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Dr. Karl Kaufmann * 1868
Abendrothsweg 23 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)
1942 Theresienstadt
ermordet 12.08.1942
Weitere Stolpersteine in Abendrothsweg 23:
Bertha Blankenstein, Edith Blankenstein, Max Kaufmann, Anna Kaufmann, Emma Michelsohn (Reinbach)
Maximilian (Max) Kaufmann, geb. am 30. 9. 1906 in Essen, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel
Karl Kaufmann, geb. am 11.12.1868 in Münstermaifeld, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 12.8.1942 dort gestorben
Anna Kaufmann, geb. Borchardt, verwitwete Bergmann, geb. 7.10.1872 in Schönberg/Mecklenburg, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 16.1.1943 dort gestorben
Stolpersteine in Hamburg-Hoheluft-Ost, Abendrothsweg 23
Karl (Carl) Kaufmann, der Vater des am 30. September 1906 in Essen geborenen Maximilian Kaufmann, wuchs im linksrheinisch gelegenen Münstermaifeld auf, einer kleinen Stadt zwischen Trier und Koblenz. Seine weitverzweigte Familie war dort schon vor 1800 ansässig. Nach der französischen Besetzung konnten Jüdinnen und Juden gleichberechtigt in Münstermaifeld sesshaft werden, und so kaufte Samuel Kaufmann 1801 von dem verarmten Strumpfweber Mathias Wagner ein Haus in der Severusgasse 1. Die große Familie Kaufmann lebte vom Viehhandel, dem Handel mit Viehprodukten und einer Metzgerei. Nur der Großvater von Karl Kaufmann hatte als Sattler diesen Berufszweig verlassen.
Auch Karl Kaufmanns Vater betrieb mit seiner Frau Rosalie, geborene Franck, eine Sattlerei in Münstermaifeld. Karl gehörte schon einer Generation an, die die staatliche Schule im Ort besuchte. Er machte Abitur und studierte Ingenieurswissenschaften. Wann er Else Lehmann heiratete, wissen wir nicht. Als 1906 ihr Sohn Maximilian zur Welt kam, lebte die Familie in Essen, wo Else Kaufmann vermutlich auch starb.
Karl und Maximilian zogen nach Hamburg, wo Karl Kaufmann bei der Eisenbahndirektion Altona als "Civilingenieur" arbeitete. Anscheinend hatte er inzwischen promoviert, denn seine von der Jüdischen Gemeinde angelegte Kultussteuerkarte enthält den Namen "Dr. Karl Kaufmann". 1923 heiratete er die Witwe Anna Bergmann, geborene Borchardt, aus Schönberg in Mecklenburg. Sie war Volksschullehrerin und hatte nach dem Tod ihres ersten Mannes, Adolf Bergmann, in der Mädchenschule Kielortallee 20 gearbeitet. Mit ihrer Heirat im Juni 1923 schied sie aus dem Schuldienst aus, da nur unverheiratete Lehrerinnen in staatlichen Schulen arbeiten durften.
Maximilian Kaufmann war psychisch krank. Mit 19 Jahren wurde er am 2. Oktober 1925 in die Staatskrankenanstalt Langenhorn aufgenommen. In den folgenden Jahren lebte er in der Anstalt, ohne seine Familie besuchen oder die Feiertage im Daniel-Wormser-Haus in der Westerstraße 27 verbringen zu dürfen. Dort bot die Jüdische Gemeinde an, Patienten und Patientinnen über die Feiertage zu verpflegen, die keine andere Möglichkeit hatten, die Klinik zu verlassen. Gemeindemitglieder, die in der Klinik bleiben mussten, wurden jedes Jahr gefragt, ob sie Mazzoth, das ungesäuerte Osterbrot, essen wollten. Die Klinik sandte dann eine Liste an die Jüdische Gemeinde mit den Namen derer, die darauf Wert legten. Maximilian Kaufmanns Name stand darauf. Sein Name war auch unter denen zu finden, für die galt: "Beurlaubungen zur Teilnahme der jüdischen Feiertage in Hamburg kommen nicht in Frage".
Der Jüdischen Gemeinde teilte der Verwaltungsdirektor der Staatskrankenanstalt Langenhorn, Gerhard Hanko, 1934 mit, dass die Belieferung mit dem Osterbrot nun auf Gemeindekosten erfolgen solle, "da die Anstalt Mittel zur Bezahlung dieser Sonderausgaben nicht besitzt".
Am 15. April 1940 forderte das Reichsinnenministerium die Gesundheitsverwaltung auf, ihm zu melden, wie viele Jüdinnen und Juden (die an "Schwachsinn" oder "Geisteskrankheit" litten) in den betreffenden Anstalten untergebracht waren. Langenhorn meldete 36 Frauen und 30 Männer.
Am 30. August folgte ein Schreiben des Reichsinnenministeriums, in dem es hieß: "Der noch immer bestehende Zustand, daß Juden mit Deutschen in Heil- und Pflegeanstalten gemeinsam untergebracht sind, kann nicht weiter hingenommen werden, da er zu Beschwerden des Pflegepersonals und von Angehörigen der Kranken Anlaß gegeben hat. Ich beabsichtige daher, die in den nachbezeichneten Anstalten untergebrachten Juden am 23. September 1940 in eine Sammelanstalt zu verlegen."
In den Tagen zuvor waren jüdische Patientinnen und Patienten aus Anstalten und Heimen in Mecklenburg, Schleswig-Holstein und Hamburg in die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn verlegt worden.
Am 23. September 1940 wurde Maximilian Kaufmann mit weiteren 135 Patientinnen und Patienten nicht in ein Sammellager, sondern nach Brandenburg an der Havel transportiert. Auf seiner Kultussteuerkarte ist vermerkt: "Verlegt von Langenhorn am 23.9.1940". In den Ergänzungskarten für Angaben über Abstammung und Vorbildung der Volkszählung vom 17. Mai 1939 ist Maximilian Kaufmann in Langenhorn verzeichnet und mit dem Vermerk "Abwanderung am 23.09.1940 nach Chelm" versehen.
Der Transport erreichte Brandenburg an der Havel noch an demselben Tag. Dort angekommen, wurden die Menschen oberflächlich von einem Arzt untersucht und mit einem Nummernstempel versehen. Danach sollten sie sich ausziehen und wurden in Gruppen von je zwanzig Personen in einen vermeintlichen Duschraum gebracht. Die Tür wurde verschlossen. An der Decke waren in Form von Duschköpfen Installationen angebracht, durch die Kohlenmonoxid in den Raum geleitet wurde. Nachdem festgestellt worden war, dass alle Menschen erstickt waren, wurde das Gas aus dem Raum abgelassen. Anschließend wurden die Toten zum Verbrennungsofen gebracht. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).
Einige Angehörige erhielten die Mitteilung, die Kranken seien in die Staatskrankenanstalt Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verlegt worden und dort verstorben. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand jedoch nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm, einer Stadt östlich von Lublin, kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.
Maximilian Kaufmanns Vater Karl und seine Stiefmutter Anna mussten aus dem Haus Abendrothsweg 23, in dem zeitweise auch Maximilian gewohnt hatte, in das "Judenhaus" in der Agathenstraße 3 in Eimsbüttel umziehen.
Hier bekamen sie im Juli 1942 den Deportationsbefehl. Sie wurden in das Getto Theresienstadt verschleppt, wo Karl Kaufmann einen Monat später, am 12. August 1942, im Alter von 73 Jahren starb. Anna Kaufmann überlebte ihn um ein halbes Jahr. Sie starb am 16. Januar 1943, angeblich an einer Lungenembolie.
Stand: November 2017
© Maria Koser
Quellen: 1; 3; 4; 5; 7; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; 352-8/7 Staatskrankenanstalt 158 1917–1939 Verpflegungslisten der Kranken jüdischen Glaubens, 166; 522-1 Jüdische Gemeinden 992e2 Band 4; 213-12 Staatsanwaltschaft Landgericht-NSG- 0013-053, Blatt 7; 213-12 Staatsanwaltschaft Landgericht-NSG- 0013-052 Beiakte Gesundheitsbehörde 1; 332-5 Standesämter 8782 Heiratsregister Nr. 394/1923 Carl Kaufmann/Anna verw. Bergmann geb. Borchardt; Bundesarchiv R 1509 Reichssippenamt; Recherche und Auskunft Ulrike Elz-Eichler, Münstermaifeld vom 14.3.2010; Recherche und Auskunft Walburga Stelzen, Verbandsgemeinde Maifeld vom 12.3.2010; Auskunft Dr. Bernhard Koll vom 14.3.2010; Recherche und Auskunft Martina Strehlen, ALTE SYNAGOGE Essen vom 9.3.2010; Recherche und Auskunft Jutta Vonrüden–Ferner, Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv vom 17.5. und 7.6.2010; Auskunft Einwohneramt Essen, Urkundenstelle vom 20.5.2010; Recherche und Auskunft Frau Schulz, Standesamt Schönberg vom 20.4.2010; Recherche und Auskunft Brigitta Steinbruch, Landesamt für Kultur und Denkmalpflege und Landeshauptarchiv Schwerin vom 3.5.2010; Recherche und Auskunft Marie Rümelin, KZ-Gedenkstätte Neuengamme vom 15., 22., 26.3.2010; Recherche und Auskunft von Beatrice Falk vom 30.3.2010; Recherche und Auskunft von Nicolai M. Zimmermann; Bundesarchiv vom 20.4.2010. Koll, Bernhard (Hrsg.), Münstermaifeld – die Stadt auf dem Berge – chescat – floreat, Münstermaifeld 2003. Böhme, Klaus/Lohalm, Uwe (Hrsg.), Wege in den Tod. Hamburgs Anstalt Langenhorn und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus, Hamburg 1993. Wunder, Michael/Genkel, Ingrid/Jenner, Harald, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr. Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Hamburg 1987, S. 155ff. Hinz-Wessels, Annette, Das Schicksal jüdischer Patienten in brandenburgischen Heil- und Pflegeanstalten im Nationalsozialismus, in: Hübener, Christina, Brandenburgische Heil- und Pflegeanstalten in der NS-Zeit, Berlin-Brandenburg 2002, S. 259ff.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".