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Bereits verlegte Stolpersteine



Johanna Löwe (o. J.)
Johanna Löwe (o. J.)
© T. S. Wächter

Johanna Löwe (geborene Sonnenberg) * 1872

Großneumarkt 38 (vorm. Schlachterstraße) (Hamburg-Mitte, Neustadt)

1941 Riga
ermordet

Weitere Stolpersteine in Großneumarkt 38 (vorm. Schlachterstraße):
Hanna Aghitstein, Julie Baruch, Ludwig Louis Baruch, Julius Blogg, Rebecca Blogg, Kurt Cossmann, Mathilde Cossmann, Frieda Dannenberg, Alice Graff, Leopold Graff, Flora Halberstadt, Elsa Hamburger, Herbert Hamburger, Louis Hecker, Max Hecker, Marianne Minna Hecker, Lea Heymann, Alfred Heymann, Wilma Heymann, Paul Heymann, Jettchen Kahn, Adolf Kahn, Curt Koppel, Johanna Koppel, Hannchen Liepmann, Henriette Liepmann, Bernhard Liepmann, Martin Moses, Beate Ruben, Flora Samuel, Karl Schack, Minna Schack, Werner Sochaczewski, Margot Sochazewski, verh. Darvill, Sophie Vogel, Sara Vogel

Johanna Löwe, geb. Sonnenberg, verw. Lewald, geb. am 26.7.1872 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga-Jungfernhof

Großneumarkt 38 (Schlachterstraße 46/47)

Johanna Löwe stammte aus einer Familie, die im 16. Jahrhundert von der Iberischen Halbinsel durch die katholischen Könige Isabella und Ferdinand aufgrund ihres jüdischen Glaubens vertrieben worden war. Wegen ihrer Herkunft wurden sie "Sepharden" genannt. Johannas Vorfahren ließen sich in den Niederlanden, in Dänemark und Hamburg nieder. Ihre Mutter Nanni Sonnenberg war am 19. April 1839 als Tochter des Kaufmanns Meyer Koppel und seiner Frau Hanna, geb. Koppel, in Hamburg geboren worden. Sie hatte in der Straße Bei den Hütten 83 (heute Hütten) und seit 1888 in der ehemaligen Schlachterstraße 40/42, im jüdischen Marcus-Nordheim-Stift einen privaten Mittagstisch betrieben. Auch Johannas Vater Isaac Sonnenberg war in Hamburg geboren worden. Seine Eltern waren der Schneidermeister Joseph Samuel Sonnenberg und Brunette, geb. Keyser (Kaiser). Er hatte als Bote für eine Krankenkasse gearbeitet.

Wie ihr Großvater erlernte Johanna das Schneiderhandwerk. Als sie 19 Jahre alt war, starb ihr Vater 51-jährig am 12. Mai 1891. Anders als ihre drei Geschwister konnte sie bei ihrer Mutter bleiben. Ihre jüngeren, unmündigen Geschwister erhielten, da nach damaliger Gesetzgebung eine alleinige Vormundschaft der Mutter nicht zugelassen wurde, einen Vormund und wurden in jüdischen Waisenhäusern untergebracht. Ihr Bruder Joseph Sonnenberg (geb. 1875) wurde nur 20 Jahre alt, der Handlungsgehilfe starb am 18. Dezember 1895 im Israelitischen Krankenhaus.

Am 25. Oktober 1906 heiratete Johanna den Kaufmann Jacob Lewald, Sohn von Hirsch Levi Lewald und Helene, geb. Thomas, er war am 5. Oktober 1875 in Frankfurt am Main geboren worden (zu seinem Neffen Walter Lewald siehe Paula Lewald). Jacob Lewald wohnte im Thielbeck 5 und betrieb eine Möbelhandlung in der Elbstraße 88 (heute Neanderstraße). Das Ehepaar zog in die Hoheluftchaussee 62 und mietete sich, nahe der Elbstraße, ein Zimmer bei der Witwe Rosenberg im Neuen Steinweg 73. Bereits ein knappes Jahr nach der Hochzeit verlor Johanna Lewald ihren Ehemann. Er starb am 2. November 1907, kurz nach seinem 32. Geburtstag, im Israelitischen Krankenhaus. Das Möbelgeschäft übernahm Marcus Blatt, der laut den Hamburger Adressbüchern noch bis 1912 unter dem Namen Jacob Lewald in der Elbstraße 88 firmierte.

Fünf Jahre nach Jacobs Tod ging Johanna eine zweite Ehe ein. Am 30. Oktober 1912 heiratete sie den Witwer Otto Löwe (geb. 9.6.1860). Der Wächter und frühere Seemann hatte aus erster Ehe mit Rosa/Recha, geb. Elias (geb. 27.12.1860, gest. 27.5.1911), vier Kinder: Rudolph (geb. 21.3.1892), Fanny (geb. 25.8.1893), Hermann (geb. 13.2.1897) und Bertha (geb. 4.6.1898). Gemeinsame Kinder bekamen sie nicht.

Johannas Mutter Nanni Sonnenberg verstarb am 9. September 1914 zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Im folgenden Jahr, am 26. Mai 1915, wurde ihr jüngster Stiefsohn, der Seemann Hermann Löwe, erst 18 Jahre alt, als Soldat bei Bania in Galizien durch einen Bauchschuss getötet.

Johanna pflegte offenbar den Kontakt zu ihren Stiefkindern, auch nachdem sie zum zweiten Mal Witwe wurde. Otto Löwe verstarb am 1. Januar 1924. Seine Tochter Fanny, verheiratete Schüppenhauer, berichtete in ihrer Wiedergutmachungsakte von einer guten Beziehung, die sie zu ihrer Stiefmutter unterhielt und, dass diese als Witwe eine kleine Rente von 32 Reichsmark erhielt. Zudem war Johanna Löwe als "Totenfrau" in der Jüdischen Gemeinde tätig.

Kontakt hielt Johanna Löwe auch zu ihrer neun Jahre jüngeren Schwester Minna (geb. 23.3.1881), mit ihr traf sie sich täglich. Minna hatte am 22. Dezember 1901 den Obersteuerinspektor Gustav Wächter (geb. 24.10.1875) geheiratet. Das Ehepaar lebte mit drei Söhnen am Eppendorferweg 40 (heute Eppendorfer Weg), später im dritten Stock des Hauses am Scheideweg 35. Nach einer Überlieferung aus diesem Zweig der Familie betrieb Johanna in der Schlachterstraße 46/47 eine kleine Schneiderwerkstatt. Sie hatte eine Vorliebe für derbe Scherze und war sehr kinderlieb. Sie wurde Tante Hanna oder die "Löwentante" genannt.

Nachdem am 30. April 1939 das "Reichsgesetz über die Mietverhältnisse mit Juden" in Kraft getreten war, und damit die freie Wohnungswahl für Juden aufgehoben wurde, musste Johanna Löwe ihre langjährige Wohnung im Haus Nr. 2 des Lazerus-Gumpel-Stift aufgeben. Sie wurde in die Wohnung 35, Haus Nr. 5 zu der ebenfalls verwitweten Elvira Rose, geb. Hirsch (geb. 16.5.1898), umquartiert (für Elvira Rose wurde ein Stolperstein in der Clemens-Schultz-Straße 84 verlegt). Tagsüber hielt sie sich nun in der Wohnung ihrer Stieftochter Fanny Schüppenhauer in der Großen Gärtnerstraße 96 (heute Thadenstraße) in Altona auf. "Nur zum Schlafen ging sie dann nach Hause". Johannas Stieftochter Fanny war als Jüdin und wegen der politischen Gegnerschaft ihres Mannes zum NS-Staat doppelt gefährdet. Karl Schüppenhauer (geb. 5.10.1892 in Fachenfelde) verbüßte bereits seit 1935 eine vierjährige Zuchthausstrafe wegen "Vorbereitung zum Hochverrat". Beide überlebten die NS-Zeit.

Johannas Bruder Martin Sonnenberg (geb. 15.2.1879), der im Ersten Weltkrieg als Freiwilliger diente und Träger des "Verwundeten-Abzeichens" war, betrieb ebenfalls eine Schneiderei, allerdings in Berlin-Oberschöneweide. Auch Martin Sonnenberg war früh verwitwet, als er am 5. April 1919 in Berlin in zweiter Ehe die Schneiderin Frieda/Friederike Streim (geb. 29.7.1884) heiratete. Gut möglich, dass sie sich von Jugend an kannten, denn Frieda wuchs mit ihren Schwestern Clara (geb. 5.11.1873) und Rosalie (geb. 21.2.1880) (s. Adolf Posner) bei ihrem Vater, dem Schneidermeister Eduard Samuel Streim (geb. 2.2.1844 in Hamburg, gest. 7.9.1909) in der Schlachterstraße 40/42 auf. Geboren worden war sie in Reichenbach im Vogtland, wo ihre Mutter Eva Streim, geb. Striem, früh verstorben war. Frieda Sonnenberg starb am 3. Juni 1942 in Berlin. Martin Sonnenberg wurde am 17. März 1943 aus der Blumenstraße 80 in Berlin nach Theresienstadt deportiert, wo er am 12. März 1944 starb.

Obwohl Johanna Löwe die festgelegte Altersgrenze von 65 Jahren überschritten hatte, wurde sie nicht in das "Altersgetto" nach Theresienstadt, sondern gemeinsam mit ihrer Schwester Minna und Schwager Gustav Wächter am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Da aber im Rigaer Getto eine großangelegte Mordaktion an lettischen Jüdinnen und Juden noch nicht abgeschlossen war, wurde der Transport ins ca. sechs Kilometer entfernte ehemalige Gut Jungfernhof umgeleitet. Ihr weiteres Schicksal und das genaue Todesdatum sind unbekannt.

An das Ehepaar Wächter erinnern nicht nur Stolpersteine im Scheideweg 33 in Hamburg-Eimsbüttel, auch 32 Postkarten, die sie zwischen 1940 und 1941 an ihren Sohn Walter nach Schweden schickten, sind siebzig Jahre später im Internet einsehbar und schildern ihre letzten Lebensmonate.

Auch Johannas jüngere Stieftochter Bertha Löwe und ihr Bruder Rudolph Löwe überlebten nicht. Rudolf Löwe wohnte mit seiner Frau Elisabeth, geb. Schröder (geb. 2.3.1882), die, wie auch Karl Schüppenhauer, nicht jüdisch war, Im Tale 10 im Stadtteil Eppendorf. Rudolph arbeitete als Heizer im Israelitischen Krankenhaus, wo er am 20. November 1938 nach einem ungeklärten Unfall verstarb. Bertha war unverheiratet und arbeitete als Reinmachefrau für die Landesjustizverwaltung, bis sie im Oktober 1933 wegen ihrer jüdischen Herkunft entlassen wurde. Zuletzt war sie als Hausangestellte tätig. Bertha Löwe wurde am 11. Juli 1942 aus dem "Judenhaus" in der Agathenstraße 3 nach Auschwitz deportiert. Für Bertha Löwe wurde ein Stolperstein in der Thadenstraße 130 verlegt (s. Stolpersteine in Hamburg-Altona).

Karl Schüppenhauers Sohn aus erster Ehe, Hermann Willi Schüppenhauer (geb. 7.3.1925), kam im März 1945 im KZ Dachau ums Leben. Dessen Mutter Lina Schüppenhauer, geb. London (geb. 16.1.1897), wurde im Oktober 1942 in Auschwitz ermordet.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; StaH 351-11 AfW 15731 (Schüppenhauer, Fanny); StaH 332-5 Standesämter 295 u 1107/1891; StaH 332-5 Standesämter 381 u 2404/1895; StaH 332-5 Standesämter 2458 u 1811/1898; StaH 332-5 Standesämter 3067 u 767/1906; StaH 332-5 Standesämter 590 u 725/1907; StaH 332-5 Standesämter 3195 u 661/1912; StaH 332-5 Standesämter 704 u 458/1914; StaH 332-5 Standesämter 724 u 1232/1915; StaH 332-5 Standesämter 3302 u 474/1917; StaH 332-5 Standesämter 882 u 4/1924; StaH 332-5 Standesämter 1089 u 435/1938; StaH 332-5 Standesämter 1089 u 394/1938; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1505 (Löwe, Bertha); Auskünfte von T. S. Wächter vom 2012; http://www.32postkarten.com/index_D.html (Zugriff 18.8.2014); http://www.statistik-des-holocaust.de/GAT4-20.jpg (Zugriff 18.8.2014); www.ancestry.de (Heiratsregister von Martin Sonnenberg und Frieda Friederike Streim am 5. April 1919 in Berlin, Zugriff 14.9.2017); Wächter: 32 Postkarten.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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