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Hanna Meyberg * 1907

Königsreihe 32 (Wandsbek, Wandsbek)

1941 Riga
ermordet

Weitere Stolpersteine in Königsreihe 32:
Sophie Hirsch, Erna Fratje Michelsohn, Oskar Ludwig Michelsohn, Hanna Stiefel

Hanna Meyberg, geb. 11.3.1907, deportiert am 6.12.1941 nach Riga

Königsreihe 32 (Langereihe 58)

Hanna Meyberg gehört zu den wenigen, die von einer Wandsbeker Adresse aus deportiert wurden, doch sie war diejenige mit der kürzesten Verweildauer in Wandsbek. Als allein stehende Frau kam sie Ende der 1930er Jahre nach Hamburg, wo sie sich vermutlich neben einem größeren Schutz vor antisemitischen Übergriffen auch bessere Existenzbedingungen wie Berufsmöglichkeiten versprach.

(Jo)Hanna Meyberg wurde am 11. März 1907 in Eschwege geboren. Sie war das älteste Kind ihrer Eltern Max Meyberg und Julie, geb. Hammerschlag, die noch zwei Söhne bekamen: Sally (Jg. 1908) und Siegfried (Jg. 1911). Die Familie wohnte Marktplatz 6 in einem eigenen Haus. Hanna Meyberg besuchte das Lyzeum bis etwa 1923, danach die Handelsschule, wo sie in Buchhaltung, Stenografie und Schreibmaschine unterrichtet wurde. Sie fand eine Anstellung in dem Engrosgeschäft Max Stein in Eschwege; dort arbeitete sie bis 1937 als Buchhalterin und Stenotypistin. Da jedoch keine Beiträge an die Rentenversicherung abgeführt wurden, dürfte es sich nicht um eine feste, kontinuierliche Anstellung gehandelt haben.

Auffällig ist, dass Hanna Meyberg ab Ende der 1930er Jahre sehr oft umzog. Ihr ausgewanderter Bruder beschrieb später ihre Situation: "Sie verlor ihre Stellung aus Verfolgungsgründen im Laufe des Jahres 1937 und konnte als Jüdin keine andere (feste) Anstellung mehr finden." Der häufige Ortswechsel spiegelt die eingeschränkten Berufsmöglichkeiten wider: Hanna Meyberg sah sich offenbar gezwungen, den Arbeitsstellen hinterher zu reisen. So lebte sie 1937 eine Zeitlang in Frankfurt am Main, 1938 für ein halbes Jahre in Warburg.

Inzwischen hatten die Finanzbehörden über den Eschweger Bürgermeister ein Sicherungsverfahren gegen ihren Vater, Max Meyberg, eingeleitet, denn die Eltern wollten nach Südafrika auswandern und hatten die Einreisegenehmigung gerade erhalten. Dort lebten seit 1928 bzw. 1930 bereits die beiden Söhne. Hanna Meyberg hatte ebenfalls einen Einreiseantrag gestellt, der jedoch abgelehnt worden war.

Der Oberfinanzpräsident in Kassel forderte nun von Max Meyberg ein Vermögensverzeichnis an. Dieser teilte in seiner Antwort mit, "dass ich am Marktplatz 6 ein Wohnhaus besitze im Wert von 8–9000 RM. Sonstige Bankkt. besitzen wir nicht."

Eine Woche später erhielt die Familie von der Devisenstelle die Anfrage, ob das Grundstück bereits veräußert sei. Sollte das nicht der Fall sein, so solle das geschehen und ein Konto mitgeteilt werden, auf das der Erlös eingezahlt werden konnte. Das Haus wechselte am 7. Juli 1939 für 6100 RM den Besitzer.

Am 24. Juli 1939 schrieb Max Meyberg an die Devisenstelle Kassel, er habe für den 9. August Schiffsplätze belegt, und bat um Freigabe des Geldes auf dem Sperrkonto, das er für Anschaffungen zu seiner Ausreise für Lebensmittel, Kisten, Fracht, Zoll etc. benötige.

Zwei Tage später informierte der Eschweger Agent der Hamburg-Amerika-Linie, Richard Riedel, die Eheleute Meyberg, dass die Platzbelegung auf den 25. August 1939 ab Hamburg geändert sei. Zudem mahnte er eine Anzahlung an. Fällig wurden für zwei Plätze je 48 englische Pfund entsprechend 1152 RM, zuzüglich 120 RM Trinkgeldablösung und 200 RM Bordgeld. Kosten für Gepäck und Frachtgut kamen gesondert zur Anwendung. Schließlich betonte Riedel: "Nochmals, die Zahlung muss sofort geleistet werden, sonst keine Gewähr für Platzbelegung." Postwendend suchte Max Meyberg erneut um die Freigabe seines Geldes nach.

Doch die Devisenstelle hatte keine Eile, wollte erst einmal die Höhe der Summe auf dem gesperrten Konto wissen, die Meyberg am 28. Juli mitteilte. Wiederum bat er dringend um Freigabe des Betrages. Am 29. Juli gab die Devisenstelle der Kreissparkasse endlich grünes Licht: "Gegen Überweisung des Betrages für zwei Schiffsplätze keine Bedenken." Doch es dauerte noch fünf Tage, bis die Unbedenklichkeitserklärung des Finanzamtes vorlag. Ein noch verbleibendes Guthaben übertrug der Vater seiner Tochter zur Verwahrung.

Kaum hatten die Eltern ihren langjährigen Wohnort verlassen, wandte sich die Devisenstelle Kassel an Hanna Meyberg und forderte von ihr ein Vermögensverzeichnis an. Außer der ihr übertragenen Summe von etwas über 1000 RM nannte sie 29,63 RM Bargeld. "Sonst nichts." Sie bat um einen Freibetrag von 150 RM monatlich vom ihr überschriebenen Konto, der ihr gewährt wurde.

Doch sie konnte das Geld nicht für sich allein verwenden: Die Eltern kehrten nach Eschwege zurück. Die Reederei Deutsche Afrika-Linien bescheinigte ihnen, "dass Sie als Fahrgast der Touristenklasse des D. ,Pretoria‘ am 25.8. die Ausreise nicht antreten konnten, da die Abfahrt des genannten Dampfers infolge der politischen Lage bis auf weiteres verschoben werden musste." Wegen des drohenden Kriegsbeginns (1. September 1939) hatte das Auswandererschiff nicht auslaufen können. Die Eltern, die ihre Wohnung gekündigt und ihre Habe verkauft hatten, zogen nun wieder mit ihrer Tochter zusammen, die Adresse lautete Blauer Steinweg 13. Als monatlichen Freibetrag beantragte Hanna Meyberg nun 300 RM und fügte das Schreiben der Afrika-Linien bei. An Ausgaben machte sie 212 RM geltend, zuzüglich 62 RM Miete plus Nebenkosten. Sie fügte hinzu: "In den Zahlen ist der Lebensunterhalt meiner Eltern, für die ich aufzukommen habe, inbegriffen." Die Devisenstelle bewilligte den Betrag.

Trotz der relativ geringen Geldmittel, die sich auf ihrem Sperrkonto befanden, erging im Dezember 1939 auch eine Sicherungsanordnung gegen Hanna Meyberg. 1940 leiteten ihre Eltern noch einmal, jetzt erfolgreich, die Auswanderung nach Johannesburg ein. Sie meldeten sich am 9. Februar 1940 aus Eschwege ab. Ihre Tochter begleitete sie nach Hamburg.

Nachdem ihre Eltern Deutschland per Schiff verlassen hatten, blieb Hanna Meyberg in Hamburg, trat dem Hamburger Jüdischen Religionsverband bei und erwarb dadurch die Berechtigung, notfalls Leistungen von der jüdischen Wohlfahrt zu erhalten. Doch sie verdingte sich auch als Haushilfe, u.a. bei einer Familie, die in der Neustadt, Schlachterstraße 40, wohnte. Eine weitere Arbeitsstelle befand sich im Hause An der Alster 21 bei Leon.

Anscheinend konnte sie weder in Hamburg noch an anderen Orten dauerhaft Fuß fassen. Sie zog nach Castellaun, wenige Tage später nach Eschwege, dann kehrte sie über Kassel nach Hamburg zurück. Genau genommen nach Hamburg-Volksdorf, wo sie Im Alten Dorf 61 gemeldet war. Bei der Adresse handelte es sich um die Villa der Familie Liebermann. Ende 1941 lebten dort Robert und Annemarie Liebermann und deren Mieter, Familie Dr. Thilo mit Frau und einer Tochter. Bei einer dieser Familien hat Hanna Meyberg vermutlich im Haushalt gearbeitet (s. Volksdorf, Kap. Liebermann). Dort blieb sie nur etwa einen Monat, dann meldete sie sich nach Hamburg-Blankenese und am 18. November 1941 nach Hamburg-Wandsbek, Langereihe 58 I. bei Hirsch um. Die dortigen Bewohner, Sophie Hirsch, ihre Tochter und ihr Enkel waren gezwungen, noch eine weitere Person unterzubringen (s. Kap. Hirsch).

Mittlerweile hatte die Devisenstelle Hamburg das Sicherungsverfahren von Kassel übernommen und Hanna Meyberg eine Vorladung geschickt. Doch sie konnte den Termin nicht mehr wahrnehmen, was sie der Behörde mit Datum vom 4. Dezember 1941 mitteilte:
"Höflich bezugnehmend auf Ihr beiliegendes Schreiben teile ich Ihnen mit, dass ich am heutigen Tage evakuiert werde. Es ist mir daher nicht möglich, Ihrem Wunsch nachzukommen. Hochachtungsvoll Hanna Sara Meyberg, Hausangestellte
Hbg.-Wandsbek, Langereihe 58 I b. Hirsch"

Ihre Antwort weist auf Stilgefühl, Korrektheit und Pflichtbewusstsein hin.
Am selben Tag hatte sie sich in der Sammelstelle Moorweide zur Deportation einzufinden. Den Zug nach Riga musste sie am 6. Dezember besteigen. Da über ihr weiteres Schicksal nichts in Erfahrung gebracht werden konnte und keine Todesnachricht zu ermitteln war, gilt sie als am 8. Mai 1945 verstorben.

Mitte der 1950er Jahre stellten ihre Brüder als Nacherben der verstorbenen Eltern von Südafrika aus Wiedergutmachungsanträge. Die amtliche Prüfung ergab, dass Hanna Meyberg zwischen dem 9. September 1940 und dem 26. August 1941 nur sechs Wochen Rentenbeiträge an die LVA für ihre Tätigkeit als Haushilfe gezahlt hatte. Dieser Umstand verweist auf die bedrückende Lage der Hamburger Juden insgesamt und lässt den Schluss zu, dass jüdische Frauen Hausarbeit oftmals gegen Entlohnung unter der Hand leisteten. Waren sie allein stehend, erhielten sie manchmal nur freie Unterkunft. Alles in allem waren die meisten jedoch auf die jüdische Wohlfahrt angewiesen. Denn ihre Arbeitgeber bzw. Mitbewohner konnten sie nicht mehr bezahlen, weil Konten gesperrt, Freibeträge gekürzt und Erwerbstätigkeiten verboten waren.

© Astrid Louven

Quellen: 1; 2 R 1941/227; AfW 110307; Auskunft Standesamt Eschwege vom 5.6.2007; Auskunft von Eva Lindemann, E-Mail vom 5.6.2007.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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