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Bereits verlegte Stolpersteine



Helena Levie (geborene Weingarten) * 1863

Gneisenaustraße 5 (Eimsbüttel, Hoheluft-West)


1939 Flucht Holland
deportiert 1942
Auschwitz
ermordet

Weitere Stolpersteine in Gneisenaustraße 5:
Jonas (Jona) Fränkel, Jenny Fränkel, Julius Levie

Helena Levie, geb. Weingarten, geb. am 3.11.1863 in Felsberg, im Januar 1939 in die Niederlande emigriert, 26.9.1942 Lager Westerbork, am 1.10.1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet
Julius Levie, geb. am 10.8.1892 in Altona, im Februar 1939 in die Niederlande emigriert, am 1.6.1943 von Westerbork nach Sobibor deportiert, dort ermordet am 4.6.1943

Gneisenaustraße 5

Helene oder Helena Levie wurde im hessischen Felsberg im Edertal geboren. Ihre Eltern waren der Pferdehändler Salomon Weingarten und dessen Ehefrau Jettchen, geb. Koenig, beide wohnhaft in Felsberg, Untergasse 26.

Am 11. März 1890 heiratete Helene Weingarten in Felsberg den Hamburger Kaufmann Abraham Levie, der am 3.10.1853 in Groningen in den Niederlanden geboren worden und niederländischer Staatsbürger war. Am 10.8.1892 kam der gemeinsame Sohn Julius in Altona zur Welt. Die Familie wohnte zu der Zeit in der Großen Westerstraße 46 I.

Julius Levie wurde Kaufmann und versuchte sich in verschiedenen Branchen. Er war Mitinhaber der Firma Wilhelm Pook, Pneumatikgroßhandlung, mit Sitz in der Deichstraße 38, im März 1923 wurde er Teilhaber der Firma Max Jaspersen & Co, zusammen mit Heinrich Christian Max Jaspersen und Heinrich Christian Schwartz, Hausmakler. Heinrich Christian Schwartz starb im Juli 1924. Die offene Handelsgesellschaft wurde aufgelöst. Ab August 1929 bis zum Erlöschen der Firma am 6. März 1940 war der bisherige Gesellschafter Julius Levie Geschäftsinhaber. Die Firma handelte mit Badesalz. Firmensitz war Zeughausmarkt 34.

Offensichtlich hatte Julius Levie aber noch ganz andere Interessen: Er war Vorsitzender der im August 1919 gegründeten Theosophia, Lehrverein für Geis­teswissenschaft e.V. bzw. Lehrverein für Christuswissenschaft, wie es im Vereinsregister hieß. Dem Vorstand gehörten der Kaufmann Julius Levie, der Handlungsgehilfe Ferdinand Guggenheim und die Sprachlehrerin Fräulein Louise Eprinchard an. Zum Verein gehörte ein kleiner Verlag für esoterische und okkultistische Schriften. Der Theosophia Verlag Julius Levie wurde am 10. Juli 1920 ins Handelsregister eingetragen. Die Firma erlosch auf Grund des § 31 Abs. 2 HGB am 13. Dezember 1940. Verein und Verlag hatten ihren Sitz in der Gneisenaustraße 5, wo Julius Levie auch wohnte.

Anfang des 20. Jahrhunderts waren Vorstellungen von der Existenz übersinnlicher Kräfte noch populärer als heute, und viele Menschen fühlten sich von diesen Denkströmungen angezogen. 1934 wurde der Verein verboten. Im Vereinsregister hieß es: "Dem Verein ist durch Beschluß des Registergerichts vom 2. Juni 1934 auf Grund von § 73 BGB die Rechtsfähigkeit entzogen worden." In den Bibliothekskatalogen findet sich heute nur noch eine Veröffentlichung aus diesem Verlag: "Das zweite Gehirn: Betrachtungen über die zukünftigen Aufgaben eines wissenschaftlichen Okkultismus" von Ferdinand Maack (1861–1930) aus Hamburg. Dr. med. Ferdinand Maack, Gründer einer Rosenkreuzer-Gesellschaft (1923 in Hamburg gegründet) und bekannter esoterischer Schriftsteller, bezeichnete sich selbst als Xenologe, Stereosoph, Allomatiker und Rhodostaurologe (nach Miers). Weitere Schriften dieses Autors erschienen in einem anderen Verlag. Julius Levie sammelte auch Bücher. Ein Exlibris von ihm aus dem Jahr 1920 ist in der Sammlung Jaap van Velzen im Joods Historisch Museum in den Niederlanden erhalten. Wahrscheinlich enthielt seine Büchersammlung ebenfalls esoterische und okkultistische Werke. Ob diese Büchersammlung ihm gehörte und ob sie mit der Bibliothek des Vereins Theosophia identisch war, ist nicht ganz klar.

Julius Levie verfasste ein Gesamtverzeichnis seiner Theosophisch-Okkultistischen Bibliothek, dessen 3. Auflage zum 10-jährigen Bestehen des Theosophia Verlags 1929 erschien. Zu der Zeit umfasste die Bibliothek 2.700 Bände. Im Vorwort dieser Bibliographie schrieb Julius Levie: "In dankbarer Erinnerung an die bedeutenden Führer Helena Petrowna Blavatsky und Dr. Franz Hartmann der im Jahre 1875 in Amerika, auf Veranlassung der Meister in Tibet, gegründeten Theosophischen Gesellschaft wurde unsere, vor nunmehr 10 Jahren, am 19. August 1919 ins Leben gerufene, an sich völlig unabhängige Vereinigung Theosophia benannt."

Julius Levie wurde nach der Pogromnacht im November 1938 als "Schutzhäftling" im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Anfang 1939 emigrierten er und seine Mutter Helena nach Amsterdam.

In den Niederlanden versuchte Julius Levie, sich wieder als Kaufmann eine Existenz zu schaffen, indem er mit Chemikalien und Büchern handelte. Ob es ihm gelungen war, die Hamburger Bibliothek mitzunehmen, ist unbekannt. Seit September 1939 war Julius Levie Standesbeamter und "Kerkvoogd" der Liberalen Jüdischen Gemeinde in der Tulpstraat in Amsterdam. Hier heiratete er am 17. September 1941 die Berlinerin Irma Lachotzky (geb. 8.11. 1909), die als Sekretärin bei der Jüdischen Gemeinde in Amsterdam tätig war.

Anfang 1941 wohnten Mutter und Sohn in Amsterdam in der Valkenburgerstraat 102 II. 1942 wurden Helena, Julius und seine Ehefrau verhaftet und im Konzentrationslager Westerbork interniert. Helena Levie kam am 26. September 1942 nach Westerbork und wurde am 1. Oktober 1942 nach Auschwitz deportiert. Julius wurde am 1. Juni 1943 mit einem Zug ins Vernichtungslager Sobibor transportiert.

Julius Levie hatte in Hamburg zwei Vettern und eine Cousine, die ebenfalls die niederländische Staatsbürgerschaft besaßen und in die Niederlande emigrierten. Die Vettern waren Jon Levie (geb. 1878) und Iwan Levie (geb. 1884), die Cousine war Lea Levie (geb. 1886), alle waren Kinder des Zigarrenfabrikanten Theodor (Tanchum) und seiner Ehefrau Hannah Levie, geb. Ricardo-Rocamora. Beide Vettern waren Kaufleute. Jon war Vertreter für Rohtabak, Iwan Großhändler für Herrenkonfektion. Lea war Hauswirtschaftslehrerin. Alle drei wurden in Auschwitz ermordet (s. Iwan Levie).

Für Jon Levie und seine Ehefrau Hertha liegen Stolpersteine in der Papenhuder Straße 22. Die Biographie ist in dem Buch "Stolpersteine in Hamburg-Barmbek und Hamburg-Uhlenhorst" nachzulesen. Für Lea Levie liegt ein Stolperstein im Jungfrauenthal 28.

© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; 2 (FVg 5514; FVg 5515); 4; 5; StaH 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 c; StaH 231-7, A1 Band 131, HRA 29568; StaH 231-10 Vereinsregister A1 Band 20 Nr. 952; StaH 332-5 Standesämter, 6276 + 2663/1892; www.Joodsmonument.nl; Auskunft Jose Martin, Joodse Monument, v. 23.1.2012; HAB II 1918 und 1932; HAB IV 1926; Heiratsurkunde Helena Weingarten – Abraham Levie aus dem Historischen Archiv der Stadt Felsberg; Julius Levie, Theosophia; Carmen Smiatacz, Stolpersteine in Hamburg-Barmbek, S. 126ff.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und "Quellen".

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