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Walter Mittelbach im Alter von ca. 32 Jahren
Walter Mittelbach im Alter von ca. 32 Jahren
© Privatbesitz

Walter Mittelbach * 1909

Moorreye 94 (Hamburg-Nord, Langenhorn)


HIER WOHNTE
WALTER MITTELBACH
JG. 1909
IM WIDERSTAND
VERHAFTET 6.12.1942
"JUDENHILFE"
1943 GEFÄNGNIS KRAKAU
1943 DACHAU
HINGERICHTET 29.7.1944
GEFÄNGNIS KRAKAU

Walter Mittelbach, geb. 5.3.1909 in Hamburg, verhaftet am 6.12.1942 in Krakau, Haft in diversen Gefängnissen und Konzentrationslagern, vom Sondergericht in Krakau am 22.2.1944 zum Tode verurteilt, hingerichtet am 29.7.1944 in Krakau

Moorreye 94

Walter Mittelbach wurde am 5. März 1909 in Hamburg geboren. Seine Eltern, Magda Boya, geb. Möller (geb. 5.4.1877), und sein Vater Carl Ludwig Mittelbach (geb. 18.12. 1869), stammten aus Hamburg und hatten dort am 29. November 1902 geheiratet. Mit seinen vier Geschwistern Ernst Friedrich Ludwig (geb. 31.12.1903), Gertrud (geb. 6.11.1904), Hans Eugen Hermann (geb. 12.10.1905) und Joachim (geb. 20.12.1906) wuchs Walter Mittelbach als Jüngster in ihrer gemeinsamen Geburtsstadt auf. Anfangs wohnte die Familie am Eppendorfer Baum 42, dann im Grindelberg 15. Als Walter vier Jahre alt war, verzogen sie nach Klein Borstel. Dort, im Struckholt 19, lebten sie zehn Jahre lang, bis sie anschließend zwölf Jahre im Nachbarstadtteil Fuhlsbüttel, Rübenhofstraße 12 lebten.

Das eigene Heim in Langenhorn an der Grenze zu Fuhlsbüttel, eine Doppelhaushälfte in der Moorreye 94, bezog die Familie im Jahre 1936. Es war das Haus des Hausmaklers Moritz Traugott, der es 1928 für seine Tochter Hedwig anlässlich ihrer Hochzeit auf dem Grundstück der Eigenheim-Baugesellschaft Siemershöhe m.b.H. hatte bauen lassen. Die in der nationalsozialistischen Zeit verfolgte jüdische Familie Traugott hatte das Haus verkaufen müssen; mit ihren zwei Söhnen entkamen sie über Schweden in die USA. Die mit dem nichtjüdischen Lehrer Paul Schmüser verheiratete Tochter Hedwig, geb. Traugott, blieb in Hamburg und überlebte mit ihren beiden Töchtern.

Walter Mittelbachs Vater Carl Mittelbach war Realschullehrer und unterrichtete an der Seminarschule für Mädchen in Hohenfelde, Angerstraße 7, unter anderem Kunst. Malen war seine Leidenschaft. Es ist später von Walter Mittelbachs Ehefrau, bzw. seiner Tochter Renate Petra überliefert, dass die gesamte Familie musisch talentiert gewesen sei. Jedes der Kinder konnte ein Instrument spielen. Hauskonzerte waren ein fester Bestandteil im Familienleben. Walters Bruder Joachim besuchte das Matthias-Claudius-Gymnasium in Wandsbek. Walter Mittelbach war technisch sehr begabt und wurde Ingenieur.

Er soll vor dem Krieg im Gartenbau tätig gewesen sein und etliche Gärten in Wellingsbüttel gestaltet haben, wie in der Zeit der Arbeitslosigkeit den des Lehrerehepaares Carl und Margarethe Westerkamp in der Wellingsbütteler Landstraße 42. Dort fühlte er sich besonders wohl, und deren Kinder Hanna und Karl freuten sich mit ihm beim Spiel im Garten. Margarethe Westerkamp mochte die Art von Walter Mittelbach, wie er sich locker über Konventionen hinwegsetzen konnte. Die gesamte Familie Mittelbach soll sehr lebensfreudig und kreativ gewesen sein und es verstanden haben, aus misslichen Situationen etwas Vernünftiges zu "zaubern".

Walter Mittelbachs Ehefrau erinnerte sich an einen Ausflug in der Zeit ihrer Verlobung. Walter hätte aus zwei defekten Motorrädern eine funktionsfähige Maschine zusammengebaut und sie dann zu einer Tour eingeladen. Hinter Wedel sei jedoch der Motor ausgegangen und Walter habe gesagt: "Jetzt müssen wir schieben". Sie hatten kein Geld mehr für Benzin und mussten bis zum Schlump zurücklaufen. Seitdem hätte Walter seine zukünftige Ehefrau nicht mehr zu einem gemeinsamen Motorradausflug bewegen können. Walter Mittelbachs Wesen ist als stets freundlich und sehr hilfsbereit in Erinnerung geblieben. Älteren Nachbarn im Haus bei seinen Schwiegereltern in der Rosenstraße/ Sternschanze habe er etliche Male tatkräftig geholfen und die Kohlen vom Keller in das 4. Stockwerk getragen.

Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit habe ihm seine Verlobte, die bodenständige Liselott, vorgeschlagen, eine Beamtenlaufbahn einzuschlagen und sich bei der Reichsbahn anzumelden. Walter Mittelbach bewarb sich dort daraufhin als Ingenieur und bekam am 1. März 1938 eine Stelle als Technischer Reichsbahnsekretär. Wie aus Aufzeichnungen in seiner Personalakte (vermutlich vom 9. Februar 1939) zu ersehen ist, gehörte Walter Mittelbach von Juni bis Ende September 1931 der SPD an und war kein Mitglied der NSDAP, mit seiner Zusatzangabe "werde in die Partei sobald sie geöffnet ist mich um die Aufnahme bemühen" (Dies bezog sich darauf, dass die NSDAP wegen des Massenansturms am 19.4.1933 eine Eintrittssperre verfügt hatte, die zwar zwischenzeitlich gelockert, aber endgültig erst am 10.5.1939 aufgehoben wurde). Walter Mittelbachs Bruder Ernst wurde im September 1938 zum Gewerbeoberlehrer vorgeschlagen. Die Schulverwaltung bedauerte jedoch, dass er kein NSDAP-Mitglied sei.

Kurz vor Beginn des Krieges, am 27. Juli 1939, heiratete Walter Mittelbach seine Verlobte Liselott Käthe, geb. Emde (geb. 19.10.1919) in Hamburg. Als Festessen gab es für sechs Personen nur ein Huhn. Eine Hochzeitstorte konnte nicht hergerichtet werden, der Bräutigam malte sie lediglich auf einen Karton.

Noch im selben Jahr heiratete auch Walter Mittelbachs Schwester Gertrud am 11. November 1939 Werner Jorre. Er war Betriebsleiter in einem Rüstungsbetrieb.

Walter Mittelbach, Technischer Reichsbahnsekretär im Dienste der Reichsbahndirektion, wurde vier Tage später, am 15. November 1939, zur Reichsbahndirektion Krakau abgeordnet und dort im technischen Büro beschäftigt. Im August 1941 kam Tochter Renate Petra in Hamburg zur Welt.

Im selben Jahr wurde Walter Mittelbachs Bruder Hans zum Heeresdienst eingezogen. Die Mutter Magda Mittelbach soll, nach dem überlieferten Zeitzeugenbericht ihrer Enkelin Petra, mit dem Professor, der in der linken Doppelhaushälfte Moorreye 96 wohnte (Prof. Dr. jur. et phil. K. Sewering) "Feindsender" gehört haben.

Walter Mittelbachs Einsatz bei der Reichsbahn wurde am 27. Januar 1943 wegen seiner Verhaftung aufgehoben. Er war von der Sicherheitspolizei Neu Sandez angezeigt worden, "umgesiedelte Juden aus dem Lager Deblin vorsätzlich befreit" und "über die Grenze geschmuggelt" zu haben.

Gegen den Reichsbahnsekretär Walter Mittelbach und den Bohrinspektor Karl Müller (geb. 25.4.1889 in Rotenburg) aus Grünberg wurde am 17. Dezember 1943 Haftbefehl erlassen. Nach der Anzeige der Sicherheitspolizei Neu Sandez saßen sie bereits in der "Deutschen Strafanstalt Krakau", Wirsingstraße 3, in Untersuchungshaft ein und waren: "dringend verdächtigt im Dezember 1942, in Deblin und Muszyna gemeinschaftlich
1.) als Volksschädlinge den auf Grund der Verordnung vom 13.09.1940 über über Aufenthaltsbeschränkungen im G. G. erlassenen Verordnungen über Aufenthalt von Juden zuwider gehandelt zu haben,
2.) zur Täuschung im Rechtsverkehr unechte Urkunden ausgestellt und sie gebraucht zu haben.
3.) umgesiedelte Juden aus dem Lager Deblin vorsätzlich befreit zu haben."

Vom 6. Dezember 1942 bis zum Februar 1943 war Walter Mittelbach im Gefängnis von Neu-Sandez inhaftiert. Er wurde dann in das berüchtigte Krakauer Montelupich-Gefängnis verlegt – bis April 1943. Häftlinge dieses Gefängnisses wurden regelmäßig als Vergeltung für Partisanenaktionen erschossen. Als "Schutzhäftling" wurde Walter Mittelbach am 5. Juni 1943 im KZ Dachau bzw. dem Außenlager Friedrichshafen unter der Häftlingsnummer 48261 registriert, ebenso wie sein Mitangeklagter, der Tischler Karl Müller, evangelisch, Häftlingsnummer 48260.

Das Zeppelin-Werk in Friedrichshafen am Bodensee unterhielt dort ein eigenes Arbeitskommando des Konzentrationslagers Dachau, das dazugehörige Arbeitslager Friedrichshafen befand sich auf dem Firmengelände der Zeppelin-Werft. Zwischen Juni 1943 und September 1944 befanden sich ca. 1200 KZ-Häftlinge des KZ Dachau dort. Am 28. Oktober 1943 erfolgte im Zugangsbuch für Walter Mittelbach und Karl Müller der Eintrag "überführt". Das bedeutete vermutlich, dass sie zurück nach Krakau überstellt worden waren, zum Prozessbeginn.

Walter Mittelbachs Bruder Ernst Mittelbach (siehe dessen Biographie) saß zur selben Zeit in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg-Stadt ein und schrieb am 13. Juni 1943 an seine Frau: "Vielen Dank für Lottes Gruß. Grüß sie wieder und laß Walter herzlich grüßen." Es ist anzunehmen, dass Ernst von Walters Verhaftung wusste.

Das Sondergericht in Krakau, Bonerstraße 9, verurteilte Walter Mittelbach am 22. Februar 1944 zum Tode. Die langen Monate bis zu seiner Hinrichtung am 29. Juli 1944 war er wieder im Gefängnis Montelupich in Krakau inhaftiert. Walter Mittelbachs Briefe, die er nach Hamburg schreiben konnte, lassen erkennen, dass er stets besorgt um seine Familie war, und versuchte, den anderen Hoffnung zu geben, wie am 28. November 1943. Er war gerade aus Friedrichshafen nach Krakau zurückgekommen und machte seiner "Lottchen" Mut, an eine hellere, frohere Zeit für sie beide zu glauben. Er bestärkte sie: "Ja Du hast zehnmal recht wenn Du unser Petra eine freie Erziehung angedeihen läßt. Im späteren Leben wird die Kleine Dir dafür danken. Es ist natürlich sehr schwierig den richtigen Weg dafür zu finden. Auf keinen Fall soll das Kind blind ohne eigenen Willen gehorchen, sondern die Eltern haben in ihren Ansichten und Anschauungen auf die Mentalität der Kinder einzustellen. Man merkt doch wo das über Generationen vererbte Schulmeisterblut rollt z. B. Mesterkamp. Wie leicht wird die Frau mit ihren beiden Rangen fertig und wie vernünftig werden die Kinder erzogen."

Hier spielte Walter Mittelbach auf das befreundete Lehrerehepaar Westerkamp an. Er schreibt wie nebenbei, dass ihn die letzten anderthalb Jahre doch etwas von seiner Gesundheit und seinen Nerven gekostet hätten, von seinen Zahnproblemen, dass er bereue, in Dachau nichts dagegen unternommen zu haben, dass er mit seiner "Kopfgeschichte" zu tun habe, "man hilft sich eben indem man Pulver schickt, helfen kann einem ja doch keiner. Doch das ist alles weniger wichtig, die Hauptsache daß Ihr Eure Gesundheit behaltet."

In seinem Brief zum Geburtstag seiner Mutter, dem letzten an sie, versuchte er immer noch Hoffnung zu verbreiten, stand aber auch fest zu seiner Haltung.
"Krakau, den 5.4.1944
Zunächst einmal herzliche Glückwünsche zu Deinem heutigen Geburtstag. Hoffentlich ist es Dir noch recht oft beschieden, diesen Tag in einer etwas glücklicheren besseren Zeit in bester Gesundheit zu verleben. Für Deinen Brief habe recht herzlichen Dank, Du bist im Irrtum, wenn Du meinst ich klage oder beklage mein Schicksal. Nein und abermals nein, ich fühle mich nicht als Verbrecher, ich habe nichts getan. Ich erwarte nur von der heutigenzeit nichts, wenigstens nichts Gutes. Dir muß es eben ein Trost sein, daß wenn ich ermordet werden sollte (genau wie Lott) daß in diesen Jahren jede Minute ein z.Z. unschuldiger sein Leben lassen muß. Ich bin dann eben auch ein Opfer dieses Irrsinns. Im Übrigen ist es noch nicht soweit und der Krieg geht ja auch schließlich einmal zu Ende, jedenfalls lassen die Ereignisse im Osten auf ein baldiges Ende schließen. Also auch für Dich Kopf hoch und nun gerade dem Gesindel gezeigt, daß Du mehr Charakter hast als die ganze Vereinigung.
Herzliche Grüße und Küsse Dein Sohn Walter"

Seinen letzten Brief schrieb Walter Mittelbach in Krakau am 28. Juli 1944 an seine Ehefrau Liselott:
"Kr. den 28.7.44
Mein lb. Lottchen
In aller Kürze teile ich Dir nochmals mit, was jetzt mit mir geschehen wird. Aller Wahrscheinlichkeit nach kommen wir jetzt zunächst einmal nach Mitteldeutschland, von dort werden wir dann in bzw. die Nähe unserer Geburtsorte gebracht. Also mein Liebling, mache Dir auch wenn Du in den nächsten 8 Wochen nichts von mir hörst, keine Sorgen, vorläufig geschieht noch nichts. Wenn ich in Hbg bin, kann ich ja weiter sehen, vor allem mich einmal selbst mit dem Anwalt in Verbindung setzen. Auch ich hoffe, daß noch alles sich zum Guten wenden wird. Die Hauptsache ist, daß Ihr mir gesund bleibt, Du weißt, daß Ihr mir alles seid und ich ohne Euch auch nicht leben mag. Also mein Lieb, ich hoffe wenn dieses Ungeschick mit dem Transport beendet ist, wir beide uns auch einmal wieder sehen können. Sonst habe ich in den letzten 4 Wochen keinerlei Nachricht von Dir erhalten Krakau wird gänzlich geräumt. Also mein Lottchen, halte auch Du den Kopf hoch und verliere auch Du nicht den Mut und den Glauben, daß alles sich zum Besseren wenden wird. Verzweifeln hat in dieser Situation keinen Sinn und richtet nur die so dringend benötigte Gesundheit zugrunde. Recht herzliche Grüße und tausend Küsse an Dich und Petra von Deinem Dich immer liebenden Walter"

Dieser Brief tauchte erst sehr spät auf. Seine Ehefrau erfuhr erst ein halbes Jahr nach seiner Hinrichtung, nach mühsamen Nachforschungen – es war Krieg und es herrschten chaotische Zustände, was Informationen anbelangte –, dass ein Urteil vollstreckt worden war. Die Urteilsschrift hat sie niemals gesehen. Es ist keine Grabstätte von Walter Mittelbach bekannt.

Von der Hinrichtung seines Bruders Ernst einen Monat zuvor hatte Walter Mittelbach vermutlich nichts erfahren. Ernst Mittelbach war am 26. Juni 1944 in der Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis hingerichtet worden. Er wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof am 3. Juli 1944 von der Anatomie beigesetzt, Grablage Bl 71, Reihe 79, Nr. 26. Am 11. November 1958 erfolgte die Umbettung seiner sterblichen Überreste auf die Internationale Kriegsgräberstätte, Grablage Bp 74, Reihe 39, Nr. 15. Dort erinnert heute noch sein Name an ihn.

Der weitere Schicksalsweg der Familienangehörigen
Auch die Familie von Walter Mittelbachs Schwester Gertrud Jorre, geb. Mittelbach, war von politischen Verfolgungen betroffen. Ihr Ehemann Werner Jorre, Betriebsleiter in einem Rüstungsbetrieb, war 1943 im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Er hatte politischen Flüchtlingen Unterkunft gewährt. Nach der Freilassung wurde er mit einem Gestapo-Vermerk an die Ostfront geschickt. Erst im Herbst 1948 kam er aus vierjähriger sowjetischer Gefangenschaft nach Hamburg zurück. In der Zwischenzeit wurde Gertrud Jorre mit ihren zwei kleinen Kindern von ihrem Bruder Hans Mittelbach unterstützt.

Walter Mittelbachs Ehefrau Liselott Mittelbach hatte seit Juli 1942 in Wandsbek in der Oktaviastraße 17 gewohnt. Nach dem Krieg, um 1946, kehrte sie wieder in Hamburgs Norden zurück. Erst wohnte sie in der Wellingsbüttler Landstraße 42 bei dem Lehrerehepaar Westerkamp, das sich mit Walter Mittelbach noch sehr verbunden fühlte, Margarethe Westerkamp war die Patentante ihrer Tochter Renate Petra, zu jener Zeit aus Hamburg evakuiert, war bei den Großeltern mütterlicherseits in Winsen (Luhe) untergekommen. Ab 1961 wohnten Mutter und Tochter wieder zusammen, in Fuhlsbüttel, Heschredder 4.

Walter Mittelbachs Nichte Margret Horn, die Tochter seines Bruders Ernst Mittelbach, schrieb dazu: "Lotte fand einen Lebenspartner nach dem Tod ihres Mannes und sie lebten […] in der Nachkriegswohnung bei Woll-Schuster in Fuhlsbüttel."

Die Eltern von Walter Mittelbach litten nicht nur unter dem Verlust ihrer zwei hingerichteten Söhne, auch ihren Sohn Joachim hatten sie im Zweiten Weltkrieg verloren. Er blieb als Wehrmachtsangehöriger in der Slowakei verschollen. Magda Mittelbach äußerte sich über diesen Schmerz im November 1950: "Ich bin der Ansicht, dass das, was man mir angetan hat, einzig in Hamburg dasteht. Was ich durchgemacht habe ist für mich als Mutter viel schlimmer als wenn ich persönlich eingesperrt oder umgebracht worden wäre. […] Durch die Ermordung meiner beiden Söhne bin ich körperlich u. seelisch vollkommen zerbrochen. Daher komme ich aus der ärztlichen Behandlung nicht mehr heraus."
Magda Mittelbach verstarb am 23. November 1955. Nach Ansicht ihres Ehemannes Carl Mittelbach stand ihr Tod "in direktem Zusammenhang mit der durch die Naziverfolgung verursachten Herzleiden". Nach der Feuerbestattung wurde ihre Urne am 7. Dezember 1955 auf dem Friedhof Ohlsdorf im Familiengrab ihres Vaters, des Lehrers Johann Friedrich Möller, angelegt 1886, beigesetzt, Grablage U 18, Nr. 29/30/II.

Carl Mittelbach erblindete und wurde fast 99 Jahre alt. Er verschied in Hamburg-Altona am 25. September 1968.
Die überlebenden Geschwister von Walter verstarben einige Jahre danach; Gertrud Jorre mit 67 Jahren am 18. Januar 1972 in Hamburg-Altona und Bruder Hans am 1. August 1978 im Alter von 74 Jahren. Ihre Urnen wurden nach der Feuerbestattung im Grabplatz neben ihren Eltern beigesetzt, U 18, Nr. 29 II, und U 18, Nr. 29 III/2.

Liselott Mittelbach, stets umsorgt von ihrer Tochter Renate Petra, erlebte noch mit ihr, den Enkeln und vielen Gästen zusammen in Reinbek ihren 100. Geburtstag. Ihr Leben lang hatte sie die letzten Briefe ihres Ehemannes aus dem Gefängnis gehütet; ihre Tochter konnte sie erst kurz vor dem Lebensende ihrer Mutter einsehen.

Stand: Januar 2023
© Margot Löhr

Quellen: StaH, 332-5 Standesämter, Geburtsregister, 14183 u. 72/1903 Ernst Mittelbach, 14188 u. 2956/1904 Gertrud Mittelbach, 14529 u. 2431/1905 Hans Mittelbach, 14609 u. 3208/1906 Joachim Mittelbach, 113669 u. 559/1909 Walter Mittelbach; StaH, 332-5 Standesämter, Heiratsregister, 8618 u. 641/1902 Carl Mittelbach u. Magda, geb. Möller; Mittelbach; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 1203 u. 743/1944 Ernst Mittelbach, 5522 u. 1897/1968 Carl Mittelbach, 8457 u. 528/1955 Magda Mittelbach, Mittelbach, 7468 u. 3578/1971 Johann Carl Jorre, 5538 u. 137/1972 Gertrud Jorre, 1510 u. 1466/1978 Hans Jorre; StaH, 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 1239 Magda Mittelbach, 1379 Carl Mittelbach, 34328 Walter Mittelbach, 42995 Liselott Mittelbach, 43040 Käte Mittelbach, 47147 Ernst Mittelbach; StaH, A 576/001, 1818/19, Hamburger Lehrerverzeichnis; Archiv Friedhof Ohlsdorf, Beerdigungsregister, Feuerbestattungen, Nr. F 7558/1955 Magda Mittelbach, Nr. 472/1972 Gertrud Jorre, Nr. F 3057/1978 Hans Mittelbach, Grabbrief Nr. 3458/1886; Auskünfte Heinz Fehlauer, BArch, VVN (DY 55/V 24 1/7/61); Komitee Verfolgte des Naziregimes, Entschädigungsakten; Auskünfte Albert Knoll, Archiv KZ Gedenkstätte Dachau, NARA Zugangsbuch Nr. 113/048210; Manuskript zu Walter Mittelbach, August 2008; Margret Horn, Die Familie Mittelbach, 1992; Ignatz Bubis (mit Peter Sichrovsky): "Damit bin ich noch längst nicht fertig". Die Autobiographie, Frankfurt am Main/New York 1996; Ignatz Bubis: "Ich bin ein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens". Ein autobiographisches Gespräch mit Edith Kohn, Köln 1993; Andreas Seeger/Fritz Treichel: Hinrichtungen in Hamburg und Altona 1933–1944. "In einer schlagkräftigen Strafrechtspflege müssen Todesurteile unverzüglich vollstreckt werden", Hamburg 1998; Klaus Timm: Die Ermordung des Lehrer Ernst Mittelbach, Hamburg 2006, S. 68; Gefängnis Monte Lupich, http://pl.wikipedia.org/w/index.php?title=Plik:Bundesarchiv_Bild_121-0316,_Krakau,_Gef%C3%A4ngnis_Montelupich,_H%C3%A4ftling.jpg&filetimestamp=20081209150646, eingesehen am: 4.4.2022; Bubis – im "Schindler-Lager, http://www.luebeck-kunterbunt.de/TOP100/Ignatz_Bubis.htm, eingesehen am: 26.5.2022. Dank an Klaus Timm, Holger Tilicki, und Renate Petra Puls!

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