Namen, Orte und Biografien suchen
Bereits verlegte Stolpersteine
Suche
Sora Sonja Littmann (geborene Tschertaryski) * 1894
Karolinenstraße 5 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)
1941 Riga
ermordet
Weitere Stolpersteine in Karolinenstraße 5:
Edith Gerechter, Hugo Gerechter, Erich Joseph Littmann, Lotte Littmann
Erich Littmann, geb. 10.12.1925 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 in das Außenlager Jungfernhof des Getto Riga, deportiert 1944 in das Konzentrationslager Stutthof, deportiert in das Konzentrationslager Natzweiler, dort ermordet am 21.2.1945
Lotte (Charlotte) Littmann, geb. 4.12.1920 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 in das Außenlager Jungfernhof des Getto Riga, deportiert am 9.8.1944 in das Konzentrationslager Stutthof
Sonja (Sora) Littmann, geb. Tschertaryski (Tschertoryjski), geb. 15.12.1894 in Kiew, deportiert am 6.12.1941 nach Riga
Karolinenstraße 5 (Carolinenstraße 5, Haus 1)
Die Spuren der Familie Littmann konnten wir bis zum 23. Mai 1887 zurückverfolgen. An diesem Tag erblickte Moritz Littmann, der spätere Ehemann Sonjas, das Licht der Welt. Sein Geburtsort ist nicht bekannt; seinen verschiedenen Angaben zufolge wurde er entweder in Russland, in Ungarn oder in der Tschechoslowakei geboren.
Sonja war die Tochter von Gedalja und Mascha Tschertoryjski. Sie besaß die deutsche Staatsangehörigkeit und heiratete im Alter von 25 Jahren den Schuhmacher Moritz Littmann.
Aus ihrer Wohnung in der heutigen Wandsbeker Marktstraße in Wandsbek zog die Familie Littmann nach der Geburt der beiden Kinder Lotte und Erich knapp zehn Jahre nach der Hochzeit nach Hamburg in die Karolinenstraße 5a. In Wandsbek betrieb Sonjas Vater sein eigenes Schuhgeschäft – es lag neben seiner Wohnung in der Hamburgerstraße 27.
Im Dezember 1936 zog Lotte Littmann von Zuhause aus, um als Hausangestellte bei der Familie Meier in der Lenhartzstraße 11 eigenes Geld zu verdienen. Der Lohn war jedoch so gering, dass darüber keine Angaben in der Kultussteuerkartei zu finden sind. Sie war dort bis Ende Januar 1937 beschäftigt und zog anschließend zurück in die Karolinenstraße. Im September 1939 arbeitete sie im Israelitischen Krankenhaus in der Eckernförderstraße 4, ebenfalls mit höchst bescheidenem Einkommen. Als das Krankenhaus in der Eckernförderstraße schließen musste und in die Johnsallee umzog, setzte Lotte dort vermutlich ab Oktober 1939 ihre Tätigkeit als Lehrschwester fort. Im Juni 1940 erzielte sie erstmals ein steuerlich relevantes Einkommen, das – bis zu ihrer Deportation im Dezember 1941 – vom Jüdischen Religionsverband mit 2 RM monatlich besteuert wurde. Ebenfalls seit Juni 1940 musste sie in einem "Judenhaus" in der Beneckestraße 6 wohnen.
Inzwischen kriselte es in der Ehe ihrer Eltern. Sonja Littmann gab in dem 1939 beginnenden Scheidungsprozess an, dass ihr Ehemann außereheliche Verhältnisse zu Frauen unterhalte. Moritz Littmann wanderte noch im gleichen Jahr nach Shanghai aus, sodass die Ehe erst nach seiner Emigration im Jahr 1940 geschieden wurde.
Weiterhin wohnte Sonja mit ihrem Sohn Erich in der Karolinenstraße. Sie hatte keinen Beruf erlernt und besaß kein geregeltes Einkommen, weswegen sie Winterhilfe von der Jüdischen Gemeinde bezog, um ihr Überleben sichern zu können. Erich besuchte die Talmud Tora Schule bis zur 8. Klasse und erhielt am 27. März 1941 sein Abgangszeugnis.
Am 6. Dezember 1941 wurden Sonja, Lotte und Erich Littmann nach Riga deportiert. Lotte hatte sich freiwillig auf die Deportationsliste setzen lassen, obwohl ihr vermutlich bewusst war, dass ihr Überleben nach der Deportation ungewiss war. Offenbar wollte sie sich nicht von ihrer Familie trennen. Alle drei überlebten den Nationalsozialismus nicht.
Am 16. Januar 1942 – also etwa eineinhalb Monate nach der Deportation – wurde das Inventar der Wohnung in der Karolinenstraße zum Verkauf angeboten und vier Tage später der gesamte Besitz in drei Packkisten verstaut. Binnen drei Stunden war die Wohnung vollständig geräumt. In den Akten wurde die Versteigerung von dem Verantwortlichen, Herrn S., wie gewöhnlich als "freiwillige Versteigerung” beschrieben; schließlich hieß es in den Unterlagen über die Wohnungsauflösung, dass die Familie "abgewandert” sei. Der Erlös wurde auf das Konto der Oberfinanzkasse in Hamburg überwiesen. Von dem Versteigerungserlös der Wohnungseinrichtung wurden Schulden im Wert von zirka 1400 RM sowohl an Privatleute, als auch an Firmen wie die Hamburger Elektrizitätswerke gezahlt.
© Gianna Kühn/Lara Ludwig/Mona Dietrichkeit, S1 Gymnasium Marienthal
Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; StaH 314-15 OFP, J4/402; StaH 332-8 Meldewesen A51/1, K 2463; K 2514; StaH 362-6/10 Talmud-Tora-Schule, TT 26; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992 e 1 Band 4; StaH 621-1/85 Walter Schüler, 181 Scheidungsakte.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".
Hier abweichend:
(2) Bundesarchiv Berlin, R 1509 Reichssippenamt, Ergänzungskarten der Volkszählung vom 17. Mai 1939