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Hertha Kahn (geborene Flörsheim) * 1897
Grindelberg 77 (Eimsbüttel, Harvestehude)
1942 Auschwitz
ermordet 30.9.1942
Weitere Stolpersteine in Grindelberg 77:
Albert Glaser, Rebecka Glaser, Hanne Kahn, Mirjam Kahn, Bernhard Kahn, Salomon Kahn, Hermann Kapost
Hertha Kahn, geb. Flörsheim, geb. am 22.8.1897 in Hamburg, 1933 Flucht in die Niederlande, am 8.8.1942 interniert in Westerbork, am 10.8.1942 deportiert nach Auschwitz, dort ermordet am 30.9.1942
Salomon Kahn, geb. am 3.2.1890 in Lübeck, 1933 Flucht in die Niederlande, 1943 interniert in Westerbork, von dort 1944 in das KZ Bergen-Belsen deportiert, ermordet am 29.3.1945
Hanna (Hanne) Kahn, geb. am 13.9.1923 in Lübeck, 1933 Flucht in die Niederlande, am 15.7.1942 interniert in Westerbork, am selben Tag nach Auschwitz deportiert, dort ermordet am 30.9.1942
Miriam Kahn, geb. am 17.4.1926 in Lübeck, am 15.7.1942 interniert in Westerbork, am selben Tag nach Auschwitz deportiert, dort ermordet am 17.8.1942
Bernhard Kahn, geb. am 11.7.1927 in Hamburg, 1933 Flucht in die Niederlande, 1943 interniert in Westerbork, von dort 1944 in das KZ Bergen-Belsen deportiert, ermordet am 27.2.1945
Grindelberg 77
Hertha Flörsheims Mutter war Hanna, geborene Jacobson, geboren am 26. Februar 1866, gestorben am 20. Januar 1943 in Haifa. Ihr Vater hieß Jacob, geboren am 2. Oktober 1858. Er betrieb ein Lottogeschäft für die Hamburger Klassenlotterie. Außerdem war er im Bankgeschäft tätig. Seine Geschäftsräume hatte er zunächst an der Reeperbahn 146, später am Glockengießerwall 13. Er starb im Oktober 1931. Nach Jacob Flörsheims Tod übernahm seine Frau Hanna das Geschäft.
Hertha wuchs in einer kinderreichen Familie auf. Sie hatte vier Brüder und eine Schwester, die wie sie in Hamburg geboren wurden. Der älteste Bruder war Michael Jacob, geboren am 27. Dezember 1888. Er wurde Jurist und arbeitete ab 1919 in Hamburg als Rechtsanwalt. Dann kam die Schwester Jettchen, geboren am 11. Dezember 1889, gefolgt von Salomon Jacob, geboren am 8. Februar 1893, der später Kaufmann wurde. Dann kam Hertha und nach ihr, am 30. September 1899, Bernhard sowie am 10. April 1903 der Jüngste, Siegfried. Dieser kümmerte sich als Erwachsener nach dem Tod des Vaters auch um dessen Betrieb. Die Familie lebte in der Bieberstraße 12 im Grindelviertel. Die Mutter hatte keinen Beruf erlernt.
Um 1922 heiratete Hertha Salomon Kahn. Er war am 3. Februar 1890 in Lübeck geboren worden und von Beruf Kaufmann. Wahrscheinlich bis 1927 lebte das Paar in Lübeck, ab 1928 wurde Salomon in der Jüdischen Gemeinde in Hamburg geführt. Hertha und er hatten drei Kinder: Hanna, geboren am 13. September 1923 in Lübeck, Miriam, geboren am 17. April 1926 in Lübeck und Bernhard, geboren am 11. Juli 1927 in Hamburg. Die Familie wohnte am Grindelberg 77T. Dass Hertha einen Beruf ausübte, erscheint unwahrscheinlich, da sie nicht in der Kultussteuerkartei geführt wurde.
Am 4. Mai 1933 emigrierten Hertha und Salomon Kahn mit ihren Kindern Hanna, Miriam und Bernhard in die Niederlande. Zunächst wohnten sie dort in Amsterdam in der Rubensstraat 80I, ab September 1937 in der Rubensstraat 90II. Im selben Haus auf derselben Etage wohnte auch die Fußpflegerin Antje Monnikendam, geboren am 21. August 1919 in Amsterdam, ermordet am 4. April 1944 in Auschwitz. Im Juni 1942 siedelte Familie Kahn in die Zuider Amstellaan 205 um und im August 1943 in die Reitzstraße 38III.
Salomon Kahn fand eine Beschäftigung bei einer Versicherungsgesellschaft. Ab dem 25. Juli 1942 arbeitete er im "Judenrat Amsterdam" mit ("Joodse Raad voor Amsterdam"), eine unter dem Druck der deutschen Besatzer gegründete Organisation, die von Februar 1941 bis September 1943 existierte und gezwungenermaßen zu einem Instrument der deutschen Judenverfolgung in den Niederlanden wurde. Außerdem gehörte er dem Vorstand der Amsterdamer Talmud Tora Schule an. Bernhard besuchte zunächst in Amsterdam die nichtkonfessionelle Montessori-Schule in der Corellistraat, eine Grundschule. Anschließend wechselte er auf die jüdisch-orthodoxe HBS (Hogereburgerschool, auf Deutsch Höhere Bürgerschule, eine weiterführende bzw. Mittelschule), wo bereits seine Schwestern Miriam und Hanna lernten. Hanna war auch Mitglied des Theaterclubs "LÁVARE" der Schule.
Am 15. Juli 1942 wurden die gerade 16-jährge Miriam Kahn und ihre drei Jahre ältere Schwester Hanna in das "Durchgangslager" Westerbork gebracht und noch am selben Tag nach Auschwitz deportiert. Dort wurde Miriam am 17. August, Hanna am 30. September 1942 ermordet.
Hertha Kahn wurde am 8. August 1942 in Westerbork interniert und zwei Tage später nach Auschwitz deportiert. Dort wurde sie genau wie ihre Tochter Hanna am 30. September 1942 ermordet.
Salomon Kahn und der 17-jährige Bernhard wurden am 29. September 1943 in Amsterdam verhaftet und nach Westerbork gebracht. Von dort wurden sie am 1. Februar 1944 in das Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. Bernhard Kahn wurde am 27. Februar 1945 ermordet, Salomon Kahn am 29. März 1945. An Bernhard Kahn erinnert in Amsterdam eine Tafel an der Montessori-Schule in der Corellistraat.
Herthas Mutter Hanna Flörsheim gelang es, zusammen mit Herthas Bruder Siegfried sowie mit Herthas Schwester Jettchen, verheiratete Salomon, deren Mann und deren beiden Kindern nach Palästina zu emigrieren. Hanna Flörsheim musste 23537,50 Reichsmark (RM) Reichsfluchtsteuer zahlen, Siegfried 7642,25 RM. Mutter und Sohn nahmen vier Liftvans mit, einen mit Siegfrieds Sachen, drei für Hanna. Die Beförderungskosten dafür lagen bei 6521,35 RM. Es blieb trotzdem noch ein umfangreicher Hausstand in der Wohnung zurück, dessen von der Familie geschätzter Wert 3000 RM betrug.
Herthas ältestem Bruder Michael Flörsheim wurde zum 31. Mai 1933 die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen. Er emigrierte nach Haifa/Palästina, wo seine Wohnung als Anlaufstelle für deutsche Flüchtlinge, vor allem für solche aus Hamburg diente. Von 1943 bis 1954 war er für die britische Mandatsverwaltung sowie für die israelische Regierung tätig. Er starb am 22. Januar 1967 in Haifa.
Herthas Bruder Salomon Jacob Flörsheim war seit 1917 mit der Hamburgerin Eva Flörsheim (geboren 1892) verheiratet. Beide bekamen 1920 einen Sohn, den sie Julius nannten. Bereits 1923 wanderte die Familie in die Niederlande aus, nach Amsterdam. Dort bekam Eva Flörsheim 1929 noch einen Sohn, er wurde Karel Kalman genannt. Salomon Flörsheim litt immer wieder unter Depressionen. Zusammen mit seiner Frau Eva wurde er im Dezember 1943 über Westerbork nach Theresienstadt deportiert. Beide überlebten die Shoah. Sie wohnten nach dem Krieg noch für einige Jahre in den Niederlanden und emigrierten dann 1950 nach Israel. Salomon Flörsheim starb 1979.
Stand: Juli 2017
© Peter Steckhan
Quellen: 1; 5; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 1209 u. 1078; StaH 211–5 Niedergericht B 4697 u. B 492; StaH 213–13 Landgericht Hamburg 4505; Morisse: Ausgrenzung, S. 138; E-Mail-Auskunft von Herbert Markus, Herzlia, Israel, 25.10.2016; E-Mail-Auskunft v. Pauline Pieper, Medewerker Landelijk Steunpunt Gastsprekers WO II-Heden, Herinneringscentrum Kamp Westerbork, 10.10.2016; Het Joods Monument, online: www.joodsmonument.nl/en/page/387330/bernhard-neustadt; www.joodsmonument.nl/en/page/174353/bernhard-kahn; www.joodsmonument.nl/en/page/174354/mirjam-kahn; www.joodsmonument.nl/en/page/174355/hanne-kahn; www.joodsmonument.nl/en/page/174357/salomon-kahn; www.joodsmonument.nl/en/page/174356/hertha-kahn-florsheim (letzter Aufruf: 7.10.2016); Archiefkaarten für Salomon Kahn, Salomon Flörsheim, Eva Flörsheim, Antje Monnikendam, online: https://ar chief.amsterdam/indexen/index.nl.html (letzter Aufruf: 7.10.2016); Wielanga: Der Februarstreik.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".