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Bereits verlegte Stolpersteine



Margarethe Kron
© Privatbesitz

Margarethe Krohn * 1895

Rantzaustraße 94 (Wandsbek, Marienthal)


HIER WOHNTE
MARGARETHE KROHN
'COHN'
JG. 1895
DEPORTIERT 1941
RIGA
???

Weitere Stolpersteine in Rantzaustraße 94:
Ida Krohn

Ida Krohn (Cohn), geb. Scheuer, geb. 29.8.1858, verstorben am 16.6.42 in Hamburg
Margarethe Krohn (Cohn), geb. 30.12. 1895, deportiert am 6.12.1941 nach Riga

Rantzaustraße 94 (Löwenstraße 48)

Die beiden Frauen, von denen dieses Kapitel berichtet, waren Verwandte einer in Wandsbek bekannten und angesehenen Familie, nämlich Schwiegermutter und Schwägerin des Pastors Bernhard Bothmann, der an der Wandsbeker Kreuzkirche amtierte.

Margarethe Sophie Auguste Krohn wurde am 30. Dezember 1895 in Oldesloe geboren als Tochter des (Bank-)Kaufmanns Julius Cohn und seiner Ehefrau Ida, geb. Scheuer. Die seit 1884 verheirateten Eheleute hatten vier Kinder, außer Margarethe u.a. noch ihre ältere Schwester Emmy (1886–1979). Die Familie gehörte der christlichen Konfession an.

Am 14. September 1897 meldete sich Julius Cohn von Hamburg kommend in der damaligen Löwenstraße 48 in Marienthal an; eine Woche später zog auch seine Familie aus Oldesloe nach. Die Wandsbeker Episode endete mit dem Tod des Ernährers Julius Cohn am 14. Februar 1904. Ende März d.J. meldete sich seine Witwe nach Hamburg ab und zog mit den Kindern nach Eilbek in die Papenstraße 99 I.

Die Tochter Emmy Cohn wurde Lehrerin und unterrichtete an der Privatschule Hübner in Wandsbek, bis sie 1913 den Pastor Bernhard Bothmann heiratete, mit dem sie vier Kinder hatte.

Ihre Schwester Margarethe lebte mit der Mutter zusammen, blieb unverheiratet und kinderlos. Sie war als Kontoristin tätig und verdiente den Lebensunterhalt nicht nur für sich, sondern unterhielt auch die Mutter.

Sei es, um Berufsmöglichkeiten zu verbessern, sei es, um unbehelligter in der Nachbarschaft leben zu können und Diskriminierungen zu entgehen: Die Familie hatte ihren Namen ändern lassen, wofür generell die Standesämter zuständig waren. Fortan nannten sie sich Krohn. Die Änderung jüdisch klingender Familiennamen erfolgte nach bestimmten Vorgaben. Danach sollten die neuen Namen möglichst indifferent sein – und nicht spezifisch christliche –, was beides auf den Namen Krohn zutrifft. Der Zeitpunkt der Umbenennung ist unklar, allerdings muss er auf jeden Fall vor 1933 erfolgt sein. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme kam der Wechsel zu einem "unverdächtigen" Namen den Betroffenen zwar weiterhin zugute, doch die Vorteile wurden spätestens am 1. Januar 1939 wieder aufgehoben: "Juden" waren nun verpflichtet, die zusätzlichen Vornamen Sara oder Israel im Rechts- und Geschäftsverkehr stets zu führen. Damit war ihre "volljüdische" Herkunft wieder erkennbar.

Doch wie das Beispiel der Familie Bothmann zeigte, garantierte nicht einmal ein christlicher Ehemann bzw. Vater den Schutz vor einer Verfolgung, wenn dieser als Pastor mit einer "Jüdin" verheiratet war. Bothmann wurde aus seinem Amt gedrängt, weil er sich von seiner Frau Emmy nicht scheiden lassen wollte, so dass sich die Familie schließlich gezwungen sah, Wandsbek zu verlassen. Die Bothmann-Tochter Ingeborg stand als "Mischling ersten Grades" unter der Aufsicht der Gestapo und durfte ihren nichtjüdischen Verlobten nicht heiraten. Die Tatsache, dass sie schwanger war, sprach aus Sicht der Gestapo nicht für eine Eheschließung, sondern wies auf unerlaubte sexuelle Beziehungen hin, obwohl das Verbot der "Rassenschande" für "Mischlinge" eigentlich nicht galt. Die andere Tochter Ruth, die an einer Tanzveranstaltung in Wandsbek teilgenommen und Kontakte zu einem "Arier" hatte, musste daraufhin eine Nacht in einem Gefängnis verbringen.

In den Jahren 1937 und 1938 lebten Ida und Margarethe Krohn in Eilbek in der Kibitzstraße. Sie wohnten dort im Erdgeschoss der Nr. 10 und waren als "Witwe Ida Krohn" und "Frl. M. Krohn", von Beruf Kontoristin, eingetragen.

1940 wurde auch die nahezu mittellose Ida Krohn von der Devisenstelle erfasst. Vorausgegangen war eine Mitteilung der Reichsschuldenverwaltung Berlin an die Devisenstelle Berlin. Daraus erfahren wir, dass sie eine "Vorzugsrente" in Höhe von 165 RM pro Jahr erhielt. Eine Mitteilung darüber ging an die Devisenstelle Hamburg, um zu klären, ob die Summe an die "Gläubigerin Krohn" oder auf ein Sicherungskonto zu zahlen wäre. Am 14. November erließ die Devisenstelle eine Sicherungsanordnung und schickte einen Fragebogen an Ida Krohn, die inzwischen in Winterhude in der Flüggestraße 14 II. bei Sommer gemeldet war. Sie wurde aufgefordert, den Fragebogen auszufüllen und auf dem Postwege einzureichen. "Persönliche Vorsprachen sind zwecklos." Auf dem Fragebogen war notiert: "keine Guthaben/Vermögen, eine Kriegsanleihe, aufgewertete Vorzugsrente 165 RM/ Jahr". Der Passus war mit "Ida Sara Krohn” unterschrieben.

Am unteren Bogenrand hatte ihre Tochter einen handschriftlichen Zusatz hinzugefügt: "Meine Mutter steht im 83. Lebensjahr und hat sie außer der obigen Rente keine weitere Einnahme. Den Lebensunterhalt bestreite ich, Margarethe Sara Krohn, für sie und gelte auch als Haushaltungsvorstand."

Von der Flüggestraße erfolgte noch ein weiterer Umzug: in die Bundesstraße 43, ein sogen. Judenhaus. Für Margarethe Krohn war es der letzte Wohnungswechsel innerhalb Hamburgs.
Dann kam der Tag im Dezember 1941, als Pastor Bernhard Bothmann seine Schwägerin Margarethe von der Bundesstraße zum Sammelplatz an der Moorweide begleitete. Hier hatten sich Ende Oktober bereits andere Verwandte zur Deportation nach Lodz einfinden müssen: die in Hamburg-Hamm wohnhaften Ärzte Max und Else Rosenbaum, ihre Tochter Marianne und deren Ehemann Manfred Rendsburg. Eine weitere Tochter der Rosenbaums, Gertrud Sachs, wurde mit ihrem Ehemann Julius nach Auschwitz deportiert (vergleiche die Broschüre Stolpersteine in Hamburg-Hamm). Margarethe Krohn musste Hamburg am 6. Dezember 1941 verlassen. Sie war knapp 46 Jahre alt.

Ruth Bothmann hat die folgende Erinnerung an ihre Tante überliefert: "Tante Grete hatte einmal gesagt, wenn ‚die‘ mich holen, springe ich aus dem Fenster. Aber sie ist nicht gesprungen. Sie ist in Hamburg auf der Moorweide in einen Transport gekommen. Das letzte Lebenszeichen von ihr war eine Postkarte, die sie aus dem fahrenden Güterzug in Wandsbek aus dem Fenster geworfen hat. Als uns damals die Karte gebracht worden ist, habe ich meinen Vater, der immer Trost wusste und voller Gottvertrauen war, bitterlich weinen sehen."

Tatsächlich haben einige Deportierte frankierte Postkarten an ihre Angehörigen oder Freunde aus dem Zug geworfen, die Eisenbahnpersonal oder Passanten in Postkästen steckten.

Die Begebenheit war innerhalb der Familie lange unklar geblieben, weil man sich fragte,
warum ein Zug nach Riga Wandsbek passiert haben sollte. Da er aber – nach späteren Forschungserkenntnissen – über Bad Oldesloe geleitet wurde, um dort die bereits wartenden Ahrensburger Juden aufzunehmen, wird das Ereignis nachvollziehbarer.

Am 9. Dezember erreichte der Zug mit den etwa 750 Hamburgern und den Deportierten aus Bad Oldesloe Riga, genauer gesagt, das Gut Jungfernhof, wo die Neuankömmlinge unter erbärmlichsten Bedingungen untergebracht wurden. Dort verliert sich Margarethe Krohns Spur.

Der Hinweis hinsichtlich der Namensänderung stammt von Familienangehörigen. Ohne ihn hätte man keine Verbindung zwischen Margarethe Cohn und der im Deportierten-Gedenkbuch aufgeführten Margarethe Krohn herstellen und folglich auch keinen Stolperstein für sie verlegen können.

Über Ida Krohn hatte ihre Enkelin Ingeborg Bothmann in ihren Erinnerungen geschrieben: "Meine Mutter holte Oma oft sonntags und zu den Festtagen nach Wandsbek. Oma war bereits 80 Jahre alt. Wenn meine Mutter sich mit ihr in die Straßenbahn setzte, wurde Oma, die einen ‚Judenstern‘ tragen musste, vom Schaffner aufgefordert, auf dem Perron zu stehen. Juden durften in der Bahn nicht sitzen!" Den entsprechenden Erlass der Gestapo musste der Jüdische Religionsverband im März 1942 bekannt geben.

Obwohl Ida und Margarethe Krohn sich nicht als Juden betrachteten und der jüdischen Gemeinde nicht angehörten, verbrachten sie die letzte Zeit ihres Lebens in sogen. Judenhäusern bzw. jüdischen Einrichtungen. Ida Krohn überlebte die Deportation ihrer Tochter um etwa ein halbes Jahr. Von der Bundesstraße 43 war sie ins jüdische Altersheim Schäferkampsallee 29 verlegt worden, wo sie am 16. Juni 1942 starb. Und weil sie dort versorgt wurde, hat man eine Karteikarte angelegt über Ida Emilie Sara Krohn, geb. Scheuer, geb. am 29. August 1858 in Düsseldorf, und sie so auch verwaltungsmäßig zurückgeführt in den Kreis der jüdischen Hamburger. Ihrer Schicksalsgemeinschaft hatte sie in all den Jahren der Ausgrenzung und Verfolgung ohnehin angehört – bis zu ihrer Beerdigung, als der Familie die Benutzung der Friedhofskapelle auf dem Ohlsdorfer Friedhof verboten wurde.

Wäre Ida Krohn nicht in Hamburg verstorben, hätte man sie vermutlich einen Monat später nach Theresienstadt deportiert. Das dürfte ihr durchaus bewusst gewesen sein, war es doch ein offenes Geheimnis, dass alte Leute für eine Deportation ins "Altersgetto Theresienstadt" vorgesehen waren. Zwar starb Ida Krohn letztlich eines "natürlichen" Todes in Hamburg, doch ein NS-Opfer war sie allemal. Deshalb wurde auch für sie ein Stolperstein verlegt.

© Astrid Louven

Quellen: 1; 2 R 1940/655; StaHH 522-1 JG 992 l; StaHH 332-8 Meldewesen K 7426; AB 1913 VI, AB 1920 VI, AB 1924 II, AB 1931 II, AB 1937 II, AB 1938 II, AB 1941; Ruth Kupfer, geb. Bothmann, Erinnerungen um 1990 (Manuskript Privatbesitz); Ingeborg Lohmann, geb. Bothmann, Erinnerungen um 1985 (Manuskript Privatbesitz); Auskunft von Petra Kupfer Januar 2008; Hans-Dieter Loose, Wünsche, in: Peter Freimark/Alice Jankowski/Ina S. Lorenz (Hrsg.), Juden, S. 58–80; Astrid Louven, Juden, S. 177ff, S. 185; Martina Moede, Geschichte, S. 378–379.

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