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Bereits verlegte Stolpersteine



John Schickler * 1875

Valentinskamp 46 (Hamburg-Mitte, Neustadt)

1942 Theresienstadt
ermordet 13.01.1943

Weitere Stolpersteine in Valentinskamp 46:
Ella Feldheim, Ingeborg Feldheim, Bela Feldheim, Bernhard Feldheim

John Schickler, geb. am 14.6.1875 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort gestorben am 13.1.1943

Valentinskamp 46

John Schickler war mit acht Geschwistern aufgewachsen. Er war am 14. Juni 1875 in der Steinwegpassage 4 geboren worden, wo sein Vater ein Geschäft zum Verkauf von Bändern besaß. Seine Eltern waren das jüdische Ehepaar Abraham Julius Schickler (geb.13.11.1823, gest. 28.5.1902), der aus Rodenberg in Niedersachsen stammte, und Sara Rike, geb. Zacharias (geb. 4.11.1840 gest. 10.10.1919).

John Schickler verdiente seinen Lebensunterhalt als Reisender, die Hamburger Adressbücher wiesen ihn auch als Kaufmann aus. Als er am 18. Oktober 1906 Bertha Janover (andere Schreibweise: Janower) heiratete, wohnte er in der Schanzenstraße 45 im Stadtteil St. Pauli.

Bertha Janover war am 4. August 1884 als Tochter von Meta Deppe in Hannover geboren worden. Ihre Mutter, die keine Jüdin war, war am 10. Februar 1865 unehelich in Bremen zur Welt gekommen. Deren Mutter hieß ebenfalls Meta Deppe, später verheiratete Staufenberg. Als Bertha fünf Monate alt war, hatte ihre Mutter am 3. Januar 1885 den jüdischen Möbelhändler Nahmann Moise Janover (geb. 16.4.1849, gest. 4.12.1925) geheiratet; der sechzehn Jahre ältere Witwer nannte sich Moritz und stammte aus Ias˛i (Jassi), einer Stadt im Nordosten Rumäniens.

Nach ihrer Heirat in Bremen waren drei Söhne Julius (geb.10.7.1886), Paul (geb. 28.7.1888) und Max (geb. 9.9.1890, gest.1.4.1966) gefolgt. Sie besuchten die Liebfrauen Domschule in Bremen, über Berthas Schulausbildung ist nichts bekannt. 1903 war Familie Janover von Bremen, aus der Werrrastraße 21 nach Altona in die Straße Beim grünen Jäger 25 gezogen. Nach Angaben des Sohnes Paul war der Umzug nicht freiwillig erfolgt, sein Vater besaß nicht die deutsche Staatsbürgerschaft und hatte als ausländischer Jude Bremen verlassen müssen.

Paul und Julius wurden, wie ihr Vater, in der Möbelbranche tätig und ließen sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges in Hamburg einbürgern. Sie heirateten in den Jahren 1916 bzw. 1922. Max wählte den Beruf des Fotografen. Als er 1918 heiratete, waren sein Vater Moritz und sein Schwager John Schickler die Trauzeugen. Die Ehefrauen der drei Brüder kamen aus nichtjüdischen Familien.

Bertha und John Schickler wohnten in der dritten Etage der Gärtnerstraße 58 in Eimsbüttel, als ihre Töchter, Edith am 11. März 1911 und Fanny am 20. August 1913, geboren wurden. Das Ehepaar lebte für kurze Zeit im Heussweg 24 und in der Gneisenaustraße 13. Ins Grindelviertel in die Rappstraße 17 zogen sie 1916. Nach dem Ersten Weltkrieg kam die jüngste Tochter Margot am 26. Juni 1919 in der Dillstraße 6 zur Welt. Sie war erst acht Jahre alt, als ihre Mutter Bertha Schickler am 4. Dezember 1927 im Israelitischen Krankenhaus verstarb. Diese wurde auf dem Jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel in Ohlsdorf beerdigt. John Schickler lebte noch bis 1930 in der Dillstraße, dann zog er in die Beneckestraße 20. Im Jahre 1932, wohl bedingt durch die Wirtschaftskrise, führte ihn die Deutsch-Israelitische Gemeinde als erwerbslos. In den folgenden Jahren lebte er als Untermieter in den Stadtteilen St. Pauli und Neustadt unter wechselnden Adressen. Zwischenzeitlich wohnte er bei seinen Töchtern in der Burchardstraße 18a.

Edith arbeitete als Verkäuferin. Sie war seit 1937 Hauptmieterin der Wohnung in der Burchardstraße, obwohl sie sich zeitweise auch außerhalb von Hamburg aufgehalten haben soll. Auf der Kultussteuerkarte ihrer Schwester Fanny verzeichnete ein Mitarbeiter der Jüdischen Gemeinde 1932 "Kosmetik Jungfernstieg 3". Unter dieser Adresse, in der zweiten Etage, betrieb Victoria Grunwald einen "Schönheitspflegesalon"; gut möglich, dass Fanny dort für einige Zeit beschäftigt war.

John Schickler machte sich 1936 wieder selbstständig. In einem Hinterhaus am Valentinskamp 46 betrieb er einen Metallhandel. Laut einem Vermerk auf seiner Kultussteuerkarte tätigte er jedoch nach 1939 nur noch selten Geschäfte. Am 26. Februar 1938 traf John Schickler ein weiterer Schicksalsschlag. Seine jüngste Tochter Margot starb nach einer Blinddarmentzündung im Altonaer Krankenhaus. Margot war erst 18 Jahre alt und als Hausangestellte beschäftigt. Sie wurde, wie ihre Mutter Bertha, auf dem Jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel beerdigt.

Wann genau Edith und Fanny Schickler in den 1930er Jahren gemeinsam zur Untermiete in der Krochmannstraße 72 in Hamburg-Winterhude wohnten, wo heute Stolpersteine für sie liegen, ließ sich nicht ermitteln (s. Stolpersteine in Hamburg-Winterhude). Nach der Volkszählung vom Mai 1939 lebten sie zu diesem Zeitpunkt in der dritten Etage des Hauses Kreunzweg 21 im Stadtteil St. Georg.

Die Schwestern versuchten ihren Status als Jüdinnen zu verbessern. Am 25. Juni 1941 erklärten sie in einem Schreiben an den Jüdischen Religionsverband Hamburg, sie würden im Sinne der "Nürnberger Rassengesetze" als "Mischlinge ersten Grades" gelten, keine "Juden-Kennkarte" besitzen und auch nicht den Zwangsnamen "Sara" führen müssen.

Weiter teilten sie mit, ihre Großmutter Meta Janover habe schon im Dezember 1938 eidesstattlich erklärt, dass ihr verstorbener Ehemann Max Janover nicht der Vater ihrer Tochter Bertha gewesen sei, obwohl er die Vaterschaft 1886 vor dem Standesamt in Hannover anerkannt habe. Ihre Großmutter sei zwar bei der Eheschließung zum Judentum konvertiert, sie seien aber nicht jüdisch erzogen worden und gehörten der Deutsch-Israelitischen Gemeinde nicht an. Sie hatten die Privatschule des Dr. Löwenberg besucht, aber an dem dortigen jüdischen Religionsunterricht nicht teilgenommen. In der Familie würde das Weihnachtsfest gefeiert und zur Familie ihres Vaters bestehe keine Verbindung, wohl aber zur Familie ihrer verstorbenen nichtjüdischen Mutter. Der Versuch blieb erfolglos.

Ediths und Fannys Großmutter Meta Janover, die zuletzt in der Großen Gärtnerstraße 120 (heute Thadenstraße) gewohnt hatte, war fünf Monate zuvor am 18. Januar 1941 im Hilfskrankenhaus Hohenzollernring in Altona verstorben. Sie wurde neben ihrem 1925 früh verstorbenen Mann auf dem Jüdischen Friedhof Bornkampsweg in Bahrenfeld beerdigt.

Ihre Söhne Paul und Julius Janover konnten mit ihrem Austritt aus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde im Jahre 1935/1936 ihren Status nicht verbessern. Sie unterlagen als "Geltungsjuden" allen antijüdischen Maßnahmen, waren aber zunächst durch ihre "Mischehen" vor einer Deportation geschützt. Der ältere Julius Janover lebte mit seiner Ehefrau Martha (geb. 3.6.1888) in der Amandastraße 89 in Hamburg-Eimsbüttel, als er im Juni 1938 verhaftet und ins KZ Sachsenhausen verbracht wurde. Er starb kurz nach seiner Entlassung, schwer erkrankt, am 7. Dezember 1939 im Universitätskrankenhaus Eppendorf.

Bruder Paul Janover musste mit seiner Frau Hedwig, geb. Jahnke (geb. 26.11.1883 in Anklam), aus seiner langjährigen Wohnung in der Arnisstraße 2 in Altona in das "Judenhaus" Heinrich-Barth-Straße 8 ziehen. Seinen "auswärtigen Arbeitseinsatz" in Theresienstadt, kurz vor Kriegsende am 14. Februar 1945, überlebte er.

Auch John Schickler wurde wie sein Schwager Paul Janover zuletzt in ein "Judenhaus" einquartiert. Im ehemaligen Lazarus-Gumpel-Stift, Schlachterstraße 46/47, traf er auf seine Schwester Therese Meyer, geb. Schickler (geb. 19.8.1869), die mit ihrem Ehemann Samuel Meyer (geb.1.5.1867 in Altona) die Wohnung in der Schlüterstraße 79 hatte aufgeben müssen. Am 19. Juli 1942 wurden sie gemeinsam mit ihrer verwitweten Schwester Dora Salomon, geb. Schickler (geb. 2.1.1864), der Schwester Ella Mayer, geb. Schickler (geb. 21.1.1879) und deren Ehemann Isidor Mayer (geb. 26.3.1874 in Eschweiler) in das "Altersgetto" nach Theresienstadt deportiert. Im September 1942 wurden sie in Treblinka ermordet.

John Schickler starb im Getto Theresienstadt laut Todesfallanzeige am 13. Januar 1943 an Lungenentzündung.

Als die Namen von Edith und Fanny Schickler auf die Deportationsliste gesetzt wurden, Fanny mit der Berufsbezeichnung Laborantin, waren die Schwestern in das "Judenhaus" Beneckestraße 2 verzogen. Obwohl sie – für ihr Alter ungewöhnlich – einen "Heimeinkaufsvertrag" für die Unterbringung im Getto Theresienstadt abschlossen, wurden sie am 12. Februar 1943 mit 21 weiteren Personen zunächst nach Berlin transportiert, wo sie im Sammellager Große Hamburger Straße warten mussten, bis sie am 19. Februar 1943 einem Osttransport nach Auschwitz zugeteilt wurden.

Ihr Hausrat, den sie in Hamburg zurückließen, wurde versteigert. Der Erlös von 132,25 Reichsmark wurde zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen.

Für ihre Tante Dora Salomon liegt ein Stolperstein in der Sedanstraße 23, für die Ehepaare Ella und Isidor Mayer in der Dillstraße 20 und für Therese und Samuel Meyer in der Schlüterstraße 79.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 9; StaH 214-1 Gerichtsvollzieherwesen 612; StaH 351-11 AfW 9337 (Janover, Martha); StaH 351-11 AfW 10952 (Janover, Paul); StaH 351-11 AfW 6860 (Janover, Hedwig); StaH 332-5 Standesämter 7933 u 785/1900; StaH 332-5 Standesämter 7954 u 1255/1902; StaH 332-5 Standesämter 3070 u 610/1906; StaH 332-5 Standesämter 8054 u 630/1919; StaH 332-5 Standesämter 926 u 477/1927; StaH 352-5 Todesbescheinigung 1927, Sta 2a Nr. 477; StaH 332-5 Standesämter 5412 u 309/1938; StaH 332-5 Standesämter 9906 u 1876/1939; StaH 332-5 Standesämter 5104 u 90/1941; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 161 Hochdeutsche Israelitische Gemeinde in Altona Mitgliederliste 1924-1926; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992 d Band 30; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992 d Band 14; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 391 Mitgliederliste 1935; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5, Transport nach Theresienstadt am 19. Juli 1942 Liste 1; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5, Transport nach Auschwitz am 12. Februar 1943; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5, Transport nach Theresienstadt am 14. Februar 1945; http://familytreemaker.genealogy.com/users/n/e/u/Eliot-Neumann/WEBSITE-0001/UHP-0068.html (Zugriff 11.1.2015); Meyer: Verfolgung, S. 69 u. S. 79–87; Meyer: "Jüdische Mischlinge"; Stein: Stiftung, S. 181; diverse Hamburger Adressbücher.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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