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Hanna Hirsch (geborene Levy) * 1863

Kurzer Kamp 6 Altenheim (Hamburg-Nord, Fuhlsbüttel)

1942 Theresienstadt
tot 9.4.1943

Weitere Stolpersteine in Kurzer Kamp 6 Altenheim:
Dr. Julius Adam, Johanna Hinda Appel, Sara Bromberger, Therese Bromberger, Friederike Davidsohn, Margarethe Davidsohn, Gertrud Embden, Katharina Embden, Katharina Falk, Auguste Friedburg, Jenny Friedemann, Mary Halberstadt, Käthe Heckscher, Emily Heckscher, Betty Hirsch, Regina Hirschfeld, Clara Horneburg, Anita Horneburg, Emma Israel, Jenny Koopmann, Franziska Koopmann, Martha Kurzynski, Laura Levy, Chaile Charlotte Lippstadt, Isidor Mendelsohn, Balbine Meyer, Helene Adele Meyer, Ida Meyer, Ella Rosa Nauen, Celine Reincke, Friederike Rothenburg, Benny Salomon, Elsa Salomon, Martha Rosa Schlesinger, Louis Stiefel, Sophie Stiefel, Louise Strelitz, Eugenie Hanna Zimmermann

Hanna Hirsch, geb. Levy, geb. am 25.12.1863 in Altona, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort umgekommen am 9.4.1943

Kurzer Kamp 6

Hanna Levy wurde am 25. Dezember 1863 in Altona geboren, am Geburtstag ihres Vaters, Jacob Salomon Levy. Deutsche Bundestruppen waren an diesem Weihnachten in Altona eingerückt, um die dänische Verwaltung zu beenden, was jedoch erst im folgenden Jahr endgültig gelingen sollte. Jacob Salomon Levy (geb. 25.12.1822 in Hamburg) war der Sohn von Rieke, geb. Wagner, und Levy Salomon, verheiratet seit 1825. Hanna wuchs mit ihrem Vater und ihrer Mutter Renette, geb. Wiener (geb. 10.11.1823 in Altona) auf, dort wo ihre Eltern geheiratet hatten. Hannas Mutter, Tochter von Hannchen, geb. Ashkenasi, und Joel Wiener, war in Altona groß geworden. Schon Hannas Urgroßeltern waren dort verwurzelt. Diese, ihre Urgroßeltern mütterlicherseits, Breindel, geb. Spanier, und Joel David Ashkenasi, weisen mit ihren Namen auf eine Verbindung zwischen aschkenasischen und sephardischen Juden hin. Die Familie gehörte der Hochdeutschen Israeliten-Gemeinde Altona an. Hannas Vater führte mit seinem Bruder Joseph Salomon Levy in Ottensen, in der Lindenstraße 38/40 und in der Flottbekstraße 19, ein "Mobilien- und Polsterwarenmagazin mit Bettfedern und Daunen".

Hanna Levy (auch Salomon) heiratete mit 20 Jahren am 5. Mai 1883 in Altona den Kaufmann Salomon Hirsch. Er stammte aus Flensburg und war am 28. Juni 1852 als Sohn der Pinne, geb. Hasenberg, und des Kaufmanns Jacob Salomon Hirsch geboren. Hanna und Salomon Hirsch gehörten beide der Hochdeutschen Israeliten-Gemeinde Altona an. In der Heiratsurkunde gibt es den Vermerk, dass Hannas Nachname Levy und nicht Salomon sei. Hannas Ehemann Salomon Hirsch betrieb Handelsgeschäfte in Santiago de Chile. Nach ihrer Verehelichung folgte Hanna ihm dorthin. Ein Jahr später kam ihr erstes Kind, Sohn Paul, am 8. April 1884 in Santiago zur Welt. Auch ihre Tochter Margarita wurde dort drei Jahre später geboren, am 12. März 1887. Die junge Familie kehrte für einige Zeit nach Hamburg zurück. Am 30. Dezember 1888 legten Hanna Hirsch und ihr Ehemann zusammen mit dem fünfjährigen Paul und der eineinhalbjährigen Margarita ein weiteres Mal vom Hamburger Hafen ab, um mit dem Dampfschiff Abydos in einer Kajüte erster Klasse Valparaiso, Chile, zu erreichen. Ihre 60-jährige "Dienerin" Christina Rohde begleitete sie. Ein halbes Jahr später kam in Santiago Tochter Erna (geb. 30.6.1889) zur Welt.

Kurz nach Ende der Cholera-Epidemie in Hamburg kehrten Hanna Hirsch und ihre Familie aus Santiago de Chile in die Hansestadt zurück. Sie zogen im Oktober 1892 in die Villa Oberstraße 86 ein. Eineinhalb Jahre später ging die Reise am 13. Mai 1894 wieder zurück nach Valparaiso, auf demselben Dampfschiff der Deutschen Schiffahrts-Gesellschaft. Die 30-jährige "Johanna" Hirsch reiste mit den beiden jüngeren Kindern, der siebenjährigen Margarita und der vierjährigen Erna, in Begleitung des Dienstmädchens Ida Behnke. Salomon Hirsch war vermutlich mit ihrem Sohn Paul schon vorausgereist.
Das häufige Hin- und Herreisen endete zwei Jahre später im September 1896. Hanna Hirsch, ihr Ehemann und ihre drei Kinder kehrten nach Hamburg zurück. Zunächst wohnten sie ein paar Tage in der Esplanade 29 bei Salomon Levy & Sohn, den Eltern von Hanna, dann einen Monat im Central Hotel in St. Pauli, Durchschnitt 68, und anschließend in der Parkallee 13. Schließlich zogen sie wieder in die Oberstraße 86; Salomon Hirsch wurde Eigentümer dieser Villa. In der Zwischenzeit hatte er als preußischer Staatsbürger ein Aufnahmegesuch an den Hamburger Senat gestellt. Am 28. August 1897 wurde dem stattgegeben und ihm und damit auch seiner Ehefrau Hanna und ihren Kindern der Hamburger Bürgerbrief ausgestellt. Im Oktober 1897 bekam er vom Hamburger Senat die Erlaubnis den von ihm beantragten Zusatznamen "Santiago" zu führen.

Hanna Hirsch brachte im Frühjahr, am 31. März 1898, morgens um 7:30 Uhr, ihr viertes Kind, ihre Tochter Maria Luisa, in der Oberstraße 86 zur Welt. In Maria Luisas Geburtsurkunde ist bei der Religionszugehörigkeit ihrer Mutter "jüdischer", bei der ihres Vaters Salomon Santiago Hirsch "lutherischer" eingetragen. Im folgenden Jahr gründete Hannas Ehemann die Firma "Santiago Hirsch" mit einer Niederlassung in Santiago de Chile. Prokura erhielt Alfredo Delmonte.

Am 16. Mai 1907 verstarb Hannas Vater Jacob Salomon (Levy) im Alter von 84 Jahren. Er war an diesem Vormittag unterwegs gewesen und wurde an der Koppel vor Haus 80 tot aufgefunden. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Jüdischen Friedhof Bornkampsweg. Hannas Tochter Margarita Hirsch heiratete im August desselben Jahres den nichtjüdischen Rechtsanwalt Dr. jur. Gustav Oldenburg. Beide lebten danach zusammen in der Rothenbaumchaussee 118. In ihrer Heiratsurkunde ist ihre Mutter Hanna Hirsch, geb. Levy, als "Juana geb. Salomon" angegeben. Margaritas Sohn Geert Oldenburg kam im Jahr darauf zur Welt.

In den Jahren 1910 bis 1913 befand sich das Hamburger Kontor der Firma "Santiago Hirsch", Handel mit Mode-, Kurz-, Holländische-, Galanterie-, Leder-, Tapisserie- und Musikwaren, im Pickhuben 9, Parterre, Block 6.

Am 10. November 1913 ereignete sich im Leben von Hanna Hirsch eine Tragödie. Ihr Ehemann Salomon Santiago Hirsch verstarb mit 61 Jahren. Vormittags um halb zehn wurde er in seinem Haus in der Oberstraße 134 (früher Nr. 86) mit einer Pistole neben sich tot aufgefunden; er hatte sich das Leben genommen. Gründe dafür sind nicht überliefert. Nach der Einäscherung im Krematorium Ohlsdorf wurde seine Asche in der Familiengrabstätte Oldenburg, die der Schwiegervater von Tochter Margarita mit 16 Grabstellen 1906 ausgesucht hatte, auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt, Grablage P 8, Nr. 201.

Nur zwei Monate später, am 16. Januar 1914, verstarb auch Hanna Hirschs Mutter Renette Salomon (Levy), geb. Wiener. Sie hatte das hohe Alter von 90 Jahren erreicht und ihr ganzes Leben in Altona verbracht, zuletzt in der Winterstraße 5.
Sie wurde neben ihrem Ehemann auf dem Jüdischen Friedhof Bornkampsweg bestattet.
Einen Monat danach wurde Hanna Hirschs zweites Enkelkind geboren. Ihre Tochter Margarita hatte am 25. Februar 1918 Ruth zur Welt gebracht.
1918 zog Hanna Hirsch von der Oberstraße in eine Wohnung im Jungfrauenthal 8 und blieb so in dem näheren Umfeld ihrer Tochter Margarita und deren Familie.

Hanna Hirschs Tochter Erna lebte inzwischen in Berlin und heiratete dort am 11. August 1914 den kaiserlich und königlichen Oberarzt, Doktor der Medizin, Ludwig Paneth (geb. 14.2.1886 in Wien). Beide waren evangelischer Konfession. Ihr erster Sohn wurde am 26. November 1917 in ihrer Wohnung in Friedrichshagen, Seestraße 57, tot geboren. Ein Jahr später kam am 13. Dezember 1918 ihr Sohn Peter, Hanna Hirschs drittes Enkelkind, zur Welt.

Hanna Hirschs Sohn Paul war nach Santiago de Chile gegangen, vermutlich um dort die Geschäfte seines Vaters weiterzuführen.

Hanna Hirschs jüngste Tochter, Maria Luisa, hatte eine höhere Töchterschule besucht und diese während des Ersten Weltkrieges mit dem Abgangsexamen abgeschlossen. Es folgte eine Ausbildung als Krankenschwester und Säuglingsfürsorgerin. An der Universitätsklinik in Marburg bestand sie die Krankenschwesterprüfung. In Hamburg erlernte sie dann die Säuglingspflege und schloss ihr Studium mit dem Staatsexamen ab. Ab 1923 übte Maria Luisa Hirsch für kurze Zeit ihren Beruf aus. Aus finanziellen Gründen ging sie Mitte der 1920er Jahre für einige Zeit nach Belgien und nahm dort eine Pflegestelle an. Nach ihrer Rückkehr begann sie erneut ein Studium, vorwiegend in Berlin und mit zwei Semestern in Hamburg, im Sommersemester 1929 an der Philosophischen Fakultät. Im Orientalischen Seminar in Berlin bestand sie dann das Dolmetscherexamen in der Japanischen Sprache und konnte von daher die "Begabtenprüfung", die einem Abitur gleichkam, beim Kultusministerium ablegen. Sie immatrikulierte sich an der Berliner Humboldt-Universität und studierte acht Semester lang fünf Fächer, darunter auch Ethnologie, an der Philosophischen Fakultät. Für die ersten Semester bekam sie ein Stipendium. Nebenbei arbeitete sie gegen Entgelt in der Orientalischen Abteilung der Preußischen Staatsbibliothek.
Am 26. November 1931 wurde die Ehe von Erna und Ludwig Paneth vor dem Landgericht III in Berlin geschieden. Es ist überliefert, dass sich Ludwig Paneth vom Judentum stark abgrenzte, obwohl seine Mutter jüdischer Herkunft war. Erna Paneth war von daher den späteren Verfolgungen der Nationalsozialisten schutzlos ausgeliefert.

Maria Luisa beabsichtigte eine akademische Bibliothekarsausbildung einzuschlagen. Aufgrund der 1933 einsetzenden antijüdischen Gesetzgebungen und Verfolgungsmaßnahmen verließ sie die Universität. Ihre danach erfolgte Verhaftung beschreibt sie mit ihren eigenen Worten: "Durch Judengesetze ect. verließ ich die Universität. Unter Einfluß einiger Mitstudenten wurde ich in politische Tätigkeiten einbezogen, meine Haft in 1933 erfolgte wegen wirklicher und angeblicher politischer Tätigkeit." In den Aufzeichnungen aus den Verhaftungen ist festgehalten, dass sie seit 1931 Mitglied in der KPD und nach der NS-Machtübernahme leitende Funktionärin in Hamburg gewesen sein soll. Im Juli 1933 wurde sie verhaftet und zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Seit dem 2. Juli 1933 saß sie im Zuchthaus in Jauer ein. Nach der Verbüßung ihrer zweijährigen Zuchthausstrafe wurde sie nicht freigelassen, sondern in Jauer-Liegnitz in "Schutzhaft" genommen, wo sie seit dem 26. Juni 1935 einsaß. Dort wurde ihr gute Führung und Begabung bescheinigt. Ihrer Abstammung nach sei sie Jüdin, aber sie wolle jetzt der evangelischen Kirche beitreten. Positiv vermerkt wurde, dass sie ihre Einstellung zur KPD vollkommen aufgegeben habe und sich nicht mehr mit Politik beschäftigen wolle. Maria Luisa Hirsch wurde am 31. Juli 1935 ins Frauen-KZ Moringen verlegt.

Dem Beamten R. der Staatspolizeistelle Liegnitz und seiner positiven Beurteilung ist es zu verdanken, dass Maria Luisa Hirsch am 14. Oktober 1935 schließlich freikam. Voraussetzung dafür war die Angabe einer Unterkunft. Sie ging nach Hamburg und arbeitete dort als Missionsschwester. Noch am 11. Mai 1939 war sie in der Eimsbüttelerstraße 31 gemeldet und bekam wie alle jüdischen Frauen nach der Verordnung vom August 1938 den zusätzlichen Zwangsnamen "Sara", der in ihre Geburtsurkunde eingetragen wurde. Im März 1939 gelang es ihr, der nationalsozialistischen Verfolgung zu entkommen und nach England zu emigrieren.

Auch Hanna Hirschs Enkel Geert und Ruth Oldenburg, die Kinder ihrer Tochter Margarita, waren von den Verfolgungsmaßnahmen betroffen. Margarita Oldenburg stellte am 16. Juli 1939 einen Antrag auf Aufhebung der für sie von den nationalsozialistischen Machthabern erlassenen "Sicherungsanordnung". Dem wurde vom Oberfinanzpräsidenten am 1. August 1939 stattgegeben, da die Voraussetzungen nicht mehr zuträfen. Der Leiter des Amtes für Sippenforschung hatte in seinem Abstammungsbescheid vom 3. März 1939 festgestellt, dass sie nicht Jüdin, sondern "Mischling ersten Grades" sei. Demnach müsste der Vater von Margarita ein "Arier" und nicht Salomon Hirsch sein. Ob dies den Tatsachen entspricht, oder ob es etwa taktische Vorgehensweise von Margarita und ihrem Ehemann, dem Rechtsanwalt Oldenburg, in gemeinsamer Absprache mit Hanna Hirsch zur Milderung der Verfolgungsmaßnahmen war, ist ungeklärt.

In der Zwischenzeit hatte Hanna Hirsch die Wohnung im Jungfrauenthal verlassen, eine Weile in der Nissenstraße 13, 1. Stock gelebt und war dann, um einen gesicherten Lebensabend verbringen zu können, am 23. Oktober 1929 in das neu erbaute Rentnerheim der "Kleinrentner e. V.", Braamkamp 64, gezogen. Dort bewohnte sie eine Zwei-Zimmer-Wohnung im 3. Stock.

Wie aus der Kultussteuerkartei der Jüdischen Gemeinde Hamburg zu ersehen ist, musste Hanna Hirsch als "Volljüdin" ab 1. Juli 1939 zwangsweise Mitglied der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland werden, d.h. in Hamburg Mitglied des Jüdischen Religionsverbandes, ungeachtet dessen dass "evangelisch" als ihre Religionszugehörigkeit vermerkt ist. Wann Hanna Hirsch nach der Geburt ihrer jüngsten Tochter zum Christentum übergetreten war, ist nicht bekannt.

Am 8. Januar 1940 musste Hanna Hirsch in der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten erscheinen, zur Abgabe ihrer Vermögenserklärung. Unter anderem bat sie darin um die Genehmigung zur Auszahlung einer Leibrente von der Norddeutschen Lebensversicherung A.G. an sie, "da ich infolge meiner Vermögenslage dazu gezwungen bin, um leben zu können". Am 19. Januar 1940 wurde Hanna Hirsch die "Sicherungsanordnung" bzgl. ihres Vermögens zugesandt. Demnach war ihr Vermögen beschlagnahmt und ihr Guthaben auf ein "Sicherungskonto" übertragen worden, über das sie nur beschränkt verfügen konnte. Nur 145,- RM standen ihr monatlich zu. Jede weitere Ausgabe musste bei der Devisenstelle beantragt und genehmigt werden.

Einen Monat später erteilte die Devisenstelle ihr eine Einzelgenehmigung zur Zahlung von 400,- RM an das Studentenwerk, Öffentlich Rechtliche Anstalt, Berlin-Charlottenburg. Diesen Betrag benötigte Hanna Hirsch für die Rückzahlung eines Darlehens ihrer Tochter Maria Luisa, die inzwischen nach England emigriert war.

Hanna Hirsch hatte in dieser Zeit nicht nur die Entrechtung und Verfolgung zu erleiden, sondern auch den Tod ihrer Tochter zu verkraften: Margarita verstarb am 6. Juli 1940 im Krankenhaus Bethanien an einem Krebsleiden. Margarita Oldenburg, geb. Hirsch, war 53 Jahre alt. Ihre Asche wurde in dem Familiengrab Oldenburg auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt, Grablage P 8 III, Nr. 197 II. Eine Grabplatte mit Inschrift erinnert dort heute noch an sie und ihren Vater Salomon Santiago Hirsch.
Hanna Hirsch wurde aus ihrem vermeintlich sicheren Zuhause, dem Rentnerheim im Braamkamp 64, ausgewiesen und zusammen mit Emilie Ascher, den Schwestern Embden, Auguste Friedburg und Ella Nauen aus der "Senator Erich Soltow Stiftung" am 30. April 1942 in das "Judenhaus", das Mendelson-Israel-Stift, eingewiesen. Nur wenige Möbelstücke konnte sie in die kleine Wohnung Nr. 3 mitnehmen, deren vorherige Mieter die Eheleute Ella und Benny Salomon waren. Den größten Teil ihrer Wohnungseinrichtung ließ sie unter dem Namen ihrer Tochter Maria Luisa Hirsch bei der Firma Krumpf einlagern. Dieses Lager wurde 1943 während der Bombenangriffe auf Hamburg vernichtet. Im Mendelson-Israel-Stift begegnete sie auch Jenny Friedemann, die wie sie 1928 in der Nissenstraße 13 gewohnt hatte.

Hanna Hirsch stellte am 12. Mai 1942 einen Antrag an die Dresdner Bank, Eppendorfer Landstraße 12, auf Freigabe von 55,- RM von ihrem "Sicherungskonto": "Zur Begleichung meines Umzuges vom Braamkamp 64 III nach Fuhlsbüttel Kurzer Kamp 6/3". Zweieinhalb Monate später, am 19. Juli 1942, wurde Hanna Hirsch zusammen mit 22 Bewohner*innen des Mendelson-Israel-Stiftes nach Theresienstadt deportiert. Zuvor hatte sie einen "Heimeinkaufsvertrag" über einen Betrag in Höhe von 423,84 RM abschließen müssen, angeblich für Unterkunft und Versorgung in Theresienstadt.

Es ist anzunehmen, dass Hanna Hirsch in Theresienstadt nicht mehr erfuhr, dass ihre Tochter Erna Paneth, geb. Hirsch, am 12. Januar 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde. Zuletzt hatte sie in Berlin-Charlottenburg in der Leipzigerstraße 62 gewohnt. Sie war 53 Jahre alt.

Hanna Hirsch verstarb in Theresienstadt am 9. April 1943. Sie war 79 Jahre alt. Ein Enkel von ihr sagte nach dem Krieg aus: "Trotz ihres Alters war sie ausgesprochen rüstig und ihre Gesundheit war in unserer Familie sprichwörtlich. Ich erinnere mich noch, dass sie jahrelang von ihrer Krankenversicherung die höchste Rückvergütung wegen Nichtbeanspruchung der Versicherung erhielt. Ihr Tod in Theresienstadt muss also gewaltsame Ursachen haben."

Einen Monat nach Hanna Hirschs Deportation wurden am 18. August 1942 im Auftrag des Oberfinanzpräsidenten zwei kleine Silberbecher, ein silberner Serviettenring und eine kleine silberne Brosche in der Gerichtsvollzieherei, Drehbahn 36, an Hamburger Bürger*innen versteigert. Dieses Silber war einst im Besitz von Hanna Hirsch, sie hatte es abliefern müssen. Der Erlös von 12,- RM fiel dem Oberfinanzpräsidenten zu.

Die weiteren Schicksalswege der Familienangehörigen
Mit seinem Vater Ludwig Paneth war Hanna Hirschs Enkel Peter Paneth der Verfolgung durch die Nationalsozialisten mit einer Emigration in die Schweiz entkommen. Seit diesem Tag soll er kein Wort mehr mit seinem Vater gewechselt haben. Er habe ihm nicht verziehen, seine Mutter im Stich gelassen zu haben. Peter Paneth gründete in der Schweiz eine Familie. Im November 1993 verstarb er im Alter von 75 Jahren in Reinach, Baselland. Er hinterließ vier Kinder und fünf Enkelkinder, Hanna Hirschs Nachfahren, die heute in der Schweiz und Berlin leben.

Hanna Hirschs Sohn Paul Hirsch war in Santiago de Chile geblieben und hatte eine Familie gegründet. Nachfahren leben noch heute dort.

Hanna Hirschs Tochter Maria Luisa blieb in England und lebte eine Zeit lang in einem Karmeliter Kloster in Travistock, Devon. Von 1950 bis 1959 war sie als Hilfsschwester in der Krankenpflege tätig. Maria Luisa Hirsch verstarb im März 1969 in Newton Abbot, Devon, im Alter von 71 Jahren.

Nachfahren von Hanna Hirschs Tochter Margarita leben in Hamburg.

Stand: Januar 2023
© Margot Löhr

Quellen: 1; 2; 4; 5; 7; 8; StaH, 213-13 Landgericht Rückerstattung, 23622 Hanna Hirsch Erben, 6725 Hanna Hirsch, 14955 Hanna Hirsch, 6726 Ruth Sarninghausen, 8641 Geert Oldenburg; StaH, 214-1 Gerichtsvollzieherei, 355 Hanna Hirsch; StaH, 314-15 Oberfinanzpräsident, R 1938-15 Hanna Hirsch, R 1940-15, Fvg 9602, FVg 3732 Maria Luisa Hirsch, R 15/1605/38; StaH, 332-5 Standesämter, Geburtsregister, 9143 u. 684/1898 Maria Luisa Hirsch; StaH, 332-5 Standesämter, Heiratsregister, 5882 u. 274/1883 Salomon Hirsch u. Hanna Levy; 8650 u. 223/1907 Gustav Oldenburg u. Margarita Hirsch; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 5160 u. 2322/1880 Rieke Salomon Levy, 582 u. 923/1907 Jacob Salomon, 5045 u. 22/1914 Renette Salomon, 8016 u. 508/1913 Salomon Santiago Hirsch, 9909 u. 424/1940; StaH, 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, BIII 53378 Salomon Santiago Hirsch; StaH, 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 879 Hanna Hirsch, 21536 Maria Luisa Hirsch, 33750 Geert Oldenburg; StaH, 352-5 Gesundheitsbehörde, Todesbescheinigungen, 1907 Sta 1 Nr. 923 Jacob Salomon, 1913 Sta 3 Nr. 508 Salomon Santiago Hirsch, 1940, Sta 1 Nr. 424 Ruth Oldenburg; StaH, 373-7 I Passagierlisten, VIII A1 Bd. 62, Bd. 87; StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, Geburtsregister, 696 b Nr. 11/1824 Salomon Levy, 696 d Nr. 231/1841 Henriette Wiener, 696 d Nr. 24/1843 Jette Wiener; StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, Heiratsregister, 702 a Nr. 38/1824 Nathan Spanier u. Amalie Cohn, 702 b Nr. 50/1838 Jacob Salomon Levy u. Lea Cohen, 702 f Nr. 33/1851 Joseph Levy, 702 f Nr. 40/1854 Salomon Levy; StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, Abl. 1993/1 A 10, Abl. 1993 B Ordner 23 Versteigerer Schopmann; StaH, 741-4 Fotoarchiv, K 2350, K 6261; StaH, Hamburger Börsenfirmen, A 902/0022, 1910–1913; Sta II Berlin, Heiratsregister, 6009/1914 Hirsch, Erna/Paneth, Ludwig; Sterberegister Berlin-Friedrichshagen, 226/1917 Knabe Paneth; Hamburger Adressbücher 1882–1943; Archiv Friedhof Ohlsdorf, Beerdigungsregister, Feuerbestattungen, Nr. 477/1913 Salomon Santiago Hirsch, Nr. F 3962/1940 Margarita Oldenburg, Grabbrief 52668/1909 Oldenburg; Auskünfte Barbara Schulze, Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof e. V., Hirsch, Salomon, P 8, 187-202 Grabstätte Oldenburg; Datenbankprojekt des Eduard-Duckesz-Fellow und der Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie, Bornkampsweg, http://jüdischer-friedhof-altona.de/datenbank.html, eingesehen am: 22.2.2022; ancestry, Staatsarchiv Hamburg, Hamburger Passagierlisten, 1850–1934, https://www.ancestry.de/search/collections/1068/, eingesehen am: 22.2.2022; Death Maria-Luisa Hirsch, https://www.freebmd.org.uk/cgi/information.pl?r=240859558:0585&d=bmd_1646647063, eingesehen am: 29.3.2022; https://familysearch.org/search/record/results?count=20&query=%2Bgivenname%3ASantiago~%20%2Bsurname%3AHirsch~, eingesehen im April 2009; Hirsch, Maria-Luisa, https://www.matrikelportal.uni-hamburg.de/receive/matrikelhh_matrikel_00022076, eingesehen am: 22.2.2022. Vielen Dank an Erika Paneth!
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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