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Emma Maier * 1891

Eimsbütteler Chaussee 39–45 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
EMMA MAIER
GEB. RENNER
JG. 1891
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Eimsbütteler Chaussee 39–45:
Therese Maier, Josef Maier, Ella Maier, Hugo Maier

Ella Maier (Mayer), geb. 21.6.1926 in Hamburg, am 6.12.1941 deportiert nach Minsk
Emma Maier(Mayer), geb. Renner, geb. 19.3.1891 in Krummendeich, am 8.11.1941 deportiert nach Minsk
Hugo Maier (Mayer), geb. 15.9.1923 in Hamburg, am 8.11.1941 deportiert nach Minsk
Josef Maier (Mayer), geb. 13.3.1890 in Pflaumheim, am 8.11.1941 deportiert nach Minsk
Therese Maier (Mayer), geb. am 19. 7. 1921 in Hamburg, ermordet am 23. 9. 1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg

Eimsbütteler Chaussee 45

Therese Maier wurde am 19.7.1921 als Tochter des Arbeiters Josef Maier und seiner Ehefrau Emma, geborene Renner, im Israelitischen Krankenhaus in Hamburg geboren. Die Familie wohnte zu der Zeit in der Reimerstwiete 3/4 in Hamburg-Altstadt. Das Ehepaar hatte am 22. Januar 1921 geheiratet.

In der Heiratsurkunde wurde der Vorname des 1917 nach Hamburg zugewanderten Josef Maier noch "Joseph" geschrieben.
In Thereses Geburtsurkunde wurde ihr Nachname "Mayer" geschrieben. Durch eine Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg vom 25. Mai 1956 wurde die Schreibweise ihres Familiennamens, der ihrer Geschwister und der ihrer Eltern in "Maier" geändert. Der Vorname ihres Vaters wurde mit derselben Entscheidung von "Joseph" in "Josef" abgewandelt. Damit wurde die Schreibweise wiederhergestellt, die sich schon in der Geburtsurkunde von Josef Maier findet.

Thereses Mutter Emma, geboren am 19.3.1891, stammte aus Krummendeich in der Nähe von Stade, ihr Vater Josef, geboren am 13. März 1890, aus Pflaumheim in der Nähe von Aschaffenburg. In Thereses Geburtsurkunde ist keine Religionsangabe des Vaters und der Mutter enthalten. Das mag dadurch begründet sein, dass sich Josefs Mutter, die von jüdischen Eltern abstammte, zum Katholizismus, sein Vater sich zum jüdischen Glauben bekannte. Gleichwohl sah sich das Ehepaar Josef und Emma Maier der Jüdischen Gemeinde zugehörig. Josef Maier zahlte 1923 auch Kultussteuern.

Zwei Jahre nach Thereses Geburt kam am 15. September 1923 ihr Bruder Hugo zur Welt. Zu dieser Zeit wohnte die Familie im nicht mehr bestehenden Tatergang 6 (heute Teil der Straße Pinnasberg) auf St. Pauli. (Die Straße erhielt ihren Namen, weil sie – so das Hamburger Adressbuch von 1925 – ein "häufig von Zigeunern (Tatern) begangener Fußweg" war.) Am 21. Juni 1926 folgte die Geburt von Ella Maier. 1931 verlegte die Familie ihren Wohnsitz in die Eimsbütteler Chaussee 45 Haus 3 im Stadtteil Eimsbüttel. Dort lebte sie bis 1941.

Aus der noch vorhandenen Fürsorgeakte wissen wir, dass es der Familie ab Ende 1933 immer schlechter ging. Josef Maier war infolge einer halbseitigen Lähmung arbeitsunfähig. Sie war auf staatliche Fürsorgeunterstützung angewiesen und erhielt gelegentlich Zuwendungen von der Jüdischen Gemeinde.

Ungeachtet seiner körperlichen Einschränkung musste Josef Maier 1937 an verschiedenen Orten sogenannte Unterstützungsarbeit leisten, darunter im Stadtteil Waltershof. (Unterstützungs- oder Pflichtarbeit wurde erwerbslosen Männern und Frauen auferlegt, die Arbeitslosen- oder Fürsorgeunterstützung erhielten. Insbesondere Juden wurden zu schwersten Erdarbeiten herangezogen.) In Waltershof mussten die Männer auf einem Schlickfeld Sport- und Spielplätze für die dortige Kindertageskolonie und ein Kleingartengelände anlegen.

Ella Maier, das jüngste Kind des Ehepaares Maier, besuchte die Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde. Hugo Maier, der eine Gärtnerlehre anstrebte, fand als Jude keinen Ausbildungsplatz. So erhielt er 1938 von der Jüdischen Gemeinde eine Ausbildungsstelle in der Siedlerschule Wilhelminenhöhe in Blankenese, einem Hachschara-Lager.

Therese Maier war das "Sorgenkind" der Familie. Sie konnte weder sprechen noch hören und litt zudem an einem operationsbedürftigen Augenfehler. 1937 verlor sie ihre Arbeitsstelle als Hausangestellte. Die Hoffnung der Mutter auf eine neue Anstellung erfüllte sich nicht. Seit dem Frühjahr 1938 hatte Emma Maier große Schwierigkeiten mit der als "schwer erziehbar" charakterisierten Tochter. Angeblich entwickelte sich Therese zu einer "Herumtreiberin". Das Verhalten der 17-Jährigen spitzte sich derart zu, dass Emma Maier sich hilfesuchend an das Jugendamt wandte. Therese wurde aus der Familie herausgenommen und im Versorgungsheim Farmsen untergebracht. Dort blieb sie in den nächsten zwei Jahren.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Therese Maier traf am 18. September 1940 aus Farmsen in Langenhorn ein. Am 23. September 1940 wurde sie mit weiteren 135 Patientinnen und Patienten aus norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel transportiert. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Patienten umgehend in die Gaskammer und ermordete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Therese Maiers Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm/Cholm östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es dort kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Josef und Emma Maier sowie ihre Kinder Hugo und Ella erhielten im November 1941 den Deportationsbefehl. Sie wurden laut Todeserklärung des Amtsgerichts Hamburg vom 30. April 1954 am 8. November 1941 nach Minsk deportiert. (Das Gedenkbuch des Bundesarchivs verzeichnet Ella Maier als Riga-Deportierte, was jedoch nicht belegt werden kann. In der Toterklärung für die Familie wird als Deportationsziel für alle außer Therese Minsk genannt.)

Mit dem Mord an Therese in Brandenburg und dem an ihren Eltern und Geschwistern war eine ganze Familie ausgelöscht.

Zur Erinnerung an Ella, Emma, Hugo, Josef und Therese Maier liegen Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel, Eimsbütteler Chaussee 45.

Stand: Februar 2020
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 332-5 Standesämter Nr. 33/1921 Heiratsregister Joseph Mayer/Emma Renner; 351-14 Arbeits- und Sozialbehörde – Sonderakten - 47 UA3 Nr. 1515 Joseph Mayer; 351-12 I Amt für Wohlfahrtsanstalten (1871-1946) 19; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26. 8. 1939 bis 27. 1. 1941; 522-1 Jüdische Gemeinden 992 e 2 Deportationslisten; Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Stade, Geburtsregister Krummendeich Nr. 122/1891 Emma Remmer; Standesamt Hmb.-Mitte Geburtsregister Nr. 457/1921 Therese Mayer (Maier); Standesamt Markt Großostheim/Pflaumheim (Bayern), Geburtsregister Nr. 5/1890 Joseph Mayer; Standesamt Markt Großostheim/Pflaumheim: Beschluss Amtsgericht Hamburg Az. 54 II 706-710-/52 vom 30. 4. 1954, Todeserklärung der Mitglieder der Familie Maier. Lohalm, Uwe, Fürsorge und Verfolgung. Öffentliche Wohlfahrtsverwaltung und nationalsozialistische Judenpolitik in Hamburg 1933 bis1942, Hamburg 1998, S. 35, 52.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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