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Bereits verlegte Stolpersteine



Karl Friedrich Stellbrink
© Erzbistum Hamburg - Geschäftsstelle Lübecker Märtyrer

Karl Friedrich Stellbrink * 1894

Holstenglacis 3 (Untersuchungsgefängnis) (Hamburg-Mitte, Neustadt)

1942 verhaftet
enthauptet 10.11.1943

Siehe auch:

Weitere Stolpersteine in Holstenglacis 3 (Untersuchungsgefängnis):
Heinz Jäkisch, Bernhard Jung, Karl-Heinz Keil, Hermann Lange, Eduard Müller, Johann Odenthal, Johannes Prassek, Rudolf Schöning, Walter Wicke, Walerjan Wróbel

Karl Friedrich Stellbrink, geb. am 28.10.1894 in Münster/Westfalen, inhaftiert am 7.4.1942, hingerichtet am 10.11.1943 im Untersuchungsgefängnis Hamburg

Holstenglacis 3 (vor dem Untersuchungsgefängnis)

Karl Friedrich Stellbrink wurde als zweites Kind des Oberzollsekretärs Carl Stellbrink und dessen zweiter Frau Helene, geb. Kirchhoff, in Münster/Westfalen geboren. Nach dem Besuch der Volksschule und des Gymnasiums in Detmold hatte er im März 1913 seine Schulzeit am Evangelischen Johannesstift in Berlin-Spandau mit der Mittleren Reife beendet und sich der Theologie zugewandt. Karl Friedrich Stellbrink besuchte in Soest das "Auslands-Prediger-Seminar". Sein Studium wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen.

1915 meldete er sich als Freiwilliger zum Garde-Grenadier Regiment und kämpfte an der Westfront. 1917 wurde er durch ein "Dum-Dum-Geschoss" an der linken Hand schwer verwundet. Am 30. September 1917 wurde er aus dem Kriegsdienst entlassen. Für seine Verdienste erhielt er das Eiserne Kreuz II. Klasse und nahm sein Studium wieder auf. 1920 legte er seine Abschlussprüfung am Predigerseminar in Soest ab.

1921 wurde Karl Friedrich Stellbrink für das geistliche Amt des überseeischen Auslandsdienstes der Evangelischen Landeskirche Preußens ordiniert und ging mit seiner Frau, der Volksschullehrerin Hildegard, geb. Dieckmeyer (geb.19.10.1895), die er am 5. März 1921 geheiratet hatte, als Seelsorger für die deutschen Siedler nach Rio Grande do Sul im Süden Brasiliens. Dort wurden drei Kinder geboren: Gerhard (geb.13.6.1922), Gisela (gest. März 1923) und Gisela (geb. 29.3.1925). Ein weiteres Kind Waltraut (geb. 7.1.1928) kam in Mont Alverne bei Santa Cruz zur Welt. 1929 kehrte Familie Stellbrink nach Deutschland zurück.

Karl Friedrich Stellbrink übernahm eine Pfarrstelle im thüringischen Steindorf und nahm die beiden zehn und acht Jahre alten Söhne Ewald und Hugo seiner erkrankten Schwester Irmgard Heiss bei sich auf.

Die Persönlichkeit Karl Friedrich Stellbrinks ist nicht unumstritten, da er nach seiner Rückkehr, wie viele, die die politische Entwicklung in Deutschland zunächst nur aus der Ferne beobachtet hatten, den Nationalsozialismus begrüßte.

Nach fünf Jahren in Steindorf trat Karl Friedrich Stellbrink 1934 die Pastorenstelle in der Lübecker Lutherkirche an, wo er schnell mit der NSDAP in Konflikt geriet, wie seine Frau später berichtete: Er zeigte sich bald nach der nationalsozialistischen Machtübernahme enttäuscht und verärgert über die zunehmend "gewissenlose Arbeit" der Partei.

Es kam 1936 zu einer Vorladung bei der Gestapo und 1937 zu einem Prozess, der seinen Ausschluss aus der NSDAP zur Folge hatte. "In der Folgezeit geriet mein Mann in fortwährend wachsende Gegensätze zur NSDAP und dem nationalsozialistischen Regime. Seinem Widerstand und seiner Meinung gab er überall und bei jeder Gelegenheit Ausdruck. Sei es den Jugendorganisationen gegenüber, mit denen er wegen seiner Konfirmanden fast ständig in Konflikt verstrickt war, sei es den nationalsozialistischen Anordnungen in den Schulen gegenüber, sei es in Gesprächen mit Gemeindegliedern – stets übte mein Mann stärkste und schärfste Kritik und war der festen Überzeugung, dass alle dem Menschen zu Gebote stehenden Mittel aufgewandt werden müssten, um diesem totalitären Regime ein baldiges Ende zu setzen."

Spätestens bei Kriegsbeginn war er ein entschlossener Gegner des Nationalsozialismus. Seit Sommer 1941 stand der evangelische Pfarrer in enger Verbindung mit den katholischen Geistlichen der Lübecker Herz-Jesu-Kirche um Johannes Prassek (s. dort), Hermann Lange (s. dort) und Eduard Müller (s. dort). Sie diskutierten mit jungen Geistlichen kritisch über das NS-Regime und die Kriegslage und verbreiteten die Predigt des Bischofs von Galen gegen die Ermordung von Kranken. Am Samstag vor Palmsonntag 1942 wurde Lübeck Ziel eines britischen Bombenangriffs.

Hildegard Stellbrink berichtete, dass ihr Mann nach Beginn des Krieges vielfach bespitzelt wurde, so auch in der Palmsonntagspredigt. "Mein Mann hatte die ganze Nacht alle Kräfte bei Löscharbeiten in der Nachbarschaft eingesetzt und war sofort nach Entwarnung mit dem Fahrrad durch die zerstörten Teile seiner Gemeinde gefahren, um zu helfen und zu trösten. Bei dieser Gelegenheit und in der Palmsonntagspredigt am darauffolgenden Morgen hat mein Mann dem Ausdruck gegeben, was seiner christlichen Überzeugung entsprach: Das diese Nacht ein Ruf Gottes zur Bekehrung des Volkes gewesen sei. Dieser Satz wandelte sich in der Gemeinde unter dem Eindruck der Ereignisse im Nu in das Wort ‚Gottesgericht‘ und eilte wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt. Diese Palmsonntagspredigt wurde zum Anstoß zur Verhaftung meines Mannes."

Die Landeskirche eröffnete daraufhin ein Amtsenthebungs-Verfahren. Als die Gestapo Karl Friedrich Stellbrink am 3. April 1942 zur Vernehmung abholen wollte, lag er laut seiner Biografin Else Pelke mit Fieber zu Bett. Nach seiner Genesung am 7. April 1942 ging er selbst zur Behörde und kehrte nicht wieder nach Hause zurück. Karl Friedrich Stellbrink wurde im Lübecker Lauerhofgefängnis in "Schutzhaft" genommen. Nach seiner Festnahme wurden auch die drei katholischen Geistlichen Hermann Lange, Eduard Müller und Johannes Prassek und weitere 18 Laien verhaftet. Hildegard Stellbrink erhielt nach zehn Tagen eine Besuchserlaubnis. "Ich kannte meinen Mann kaum wieder. Er sah aufs äußerste misshandelt und gequält aus. Ich habe nie erfahren, was ihm während seiner Haftzeit an körperlicher Pein zugefügt worden ist, habe aber sehen können, dass sie ihn gequält haben."

Karl Friedrich Stellbrink soll sich keine Illusionen gemacht haben, er wusste, wenn es zu einem Prozess käme, würde dieser mit seiner Hinrichtung enden. Den Rat des Rendanten der katholischen Gemeinde und Mitangeklagten Adolf Ehrmann, in den Verhören diplomatisch zu antworten, wies er entschieden zurück: "Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit!", er leugnete und widerrief nicht.

Am 23. Juni 1943 wurde Karl Friedrich Stellbrink im sogenannten Lübecker Christenprozess vom Volksgerichtshof, der aus Berlin nach Lübeck angereist war, wegen "Zersetzung der Wehrkraft", "landesverräterischer Feindbegünstigung" und "Vergehen gegen das Rundfunkgesetz" zum Tode verurteilt.

Die Lübecker Pastorenschaft sandte am 9. Juli 1943 ein Gnadengesuch mit einem psychologischen Gutachten an den -Justizminister. Sie machte geltend, "die Hinrichtung des ehemaligen Pastors würde Schmach über den Berufsstand bringen". Das Gutachten attestierte dem "notorischen Querulanten" eine Trübung des Denk- und Urteilsvermögens an der Grenze eines Wahns. Es fand keine Beachtung.

Karl Friedrich Stellbrink wurde am 10. November 1943 im Hamburger Untersuchungsgefängnis mit dem Fallbeil hingerichtet und im Ohlsdorfer Krematorium eingeäschert. Die Urne mit den sterblichen Überresten befindet sich heute in der Lutherkirche Lübeck. Seit 1988 erinnert eine Gedenktafel an der Mauer des Untersuchungsgefängnisses in den Hamburger Wallanlagen an die vier "Lübecker Geistlichen" und in Neu Allermöhe wurde eine Straße nach ihm benannt.

Die Seligsprechung der drei katholischen Geistlichen Hermann Lange, Eduard Müller und Johannes Prassek fand am 25. Juni 2011 vor der Herz-Jesu-Kirche in Lübeck statt. Karl Friedrich Stellbrink wurde im Rahmen dieses feierlichen Aktes nicht vergessen.

Für seine Schwester Irmgard Heiss, geb. Stellbrink (geb. 6.4.1897 in Münster), wurde im Mai 2011 in Detmold vor ihrem Elternhaus Hubertusstraße 10 ein Stolperstein verlegt. Sie gehörte zu den Opfern der Krankenmorde in der Zeit des NS-Regimes. Irmgard Heiss wurde in verschiedene psychiatrische Anstalten eingewiesen. Am 26. Januar 1941 kam sie aus der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Lengerich in die Heil- und Pflegeanstalt Weilmünster. Am 3. Oktober 1944 verstarb sie in der Anstalt Lindenhaus/Brake, geschwächt durch die mangelnde Versorgung und die schlechten Lebensbedingungen, in Weilmünster an Lungentuberkulose.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 332-5 Standesämter 1167 u 734/1943; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferung 1998/1; StaH 242-4 Kriminalbiologische Sammelstelle 998; Pelke: Christenprozess; Voswinkel: Geführte Wege; Schneider/Lutz: Erfasst, S. 156–160; http://www.spielraum-fuer-kunst.de/?page_id=15 (Zugriff 29.11.2016); Archiv der Hansestadt Lübeck, 05.5 Familienarchiv und Nachlässe, Stellbrink, Karl Friedrich, http://www.stadtarchiv-luebeck.findbuch.net/php/main.php?ar_id=3730#30352e35205374656c6c62 72696e6b2c204b61726c20467269656472696368x20 (Zugriff 29.11.2016); Gedenkstätte Deutscher Widerstand, http://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/karl-friedrich-stellbrink/?no_cache=1 (Zugriff 16.3.2016); http://www.unitas-ruhrania.org/index.php?page= 126 (Zugriff 16.3.2016); http://www.luebeckermaertyrer.de/de/index.html (Zugriff 16.3.2016).

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