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Bereits verlegte Stolpersteine



Ruth Kahn * 1922

Hudtwalckerstraße 27 (Hamburg-Nord, Winterhude)

1941 Minsk
ermordet

Weitere Stolpersteine in Hudtwalckerstraße 27:
Marie Kahn, Eva Kahn, Ingrid Kahn

Marie Kahn, geb. Helbing, geb. 16.10.1865 in Fürth, deportiert am 24.2.1943 nach Theresienstadt, gestorben am 27.3.1943 in Theresienstadt
Eva Kahn, geb. Lipschitz, geb. 2.2.1895 in Lodz, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, verschollen
Ruth Kahn, geb. 17.3.1922 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk,
verschollen
Ingrid Kahn, geb. 28.7.1924 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk,
verschollen

"Als ich eben nach Hause kam, – ich hatte drei Stunden bei Kahns, Freunden von mir, genäht – hörte ich es. Sie müssen mit, meine alte Klavierlehrerin, ihre Schwiegertochter und die beiden süßen Mädchen von 17 und 19 Jahren. Gestern war ich dreimal da. Ich brachte meiner alten Klavierlehrerin eine warme Bluse von mir, die aus einer Jacke von Tante Julie gemacht wurde, und einen warmen Rock. Ich trennte mich ungern davon, aber was sollte ich tun, sie hat nichts Warmes." Das schrieb Regina van Son am 7. November 1941 an ihren Neffen in Scheveningen.

Die "alte Klavierlehrerin" Marie Kahn war verheiratet mit Ludwig Kahn, Inhaber der Firma Ludwig Kahn, Agenturen und Kommissionen. Sie hatten einen Sohn, James Friedrich, geboren am 1. September 1888. Ludwig Kahn starb im Jahr 1910, sein Sohn James Friedrich führte die Firma weiter. Von 1914 bis 1918 war er "im Feld", so ist es aus den Aufzeichnungen der Jüdischen Gemeinde zu entnehmen. Genauere Angaben zu seinem Rang und den Einsatzgebieten im Ersten Weltkrieg sind nicht bekannt. Ab 1919 war seine Adresse Hudtwalckerstraße 27, dort wohnte auch seine Mutter, für deren Lebensunterhalt er aufkam. Sie wird durch Klavierunterricht dazu beigetragen haben.

Eva Kahn wurde am 2. Februar 1895 als Tochter von Siegmund und Anna Lipschitz in Lodz geboren. Wann James Friedrich Kahn und sie heirateten, ist uns nicht bekannt. 1922 kam die Tochter Ruth zur Welt, 1924 folgte ihre Schwester Ingrid. Diese besuchte die Jüdische Mädchenschule in der Karolinenstraße und nach deren Schließung die Talmud Tora Schule am Grindelhof. Von 1936 bis 1939 war sie mit Steffi Hammerschlag (später: Wittenberg) befreundet. Sie sei klein und dünn gewesen, sie habe sehr gut gezeichnet und habe eine sehr schöne Schrift gehabt, erinnerte sich diese im März 2008 an ihre Schulfreundin.

Aus den Einträgen im Hamburger Telefonbuch ist ersichtlich, dass James Friedrich Kahn von 1919 bis 1926 Inhaber der Firma Ludwig Kahn war. Von 1927 bis 1931 firmierte er als "Reisevertretung für das Ausland". Ab 1932 befanden sich Wohnung und Firmensitz in Barmbek, Hellbrookstraße 55. Zwischen 1933 und 1935 standen die Kahns nicht im Telefonbuch, von 1936 bis 1938 lautete der Eintrag "Reisevertreter für das Ausland Skandinavien u. Finnland" mit der Adresse Hellbrookstraße 55. Danach enden die Telefonbuch-Einträge. Marie Kahn lebte ab 1938 bei ihrem Sohn und dessen Familie in der Hellbrookstraße 55.

1939 teilte Eva Kahn der jüdischen Gemeinde mit, dass ihr Ehemann nach Frankreich gegangen sei. Nach dem Novemberpogrom 1938, so berichtete die Zeitzeugin Steffi Wittenberg, sahen die jüdischen Familien ihre Männer in größter Gefahr. Viele Männer seien deshalb 1938/39 ins Ausland (s. a. Hammerschlag, Otto) gegangen, um sich zu schützen und die Emigration der restlichen Familie einzuleiten. Man habe vermutetet, die Frauen und Kinder seien nicht akut gefährdet. Ob James Friedrich Kahn versuchte, seine Mutter, seine Frau und seine Töchter nachzuholen oder woran dies scheiterte, ist ebenso wenig bekannt wie sein eigenes Schicksal. Sein Name findet sich nicht in den Gedenkbüchern. Auf der Kultussteuerkartei von Eva Kahn stehen die – auf ihren Ehemann bezogenen – Vermerke "in Frankreich" und "1939 interniert". Im Hamburger Adressbuch von 1941 ist noch der Eintrag "J. F. Kahn i/Fa. Ludwig Kahn Hellbrookstr. 55" zu finden.

Ob Eva Kahn mit ihren Töchtern und ihrer Schwiegermutter die Wohnung in der Hellbrookstraße 55 im Jahr 1940 oder im Jahr 1941 aufgeben musste, bleibt unklar. Der Deportationsbefehl erreichte sie 1941 in dem "Judenhaus" Rutschbahn 15.

Anders als die eingangs zitierte Regina van Son annahm, blieb Marie Kahn von der Deportation am 8. November 1941 verschont. Ihre Schwiegertochter und die Enkelinnen wurden an diesem Tag nach Minsk deportiert. Wie es ihnen dort erging, und wann sie ums Leben gekommen sind, ist nicht bekannt. Steffi Wittenberg erinnerte sich, dass Ruth Kahn sehr krank gewesen sei, sie habe Tuberkulose gehabt. Bei Kriegsende galten Mutter und Töchter als "verschollen".

Marie Kahn blieb zunächst allein in Hamburg zurück. Ihre letzten Adressen waren die sogenannten Judenhäuser Rutschbahn 15, Sedanstraße 23 und Beneckestraße 6. Am 24. Februar 1943 wurde sie ins Getto Theresienstadt deportiert, dort starb sie am 27. März 1943.

© Stolperstein-Initiative Hamburg-Winterhude

Quellen: 1; 5; 8; AB 1941, 1943 (Bd.1); Jürgen Sielemann, Aber seid alle beruhigt, Briefe von Regina van Son an ihre Familie 1941–1942, Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg 2005, S. 148f; Steffi Wittenberg geb. Hammerschlag, Gespräch am 18. März 2008; Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg 1805 bis 1942, Hamburg 2005.

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