Namen, Orte und Biografien suchen
Bereits verlegte Stolpersteine
Suche
Hermann Wolff * 1899
Hasselbrookstraße 96 (Wandsbek, Eilbek)
HIER WOHNTE
HERMANN WOLFF
JG. 1899
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Hasselbrookstraße 96:
Uri Wolff, Herta Wolff
Hermann Wolff, geb. am 14.12.1899 in Neumark, (heute: Nowemiasto, Woiwodschaft Ermland-Masuren im nördl. Polen), deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Herta Wolff, geb. Happ, geb. am 11.5.1902 in Berlin, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Uri Wolff, geb. am 19.1.1941 in Hamburg-Altona, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Hasselbrookstraße 96
Hermann Wolff wurde am 14. Dezember 1899 in der Kleinstadt Neumark in der Gegend des früheren Marienwerder im damaligen Westpreußen nahe der Ostseeküste geboren. Seine Eltern, Bernhard Wolff, geboren am 1. Februar 1875 in Rosenberg/Westpreußen, und Bertha, geb. Jakob, geboren am 9. Dezember 1872 in Neumark, waren traditionelle Juden. Bernhard Wolff hielt Pferde und ein Fuhrwerk als Grundlage für seinen Handel mit Textilien im ländlichen Westpommern. Bertha hatte eine Ausbildung als Köchin abgeschlossen, widmete sich dann aber ihrer wachsenden Familie. Als erstes Kind brachte sie 1898 Eva zur Welt. Ihr folgten am 14. Dezember 1899 Hermann und exakt drei Jahre später, am 14. Dezember 1902, Erwin, 1904 Arthur und 1906 Paula. Die Familie zog in das weiter westlich gelegene Graudenz, wo als letztes Kind 1910 Julius geboren wurde. Eva (verheiratete Weiss), Arthur und Paula emigrierten in den 1930er-Jahren.
Bernhard und Bertha Wolff siedelten mit ihren Kindern nach Berlin-Adlershof über. Dort erwarben sie Haus und Garten, wo Bertha Wolff Obst und Gemüse zur Selbstversorgung anbaute. Von Seiten Bernhard Wolffs spielte dessen Schwester Hedwig eine Rolle im Leben der Kinder. Mütterlicherseits gab es eine große Zahl von Onkeln und Tanten, Cousins und Cousinen. Hermann, Julius und Arthur erhielten kaufmännische Ausbildungen, Erwin wurde Friseur. Paula arbeitete in der Firma ihres Vaters mit. Für eine Teilnahme Hermanns und Erwins am Ersten Weltkrieg ließen sich keine Belege finden.
Laut Meldeschein vom 28. Oktober 1925 von Berlin nach Hamburg gezogen, heiratete Hermann Wolff am 19. November 1925 Hertha Happ, geboren am 11. Mai 1902 in Berlin. Ihre Eltern waren Robert Happ, von Beruf Klempner, und seine Ehefrau Lehne, geborene Lewin. Hermann und Hertha Wolff gehörten beide der Jüdischen Gemeinde an.
In seiner Berliner Zeit war Hermann Wolff beruflich erfolgreich. Bei der dortigen Stofffirma Finkelstein brachte er es nach Auskunft seines Bruders Julius bis zum Geschäftsführer und verfügte über ein Einkommen von monatlich etwa 400 RM.
Auch in Hamburg muss es Hermann Wolff und seiner Ehefrau zunächst gut gegangen sein. Er betrieb einen Handel mit Manufakturwaren. Die Geschäftsadresse lautete Burggarten 4 in Hamburg-Borgfelde. Der erste Steuereintrag in der Kultussteuerkartei der hamburgischen Jüdischen Gemeinde stammt aus dem Jahr 1927. Hermann "lebte selbständig und sorgenfrei", erinnert sein Bruder Julius.
Herta Wolffs Mutter, die inzwischen verwitwet war, zog 1928 mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn nach Eilbek, in die Hasselbrookstraße 96, wo sie zur Untermiete bei der Witwe C. F. Möller wohnten. Seit Mai 1930 lebte das Ehepaar Wolff auf dem Dulsberg, zunächst in der Probsteier Straße 35, ab Anfang 1932 in der Probsteier Straße 33. In den Jahren von 1934 bis 1939 ist im Hamburger Adressbuch die Probsteierstraße 23 vermerkt, 1937 mit dem Zusatz "Schaufensterdekorateur".
Während der Dulsberger Jahre wurden die Lebensumstände schwieriger. In der Weltwirtschaftskrise brachte der selbstständige Handel immer weniger ein, so dass Hermann Wolff ab 1931 "beim Arbeitsamt zur Vermittlung gestempelt" hat. Die Familie erhielt nun Unterstützung aus öffentlichen Mitteln. Zudem ging es den Eheleuten Wolff gesundheitlich schlecht. Erschwert wurde die Situation auch dadurch, dass Hertha Wolffs Mutter bei ihnen lebte. 1932 wurde Hermann Wolff erwerbsunfähig. Er verrichtete ab 1937 mit Unterbrechungen so genannte Unterstützungsarbeit. Unterstützungs- oder Pflichtarbeit wurde erwerbslosen Männern und Frauen auferlegt, die Arbeitslosen- und Fürsorgeunterstützung erhielten. Bei diesen Einsätzen erlitt Hermann Wolff eine Rippenquetschung. Später kamen Herzbeschwerden, Bronchitis und ein Magenleiden hinzu. 1934 starb Hertha Wolffs Mutter Lehne. Sie wurde auf dem jüdischen Friedhof an der Ihlandkoppel in Ohlsdorf beigesetzt.
Ab 1935 richtete die Abteilung Arbeitsfürsorge der Gesundheits- und Fürsorgebehörde in Hamburg extra Arbeitsplätze für jüdische Personen ein. Sie wurden zu schwersten Erdarbeiten herangezogen. 1938 arbeitete Hermann Wolff kurze Zeit in Waltershof und musste mit anderen Männern auf einem Schlickfeld Sport- und Spielplätze für die dortige Kindertageskolonie und ein Kleingartengelände anlegen. 1938 arbeitete er auch auf der Horner Rennbahn und auf einer Baustelle in Buxtehude. Die Dienststelle Arbeitsfürsorge beschickte 1938 und 1939 zwei, zeitweilig drei auswärtige Plätze im Bezirk Stade ausschließlich mit Juden. Auch hier wurden sie von den übrigen Arbeitern separiert. In diesen Sonderlagern bei Buxtehude waren bis zu 90 jüdische erwerbslose Unterstützungsempfänger mit schweren Erdarbeiten beschäftigt. 1939 war Hermann Wolff etwa acht Monate bei einer Firma in Altona tätig. 1940 wurde er nach Stade zu einer Baufirma dienstverpflichtet. Im April 1941 arbeitete er bei der Hanfspinnerei Steen & Co. in Lokstedt. Dieses Unternehmen hatte mehrere Standorte in Hamburg. (Es beschäftigte im Jahr 1944 polnische Zwangsarbeiter sowie sowjetische und belgische Zwangsarbeiterinnen.)
Hertha Wolffs Gesundheit war stark angegriffen. Sie litt unter schweren Rückenschmerzen, zitternden Händen und Herzrasen. Ihr wurde leicht schwindelig, sie hatte Rheuma und war insgesamt "furchtbar schwach". Dennoch wurde sie 1938 energisch zur Arbeitssuche angehalten, es müsse ihr binnen kurzem möglich sein, Arbeit in einem jüdischen Haushalt zu finden. Ab Mitte Juni 1938 war sie arbeitsunfähig krank. Es wird berichtet, sie sei trotzdem weiter zur Arbeitsaufnahme angehalten worden. 1940 hatte sie dann eine "Reinmachestelle" am Mittelweg.
Inzwischen, ab Ende Januar 1939, lebte die Familie in Altona-Altstadt in der General-Litzmannstraße 93 (heute: Stresemannstraße im Stadtteil Sternschanze), später in einer Kellerwohnung in der Adolfstraße 71 (heute: Bernstorffstraße) in Altona. Diese Wohnung wurde den Wolffs zum 1. Juli 1940 wegen ihrer jüdischen Glaubenszugehörigkeit gekündigt. Die letzte bekannte Adresse vor der Deportation lautete Wohlersallee 58, ebenfalls in Altona (heute Wohlers Allee).
Familie Wolff hatte oft Kontakt mit der Hamburger Fürsorgebehörde. Nach einer besonderen Anweisung sollten ihre persönlichen Verhältnisse "über das übliche Maß hinaus" laufend überwacht werden. Ab 6. Februar 1939 nahm die "Sonderdienststelle B" auf St. Pauli ihre Arbeit auf. Sie war ausschließlich für jüdische Unterstützungsempfänger zuständig, für die die Jüdische Gemeinde nun aufkommen musste. Dieser Dienststelle unterstanden nun auch die Wolffs. Am 18. April 1941 wurde die Familie wieder von einem Mitarbeiter aufgesucht. In der Fürsorgeakte wurde festgehalten: "Es ist jetzt ein Kleinkind im Hause. Die Eheleute bewohnen eine kleine Kellerwohnung für mtl. RM 20,--, das Grundstück gehört dem J.R.V. [Jüdischer Religionsverband]. Die Miete ist laufend bezahlt." Nach 15 Jahren vergeblichen Wartens auf ein Kind war am 19. Januar 1941 der Sohn Uri geboren worden. Auch Hermann und Hertha Wolff waren nicht mehr frei in der Wahl des Namens für ihn, sondern mussten ihn aus der "Liste vorgeschriebener jüdischer Namen" auswählen. Uri blieb ihr einziges Kind.
Die in der Fürsorgeakte erwähnte Kellerwohnung in der Wohlersallee 58 in Altona befand sich in einem "Judenhaus", in dem Juden konzentriert wurden und auf engstem Raum wohnen mussten.
1941 wurde die Familie vom Hannoverschen Bahnhof aus nach Minsk deportiert, Hermann Wolff am 8. November, Hertha und der Sohn Uri, der erst zehn Monate alt war, folgten am 18. November. Seitdem gab es von ihnen kein Lebenszeichen mehr. Hermann, Hertha und Uri Wolff wurden 1965 vom Amtsgericht Hamburg-Altona auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt.
Die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) verlangten mit einem Schreiben vom 6. Januar 1942 an die "Verwaltungsstelle für Judenvermögen" beim Finanzamt Hamburg-Dammtor für die in einer mehrseitigen Liste aufgeführten "Juden, die in letzter Zeit evakuiert sind", Kostenerstattung für verbrauchten Strom, darunter für Hermann Wolff 2,73 RM.
Die Großeltern in Berlin erlebten noch die Geburt ihres Enkelsohns, dann aber auch seine Deportation und die seiner Eltern im November 1941. Auch sie mussten ihr Zuhause verlassen. Im Wissen um die bevorstehende Deportation, starb Bernhard Wolff am 1. August 1942 und wurde auf dem Friedhof Weißensee beerdigt. Bertha Wolff wurde am 26. August 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 28. April 1943 starb.
Die in Berlin verbliebenen Brüder und Eltern Hermann Wolffs erlitten unterschiedliche Schicksale. Erwin lebte in einer "privilegierten" Mischehe, die jedoch geschieden wurde. Aus dieser Ehe ging ein Sohn hervor, der zusammen mit seiner Mutter das NS-Regime überlebte. Ende der 1930er-Jahre heiratete Erwin erneut, dieses Mal eine Jüdin. Sie wurden am 9. Dezember 1942 gemeinsam nach Auschwitz deportiert, wo sie umkamen.
Julius heiratete eine Jüdin. 1939 wurde ihr Sohn geboren, dem sie gezwungenermaßen einen Namen aus der "Liste vorgeschriebener jüdischer Personennamen" gaben. Beide Eltern leisteten zunächst Zwangsarbeit und tauchten dann unter, als ihnen die Deportation drohte. Der Sohn wuchs bei seiner mütterlichen Großmutter auf. Sie alle erlebten das Ende der NS-Herrschaft.
Für Hermann Wolff liegt ein Stolperstein in Eilbek und ein weiterer in der Wohlersallee 50.
Stand: November 2016
© Ingo Wille
Quellen: 1; 4; 5; 9; AB; StaH 314-14 Oberfinanzpräsident 29 (HEW); 332-5 Standesämter 6637-582/1925; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 22241; Standesamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin 1324/1902 Geburtsurkunde; Lohalm, Fürsorge und Verfolgung, S. 35, 52; Littmann, Zwangsarbeit in der Hamburger Kriegswirtschaft 1939–1945; Lohalm, Völkische Wohlfahrtsdiktatur, S. 403ff.; Rosenberg, Jahre des Schreckens; freundliche Mitteilungen von Angehörigen, Oktober 2016.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".