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Bereits verlegte Stolpersteine



Porträt Woldemar Preussner
Von der Kriminalpolizeit beschlagnahmtes Foto von Woldemar Preussner, ca. 1936
© StaH

Woldemar Preussner * 1916

Lübecker Straße 72 (Hamburg-Nord, Hohenfelde)


HIER WOHNTE
WOLDEMAR
PREUSSNER
JG. 1916
INHAFTIERT
KZ NEUENGAMME
ERMORDET 25.10.1942

Weitere Stolpersteine in Lübecker Straße 72:
Wilhelm Dose

Woldemar Preussner, geb. am 3.4.1916 in Hamburg, gestorben vermutlich am 31.5.1942 in der Tötungsanstalt Bernburg
Wilhelm Karl Theodor Dose, geb. am 8.9.1901 in Hamburg, gestorben am 31.8.1942 im Zuchthaus und Strafgefängnis Dreibergen-Bützow

Lübecker Straße 72

Der Verfolgungsapparat der Nationalsozialisten hat diese beiden homosexuellen Männer zusammengeführt und wieder getrennt. Kennengelernt haben sie sich während einer gemeinsamen Haftzeit 1938/1939 im Strafgefängnis Fuhlsbüttel, um sich dann unter dem Druck der Kriminalpolizei nach einer nur kurzen, gemeinsamen Zeit zur Untermiete bei einer Wirtin Martha Boley im zweiten Stock in der Lübecker Straße 72 gegenseitig zu beschuldigen und zu belasten. In ihrem kurz nacheinander erfolgten Tod Mitte 1942 in einer Tötungsanstalt bzw. einem Zuchthaus waren sie wieder vereint. An ihr Verfolgungsschicksal erinnern zwei Stolpersteine vor ihrem letzten Wohnsitz.

Wilhelm Dose wurde 1901 in Hamburg-Eimsbüttel als Sohn eines gleichnamigen Tischlers und seiner Ehefrau Anna, geborene Wendt, in der Vereinsstraße 40 geboren und evangelisch-lutherisch getauft. Er war das jüngste von fünf Kindern, hatte noch zwei Brüder und zwei Schwestern. Die Mutter verlor er 1905, als er noch Kleinkind war, der Vater starb 1937. Auch seine Geschwister starben sämtlich vor 1937, eine Schwester 1914 an Epilepsie in den Alsterdorfer Anstalten, ein Bruder durch einen Unglücksfall im Ersten Weltkrieg, eine andere Schwester nach einem möglicherweise suizidalen Fenstersturz.

Vom 6. bis 14. Lebensjahr besuchte Wilhelm Dose die Volksschule, krankheitsbedingt konnte er die Abschlussklasse nicht erreichen. Danach erlernte er in Hamburg und Dresden drei Jahre lang den Beruf des Kellners und übte diesen zunächst in kleinen Betrieben aus. 1920 machte er beim Bahrenfelder Freikorps Zeitfreiwilligen-Dienst. Nach dem Ersten Weltkrieg ging er auf Vermittlung des Genfer Internationalen Kellnerverbandes ins Ausland und nahm Anstellungen u.a. in den Niederlanden, Frankreich, Spanien und Brasilien an. Zwischendurch kehrte er immer wieder nach Deutschland zurück und arbeitete in Hamburg, Stuttgart, München und Konstanz in zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen, zum Beispiel auf dem Hamburger Dom, dem Münchener Oktoberfest oder auch auf Schiffen.

Große Anerkennung erwarb sich Wilhelm Dose 1929 durch einen sehr zuverlässig ausgeübten Job bei der Weltausstellung in Barcelona. Er gelangte über den deutschen Club "Germania" in Rio de Janeiro zu einer noch aussichtsreicheren Anstellung bei der Friedrichshafener Luftschiff-Reederei, die im brasilianischen Pernambuco einen Zwischenlandeplatz nach Südamerika mit einem Casino betrieb. Nachdem er dort einen Kapitän der "Graf Zeppelin" kennengelernt hatte, durfte er auf dem Luftschiff von 1931 bis 1933 für eine Teilstrecke als Kellner tätig werden. Auf einem neu zu bauenden Luftschiff stellte dieser ihm sogar eine dauernde Stellung in Aussicht, wegen der Wilhelm Dose 1933 nach Deutschland zurückkehrte.

Als sich der Neubau verzögerte, arbeitete er notgedrungen in einem Speisewagen der Mitropa. Eine psychische Erkrankung veranlasste ihn im selben Jahr zur Rückkehr nach Hamburg, wo er bis Mitte 1936 im Hotel "Continental" und auch im Homosexuellen-Lokal "Café Rheingold" Arbeit fand.

Zu seiner Homosexualität gab er später an, als 13-Jähriger von einem Soldaten verführt worden zu sein und seitdem Gefallen an gleichgeschlechtlichen Handlungen gefunden zu haben. Er verkehrte seit den 1920er-Jahren in Homosexuellenlokalen, wo er seine Partner fand. Im Sommer 1934 arbeitslos, lebte er von der Fürsorgebehörde und wurde von den Eltern eines befreundeten jungen Mannes in Barmbek unterstützt.

Im Juli 1935 wurde Wilhelm Dose dort von einem Mann überfallen, bei dem es sich um einen früheren homosexuellen Partner und Erpresser aus Frankfurt am Main gehandelt haben soll. Mit 17 Messerstichen am Kopf und in der Brust wurde Wilhelm Dose schwer verletzt.

Ab März 1936 ging er für berufliche Anstellungen über München nach Konstanz. Dort verhaftete ihn die Polizei am 15. Juni 1936 erstmals wegen seiner homosexuellen Veranlagung und am 25. November verurteilte ihn das Landgericht Konstanz wegen widernatürlicher Unzucht und Sittenverbrechens (sexuelle Handlungen mit Personen unter 14 Jahren) nach den Paragraphen 175 und 176 zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis. Er hatte einvernehmliche sexuelle Handlungen mit vier Schülern und Lehrlingen im Alter von 13 bis 20 Jahren durchgeführt.

Nach der Verbüßung seiner Haftstrafe Ende Oktober 1937 in Freiburg im Breisgau kehrte er nach Hamburg zurück. Während dieser Zeit war sein Vater verstorben, doch sein gesetzliches Erbteil musste er von einem Schwager einklagen. Bereits Anfang November 1937 wurde er in die Nervenheilanstalt Friedrichsberg eingeliefert. Er hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten und fühlte sich verfolgt. Der Psychiater Professor Hans Bürger-Prinz diagnostizierte "manisch-depressives Irresein".

Nachdem er sich im Mai 1938 unauffällig verhalten hatte, wurde er im Juni entlassen. Aber bereits während dieser Zeit ermittelte die Kripo Hamburg aufgrund von Aussagen ehemaliger Partner erneut gegen ihn. Er kam am 18. Juni 1938 wieder in Untersuchungshaft und wurde am 18. August vom Landgericht Hamburg nach Paragaph 175 zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt.

Unter den von ihm als Sexualpartner benannten Personen war auch der Kellnerkollege Otto Schneider (geboren 1903, gestorben am 13. Februar 1945 im KZ Neuengamme, Außenlager Bremen-Farge, siehe "Stolpersteine in Hamburg-Altona" und www.stolpersteine-hamburg.de), den er seit 1920 kannte. Sämtliche Handlungen hatte Wilhelm Dose vor seiner ersten Verurteilung als "Nichtvorbestrafter" ausgeführt, was sich in seinem Urteil günstig auswirkte. Die einvernehmlichen Kontakte, teilweise mit heranwachsenden Lehrlingen, die bereits homosexuelle Erfahrungen mitbrachten, galten zwar vor Gericht nicht als Verführungstaten, gleichwohl wurde er z.B. von der Ermittlungshilfe für die Strafrechtspflege als "rücksichtsloser Verführer" beschrieben, der sich "weichlich" gebe und die "Verwerflichkeit seiner verbrecherischen Handlungsweise" noch nicht eingesehen habe.

Die Gefängnisstrafe verbüßte er in Fuhlsbüttel. Aufgrund des Aufenthalts in der psychiatrischen Klinik wurde er nach dem Gesetz "zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" am 27. September 1938 im Lazarett des Untersuchungsgefängnisses von dem Arzt Wilhelm Schädel zwangsweise sterilisiert. Mitte Dezember 1938 erlitt Wilhelm Dose während der Haft erneut einen psychischen Zusammenbruch und wurde völlig "verwirrt, schreckhaft und ängstlich" in die Heil- und Pflegeanstalt bzw. Staatskrankenanstalt Langenhorn eingewiesen und Ende Januar 1939 wieder als "haftfähig" zurück nach Fuhlsbüttel ins Strafgefängnis überstellt. Seine Haftstrafe endete am 18. Juni 1939. Während dieser Zeit lernte er den ebenfalls einsitzenden 22-jährigen homosexuellen Woldemar Preussner kennen und lieben, was dort bereits zu Gerüchten führte.

Woldemar Preussner (später schrieb er sich auch Preußner) war 1916 als uneheliches Kind der Elisabeth Ruhland in Hamburg geboren worden. Seine Mutter ließ sich von Gustav Adolf Preussner scheiden. Woldemars leiblicher Vater war der Apotheker Woldemar Knauthe aus Jöhstadt im Erzgebirge, der kurzzeitig in Hamburg mit Woldemar Preussners Mutter eine Beziehung eingegangen war. Die Fürsorgebehörde schilderte die Familie 1927 als problematisch. Die Großmutter soll in Schlesien ein Bordell betrieben haben, ihre Tochter, die Mutter von Woldemar Preussner, bekam zwei uneheliche Söhne, von denen der ältere, Hans, als Strichjunge Geld verdient haben soll.

Bis zu seinem 15. Lebensjahr besuchte Woldemar Preussner die Volksschule in Hamburg-Eilbeckthal, wo er als "Einzelgänger" geschildert wurde. Eine kaufmännische Ausbildung bei einem Eisenkrämer brach er ab, da er – nach eigener Aussage – dafür nicht geeignet war. Sein Lehrherr berichtete später von einer Entlassung wegen wiederholter Diebstähle. Ohne Berufsausbildung arbeitete er in verschiedenen Kaufhäusern als Bote. Drei Monate fuhr er als Küchenjunge auf einem Dampfer der Deutschen Afrika-Linie zur See.

1934 wurde Woldemar Preussner für ein Jahr zum Arbeitsdienst eingezogen. Von 1935 bis 1937 leistete er seinen Wehrdienst. Seit Ende 1937 arbeitete er im Bettenhaus Köhn in der Wandsbeker Chaussee und als Hausdiener in Bergedorf. Auf den meisten Arbeitsstellen entsprachen seine Leistungen nicht den an ihn gestellten Anforderungen.

Mitte Mai 1938 wurde er vom 16-jährigen Pagen Kurt Reichert bei der Polizei angezeigt: Woldemar Preussner habe ihn am Verkaufsstand "Oskar" am Pferdemarkt unsittlich angefasst. Nach einer kurzzeitigen Verhaftung wurde Woldemar Preussner jedoch wieder frei gelassen, weil der Zeuge keine eindeutige sexuelle Belästigung geltend machen konnte und es beim Gedränge auf dem Markt auch zu ungewollten Berührungen gekommen sein konnte.

Gleichwohl recherchierte das für homosexuelle "Delikte" zuständige 24. Kriminalkommissariat weiter in diesem Fall, weil Woldemar Preussner 1935/1936 bereits zweimal "einschlägig" bekannt geworden war, die Verfahren jedoch mangels Beweisen eingestellt worden waren. Nach erneuten Verhören Ende Mai, Anfang Juni 1938 und zugespitzten Aussagen des 16-jährigen Zeugen, wurde Woldemar Preussner am 3. Juni in Polizeihaft genommen und bis 11. Juni 1938 unter den verschärften Bedingungen im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Die Kripo bezeichnete ihn als "ausgekochten" und "verlogenen" Menschen, weil er nur in einem Fall zu einem Geständnis zu bewegen war. Nun wurde er in Untersuchungshaft genommen und am 31. August vor dem Landgericht Hamburg wegen Vergehens nach Paragraph 175 und im Fall des Kurt Reichert versuchten Verbrechens nach Paragraph 175a Ziffer 3 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die Strafe verbüßte er im Männergefängnis Fuhlsbüttel.

Seine Mutter schrieb während der Haft mehrere Gnadengesuche an die Staatsanwaltschaft. Die Gefängnisleitung bescheinigte ihrem Sohn zwar eine gute Führung, sah aber keine wirkliche Reue und lehnte die Gesuche sämtlich ab.

Mitte Juni bzw. Juli 1939 wurden Wilhelm Dose und Woldemar Preussner jeweils nach vollständiger Verbüßung ihrer Strafzeiten aus dem Gefängnis Fuhlsbüttel entlassen. Auf Vermittlung von Wilhelm Dose, der ein Zimmer in der Lübecker Straße 72 zur Untermiete nahm, erhielt Woldemar Preussner eine Anstellung im Betrieb von Eugen Ziebert, dem SS-Sturmführer und Wirt des nahe gelegenen "Lübschen Baum" an der Ecke zur Güntherstraße, und zog Mitte August zu ihm in sein Zimmer.

Am 28. August 1939 berichteten zwei 14-jährige Hitlerjungen auf Veranlassung ihrer Eltern der Polizei, dass sie auf dem Wandsbeker Pflaumenmarkt von zwei Männern angesprochen worden seien, von diesen Schokolade und Pralinen geschenkt bekommen und sich einen Tag später für ein Kinobesuch verabredet hätten. Die Jungen hielten die Männer für ausländische Spione. Zum verabredeten Zeitpunkt nahm die Wandsbeker Gestapo diese zwei Männer fest, die als Wilhelm Dose und Woldemar Preussner identifiziert und dem 24. Kriminalkommissariat übergeben wurden.

Beide wurden im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert und umfangreichen Verhören unterzogen. Unter diesem Druck belastete Woldemar Preussner seinen Freund durch das Geständnis gemeinsamer sexueller Handlungen schwer. Zudem gab er auch die Absicht zu, dass sie die Jungen eventuell verführen wollten, wobei er zunächst Wilhelm Dose als treibende Kraft darstellte. Dieser wiederum versuchte, die belastenden Aussagen durch eine Erpressungsanzeige gegen Woldemar Preussner zu entkräften. Nach weitgehenden Geständnissen von beiden kamen Wilhelm Dose am 5. und Woldemar Preussner am 6. September 1939 in reguläre Untersuchungshaft.

Wilhelm Dose wurde wegen Erregungszuständen und Tobsuchtsanfällen kurz nach der Überstellung in die Untersuchungshaft über das dortige Zentrallazarett als nicht haftfähig erklärt und nun zum zweiten Mal in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn eingewiesen. Dort berichtete er, dass er im KZ Fuhlsbüttel als "Schweinehund" tituliert und erheblich unter Druck gesetzt worden sei. Der Arzt Wigand Quickert beschrieb ihn in einem psychiatrischen Gutachten als "hemmungslos", "gemeingefährlich" und "große Gefahr für die Jugend" und befürwortete "Sicherungsverwahrung" für Wilhelm Dose.

Am 15. November 1939 wurde zunächst Woldemar Preussner vor dem Landgericht Hamburg wegen seiner sexuellen Beziehung zu Wilhelm Dose nach Paragraph 175 und wegen der versuchten Verführung eines 14-jährigen Jungen nach Paragraph 175a Ziffer 3 zu einer zweijährigen Zuchthausstrafe abgeurteilt. Nach denselben Paragraphen und vor demselben Gericht wurde Wilhelm Dose am 8. August 1940 zu einer dreijährigen Zuchthausstrafe und – strafverschärfend nach Paragraph 20a StGB – zudem als "gefährlicher Gewohnheitsverbrecher" verurteilt. Deshalb sollte er im Anschluss an seine reguläre Strafdauer in "Sicherungsverwahrung" genommen werden, ihm wurde eine "freiwillige Entmannung" empfohlen. Seine Revision gegen dieses Urteil wurde im November 1940 verworfen.

Woldemar Preussner kam am 5. Dezember 1939 aus der Untersuchungshaft zunächst in das Zuchthaus Fuhlsbüttel, am 15. Januar 1940 dann in das emsländische Strafgefangenenlager III, Brual-Rhede bei Aschendorf. Vom 17. Juni bis 5. Oktober 1940 befand er sich wegen des Prozesses gegen Wilhelm Dose wieder im Hamburger Untersuchungsgefängnis, um dann zurück in das Emslandlager, am 21. November 1940 in das dortige Strafgefangenenlager I, Börgermoor, und am 2. Februar 1941 ins Zuchthaus Bremen-Oslebshausen zu wechseln. Nach Ende seiner regulären Haftzeit, am 1. September 1941, kam er in "Vorbeugungshaft" in das Polizeigefängnis Hamburg-Hütten.

Wie vielen Leidensgenossen auch, war ihm und seinen Angehörigen die dramatische Lage einer drohenden Einweisung in ein Konzentrationslager offensichtlich bewusst. Wieder schrieb seine Mutter ein Gnadengesuch an die Staatsanwaltschaft und zuletzt auch "An den Reichskanzler und Führer Herrn Adolf Hitler" in Berlin. Auch Woldemar Preussner selbst bat um Begnadigung und Wiederherstellung seiner Wehrwürdigkeit, um sich an der Front als Soldat und "guter deutscher Staatsbürger" beweisen zu können. Nach Ablehnung der Gnadengesuche wurde er offensichtlich in das KZ Neuengamme überstellt.

In einer heute als fingiert anzusehenden, standesamtlichen Sterbeurkunde wird der Tod des 26-jährigen Mannes im Hauptlager für den 25. Juni 1942 an "Versagen von Herz und Kreislauf nach Myocarditis" "dokumentiert". Nach neuesten Forschungen ist jedoch anzunehmen, dass er noch in die Tötungsanstalt Bernburg überstellt wurde und dort bereits am 31.Mai 1942 oder Anfang Juni 1942 mit Gas ermordet wurde. Diese Umstände waren zum Zeitpunkt der Herstellung des Stolpersteins noch nicht bekannt, der zudem das falsche Sterbedatum "25.10.1942" trägt.

Wilhelm Dose wurde aus der Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis am 29. November 1940 zur Strafverbüßung in das Zuchthaus Bremen-Oslebshausen überstellt, wo er am 2. Dezember seine Strafe antrat. Seit spätestens 15. Oktober 1941 befand er sich im Zuchthaus Dreibergen-Bützow, wo er ein Gesuch auf "freiwillige Entmannung" in der Hoffnung stellte, danach auf dem Gnadenwege vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden. Im Februar 1942 forderte er eine Zusicherung, nach Durchführung der Entmannung die "Sicherungsverwahrung" nicht zu vollstrecken. Dies wurde vom Hamburger Staatsanwalt Nicolaus Siemssen mit der Bemerkung abgelehnt, "er verkennt seine Lage durchaus, wenn er meint ‚Vergleichsverhandlungen‘ führen zu dürfen. Ich bitte Dose zu belehren, daß seine Aussichten, aus der Sicherungsverwahrung ohne Entmannung jemals entlassen zu werden, voraussichtlich sehr gering sind".

Daraufhin zog Wilhelm Dose im März 1942 seinen Antrag zurück. Am 25. August 1942 stellte das Anstaltslazarett in Dreibergen-Bützow Wilhelm Doses Haftunfähigkeit wegen "Geistesstörung" fest und wollte ihn in eine "Heil- und Pflegeanstalt" überstellen. Dazu kam es nicht mehr, denn Wilhelm Dose starb im dortigen Lazarett am 31. August 1942 im Alter von 40 Jahren.

In Wilhelm Doses Adressbuch, das die Kripo beschlagnahmt hatte, stand ein Gedicht, das ihm ein "Erich" am Neujahrstag 1933 gewidmet hatte:
So viel Blumen der Acker trägt,
so viel Schläge, die Liebe verträgt.
Schwer ist das Leben zu zwei,
aber noch schlimmer, ist es einsam und allein
Wenn alle Felsen brechen
Und der Himmel stürzte ein
Halte ich mein Versprechen
Dir ewig treu zu sein.

Stand: Mai 2016
© Bernhard Rosenkranz (†)/Ulf Bollmann

Quellen: AB Hamburg 1938 und 1942; StaH, 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 c und Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 d; 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 8739/38, 9830/38, 11068/39 u. 123/41; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferung, 13, sowie Signatur 13690 u. 23829; 332-5 Standesämter, 10715 (darin Eintrag Nr. 620); 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Ablieferung 1995/2, 25464; Jan-Henrik Peters: Verfolgt und vergessen : Homosexuelle in Mecklenburg und Vorpommern im Dritten Reich. Koch, Rostock 2004, S. 236–241 [Diese Arbeit zu W. Dose basiert vor allem auf einer Gefangenenpersonalakte des Landeshauptarchivs Schwerin, Bestand Landesstrafanstalt Dreibergen-Bützow, sonstige Gefangene, Nr. 824, mit weiteren Abbildungen Doses]; B. Rosenkranz/U. Bollmann/G. Lorenz: Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg 1919–1969. Verlag Lambda Edition, Hamburg 2009, S. 206–207, 246.

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