evangelische höhere Töchterschule, ab 1916 das städtische Lyceum, in Recklinghausen und heirateten in den 1920er Jahren. Edith blieb mit ihrem Ehemann, dem Kaufmann Alfred Baruch, geb. 18.6.1891 in Essen, zunächst in Recklinghausen, wo 1928 ihr Sohn Arno Günther geboren wurde. Später zogen sie nach Marburg und schließlich nach Essen.

Herta heiratete den promovierten Zahnarzt Bruno Becher aus Hamburg. 1932 brache sie dort ihr erstes Kind zur Welt, Werner.

Hermine war mit Moritz Simon verheiratet und lebte Ende der 1930er Jahre in Duisburg. Bertha, verheiratet mit dem Kaufmann Emanuel Hochstetter, hatte ihren Lebensmittelpunkt in Mannheim. Valeska, verheiratet mit Siegfried Lewin, und Johanna mit ihrem Ehemann Max Bloch hatten sich in Hamburg niedergelassen. Hedwig, verheiratete Reichenberg, lebte mit ihrem Ehemann David in Köln, wo auch Laura, verheiratet mit Max Hirsch, längere Zeit wohnte. Arthur Simon wurde Arzt, emigrierte in die USA und praktizierte dort als Arthur Semone.

Ein tiefer Einschnitt im Leben Adele Kleins war der Tod ihres Ehemannes Julius am 31. Juli 1934 im Alter von 58 Jahren in Recklinghausen. Sein Schwiegersohn Alfred Baruch, der zu der Zeit noch in Recklinghausen wohnte, zeigte seinen Tod beim Standesamt an.

Adele Klein zog zu ihrer Tochter und ihren begüterten Schwestern nach Hamburg. Sie wohnte zunächst zur Miete Lohhof 15 in der Nähe ihrer Tochter Herta Becher in Hamburg-Hamm. Am 19. Dezember 1934 trat sie in die Deutsch-Israelitische Gemeinde ein. Da sie über kein Einkommen verfügte, wurde sie nicht zur Gemeindesteuer veranlagt. Zu ihrem Unterhalt trug nachweislich ihre Schwester Johanna Bloch bei.

Johanna wohnte nach dem Tod ihres Mannes Max Bloch noch eine Zeitlang in der Hartungstraße 5 in Rotherbaum, bis sie in die Klosterallee 13 zu ihrer ebenfalls verwitweten Schwester Valeska Lewin zog. Max Bloch hatte als Generaldirektor der Martins & Bloch A.G. nach seinem Tod im Jahr 1928 seiner Witwe Johanna ein Vermögen hinterlassen, aus dem ihre Schwestern Adele Klein und Hedwig Reichenberg monatliche Zuwendungen erhielten. In der Vermögenserklärung von 1939 gab sie für Adele 30 RM und für Hedwig 15 RM an, die jedoch als fortlaufende Ausgaben nicht erlaubt wurden.

1937 wurde noch einmal ein einschneidendes Jahr im Leben Adele Kleins. Im April kam die Enkelin Ruth Becher zur Welt, und im Oktober starb ihr Schwager Emanuel Hochstetter, der Ehemann ihrer Schwester Bertha. Nach Emanuel Hochstetters Tod am 30. Oktober 1937 in Baden-Baden verkaufte seine Witwe Bertha das Wohnhaus in Mannheim, in dem sie bis 1937 gelebt hatten. Bertha Hochstetter zog nun ebenfalls nach Hamburg zu ihren Schwestern Valeska Lewin und Johanna Bloch in der Klosterallee 13. Sie setzte als ihren Generalbevollmächtigten Bruno Becher ein, Adele Kleins Schwiegersohn. Er regelte alle Erbschaftsangelegenheiten, auch die nach Bertha Hochstetters Tod 1940. Adele Klein erhielt als Vermächtnis 5000 RM, was sie finanziell unabhängig machte. Die Jüdische Gemeinde erhob als Kultussteuer einen monatlichen Mindestbeitrag von 1 RM, der ihr ab Mitte 1941 jedoch erlassen wurde.

Ein Vermögen von 5000 RM bedeutete, dass die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten eine "Sicherung" darüber anordnete. Diese Anordnung erfolgte am 12. Dezember 1940. Durch die Entrichtung der Erbschaftssteuer in Höhe von 300 RM fiel Adele Kleins Vermögen zwar unter die 5000 RM-Grenze, aber sie war dennoch gezwungen, 4700 RM auf ein "Sicherungskonto" bei der Dresdner Bank einzuzahlen. Sie beantragte es selbst und informierte auf Anweisung des Oberfinanzpräsidenten ihre Schwestern Hermine Simon in Duisburg und Laura Hirsch in Köln, die ihrerseits Vermächtnisse erhalten hatten, darüber, dass etwaige Zahlungen nur auf dieses Konto zu erfolgen hätten.

Wie bei den "Sicherungsanordnungen" von Vermögen üblich, konnten die Besitzer über einen genehmigten Betrag "frei" verfügen. Für die Festlegung dieses Betrages mussten die Kontoinhaber ihre monatlichen laufenden Ausgaben auflisten und einreichen. Adele Klein gab 150 RM für den Lebensunterhalt einschließlich Bekleidung an und für sonstige laufende Ausgaben 50 RM. Ohne Abstriche wurde ihr ein monatlicher Freibetrag von 200 RM eingeräumt. Miete führte sie nicht gesondert an, da sie im Haushalt ihrer Tochter Herta in der Hansastraße 55 und später kurzzeitig mit ihren Schwestern in der Klosterallee 13 bei Valeska Lewin lebte.

Während Adele Klein mit den finanziellen Eingriffen des Oberfinanzpräsidenten in ihr Leben und das ihrer Verwandten in Hamburg zu tun hatte, wanderte ihre Schwägerin Ida Klein, geb. Nathan, Witwe des ältesten Bruders ihres Mannes, Alex, mit ihren Kindern nach New York aus. Zuvor war bereits ihr Neffe Eugen Sturmthal, Hermines ältester Sohn, emigriert; er holte seine Mutter 1941 nach. Obwohl Herta Bechers Schwager Heinrich mit seiner Familie schon 1938 emigriert war, gibt es keinen Hinweis, auf eigene Auswanderungsabsichten oder die ihrer Mutter und Tanten.

1941 begannen die Deportationen von Angehörigen Herta Kleins zum angeblichen "Aufbau im Osten". Sie begannen mit den Transporten aus Westdeutschland in das Getto von Litzmannstadt/Lodz.

Als Erste wurde Adele Kleins Schwester Hedwig Reichenbach mit einem Transport ab Köln am 20. Oktober 1941 nach Litzmannstadt/Lodz deportiert. Ihr folgten ihre älteste Tochter Edith Erna Baruch mit ihrem Ehemann Alfred am 27. Oktober 1941 von Düsseldorf aus. Über ihr Schicksal im Getto von Litzmannstadt ist nichts bekannt, anders als über Hedwig Reichenbachs, die im Mai 1942 im Vernichtungslager Kulmhof ermordet wurde.

Mit dem zweiten und dritten der Großtransporte aus Hamburg verließ Adele Kleins jüngere Tochter Herta Becher mit ihrer Familie am 8. November der Ehemann und Vater und am 18. November 1941 sie selbst mit den Kindern die Stadt. Sie wurden ins Getto von Minsk gepfercht (siehe www.stolpersteine-hamburg.de). Ihnen folgte mit dem vierten Transport Adeles verwitwete Schwester Valeska Lewin (siehe www.stolpersteine-hamburg.de), der am 6. Dezember 1941 nach Riga ging.

Im Januar 1942 floh Adeles Schwager Louis Klein mit seiner Ehefrau Louise, geb. Lazarus, in die Niederlande, von dort weiter nach Belgien und zurück in die Niederlande, wo sich mit ihrer Deportation im Jahr 1942 ihre Spur verliert.

Mit dem ersten Hamburger Transport des Jahres 1942 wurde Johanna Bloch, verwitwet wie ihre Schwestern Adele und Valeska, am 11. Juli 1942 direkt nach Auschwitz "evakuiert", wie die Deportation euphemistisch genannt wurde, deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer direkt nach ihrer Ankunft ermordet wurden. Was Adele Klein an Nachrichten und Gerüchten über die Deportierten und Geflohenen erhielt, ist nicht überliefert.

Sie zog noch einmal um, in die Hochallee 66. Die Jüdische Gemeinde brachte sie dann im April 1942 in der Beneckestraße 6 unter. Diese Räume der Gemeindeverwaltung wurden als Altersheim genutzt. Dort erhielt Adele Klein den Deportationsbefehl zum 15. Juli 1942 ins Getto Theresienstadt. Die älteren Jüdinnen und Juden waren bis dahin zurückgestellt worden und kamen nun mit zwei Großtransporten (und folgenden kleineren Transporten) in das "Altersgetto".

Dieses war vollkommen überfüllt. Die Neuankömmlinge wurden auf dem nackten Dachboden untergebracht, es fehlte an sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung, es grassierten Durchfallerkrankungen. Auch Adele Klein wurde ihr Opfer. Sie starb zwei Monate nach ihrer Ankunft im Alter von 65 Jahren.

Stand: September 2020
© Hildegard Thevs

1; 2: 314-15 OPF, R 1939/2659, R 1940/0490, R 1940/0101; 3; 4; 5 digital; 7; 9; StaHH 213-13 (Restitution), 12016, 26624, 18785, 39141; 351-11 (Wiedergutmachung), 20052; 332-5 Personenstandsregister; 522-1, Jüdische Gemeinden, 391 Mitgliederliste 1935; 992 e 2 Deportationslisten Bde 1-4;, Museum Terezin, Todesfallanzeigen; Stadtarchiv Recklinghausen, Melderegister; freundliche Hinweise von Franz-Josef Wittstamm: https://spurenimvest.de/2020/07/23/klein-adele/, https://spurenimvest.de/2020/06/12/klein-alex-2/.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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