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Selma Mankiewicz * 1872
Eppendorfer Weg 210 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)
1942 Theresienstadt
1942 Treblinka ermordet
Weitere Stolpersteine in Eppendorfer Weg 210:
Dora Mankiewicz
Dora Mankiewicz, geb. 9.10.1873 in Hamburg, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 21.9.1942 nach Treblinka weiterdeportiert
Selma Mankiewicz, geb. 8.6.1872 in Hamburg, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 21.9.1942 nach Treblinka weiterdeportiert
Eppendorfer Weg 210
"Der Transport. Auf dem freien Platz inmitten des Gartens des Warburg-Stiftes in Hamburg hielt an einem Frühmorgen ein Lastkraftwagen mit Anhänger vor dem Eingang des Hauses. Mit streng zusammengepressten Lippen und harten Zügen waren mehrere Leute damit beschäftigt, Männer und Frauen auf den Anhänger zu heben. Viele Neugierige, die eben des Weges kamen, blieben stehen und umgaben bald in einem großen Kreis das Tor des Gartens, immer wieder versuchten sie es zu öffnen … wurden aber von zwei dort Posten stehenden Schupobeamten zurückgestoßen. … Die Schupos machten jetzt dem Meinungsaustausch ein Ende. Sie schoben die Zuschauer aus dem Garten hinaus auf die Straße. Das Tor wurde weit geöffnet und der vollbepackte Lastkraftwagen setzte sich in Bewegung. Schon war wieder ein neuer leerer Lastkraftwagen herangerückt und hielt auf dem Platz vor dem Eingang. Aus der Haustür kamen weitere zum Abtransport gerüstete Insassen des Stiftes. Sie schritten mit gesenkten Köpfen wie zum Schafott Verurteilte daher und ließen sich wie Automaten auf den Wagen heben." Berthie Philipp, eine der wenigen Überlebenden des Transports vom 15. Juli 1942, beschrieb in ihren Erinnerungen, wie die Bewohnerinnen und Bewohner aus dem Warburg-Stift abgeholt wurden, unter ihnen auch die Schwestern Selma und Dora Mankiewicz.
Selma und Dora, die Töchter von Hermann und Jenny Mankiewicz, geborene Schnabel, waren unverheiratet. Bis auf eine kurze Zeit, in der Dora laut Kultussteuerkartei allein in der Gosslerstraße 10 (heute Eppendorfer Weg 210) lebte, teilten sich die Schwestern ihr Leben lang eine Wohnung, zunächst im Parterre der Grindelallee 9 und ab April 1935 im ersten Stock der Breitenfelderstraße 6.
Ob Selma Mankiewicz berufstätig war, wissen wir nicht. Ab 1925 zahlte sie der Jüdischen Gemeinde Hamburgs bis 1932 jährlich zwei RM Kultussteuern.
Dora Mankiewicz wurde schon ein Jahr früher als Mitglied der Jüdischen Gemeinde geführt. Sie arbeitete
als Kontoristin in der Rechtsanwaltspraxis von Hermann Jacob und Rudolf Samson, Andreas Blunck, Carl und Carl Albert Leo und M. E. Adler im "Kaufmannshaus" an der Bleichenbrücke 10.
Nach dem Berufsverbot für Rechtsanwälte zum 30. November 1938 wurde Dora Mankiewicz "stellungslos". Inzwischen war sie 65 Jahre alt und bekam eine kleine Rente von monatlich 95 RM. Zusammen mit ihrer Schwester Selma zog sie nun in den Mittelbau des John-R.-Warburg-Stiftes in der Bundesstraße 43. In diesem Wohnstift lebten üblicherweise 93 Menschen. In den ersten Monaten des Jahres 1942 erhöhte sich die Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner drastisch. Wie in andere "Judenhäuser" wurden in das John-R.-Warburg-Stift Jüdinnen und Juden zwangsweise eingewiesen. Im Herbst und Winter 1941 wurde durch eine Bekanntmachung im Hausflur mitgeteilt, wer von den Jüngeren nach Lodz, Minsk und Riga "evakuiert" werden sollte. Selma und Dora Mankiewicz mussten ihre Namen ein halbes Jahr später auf der Liste lesen.
Am 15. Juli 1942 wurden 103 Menschen aus dem John-R.-Warburg-Stift ins "Altersgetto" Theresienstadt deportiert. Selma und Dora hatten ihre Ersparnisse von 1293,25 RM in Wertpapieren angelegt. Mit diesen mussten sie jetzt einen "Heimeinkaufsvertrag" abschließen. Darin wurde ihnen eine lebenslange kostenfreie Unterbringung, Verpflegung und Krankenversorgung zugesagt. Tatsächlich fanden sie ein überfülltes Getto vor, in dem sie nur sehr mangelhaft ernährt wurden. Die Vermögenswerte fielen später dem Deutschen Reich zu.
Zwei Monate später, am 21. September 1942, ging ein Transport mit 2020 Menschen vom Getto Theresienstadt ins Vernichtungslager Treblinka, darunter auch Selma und Dora Mankiewicz.
© Maria Koser
Quellen: 1; 4; 5; 7; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992e2 Band 4; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden Abl. 1993, Ordner 10; AB 1928, 1934; Philipp, Die Totgeweihten, in: Schwarz, Die Vaterstädtische Stiftung, Schriften zur Sozial- und Wirtschaftgeschichte, Bd. 10, 2007, S. 196; Morisse, Jüdische Rechtsanwälte, 2003, S. 140, S. 155, S. 156.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".