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Bernhard Koppel * 1884
Bernadottestraße 3 (Altona, Ottensen)
1941 Minsk
ermordet
Weitere Stolpersteine in Bernadottestraße 3:
Julie Koppel
Bernhard Koppel, geb. am 24.5.1884, deportiert nach Minsk am 8.11.1941, ermordet
Julia Koppel, geb. Neuwahl, geb. am 19.4.1883, deportiert nach Minsk am 8.11.1941, ermordet
Bernadottestraße 3 (Moltkestraße)
Schüler und Schülerinnen der Rudolf-Steiner-Schule Altona recherchierten 2007 im Rahmen eines Projektes im Stadtteilarchiv Ottensen, der Geschichtswerkstatt für Altona, welche jüdischen Bürger und Bürgerinnen in der Nähe der Schule gewohnt hatten und von dort deportiert wurden. Sie stießen auf das Ehepaar Bernhard und Julie Koppel, das bis zu seiner Zwangsumsiedlung 1939 in einem "Judenhaus" im Haus Bernadottestraße 3 gelebt hatte. Die Schule übernahm die Patenschaft für die beiden Stolpersteine, die im Februar 2008 verlegt wurden.
Bernhard Koppel, geboren am 24. Mai 1884 in Altona, war der Sohn von Samuel und Henriette (Jettchen) Koppel, geb. Leipheimer. Auch sein Vater, Jahrgang 1849, stammte aus Altona. Bernhard hatte sieben Geschwister: Siegmund, Helene, Flora, später verheiratete Goldschmidt, Johanna, Eduard, Carl und Leo.
Bernhard Koppels Ehefrau Julia (Julie) Koppel, geb. Neuwahl, war am 19. April 1883 in Gelsenkirchen als Tochter von Samuel und Pauline Neuwahl, geb. Ursell, zur Welt gekommen. Das Ehepaar hatte zwei Söhne: Am 26. März 1912 kam Hellmut zur Welt, am 22. März 1918 Kurt. 1915 zog die Familie aus der Wielandstraße 12 (heute Suttnerstraße) in Altona, wo Bernhard Koppel seit 1912 gemeldet war, in eine Mietwohnung im zweiten Stock des Hauses Moltkestraße 3 (heute Bernadottestraße) in Ottensen.
Der Kaufmann Bernhard Koppel war als Vertreter in der Möbelbranche für verschiedene Möbelfabriken und Möbel-, Furnier- und Sperrholzwerke tätig. Seine Geschäftsreisen führten ihn von Schleswig-Holstein bis nach Ostpreußen. In den 1920er Jahren betrieb er gemeinsam mit seinem Bruder Carl, dem Inhaber, eine Lederwaren-Großhandlung in der Clausstraße 2 (heute Klausstraße), Ecke Bahrenfelderstraße in Ottensen.
Bernhard Koppels Geschäft florierte. Die Kaufmannsfamilie lebte gutsituiert im bürgerlichen Wohnviertel von Ottensen nah am Elbhang. Julia Koppel, die den Haushalt führte, wurde unterstützt von einer Hausangestellten.
Ende 1935 verstarb Bernhard Koppels Vater Samuel Koppel im Alter von 87 Jahren. Er lebte schon seit 1914 als "Privatier" im "Hertz-Stift", dem jüdischen Wohnstift der "Salomon Joseph und Marianne Hertz-Stiftung" in der Sonninstraße 14 in der Altonaer Altstadt (heute Biernatzkistraße). Dort verzeichnete das Adressbuch Altona auch Bernhard Koppels Brüder Carl, Leo, ebenfalls Kaufmann, und Eduard, der eine Großhandlung für Bettwäsche führte. Bernhards Bruder Siegmund, ein Kaufmann, der zuletzt in der Reichenstraße 14 bei Familie Sommer wohnte, war schon im Februar 1930 mit unbekanntem Ziel fortgezogen; laut Angabe auf der Kultussteuerkarte war er "auf Reisen".
Nach 1933 konnte Bernhard Koppel seine Vertretertätigkeit für Ledermöbel fortsetzen, hatte jedoch sicherlich infolge der Auswanderung jüdischer Geschäftspartner und Kunden nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und infolge des Boykotts jüdischer Unternehmen seit April 1933 Geschäftseinbußen hinzunehmen.
Im Juni 1938 wurden die Beamten des Steuerfahndungsdienstes beim Oberfinanzpräsidenten auf ihn aufmerksam. Die Industrie- und Handelskammer hatte die Behörde "wegen etwa einzuziehender Sicherheiten für fällig werdende Reichsfluchtsteuer" davon in Kenntnis gesetzt, dass der Firmeninhaber Bernhard Koppel einen Antrag auf einen Reisepass gestellt hatte. Nun trat die Devisenstelle auf den Plan und forderte das lokale Polizeiamt Altona in einem Schreiben vom 6. Juli unter der Betreffzeile "Kapitalfluchtverdacht" auf, Ermittlungen "über den Juden Bernhard Koppel" und seine Familie anzustellen. Angefragt wurde, ob Koppel noch Mieter der Wohnung Moltkestraße 3 und ob die Wohnung noch voll mit eigenen Möbeln ausgestattet sei, ob Familienmitglieder bereits ausgewandert und an wen Reisepässe erteilt worden seien. "Ferner bitte ich unauffällig festzustellen, ob bei den Genannten Auswanderungsabsichten bestehen. Anhaltspunkte dafür könnten sein: Lösung des Mietvertrages, Verkauf des Grundstückes, Neuanschaffungen aller Art über den bisher üblichen Rahmen hinaus, Auslandsreisen."
Das Polizeiamt Altona unterrichtete die Devisenstelle zehn Tage später davon, dass bisher niemand aus der Familie ausgereist sei. Bernhard Koppel bewohne die mit eigenen Möbeln ausgestattete Wohnung als Mieter. Ermittlungen beim Vermieter hatten ergeben, dass die Wohnung nicht gekündigt sei. Allerdings habe Koppel einen Reisepass beantragt für Geschäftsreisen durch den polnischen Korridor nach Ostpreußen und nach Holland.
Die Devisenstelle genehmigte dem Polizeiamt die Aushändigung des Reisepasses, wies aber umgehend die Zollfahndungsstelle an, Maßnahmen "betreffend Kapitalfluchtverdacht" zu treffen und Bernhard Koppel, der die Absicht habe auszuwandern, den Reisepass wieder abzunehmen. Am 13. Juli legte die Zollfahndungsstelle einen Ermittlungsbericht vor: Nennenswertes Vermögen sei nicht vorhanden, die Firma bestehe nur auf dem Papier, Bernhard Koppel bestreite seinen Lebensunterhalt aus seiner Vertretertätigkeit für verschiedene Möbelfabriken, die er schon seit Jahren parallel zur eigenen Firma ausübe. Der Pass, den Koppel nach eigenen Angaben lediglich für Geschäftsreisen benötige, sei noch nicht ausgehändigt worden.
Die Devisenstelle überprüfte nun die finanziellen Verhältnisse des Ehepaares. Die Koppels mussten Auskunft geben über Vermögen und laufende Lebenshaltungskosten. Die Commerzbank teilte mit, dass Julia Koppel lediglich über ein Bankguthaben von 2000 Reichsmark verfüge. Die Devisenstelle verzichtete daraufhin darauf, die Konten des Ehepaares mit einer "Sicherungsanordnung" zu belegen.
Ab Mitte November 1938 wurden die meisten jüdischen Geschäfte und Gewerbebetriebe zwangsweise geschlossen. Hellmut und Kurt, die Söhne von Bernhard und Julia Koppel, 26 und 20 Jahre alt, bereiteten nun gemeinsam ihre Auswanderung nach Uruguay vor. Im Dezember 1938 füllte Kurt Koppel, gelernter Maschinenschlosser, den Auswandererfragebogen bei der Behörde des Oberfinanzpräsidenten aus. Am 19. traf die Devisenstelle mit der sogenannten Unbedenklichkeitsbescheinigung die offizielle Feststellung, dass die Brüder weder Steuern noch Abgaben schuldig seien; somit gab es keine Bedenken mehr gegen eine Auswanderung. Kurt Koppel erstellte die angeforderte Liste für sein "Auswanderergut", die auch den traditionellen jüdischen Gebetsmantel und die Gebetsriemen enthielt. Die Eltern wollten für beide Söhne, die noch bei ihnen wohnten und im Geschäft des Vaters mitgearbeitet hatten, die Reisekosten übernehmen.
Möglicherweise verschob sich die Ausreise, weil die jüdische Familie von den Umsiedlungsaktionen betroffen war. Im April 1939 wurden die Koppels in das Haus II der Sonninstraße 14 zwangseinquartiert. Das "Hertz-Stift", ein Gebäude der ehemaligen Jüdischen Gemeinde Altona, wurde nun als sogenanntes Judenhaus zur Gettoisierung und Überwachung der Menschen jüdischer Herkunft genutzt. Die wertvolle Wohnungseinrichtung der Koppels, bestehend unter anderem aus "Schlafzimmer Mahagoni", "Herrenzimmer Eiche", "Speisezimmer Eiche" und Perserteppichen, wurde mit Ausnahme weniger Einzelstücke zwangsversteigert.
Nach Kriegsbeginn im September 1939 änderten Hellmut und Kurt Koppel ihre Auswanderungspläne. Hellmut gelang es, im Oktober 1939 in die Schweiz auszureisen und von dort nach Palästina auszuwandern. Über das Rote Kreuz und Bekannte in der Schweiz korrespondierte er noch bis 1941 mit seinen Eltern. Auch Kurt entkam im selben Monat nach Palästina.
Noch im Oktober 1939 versuchte Bernhard Koppel, offene Geldforderungen seiner Firma "Bernhard Koppel, Vertretung erstklassiger Möbel-Fabriken" gegen Fabrikanten einzuklagen. In einem Verfahren gegen die ehemals jüdische, inzwischen "arisierte" Firma "Rheinische Möbel-industrie A. G." in Bad Honnef am Rhein war vor Gericht eine vergleichsweise Zahlung angeregt worden. Im Januar 1941 teilte der Rechtsanwalt der Firma der Devisenstelle mit: "Meine Mandantin will darauf eingehen, wenn das Geld nicht dem Juden Koppel zu Gute kommt. Ich bitte daher um Aufklärung, ob der evt. Vergleichsbetrag an die Devisenstelle überwiesen werden kann. Heil Hitler!"
Auch machte Bernhard Koppel bei der Devisenstelle finanzielle Forderungen gegen zwei jüdische Kunden geltend: "Da ich erfahre, dass beide Herren in Kürze auswandern werden, bitte ich um beschleunigte Maßnahmen."
Anfang 1941 bereitete auch das Ehepaar Koppel seine Emigration vor. Die Industrie- und Handelskammer befürwortete Bernhard Koppels Antrag auf Ausstellung eines Auslandsreisepasses und reichte ihn weiter an die Abteilung Passpolizei beim Hamburger Polizeipräsidenten. Der Behörde des Oberfinanzpräsidenten lag der Auswanderungsantrag des Ehepaares vor. Ende Februar 1941 übersandte das Finanzamt der Devisenstelle eine "Vermögensaufstellung für den Juden Bernhard Israel Koppel" mit dem Fazit, es seien weder Grund- noch Betriebsvermögen oder ein nennenswertes Bankguthaben vorhanden. Doch erst acht Monate später bescheinigte das Steueramt Altona der Devisenstelle, dass das Ehepaar Koppel mit keinerlei Abgaben im Rückstand war. Am 3. November 1941 konnten Bernhard und Julia Koppel den "Auswandererfragebogen" bei der Devisenstelle unterzeichnen. Als Emigrationsziel gaben sie die Dominikanische Republik an. Seit Kriegsbeginn war eine Auswanderung nur noch in wenige lateinamerikanische Länder und nach Shanghai möglich. Ab Oktober 1941 zielte die bisher auf Vertreibung der Juden aus dem Deutschen Reich gerichtete Politik der Nationalsozialisten auf die Vernichtung der europäischen Juden. Die Auswanderung wurde im Oktober 1941 verboten. Offenbar setzten die Behörden auf Verzögerungstaktik. Die Devisenstelle gab die für die Ausreise unabdingbare "Unbedenklichkeitsbescheinigung" erst mit Datum vom 11. November in die Post.
Der Wettlauf mit der Zeit war verloren. Schon einige Tage zuvor hatten Bernhard und Julia Koppel an die Adresse des "Judenhauses" Sonninstraße 14 den Befehl zur Deportation ins Getto Minsk im besetzten Weißrussland erhalten. Sie mussten sich am 7. November in dem von der Gestapo beschlagnahmten Logenhaus an der Moorweide einfinden. Nach einer Übernachtung in der Sammelstelle ging am 8. November 1941 der Transport vom Hannoverschen Bahnhof ab. Wann und wo genau Julia und Bernhard Koppel starben bzw. ermordet wurden, ist nicht bekannt. Nach dem Krieg galten die Eheleute als verschollen. 1947 wurden sie für tot erklärt, verstorben am fiktiven Datum 8. Mai 1945.
Bernhards Bruder Eduard Koppel war zunächst nach Belgien geflohen und wurde am 17. August 1942 aus dem Sammellager Drancy bei Paris nach Auschwitz deportiert.
Der Bruder Leo Koppel lebte während des Krieges ebenfalls in Belgien und kam 1944 in der Shoah ums Leben.
Die Schwester Johanna wurde 1940 mit unbekanntem Ziel deportiert.
Stand September 2015
© Birgit Gewehr
Quellen: 1; 2 (FVg 8858 Bernhard Koppel, R1938/964 Bernhard Koppel, FVg 8858 Bernhard Koppel, FVg 7175 Kurt Koppel und R1940/33 Koppel, Friedfertig); 4; 5; 8; AB Altona; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden, 992 e 2 Band 2 (Deportationsliste Minsk, 8.11.1941); StaH 351-11, Amt für Wiedergutmachung, 240584 (Koppel, Bernhard).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".