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Bereits verlegte Stolpersteine



Jacob Benjamin * 1882

Schlüterstraße 63 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
JACOB BENJAMIN
JG. 1882
DEPORTIERT 1941
MINSK
???

Weitere Stolpersteine in Schlüterstraße 63:
Henny Brummer, Leo Brummer, Ruth Brummer, Hans Brummer, Irma Rosel Brummer, Hermann Jacobsohn, Alexander Jutrosinski, Helene Kalmann, Dr. Hilda Kaufmann, Jenny Kaufmann, Levy Wolf, Rosa Zinner

Bonnette Benjamin, geb. Lyon, geb. am 27.5.1886 in Hamburg, deportiert nach Lodz am 25.10.1941, vermutlich deportiert nach Chelmno am 7.5.1942
Jacob Salomon Benjamin, geb. am 8.3.1882 in Friedrichshof/Ostpreußen, deportiert nach Minsk am 8.11.1941

Ottersbekallee 27 / Schlüterstraße 63, Rotherbaum

Vor dem Haus Ottersbekallee 27 liegen Stolpersteine für Bonnette Benjamin, geb. Lyon, und Jacob Benjamin. Beide hatten hier gewohnt, sich allerdings, als sie unabhängig voneinander deportiert und ermordet wurden, bereits getrennt, so dass sie nicht mehr als Ehepaar zusammenlebten.

Bonnette Benjamin war die Tochter des Holzhändlers Elias (Nenn-Name* Emil) Lyon und seiner Frau Hilde (Gilda), geb. Cronheim. Der Vater stammte vermutlich aus Michelstadt in Hessen. In Hamburg lebte auch Emil Lyons Schwester Bonnette Goldschmidt, geb. Lyon, nach der er seine erste, 1886 geborene Tochter vermutlich benannte. Bonnette Benjamins Eltern wohnten damals in der Kieler Straße 75 an der Grenze zu Altona. Ein Jahr später kam die Tochter Martha (später verheiratete Wagschal) zur Welt, aber kurz nach deren Geburt starb die Mutter – vermutlich im Kindbett – und der Vater war mit den beiden kleinen Mädchen allein. Zum Andenken an seine Frau ließ er für seine Tochter Martha den zusätzlichen Vornamen Gilda eintragen. Emil Lyon ging dann eine zweite Ehe mit Recha (Rahel) Meyer ein, in der in kurzen Abständen mindestens fünf weitere Kinder geboren wurden. Das waren Erika Sara (geb. 1890, verheiratete Rülf), Gertrud (geb. 1891, verheiratete Nathan), Leo (geb. 1893), Erna (geb. 1895) und Toni (geb. 1898). Die Familie wohnte dann zunächst in St. Pauli in der Wilhelminenstraße 68 und später, als sie sich weiter vergrößert hatte, in der Hallerstraße 23.

Jacob Benjamin war der Sohn von Moses und Mathilde Benjamin, geb. Moritz. Sein Geburtsort in Masuren heißt heute Rozogi. Seit 1900 war er in Hamburg ansässig.

Bonnette Lyon und Jacob Benjamin heirateten am 4. August 1911. Jacob wohnte damals in der Mendelssohnstraße 8, Bonnette bei ihren Eltern in der Schlüterstraße 84. Trauzeuge war der Kaufmann James Cronheim, womöglich ein Onkel der Braut. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, die Söhne Maximilian (geb. 1913) und Leonhard (geb. 1916). Im Juni 1918 erwarben Bonnette und Jacob Benjamin für sich und ihre Söhne die Hamburgische Staatsangehörigkeit.

Jacob Benjamin ließ sich am 4. Juli 1921 beim Amt für Wirtschaftsordnung als selbstständiger Gewerbetreibender, und zwar als Kaufmann und Fabrikant für Konfitüren und Schokolade, registrieren. Etwa ab 1930 arbeitete er als selbstständiger Handelsvertreter für Felle, Rauchwaren und Pelzkonfektion und vertrat Firmen aus Leipzig, Schönau und Breslau. Sein Kontor hatte er am Neuen Wall 72 im Ballinhaus, später in der Alten Steinstraße. Er unternahm viele Reisen ins Ausland, hauptsächlich nach Skandinavien, und verkaufte bzw. exportierte Seal, Kanin und Pelzkonfektion nach Stockholm und Kopenhagen.

Seine Einkünfte waren vermutlich gering. Ab 1930 veranlagte ihn das Finanzamt nicht mehr zur Zahlung von Kultussteuern. Sein Verdienst lag somit unter dem steuerpflichtigen Einkommen. Ab Mitte 1938 war ihm infolge der nationalsozialistischen Verfolgung die Ausübung seines Berufs nicht länger möglich. Aus der Devisenakte seiner Ehefrau, von der er getrennt lebte, geht hervor, dass diese zum Lebensunterhalt 100 Reichsmark (RM) monatlich beisteuerte, da er zumindest ab Dezember 1938 lediglich auf eine Kriegsbeschädigtenrente von 29,60 RM monatlich angewiesen war. Jacob Benjamins letzte Wohnadresse war die Schlüterstraße 63. In der Kultussteuerkartei der Gemeinde sind als weitere Adressen nach der Ottersbekallee 27 die Schäferkampsallee 18 IV und Grindelberg 1 angegeben. In der Schäferkampsallee 18 hatte er um 1933 noch zusammen mit seiner Frau Bonnette gewohnt. Einen Eintrag unter dieser Adresse existierte im Fernsprechbuch bis 1938. In der Heiratsurkunde findet sich ein Vermerk zu den Zwangsnamen vom 19. Dezember 1938. Hier ist für die Eheleute die Adresse Klosterallee 78 vermerkt. Vermutlich wohnte dort aber nur Bonnette Benjamin, während Jacob Benjamin in der Schäferkampsallee 18 wohnte. Am 8. November 1941 wurde Jacob Benjamin zusammen mit 967 anderen Hamburger Juden mit dem zweiten Ham­burger Transport nach Minsk deportiert.

Bonnette Benjamin scheint vermögender gewesen zu sein als ihr Ehemann. Als Jüdin wurde sie jedoch vom Staat ausgeplündert. Im Dezember 1938 wurde eine "Sicherungsanordnung" gegen sie erlassen. Sie war verpflichtet, die Judenvermögensabgabe zu zahlen, Schmuck- und Silberwaren mussten an die Öffentliche Ankaufsstelle Gothenstraße abgeliefert werden. Zusammen mit vier ihrer fünf Schwestern besaß sie Grundstücke in der Schlüterstraße 84 und in der Stresowstraße 69/77 im Billwärder Ausschlag. Über Bargeld verfügte sie nicht. Wie alle, deren Konten unter "Sicherungsanordnung" standen, musste sie das Geld für die monatlichen Ausgaben beantragen. Obwohl sie von ihrem Ehemann getrennt lebte, unterstützte sie ihn. 1942, nach ihrer Deportation, wurde das restliche Vermögen vom Staat eingezogen.

Im Januar 1938 hatte Bonnette Benjamin einen schweren Unfall erlitten. Der Fahrer eines Taxis, das sie angefahren hatte, beging Fahrerflucht. Sie erlitt einen Schädel- und einen Oberarmbruch. Ihren Mut verlor sie nicht, leitete ihre Auswanderung nach England in die Wege und lernte Englisch. Vielleicht hoffte sie, mit ihrer Halbschwester Erna in England leben zu können. Auf einem Fragebogen aus dem April 1940 gab sie an, sie habe die Wartenummer 7477. Sie dachte, dass sie nicht mehr lange auf ihre Ausreise warten müsse. Aber es war Krieg, und England nahm keine deutschen Juden mehr auf. Auf der Deportationsliste ist bei Bonnette Benjamin als Beruf "Kleberin" eingetragen. Vermutlich musste sie Zwangsarbeit leisten. Ihre letzte Adresse war Parkallee 84 I. Sie wohnte dort zur Untermiete bei Elisabeth Gorden, geb. Wolfers. Elisabeth Gorden beherbergte mehrere Untermieter vor deren Deportation. Bonnette Benjamin gehörte zu den Menschen, die gleich mit dem ersten großen Transport aus Hamburg nach Lodz deportiert wurden. Auf der Deportationsliste ist ihre Adresse mit Parkallee 94 angegeben. Das könnte aber auch ein Schreibfehler sein.

In Lodz erhielt sie im Mai 1942 die Aufforderung zur "Aussiedlung", d. h. zur Deportation ins Vernichtungslager Chelmno, und schrieb daraufhin einen Antrag auf Rückstellung. Als sie diesen Brief schrieb, lebte sie in der Zimmerstraße 6, Wohnung 8. Wie am Stempel ODMOWA ersichtlich ist, wurde der Antrag abgelehnt, vermutlich weil sie keinen richtigen Arbeitsplatz nachweisen konnte. In ihrem Antrag hatte sie geschrieben "Ich bin gesund und arbeitsfähig, bin im Besitze der Arbeitslegitimation des Arbeitsamtes, da ich mich ständig um Arbeit bemühe." Es ist davon auszugehen, dass Bonnette Benjamin mit den meisten anderen Hamburgern am 7. Mai 1942 nach Chelmno abtransportiert und ermordet wurde.

Beide Söhne von Bonnette und Jacob Benjamin überlebten die Verfolgung. Maximilian emigrierte nach Palästina, nachdem er vorher zwei Jahre in Holland auf Hachschara gewesen war. Leonhard lebte in den 1960er Jahren auf den Philippinen. Allerdings existiert auf der Heiratsurkunde von Jacob und Bonnette Benjamin ein Vermerk, nach dem der Sohn Leonhard für tot erklärt worden sei. Als Zeitpunkt des Todes wurde der 31. Dezember 1944 angegeben. Vermutlich beruhte diese Angabe auf einer Falschinformation. Leonhard Benjamin ist nicht im Gedenkbuch verzeichnet.

Von den sechs Geschwistern Bonnette Benjamins haben vielleicht der Bruder Leo und die Schwester Erna Lyon überlebt. Von Leo gibt es keine Spur. Im Geburtsregister gibt es zu ihm keinen Randvermerk mit dem Zwangsnamen, was bedeuten könnte, dass er ausgewandert oder verstorben war. Erna war Psychologin. Anfang der 1920er Jahre war sie in Berlin promoviert worden und lebte später in England. Martha, verheiratete Wagschal, wurde von Hamburg aus am 8. November 1941 nach Minsk deportiert, zusammen mit ihrem Ehemann, dem Holzhändler Louis Wagschal (geb. 1882 in Montabaur). Wagschals wohnten damals in der Hansastraße 57 II bei Wolf. Erika wurde am 15. Juni 1942 von Köln nach Theresienstadt deportiert und starb im Getto Minsk. Gertrud und Toni wurden aus Westerbork in den Niederlanden nach Auschwitz und Sobibor deportiert. Toni war vor ihrer Flucht in die Niederlande in der Jüdischen Gemeinde in der Heimhuderstraße 70 als Kindergärtnerin und Lehrerin tätig gewesen.

© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; 2 (R1938/3501; R1940/1011); 4; 5;8; StaH 232-1, D14; StaH 332-5 Standesämter, 2128 und 2605/1886; StaH 332-5,8675 und 238/1911; StaH 332-5, 228 + 3156/1887; StaH 332-5, 2133 und 5171/1886; StaH 332-5, 2262 und 5252/1891; StaH 332-5, 9144 und 1419/1898; StaH 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, B III + 142053; StaH 351-11 AfW AZ 080382; StaH 361-2 II, Abl. 2007/1, 171; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992e2 Deportationsliste; USHMM, 299/281; HAB II 1928, 1937, 1939, 1942; Hamburger Fernsprechbücher; Peter Offenborn, Jüdische Jugend, S. 331, 686.

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