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Bereits verlegte Stolpersteine



Charlotte Rappolt um 1920
© Privatbesitz

Charlotte Rappolt (geborene Ehrlich) * 1878

Leinpfad 58 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
CHARLOTTE RAPPOLT
GEB. EHRLICH
JG. 1878
ENTRECHTET / GEDEMÜTIGT
FLUCHT IN DEN TOD
6.3.1941

Weitere Stolpersteine in Leinpfad 58:
Fritz Rappolt, Franz Max Rappolt

Charlotte Rappolt, geb. Ehrlich, geb. 14.1.1878 in Breslau, Suizid am 6.3.1941 in Hamburg

Charlotte "Lotte" Rappolt, geb. Ehrlich stammte aus einer wohlhabenden Breslauer Kaufmannsfamilie. Ihre Eltern waren der gebürtige Breslauer Eugen Ehrlich (1847–1914) und Wanda Ehrlich, geb. Cohn. Der Vater war Mitinhaber der 1846 gegründeten Fabrik und Exportfirma Herz & Ehrlich (Breslau) für Metall-, Eisen- und Stahlwaren, Haus- und Küchengeräte, landwirtschaftliche Geräte und Maschinen, Telegraphen- und Telephon-Anlagen, Laternen, Gartenmöbel, Eisschränke, Öfen, Kochherde, Fahrrad-Artikel etc. Die Firma war von seinem Vater Julius Ehrlich (verheiratet mit Mathilde geb. Auerbach) mitgegründet worden. Der Firmensitz am Blücherplatz 1 (heute Plac Solny) lag in direkter Nähe von Börse und Rathaus. Im Keller, Parterre und 1. Stock des Hauses hatte die Firma ihre Räume, im 2. Stock wohnte der Firmengründer und Hauseigentümer Julius Ehrlich; nach dessen Tod wurde die Wohnung ebenfalls von der Firma genutzt. Eugen Ehrlichs Bruder, Fritz Ehrlich, war Mitinhaber von Herz & Ehrlich sowie Vize-Consul von Brasilien. Anlässlich des 50-jährigen Firmenjubiläums von Herz & Ehrlich wurde 1896 eine Erinnerungsmedaille in Auftrag gegeben, vier Jahre später wurde eine Medaille zur Silberhochzeit von Eugen Ehrlich und Wanda Ehrlich geb. Cohn geprägt.

Entsprechend ihrer gesellschaftlichen Stellung als Fabrikantentochter erhielt Charlotte neben einer guten schulischen Ausbildung auch Klavier- und Geigenunterricht bei Musiklehrer Bandler. So sehr sie Musik schätzte, so wenig konnte sie sich allerdings für Bälle begeistern. Um 1895 zog Familie Ehrlich von der Tauentzienstraße 81 (heute ul. Tadeusza Kosciuszki) in den fast parallel dazu verlaufenden, nur einseitig bebauten Schweidnitzer Stadtgraben 16 (heute ul. Podwale). Die neu angemietete Parterrewohnung in dem zweigeschossigen Haus des Rittergutbesitzers Cohn lag an der Grenze von historischem Stadtzentrum und der vornehmen, südlich angrenzenden Schweidnitzer Vorstadt, ganz in der Nähe von Neuer Synagoge (1872 erbaut, 1938 zerstört) und Stadttheater (1841 eröffnet, heute Opernhaus). Den Anfang des Straßenzuges, an der Ecke zum Berlinerplatz gelegen, prägten staatliche Gebäude wie der Infanterie-Kaserne (Nr. 1), das Landgericht mit Gefängnisanstalt (Nr. 2/3) und das Amtsgericht (Nr. 4). Charlotte hatte eine ältere Schwester, Margarethe "Grete" (geb. 18.5.1876) und zwei jüngere Brüder, Martin (geb. 20.10.1880) und Wilhelm. Martin Ehrlich führte die Firma Herz & Ehrlich nach dem Tod seines Vaters 1914 als Alleininhaber weiter.

Im Januar 1899 lernte Charlotte Ehrlich den Hamburger Kaufmann Franz Rappolt (siehe dort) kennen, als dieser in Vertretung für seinen Bruder Paul Rappolt eine Geschäftsreise nach Breslau unternahm. Franz Rappolt war zu dieser Zeit Leiter der Berliner Filiale der väterlichen Bekleidungsfirma Rappolt & Söhne (Hamburg). Neben den geschäftlichen verbanden ihn aber auch familiäre Kontakte mit Breslau, stammte doch seine Mutter Louise Rappolt,geb. Herz (1839–1911, Eltern: Kaufmann Hinrich Herz und Ernestine Herz, geb. Schlesinger) von dort. 1863 war sie nach ihrer Heirat 1863 nach Hamburg gezogen. Über sie und ihre Eltern kannten auch die Ehrlichs sowie die Firma Herz & Ehrlich. Im Mai 1899 traf man sich wieder in Berlin; am 11. Oktober 1899 fand die Heirat der 21-jährigen Charlotte Ehrlich und des 29-jährigen Franz Rappolt in Breslau statt. Auf der stilvollen Hochzeitsfeier wurden Gedichte nach Melodien aus der Operette "Die Fledermaus" von Johann Strauß (Sohn) vorgetragen und gesungen. Und Onkel Fritz Ehrlich gab mit Ehefrau Hulda einen launigen und fiktiven Briefwechsel der Schwiegermütter in Reimform zum Besten, der im Breslauer Verlag S. Lilienfeld mit Postkartenmotiven der beiden Städte gedruckt wurde. Das privat gehaltene Gedicht verzichtete auf religiöse und politische Anspielungen. An Bebilderungen waren für Hamburg unter anderem die evangelischen Hauptkirchen St. Nicolai- und St. Catharinen und für Breslau die evangelische Hauptkirche St. Elisabeth ausgewählt; jüdische Symbole oder die Abbildung einer Synagoge finden sich im Heft nicht. Die Hochzeitsreise führte die Jungvermählten nach Wien und Venedig.

Nach der Heirat löste Franz Rappolt seine Wohnung in Berlin-Mitte (Charlottenstraße 22) auf und zog mit seiner Ehefrau in den Stadtteil Tiergarten (Keithstraße 3). Das erste Kind von Franz und Charlotte Rappolt, der Sohn Fritz (geb. 22.8.1900), wurde noch in Berlin geboren. Im Herbst 1903 wechselte Franz Rappolt an den Hamburger Hauptsitz der Firma, während sein jüngerer Bruder Otto Rappolt (siehe dort) nun die Leitung der Berliner Filiale von Rappolt & Söhne übernahm.

In Hamburg bezogen Franz und Charlotte Rappolt für vier Jahre eine Wohnung in der Johnsallee 69 (Rotherbaum). Hier wurden die Söhne Heinz (geb. 1.11.1903) und Ernst (geb. 25.10.1905) geboren. Die drei Söhne wurden gemeinsam am 12. Juli 1906 in der Hamburger Hauptkirche St. Catharinen getauft. Nur zwei Tage vor der Taufe hatte der Vater von Franz Rappolt, Joseph Rappolt (1835–1907), eine große Grabstelle auf dem evangelischen Ohlsdorfer Friedhof erworben, auf der 1907 ein repräsentatives Grabmal für ihn und weitere dreizehn Familienmitglieder errichtet wurde. Die Söhne wurden 1915, 1918 und 1920 in der Kirche St. Johannis (Harvestehude) konfirmiert. Damit befand sich die aufstrebende Familie Rappolt im Einklang mit den Gepflogenheiten der protestantisch-hanseatischen Oberschicht. Welchen Anteil dabei religiöse Überzeugung, Anpassung, Ausgrenzungsängste oder private Kontakte spielten, ist nicht bekannt. In der Wilhelminischen Gesellschaft war die stereotype Behauptung, das Bekenntnis zum jüdischen Glauben sei unvereinbar mit der Identität als Bürger eines deutschen Staates, keine bloße Randerscheinung. Die Frage der alten und der neuen Religion entschieden die Familienmitglieder in den Folgejahren unterschiedlich.

1908 zog die nunmehr fünfköpfige Familie von Franz und Charlotte Rappolt in eine Parterrewohnung in der nahe gelegenen Rothenbaumchaussee 34, wo sie bis 1915 lebten. Waren dies schon "gute" Hamburger Adressen, so konnte die Familie sich noch weiter verbessern: 1914 hatte Franz Rappolt das Grundstück am Leinpfad 58 erworben und den Hamburger Architekten Carl Bensel (1878–1949) mit dem Bau einer repräsentativen Stadtvilla beauftragt, die 1914/15 entstand. Die Hamburger Feuerkasse schätzte den Wert des Gebäudes im September 1915 auf 137.000 Mark. Das 14-Zimmer-Haus besaß fünf Schlafzimmer und war mit Kunstgegenständen geschmackvoll eingerichtet (u. a. Teppiche, Ölgemälde, Barock-Schrank, samtenes Ecksofa, Biedermeier-Schreibtisch). Im Esszimmer stand ein großer ausziehbarer Tisch mit zwölf lederbezogenen Stühlen. Für Hausmusik gab es einen Steinway-Flügel, und Charlotte Rappolt besaß eine wertvolle historische Geige. Auch die Söhne verstanden es, mit Geige, Cello oder Klavier zu musizieren. Für Kammermusik wurden Freunde wie der Verwaltungsinspektor Carl Rocamora (geb. 1890 in Hamburg) eingeladen, der mit Charlotte Rappolt vierhändig Klavier spielte und ab circa 1927 auch in einem Trio spielte. Im Arbeitszimmer des Hausherrn hing ein Bild von Goethe an der Wand. Von seinen Geschäftsreisen brachte er häufig Andenken mit, die nicht immer dem Kunstgeschmack seiner Ehefrau entsprachen – in solchen Fällen wurden sie in einem separaten Schrank verwahrt. Zwei Hausmädchen und eine Köchin besorgten den Haushalt, ein Fahrer, der schon Kutscher beim Vater Joseph Rappolt gewesen war, chauffierte Franz Rappolt im Mercedes zum Firmensitz in die Mönckebergstraße.

Der älteste Sohn Fritz legte im Juni 1918 das Notabitur am gerade gegründeten Kirchenpauer-Realgymnasium in Hamm ab und wurde anschließend zur Militärausbildung eingezogen. Der mittlere Sohn Heinz besuchte von 1912 bis 1921 das Heinrich-Hertz-Realgymnasium am Schlump, absolvierte anschließend eine kaufmännische Lehre bei der Wollhandelsfirma Klöpper (neues Klöpperhaus, Architekt Fritz Höger, Mönckebergstraße 3, heute Kaufhof) und war 1924 bis 1926 bei Hutfabriken in Friedrichsort (Rousselet), Alessandria/ Italien (Borsalino) und Bredbury, Stockport/ England (Joseph Ward Ltd.) tätig. Der jüngste Sohn Ernst besuchte von 1914 bis 1923 die nahegelegene "Gelehrtenschule des Johanneums" in Winterhude, wo er im September 1923 das Abitur ablegte und anschließend an den Universitäten Freiburg/Breisgau, München und Hamburg Jura studierte.

Die älteren Rappolts kehrten in den 1920er Jahren zur Jüdischen Gemeinde zurück: Franz Rappolt wurde ab 1925 als Mitglied der Deutsch Israelitischen Gemeinde Hamburgs geführt. Auf seiner Kultussteuerkartei wurde anfänglich Charlotte Rappolt nur mit dem Vornamen und ohne Geburtsname und Geburtsdatum notiert, die getauften und konfirmierten Kinder tauchten gar nicht auf. Dies lässt vermuten, dass nur Franz Rappolt zur Religion der Vorväter zurückkehrte. Nach 1933 wurden auf seiner Kultussteuerkartei die Kinder nachgetragen und die Angaben zu Charlotte vervollständigt. Franz Rappolts Bruder Otto trat 1927 in die Gemeinde ein, und 1929 folgte auch der Bruder Paul, während dessen Ehefrau Johanna Rappolt geb. Oppenheim (siehe dort) in der evangelischen Kirche blieb (bei ihrer Eheschließung 1898 waren sowohl Paul Rappolt als auch Johanna Oppenheim mit jüdischer Religionszugehörigkeit vermerkt worden).

Mit dem nationalsozialistischen Machtantritt 1933 fand dieses Leben von Familie Rappolt ein jähes Ende. Aufgrund ihrer jüdischen Abstammung zu Gegnern der NS-Diktatur erklärt, wurden sie schrittweise ausgegrenzt, entrechtet und beraubt. Im Juni 1933 schloss die Handelskammer Hamburg ihr Plenumsmitglied Franz Rappolt aus. Der NS-Staat forderte 1938 mit Sondersteuern so enorme Geldsummen von Familie Rappolt, dass diese nur durch den Verkauf der Villa am Leinpfad aufgebracht werden konnten. Auch die Firma und das Geschäftshaus in bester Lage mussten auf Druck der staatlichen Organe 1938/1939 verkauft ("arisiert") werden.

Am 26. Juli 1939 zogen Charlotte und Franz Rappolt in eine Wohnung in der Haynstraße 10. Mit ihnen zogen auch die aus Geesthacht gebürtige Köchin Emma Hillmer (1883–1957) und der Untermieter und enteignete Unternehmer Arthur Hertz (geb. 20.2.1901 in Hamburg) in die neue Wohnung. Seit Februar 1940 wohnte auch das katholische Ehepaar Schroeter als Haushaltshilfe dort, sie hatten vorher in der Oderfelderstraße 14 gewohnt und gearbeitet.

Die beiden jüngsten Söhne von Franz Rappolt verließen Deutschland: Dr. jur Ernst Rappolt, Jurist und Syndikus bei Rappolt & Söhne, hatte am 6. Mai 1933 geheiratet. Am 26. April 1933 war ihm die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen worden. Er reiste im Mai 1938 in die USA aus. Der zweite Sohn, der Kaufmann Heinz Rappolt, der sich bis 1930 im Auftrag von Rappolt & Söhne für längere Zeit in Südamerika aufgehalten hatte, emigrierte im Oktober 1938 nach England. Der älteste Sohn Fritz Rappolt (siehe dort) war aufgrund seiner psychischen Verfassung nicht in der Lage, Deutschland zu verlassen.

Im Rahmen einer angeordneten Buchprüfung durch die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten äußerte sich Franz Rappolt im Mai 1938 gegenüber dem Prüfer Behrens zu seiner Zukunft in NS-Deutschland, was der Prüfer beflissen in der Akte vermerkte: "Er selber – Franz Rappolt – sei 68 Jahre alt und wolle seinen Lebensabend in Deutschland beschließen. Wenn auch im Moment keine bestimmten Auswanderungsabsichten bestünden, so seien jedoch die jüngeren Mitglieder der Familie Rappolt alle gewillt, Deutschland über kurz oder lang zu verlassen, so bald sich eben im Auslande Existenzmöglichkeiten für sie böten." Der Seniorchef Franz Rappolt (geb. 1870) und der am 31. Dezember 1936 aus der Firma ausgeschiedene Paul Rappolt (geb. 1863) blieben – wie viele Juden der älteren Generation – in Hamburg.

Auch von den anderen Maßnahmen gegen Juden blieben Franz und Charlotte Rappolt nicht verschont: Ab 1. Januar 1939 musste Charlotte Rappolt den zusätzlichen Zwangsvornamen "Sara" tragen und bei jeder Unterschrift verwenden. Ab 19. Juli 1940 durften sie – ebenso wie andere Juden – keinen Telefonanschluss mehr besitzen. Die Kontakte zu Freunden, die sie zum Skat, Bridge, Schach oder "Kaffeersatzklatsch" besuchten, wurden dadurch schwieriger. Bereits seit September 1939 existierte ein Ausgehverbot ab 20 Uhr für Juden und die Verpflichtung in gesonderten Lebensmittelgeschäften einzukaufen.

Nachdem ihnen auch der Besuch von Konzerten und Opernaufführungen untersagt war, spielte das Grammophon im Hause Rappolt eine immer größere Rolle, wie Franz Rappolt in einem Brief bemerkte. Der Freundeskreis blieb größtenteils intakt, allerdings waren nur noch Treffen in den Privatwohnungen möglich. "Die alten Freunde sind nett und treu, und es kommen Neue dazu und die liebsten sind immer die 4 Ro., auf den Freitagabend freuen wir uns alle 6, da kommen sie zu uns (…)", schrieb Charlotte Rappolt am 17. Januar 1940 an ihren emigrierten Sohn Ernst in die USA. Die Abkürzungen von Namen und Orten gehörten zu den üblichen Vorsichtsmaßnahmen gegenüber der Briefüberwachung im NS-Staat; mit den "4 Ro." dürften Carl und Hertha Rocamora mit ihren Kindern gemeint sein, die in anderen Briefen auch "Roccas" genannt wurden. Der Kontakt in ihre Geburtsstadt, wo sie noch Angehörige und Freunde hatte, kam durch die antijüdischen Maßnahmen NS-Deutschlands indes zum Erliegen: "Auch (…) meine gute alte Adler in Breslau, die wird mir sehr fehlen, falls ich noch mal im Leben dorthin kommen sollte! Ich soll immer nach Hünern kommen (Anmerkung: der Ort Hünern lag im Kreis Trebnitz), doch in diesen unruhigen Zeiten entschließt man sich nicht so leicht", schrieb sie am 28. Juli 1940 in die USA an ihren jüngsten Sohn. Der noch in Hamburg lebende älteste Sohn Fritz Rappolt schrieb zum körperlichen und psychischen Zustand seiner Mutter in einem Brief an seinen Bruder Ernst im Oktober 1940: "(…) heute geht es z.B. mit der AD (= Alte Dame = Kosename für Charlotte Rappolt) besser, aber im Grossen und Ganzen ist es trostlos." Und zwei Monate später schrieb er: "Mutter geht es seelisch wie körperlich schlecht. Das Traurigste dabei ist, daß ihr nicht zu helfen ist (…) Jegliche Urteilskraft fehlt Mutter leider und wenn sie es auch herzlich gut meint, so geht Alles verkehrt. Zum Arzt geht Mutter nicht (…) sie verschließt sich jedem Rat und jeder Hilfe."

Franz Rappolt zögerte lange, einen Ausreiseantrag zu stellen, war er doch als optimistische und geduldige Persönlichkeit derjenige, der sich um die zurückgebliebenen Familienmitglieder kümmerte. Seine Ehefrau, sein Sohn Fritz sowie die Brüder Paul und Ernst waren psychisch oder körperlich auf Hilfe angewiesen. Nach einem gescheiterten Ausreiseantrag nach England, bemühte sich der Sohn Ernst Rappolt 1940 von den USA aus, für seine Eltern die Ausreise nach Nordamerika zu erwirken. Aufgrund von Länderquoten für Einwanderer, umfangreichen bürokratischen und finanziellen Vorgaben sowie mehrfach verschobenen Schiffspassagen, wurde eine Emigration in die USA jedoch immer unwahrscheinlicher.

Zusammen mit dem staatlich organisierten sozialen Abstieg der Rappolts zerbrachen nicht nur deren wirtschaftliche Perspektiven sondern auch Familienmitglieder psychisch und physisch an den jahrelangen Demütigungen und Ausgrenzungen: am 6. März 1941 nahm sich Charlotte Rappolt das Leben, die bereits seit einigen Jahren psychisch labil war und dem wachsenden antisemitischen Druck nicht standhalten konnte. Sie wurde bewusstlos mit einer Veronaltabletten-Vergiftung aufgefunden und vom herbeigerufenen Arzt Berthold Hannes (1882–1955) ins Israelitische Krankenhaus in der Johnsallee 68 eingeliefert, wo sie verstarb.
Am 25. Oktober 1941 nahm sich der jüngere Schwager Otto Rappolt in Berlin das Leben. Franz Rappolts promovierter Bruder Ernst M. Rappolt, ein praktischer Arzt (geb. 12.5.1868) nahm sich am 9. April 1942 mit injizierten Schlafmitteln das Leben, als er in ein "Judenhaus" umziehen sollte.
Am 15. Juli 1942 wurde Franz Rappolt, zusammen mit seiner Schwägerin, Johanna Rappolt, geb. Oppenheim nach Theresienstadt deportiert, dort verstarb er am 25. November 1943.

Im April 2007 wurden vor dem Wohnhaus Leinpfad 58 Stolpersteine für Charlotte und Franz Rappolt sowie ihren Sohn Fritz Rappolt verlegt. Zusätzlich erinnert vor dem ehemaligen Firmensitz in der Mönckebergstraße 11 ein Stolperstein an Franz Rappolt.

An die Schwager Dr. med. Ernst Rappolt (Rissener Landstraße 24) und Otto Rappolt (Grottenstraße 25) erinnern Stolpersteine in Hamburg-Altona; für Johanna Rappolt geb. Oppenheim (Rondeel 37) wurde in Hamburg-Winterhude ein Stolperstein verlegt.

Stand März 2015

© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 241-2 (Justizverwaltung, Personalakten), Nr. A 1404 (Dr. Ernst Rappolt); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), FVg 8866 (Franz Rappolt); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident); F 1978 (Dr. Ernst Rappolt); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), F 1980 (Heinz Rappolt); StaH 331-5 (Polizeibehörde – unnatürliche Sterbefälle), 3 Akte 1941, Nr.364 (Charlotte Rappolt); StaH 331-5 (Polizeibehörde – unnatürliche Sterbefälle), 3 Akte 1941, Nr. 552 (Dr. med. Ernst Rappolt); StaH 332-5 (Standesämter), 8007 u. 522/1911 (Sterberegister 1911, Louise Rappolt geb. Herz); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), Bürgerregister (1862 Joseph Rappolt, 1894 Arthur Rappolt, 1894 Paul Rappolt, 1902 Ernst Rappolt, 1907 Franz Rappolt); StaH 332-8 (Meldewesen), K 2353 und K 2364 (Hauskartei Haynstraße 10); StaH 332-8 (Meldewesen), K 2358 (Hauskartei Agnesstr. 20, Carl Rocamora); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 1588 (Franz Rappolt); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Franz Rappolt, Paul Rappolt, Otto Rappolt; Stadtarchiv Geesthacht, Geburtsurkunde 66/1883 (Emma Hillmer, geb. 16.8.1883); Bezirksamt Hamburg-Nord, Bauamt/Bauprüfabteilung (Leinpfad 58); Adressbuch Berlin 1899–1901, 1903; Adressbuch Breslau 1891, 1897, 1903, 1916; Adressbuch Hamburg 1866, 1875, 1892, 1896, 1897, 1900, 1904, 1913, 1932, 1934, 1939, 1941; Fernsprechbuch Hamburg 1895, 1901, 1909, 1914–1919, 1940; Frank Bajohr, "Arisierung" in Hamburg. Die Verdrängung der jüdischen Unternehmer 1933–1945, Hamburg 1997, S. 132, 138–140, 150/151 (Rappolt & Söhne); Meyers Lexikon, 7. Auflage, 2. Band, 1925, S. 856 b (Stadtplan Breslau); Schlesiens Münzen und Medaillen der Neueren Zeit, Breslau 1901, S. 68 (Nr. 3739, Ehrlich, 1900), S. 69 (Nr. 3788, Herz u. Ehrlich, 1896); Gespräche mit dem ehemaligen R & S-Lehrling Herrn K. H. (Hamburg), 2006 u. 2007; Gespräche mit Frau C. Sch. (Schweiz), 2007, 2008, 2015; Geburtsurkunde von Ernst Rappolt, 1905; Schülerliste des Johanneums (ab 1914), Abiturient Ernst Rappolt; Konfirmationsregister St. Johannis Harvestehude Ostern 1915 (Fritz Rappolt), Ostern 1918 (Heinz Rappolt), März 1920 (Ernst Rappolt); Schreiben des Amtsgerichtspräsidenten, Rechtsanwaltszulassung entzogen (Dr. jur Ernst Rappolt), 25.4.1933 u. 26.4.1933; Evangelischer Friedhof Hamburg-Ohlsdorf, Grabprotokoll (Nr. 42.845 vom 10.7.1906), Familiengrab Rappolt (Kapelle 6, AA 24, 333-346); Gedicht anlässlich der Hochzeit von Charlotte Ehrlich u. Franz Rappolt, 1899, Privatbesitz (C. Sch.); Briefe von Charlotte Rappolt/Hamburg an ihren Sohn Ernst Rappolt/USA, 1940–1941, Privatbesitz (C. Sch.); http://www.geni.com/people/Eugen-Ehrlich/6000000031141237749 (eingesehen am 20.10.2015).

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