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Bereits verlegte Stolpersteine



Margarethe Rosenbaum * 1903

Isestraße 65 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Lodz
ermordet

Weitere Stolpersteine in Isestraße 65:
Alice Goldstein, Rosa Josias, Willy Josias, Franziska Rosenbaum

Franziska Rosenbaum, geb. Hesse, geb. 13.11.1879, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert
Margarethe Rosenbaum, geb. 31.7.1903, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert

Mutter und Tochter zogen 1939 von Duderstadt bei Hannover nach Hamburg in die Isestraße. Sie waren in ihrer Heimatstadt von ortsansässigen NSDAP-Mitgliedern drangsaliert und zum Verkauf ihres Geschäftes genötigt worden. Die Familie Rosenbaum besaß seit 1866 in Duderstadt, in der Marktstraße, ein Textilgeschäft, die Firma "S. Rosenbaum", die vor allem modische Damenkleidung und Kleiderstoffe sowie Herrenkleidung und Anzugstoffe anbot. Die Tochter der damaligen Nachbarn von gegenüber aus der Marktstraße, Irmgard Gödike, erinnerte sich: "Da Rosenbaums sehr gute Ware hatten und man nicht übervorteilt wurde, haben viele Familien für ihre Töchter die gesamte Aussteuer dort gekauft. Rosenbaums war ,das‘ Aussteuergeschäft am Platze."

Zur Familie Rosenbaum gehörten die Mutter, Franziska, der Vater, Max, geb. 1868, und ihre vier Kinder: Hans, geb. 1902, Margarethe, geb. 1903, Ernst, geb. 1908, der sich später Ernest Ralston nannte, und Paul, geb. 1915. Paul starb mit 17 Jahren 1932 an einer Kopfverletzung.

Bei der Befragung im Rahmen des "Wiedergutmachungsverfahrens" 1967 machte der Anwalt des Sohnes Ernst folgende Angaben:
"Der Hausstand in Duderstadt umfasste eine 7- oder 8-Zimmerwohnung (Wohnzimmer, Esszimmer, neues Herrenzimmer, 3 Schlafzimmer, Mädchenzimmer, sowie evtl. ein Gastzimmer) mit einer großen Bibliothek (ca. 25 Meter Bücher) wohlversehen mit Tisch- und Leibwäsche, Silber, Porzellan, Kristall, und Ölbildern (Originalen!). Ferner verfügte die Erblasserin überreichhaltige, wertvolle Kleidung und einen Persianermantel."

Bis auf den Sohn Hans, der frühzeitig nach Johannisburg in Südafrika auswanderte, arbeiteten alle Familienmitglieder im Geschäft. Zusätzlich waren dort noch drei Verkäufer und zwei Schneiderinnen angestellt. Angeschlossen an das Ladengeschäft, befand sich in der ersten Etage, hofwärts, ein Damenschneideratelier und in der zweiten Etage ein großes Lager mit Stoffen und Bettfedern. Das Geschäft florierte. Jedoch kündigte sich bereits 1933 ein Wandel an: Die Zeugin Irmgard Gödike sagte aus, dass ihre Eltern beobachteten, wie ein großes Hakenkreuz an die Eingangstür des Ladens "geschmiert" wurde. SS- und SA-Angehörige kontrollierten, wer bei den Rosenbaums einkaufte.

Viele Duderstädter ließen sich dennoch nicht abhalten und kauften heimlich dort ein. Vor allem auch katholische Bauern aus der ländlichen Umgebung, die in stiller Opposition zu den Nationalsozialisten standen, brachten ihre Federn zum Verkauf zu den Rosenbaums und erwarben im Gegenzug neue Kleidung für sich.

Im Januar 1935 starb Max Rosenbaum. Die Mutter führte den Textilhandel weiter, zusammen mit ihrem jüngeren Sohn Ernst als Kaufmann und ihrer Tochter Margarethe als Verkäuferin.

Selbst als ab 1936 ein SA-Mann ständig vor der Ladentür Position bezog, kauften viele Bauern nach wie vor bei den Rosenbaums, auch wenn insgesamt weniger Kunden kamen als in den Jahren zuvor. Franziska Rosenbaum fuhr deshalb mit ihrem Auto über Land auf die Dörfer, um ihre alte Stammkundschaft aufzusuchen, dabei deckten sich dann gleich ganze Familien mit Kleidung ein. Mit viel Geschick gelang es den Rosenbaums so ihren Umsatz trotz der Repressionen durch die SA zu halten.

Erst die Aktionen der SS und SA während der Pogromnacht im November 1938 zwangen die Rosenbaums schließlich zur Aufgabe ihres Geschäfts. Ernst wurde am 9. November inhaftiert und drei Wochen im Gefängnis von Duderstadt festgehalten. Uniformierte SA- und SS-Männer aus Duderstadt und Göttingen schlugen am gleichen Abend sämtliche Fensterscheiben des Ladengeschäftes und der Privatwohnung der Rosenbaums ein und begannen am Morgen darauf, den Laden und das Lager auszuräumen.

Die Verkäuferin der Rosenbaums, Erika Bögershausen, erinnerte sich: "Es waren große Möbelwagen vorgefahren, mit der Öffnung zu den Schaufenstern hin, in die die Warenbestände eingeladen wurden. Als ich kurz darauf das Geschäft durch einen rückwärtigen Eingang betrat, stellte ich fest, dass das Mobiliar zerstört worden war, unter anderem waren die Beleuchtungskörper zerschossen, die Dielen aufgerissen und der Tresor aufgebrochen. … Das in der zweiten Etage befindliche Lager, zu dessen Beständen unter anderem Bettfedern gehörten, war ebenfalls geplündert bzw. zerstört worden. Die Bettfedern wurden alle durch die Fenster hinausgeschüttet, so dass der Platz vor dem Gebäude vollkommen weiß war."

Fritz Wagner, der zuständig für die Inventur bei Rosenbaums war und gegenüber dem Lager der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) in der Jüdensstraße wohnte, beobachtete, wie die geplünderten Warenbestände aus den Möbelwagen von SS-Leuten ins Haus der NSV getragen wurden.

Fünf Tage nach der Gewalttat bot Franziska Rosenbaum ihr Grundstück und das Geschäft zum Verkauf an. Das nichtjüdische Uhrmacherehepaar Werner erwarb die Immobilie. Erst ein halbes Jahr später beauftragte die Gestapo Duderstadt den Vertreter des Textil- und Handelsverbandes, Otto Morick, die geraubten Textilien zu verkaufen, und den Erlös auf Sperrkonten der Geschädigten zu überweisen. Er sagte Folgendes aus:

"Als ich zur NSV kam, um die Ware abzuholen, lagen die einzelnen Posten in Unordnung wirr durcheinander, so dass nicht mehr zu erkennen war … was von Rosenbaum stammte. Ich erfuhr, dass ein Teil der Sachen wie Gardinen, Handtücher und Bettzeug an Kinderheime abgegeben worden war und dass die NSDAP roten Inlett zur Bespannung von Wänden bei NS-Feierlichkeiten entnommen hatte …"

Da die Waren aus mehreren Geschäften geraubt worden waren, mussten die ehemaligen Firmenbesitzer Otto Morick behilflich sein, die Waren zu identifizieren und auf separaten Tischen zu sortieren. Ernst Rosenbaum übernahm diese Aufgabe für seine Familie. Von dem Wert des auf 30000 RM geschätzten Lagers wurden den Rosenbaums nach dem Verkauf der verbliebenen Bestände 7435,50 RM auf ein Sperrkonto der Genossenschaftsbank überwiesen. Wie alle deutschen Juden wurde Franziska Rosenbaum wenig später gezwungen, vermögensabhängig 8000 RM "Judenvermögensabgabe" als "Sühneleistung" für die Schäden, die während der "Reichskristallnacht" entstanden waren, an das Deutsche Reich zu zahlen. Im Dezember 1938 mussten Juden ihren Führerschein abgeben. Franziska Rosenbaum verkaufte ihr Auto an die Werners, die auch schon das Geschäft übernommen hatten. Ernst Rosenbaum wanderte im März 1939 über London in die USA aus, seine Mutter übernahm für ihn die Zahlung von 1820 RM Reichsfluchtsteuer.

Im Sommer 1939 zogen Franziska und Margarethe Rosenbaum von Duderstadt nach Hamburg in die Isestraße, die Speditionsfirma Heine GmbH aus Hannover übernahm den Umzugstransport. Sie wohnten nun bei dem jüdischen Ehepaar Kuh zur Untermiete. Die beiden Frauen lebten von dem übrig gebliebenen Vermögen, das ihnen von der Devisenstelle eingeschränkt zugeteilt wurde. Wenn sie zusätzlich zu ihrem knappen monatlichen Unterhalt Gelder benötigten, mussten sie Anträge an die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten stellen. Meist waren es Arztrechnungen, Bestrahlungen und Auslagen für Bürobedarf und Porto, denn Franziska Rosenbaum war von der Devisenstelle angehalten, penibel alle Schuldner aus Duderstadt aufzufordern, ihre Schulden zu begleichen, wenngleich die Rosenbaums selbst gar nicht mehr über das eingetriebene Geld verfügen durften.

Margarethe Rosenbaum wollte wie ihr Bruder Ernest in die USA auswandern. Sie nahm deshalb regelmäßig Englischunterricht bei Dora Krogmann in der Innocentiastraße.

Im November 1940 zogen Mutter und Tochter erneut um, von der Isestraße in ein "Judenhaus" in der Haynstraße 7, Parterre links. Alle Möbel, die sie dort nicht mehr stellen konnten, ließen sie bei der Firma Keim, Krauth & Co. einlagern. Im April 1941 telefonierte Margarethe Rosenbaum vergeblich wegen ihrer Auswanderung in die USA. Anfang Oktober beglich sie die letzte Rechnung für Englischstunden.

Am 25. Oktober 1941 bekamen Mutter und Tochter den Deportationsbefehl nach Lodz. Dort waren die beiden in der Blattbindergasse 7 untergebracht. Da sie keine Arbeit fanden, mussten sie wie viele andere Menschen hungern.

Am 2. Mai 1942 richtete Franziska Rosenbaum ein Gesuch an die "Aussiedlungskommission" in der Fischgasse. Darin bat sie, sowohl sie selbst als "Herzleidende" wie auch ihre Tochter als unentbehrliche Pflegerin von der bevorstehenden "Aussiedlung" auszunehmen. Ihr Antrag wurde abgelehnt. "ODMOWA" – "Abgelehnt" lautete der Stempel auf ihrem Gesuch. Die beiden wurden im Mai 1942 zusammen mit den meisten anderen Hamburger Juden aus dem Getto Lodz in Chelmno in Gaswagen erstickt.

© Maike Grünwaldt

Quellen: 1; 2; 4; 8; StaH, 351-11, AfW 4299, (in dieser Akte sind die Zeugenaussagen im Rahmen des Ge­richtsverfahrens vor dem Landgericht Hannover enthalten); USHMM, RG 15083, M 300/522-523; Bruno Blau, Das Ausnahmerecht für die Juden in Deutschland, Düsseldorf 1965, S. 56; Beate Meyer (Hrsg.), Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933–1945, Hamburg 2006, S. 51.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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