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Bereits verlegte Stolpersteine



Gerson Stoppelman *1879
© Yad Vashem

Gerson Stoppelman * 1879

Rutschbahn 11 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1942 Auschwitz
deportiert aus den Niederlanden

Weitere Stolpersteine in Rutschbahn 11:
Ilse Dotsch, Malka Goldberg, Hanna Heimann, Gerson Jacobsen, Regine Jacobsen, Ludwig Jacobsen, Klara (Clara) Jacobsen, Beer Lambig, Pescha Lambig, Senta Lambig, Samuel Lambig, Leo Lambig, Manuel Staub, Augusta Szpigiel

Gerson Stoppelman, geb. 3.4.1879, 1942, deportiert nach Auschwitz aus Holland

Der am 3.4.1879 in Hamburg gebürtige Gerson Stoppelman war innerhalb der Deutsch-Israelitischen Gemeinde am Grindel sehr bekannt. Er hatte sich jahrelang neben seiner geschäftlichen Tätigkeit am Gemeindeleben aktiv beteiligt. Zudem war er Mitglied im Verein der selbständigen jüdischen Handwerker und Gewerbetreibenden zu Groß-Hamburg von 1906 e. V. Auf der Liste dieses Vereins kandidierte Gerson Stoppelman im März 1930 zum Repräsentantenkollegium der Gemeinde. Mit 4.491 Stimmen wurde er in das Gemeindegremium gewählt. Gerson Stoppelman setzte sich im Rahmen dieses Gemeindeamtes wiederholt vehement für den Ausbau des Wohlfahrtswesens in der Deutsch-Israelitischen Gemeinde und für eine stärkere Unterstützung der zunehmend ärmeren und alten Gemeindemitglieder ein.

Auch Gerson Stoppelman versuchte sein koscheres Schlachtergeschäft für Fleisch, Wurst und Geflügel in der Dillstraße 16 nach dem Schächtverbot trotz massiver Behinderungen und Einnahmeverlusten noch einige Jahre weiterzuführen. Doch auch er sah sich 1937 dafür jeder Grundlage beraubt und beantragte für sich und seine noch bei ihm lebende Tochter Ilse die Auswanderung nach Holland. Von hier aus hoffte er, zu seinen beiden bereits in die USA ausgewanderten Töchtern Hedwig und Grete reisen zu können. Seine Ehefrau war bereits 1935 in Hamburg verstorben.

Die umständlich genauen und verzögerten Vermögensüberprüfungen seitens der Hamburger Finanz- und Steuerbehörde ergaben, dass auf Gerson Stoppelman noch eine Hypothek über 4.000,- RM eingetragen war, des weiteren Ansprüche auf eine noch nicht ausbezahlte Lebensversicherung der verstorbenen Ehefrau und die Einrichtung des Schlachterladens als Vermögenswerte vorhanden waren. Die Geldbeträge wurden auf Anordnung der Behörde auf ein Sperrkonto der M.M. Warburg & Co. K.-G. gutgeschrieben, für das Gerson Stoppelman keine Verfügungsberechtigung erhielt; die Ausreise wurde ihm jedoch gemeinsam mit seiner Tochter Ilse genehmigt.

In einem Schreiben des Oberfinanzpräsidenten heißt es: » Herr Gerson Stoppelman, zuletzt Hamburg 13, Dillstraße 16 (Keller) wohnhaft, hat seinen Wohnsitz nach dem Auslande verlegt.
Gemäß § 6 Ziff. 6 Dev. Gesetz vom 4.2.1935 ist Herr Gerson Stoppelman devisenrechtlich als Ausländer anzusehen. Jede Verfügung über sein Guthaben bzw. Vermögenswerte, die gemäß Ri. I, 1, zum Devisengesetz vom 4.2.1935 als Auswanderungsguthaben bzw. Sperrforderungen gelten, dsgl. jede Zahlung an ihn bzw. zu seinen Gunsten an Inländer bedarf ... meiner Genehmigung


Gerson und Ilse Stoppelman reisten nahezu mittellos in Holland ein und waren sehr bald auf die Unterstützung der niederländischen Flüchtlingshilfe in Rotterdam, ihrer ersten Exil-Station, angewiesen. Mehrere Schreiben von Gerson Stoppelman an den Hamburger Oberfinanzpräsidenten mit der Bitte um Auszahlung kleiner Zinsbeträge an seine in Berlin lebende mittellose Schwester Selma wurden nicht erfüllt, obwohl dies bei der amtlichen Ausreisegenehmigung zugesagt worden war: Aber auch die Lebenssituation für Vater und Tochter wurde immer schwieriger; sie waren vollends auf Unterstützung des Rotterdamer Flüchtlingskomitees angewiesen und lebten hier bis etwa Ende 1939 in einem Flüchtlingscamp. Als nächste Adresse gab Gerson Stoppelman Amsterdam an. Die genauen Lebensumstände aus dieser Zeit sind nicht bekannt. Bekannt ist, dass seine Tochter Ilse noch in Holland heiratete; alle weiteren Bemühungen Gerson Stoppelmans, die Hamburger Finanzbehörde zur Überweisung der Sperrguthaben oder kleiner Teilbeträge zu bewegen, blieben erfolglos. Am 24. Dezember 1939 schrieb er an die Devisenstelle:

»An die Devisenstelle in Hamburg richtet Unterzeichneter die herzliche Bitte, die Gültigkeitsdauer der, bei der Holland American Lyn am 15. November 1938 gekauften Passage für Weiterreise nach USA, mir und meiner Tochter bis zu 6 Monate doch rücksichtsvoll wie gütigst verlängern zu wollen; zumal ich hier ohne jegliches Vermögen und Einkommen lebe und somit nicht in der Lage bin, in Devisen bezahlen zu können! Ich habe auf Grund der Wartenummer 8706/8707 bestimmt Aussicht auf Visumserteilung im Frühjahr 1940 und wäre ich verzweifelt, wenn als 60jähriger ich nicht das Endziel meiner Auswanderung zu meinen Kindern noch erreiche? Der Herr Beamte »]ahnike« hat Kenntnis davon, daß die Fa. Carl L. mir bislang noch nicht mein bescheidenes Umzugsgut zugesandt hat, trotzdem Solches im Dez. 1938 zoll- u. devisenrechtlich schon genehmigt war. Die jetzt bevorstehende Absendung bitte ich, wie schriftlich vereinbart war, bis Amsterdam (womöglich per Schiff) genehmigen zu wollen, da mir Bezahlung ab Grenze unmöglich ist. Inständigst richte ich hiermit an den Herrn Oberfinanzpräsidenten das ergebene Ersuchen, mich vor Verlust meiner letzten und einzigen Habseligkeiten Umzugsgut u. der im Nov. 1938 gekauften Passage nach USA schützend bewahren zu wollen. Hoffend, daß meinem Ersuchen stattgegeben wird, zeichnet hochachtungsvoll und ergebenst Gerson Stoppelman. «

Gerson und Ilse Stoppelman fielen nach der Besetzung Hollands durch deutsche Truppen der auch dort bald einsetzenden systematischen Verfolgung von Juden zum Opfer; Gerson Stoppelman wurde 1942 aus den Niederlanden nach Auschwitz deportiert. Seine Tochter Ilse Dotsch-Stoppelman wurde 1943 nach Sobibor deportiert und dort ermordet.

© Ursula Wamser und Wilfried Weinke

Quelle: Auszug aus Ursula Wamser, Wilfried Weinke, "Eine verschwundene Welt – Jüdisches Leben am Grindel", zu Klampen Verlag, Springe 2006, S. 331 ff.

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