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Manfred Menco * 1910
Ilandkoppel 68 (Hamburg-Nord, Ohlsdorf)
1943 Theresienstadt
1944 Auschwitz
ermordet
Weitere Stolpersteine in Ilandkoppel 68:
Siegmund Falkenthal, Lisa Menco, Reha Menco, Rolf Menco
Lisa Menco, geb. Mathias, geb. am 13.10.1918 in Cuxhaven, deportiert am 10.3.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 6.10.1944 nach Auschwitz und ermordet
Manfried Menco, geb. am 10.7.1910 in Hamburg, deportiert am 10.3.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 6.10.1944 nach Auschwitz und ermordet
Rolf Menco, geb. am 20.7.1938 in Hamburg, deportiert am 10.3.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 6.10.1944 nach Auschwitz und ermordet
Reha Menco, geb. am 1.1.1942 in Hamburg, deportiert am 10.3.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 6.10.1944 nach Auschwitz und ermordet
Ilandkoppel 68 (früher Ihlandstraße)
Manfried Menco kam am 10. Juli 1910 in Hamburg als niederländischer Staatsbürger auf die Welt. Sein Vater Jacob Menco (geb. 3.4.1886 in Arnhem, Niederlande) war Schuster und am 12. Mai 1908 über Dülmen nach Hamburg gekommen. Ein Jahr später, am 21. Mai 1909, hatten Manfrieds Eltern in Hamburg geheiratet. Manfrieds Mutter Sophie, geb. Weinberg (geb. 5.1.1881), war gebürtige Hamburgerin. Elf Tage danach, am 1. Juni 1909, war der Großvater mütterlicherseits Nathan Weinberg mit 72 Jahren in seiner Wohnung, Kleiner Schäferkamp 32, verstorben. Nathan Weinberg (geb. 22.4.1837 in Hamburg) war mit Friederike, geb. Jacobsohn, seit 1873 verheiratet gewesen. Er arbeitete als "Productenhändler" (d.h. handelte mit einheimischen, vermutlich landwirtschaftlichen Erzeugnissen) seit 1866 zusammen mit seinem drei Jahre jüngeren Bruder Simon Weinberg im Herrengraben 95. Als Manfrieds Mutter sechs Jahre alt war, hatte sich die Gebr. Weinberg Firma nebst einem Warenlager, gefüllt mit Bettfedern, Daunen, Krollhaaren, Ledertuch und Artikeln für die Bürstenmanufactur, in der 2. Marktstraße 25 befunden, mit einer Filiale in der Wilhelmstraße 26. Im Jahre 1897 war Nathan Weinberg dann die hamburgische Staatsangehörigkeit verliehen worden.
Manfrieds Urgroßvater mütterlicherseits, der "Handelsmann" (Kaufmann) Neumann Nathan Weinberg, stammte aus Norden in Ostfriesland und die Urgroßmutter Caroline, geb. Cohen, aus Altona.
Manfrieds Großeltern väterlicherseits, Mozes Menco (geb. 1860 in Arnhem), und Helena, geb. Gobas Mozes (geb. 1862 in Oldenzaal), hatten in Arnhem in den Niederlanden gelebt. Mozes Menco, von Beruf Schneider, war am 25. Dezember 1894 im Alter von nur 34 Jahren in Arnhem verstorben, als Manfrieds Vater acht Jahre alt war. Manfrieds Stammbaum väterlicherseits lässt sich bis auf den Ururururgroßvater Nathan Samuel Menko (geb. 1720 in Bergfeld, Neustrelitz) zurückverfolgen. Dieser war mit Sophia Izaks verheiratet und hatte in Oldenzaal in den Niederlanden eine Familie gegründet.
Nach ihrer Hochzeit wohnten Manfrieds Eltern im Grindelviertel, zunächst in der Rutschbahn 17, wo Manfried zur Welt kam. Im Frühjahr seines Geburtsjahres war auch sein Onkel Henri Menco, der ein Jahr jüngere Bruder seines Vaters, nach Hamburg gekommen. Er arbeitete als Schlachter. Manfrieds Eltern führten ein Schuhwaren- und Reparaturengeschäft in der Rappstraße 34, für das am 8. Januar 1912 im Hamburger "Israelitischen Familienblatt" eine Werbeanzeige erschien. In diesem Jahr wurde Manfrieds jüngere Schwester Helene Nanni am 22. November 1912 geboren. Sie verstarb als Säugling am 8. April 1913 an einer Lungenentzündung in der Wohnung in der Rappstraße 14.
Der Schuhmachermeister Jacob Menco versteuerte zu dieser Zeit ein Einkommen von 1500,- Mark jährlich. Auch Manfrieds Onkel Abraham Menco, der jüngste von den drei Brüdern seines Vaters, kam nach Hamburg, lebte dort im Grindelviertel und arbeitete als Schlachtergeselle. Ein Jahr später erlitten Manfried und seine Mutter einen schweren Schicksalsschlag. Jacob Menco verstarb an seinem 28. Geburtstag, am 3. April 1914, in Meran. Er hatte an einer tuberkulösen Menengitis gelitten und war in der städtischen Heilanstalt in Meran behandelt worden. Jakob Menco wurde zwei Tage später auf dem jüdischen Friedhof Meran beerdigt.
Manfrieds Mutter Sophie Menco hatte durch ihre Heirat die niederländische Staatbürgerschaft erlangt und damit auch Manfried. Nach dem Tod seines Vaters wurde seine Mutter Sophie Menco und damit auch er, im Alter von vier Jahren, antragsgemäß am 21. Juli 1914 in Hamburg eingebürgert. Zwei Bürgen hatten bescheinigt, dass Sophie Menco als ordentliche Frau bekannt sei und die Einbürgerung empfohlen. Die Polizeibehörde hatte dementsprechend keine Bedenken und vermerkte, dass Sophie Menco seit ihrer Geburt völlig unbescholten sei. Die Familie wohnte weiterhin in der Rappstraße 14, Parterre.
Zwei Jahre nach dem Tod von Manfrieds Vaters kehrte dessen Bruder Abraham wieder zurück nach Naarden in Holland.
Sophie Menco hatte den Gewerbeschein ihres Ehemannes von 1908 übernommen, sie war nun die Inhaberin der Schuhmacherei. Es wird für sie eine schwierige Zeit gewesen sein. In der Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde ist vermerkt, dass ihr in jener Zeit die Steuern erlassen wurden.
Manfried besuchte die Talmud Tora Schule. In den Schulakten ist sein Geburtsort mit Holland angegeben. 1919 besuchte er die Klasse 1a. Im Singen waren seine Noten besonders gut. Gegenüber in der Rappstraße wohnten seine Klassenkameraden Joachim Pötzger und Benno Offenburg. (Letzterer wurde als israelischer Historiker Baruch Zwi Ophir bekannt, er gründete 1960 in Hamburg den Verein ehemaliger jüdischer Hamburger, Bremer und Lübecker in Israel.)
Manfrieds Mutter Sophie Menco versuchte, in der schweren Zeit nach dem Ersten Weltkrieg den Lebensunterhalt zu sichern und ließ sich im Mai 1921 einen Gewerbeschein ausstellen. In ihrer Wohnung in der Rappstraße 14 unterhielt sie einen privaten Mittagstisch.
Im Jahr darauf nahm das Leben für Manfried eine tragische Wendung. Am 16. Oktober 1922 verstarb seine Mutter Sophie Menco mit 41 Jahren im Israelitischen Krankenhaus an einer Herzinsuffizienz. Sie hatte zuvor, am 23. Juni 1922, noch eine Tochter auf die Welt gebracht. Leni verstarb mit vier Monaten, drei Wochen nach ihrer Mutter, am 8. November 1922, ebenfalls im Israelitischen Krankenhaus.
Manfried war nun mit zwölf Jahren Vollwaise und hatte keine Geschwister.Seine Großmutter, die Witwe Friederike Weinberg, war zu jener Zeit 74 Jahre alt und wohnte im Kleinen Schäferkamp 32. Sie wurde unterstützt von der Lewinsohn S. Stiftung, der das Haus gehörte. Dort hatten die Großeltern das ehemalige Hausstandsgeschäft geführt. Dort wohnte auch Manfrieds Tante Bertha Weinberg (geb. 3.5.1882 in Hamburg), die ledige Schwester seiner Mutter.
Manfried besuchte weiterhin die Talmud Tora Schule. Aus dem Passprotokoll, das 1926 für ihn als Schüler angefertigt wurde, ist zu erfahren, dass er mittelgroß war und dunkelbraune Haare sowie dunkelbraune Augen hatte. Den Pass brauchte er für eine Reise nach Holland, vermutlich um seine Verwandten in Arnhem zu besuchen. Als sein Wohnort war Papendamm 3 angegeben. Diese Adresse verweist auf das Knaben- und Waisenhaus Papendamm, wo Manfried als 16-jähriger wohnte. Über die Erziehung im Waisenhaus ist in einem Bericht über die Jahre 1925/26 des Waisenvaters Ralphael Plaut Folgendes zu erfahren: "[…] wird der körperlichen Ertüchtigung weiter sorgsames Interesse zugewandt. Alle Jungen treiben eifrig Sport.
Turnen, Schwimmen, Jugendspiel, Wanderung, überhaupt viel Bewegung in der frischen Luft haben unsere Jungen abgehärtet und wesentlich dazu beigetragen, dass wir in den letzten Jahren von Krankheiten fast gänzlich verschont blieben." Jede Woche besuchten sie die staatliche Schwimmanstalt und Manfried, dort genannt "Manfred", konnte die Freischwimmprüfung ablegen. In dem koscher geführten Waisenhaus befand sich eine eigene Synagoge. Es ist anzunehmen, dass Manfried Menco dort mit 13 Jahren als mündiges Mitglied in die jüdische Gemeinde, genannt Bar-Mizwa (Sohn des Gebots), aufgenommen worden war. In den Sommerferien erholten sich die Waisenknaben im Isaelitischen Waisenhaus in Segeberg. Die dortige Leiterin Sidonie Werner war vom mustergültigen Verhalten der Jungen angetan. Zum Purimfest 1925 wurden die Mädchen des Paulinenstiftes, des nahegelegenen jüdischen Waisenhauses für Mädchen, zu einer künstlerischen Darbietung eingeladen. Im Jahr darauf erfolgte die Gegeneinladung.
Besuche des Schauspielhauses, der Kammerspiele, des Operettenhauses und der Musikhalle gehörten für die älteren Knaben zum kulturellen Programm. Einbezogen wurden sie auch in die Familienfeste der Familie Plaut, so bei der Verlobungs- und Hochzeitsfeier von Tochter Vilma Plaut.
Vom "Jüdischen-Handwerker-Verein" wurden die Knaben zum Chanukka-Fest eingeladen und unvergessen blieb vielen Zöglingen das imposante, künstlerisch arrangierte Chanukka-Fest der Henry Jones-Loge. In den Pfingstferien wurden sie in das Rathaus, die Kunsthalle, in das Museum für Völkerkunde, das Ballin- und Chilehaus und in den Elbtunnel geführt. Auch von Eduard Berlin, einem Förderer des Waisen-Instituts, wurden die Knaben zum 25. Geschäftsjubiläum eingeladen (siehe die Biographie von Fanny Berlin).
Am 5. Elul 5687 (15.8.1926) wurde das 160-jährige Jubiläum des Deutsch-Israelischen Waisen-Instituts gefeiert. Ein Foto mit den Zöglingen wurde an diesem Tag in der Laubhütte des Waiseninstituts aufgenommen; es ist anzunehmen, dass sich unter den älteren Jungen auch Manfried Menco befindet. Auf Anregung des Vorsitzenden Max Warburg wurde zum 160-jährigen Jubiläum der "Verein zur Versorgung schulentlassener Zöglinge des H.D.J.W.J." (Hamburger Deutsch-Israelitischen-Waisen-Instituts) gegründet. Den Grundstock mit 10.000,- RM legte Max Warburg anlässlich seines 60. Geburtstages. Laut Satzung bezweckte der Verein: "[…] die Versorgung der schulentlassenen Zöglinge während ihrer Berufsausbildung. Die Lehrlinge werden in guten Pflegestellen untergebracht, welche in jeder Beziehung unseren Voraussetzungen entsprechen müssen. Die Lehrlinge bleiben während ihrer ganzen Berufsausbildung unter der Aufsicht und Leitung des Waisenvaters." Zusammen mit Josef Blank, Viktor Cossmann, David Ehrlich, Kurt von Hall, Isaac Hasenfratz, Jakob Minska und Julius Zeisel begann für "Manfred" Menco die Lehrzeit. Er selbst kam zur Ausbildung in die Sattler-Polsterei "Satab", eine Handelsgesellschaft in der Kaiser-Wilhelm-Straße 23–25.
Nach seiner Lehrzeit arbeitete Manfried als Vermittler von Schuhreparaturen. Seit Sommer 1930 besaß er einen Führerschein und war viel unterwegs. Am 5. März 1931 wurde er vom Amtsgericht Itzehoe wegen Führung eines nicht zugelassenen Kraftfahrzeuges im Verkehr zu 30,- RM Strafe, wahlweise zu sechs Tagen Gefängnis, verurteilt.
Manfrieds Großmutter Friederike Weinberg verstarb mit 85 Jahren am 31. Januar 1933 in ihrer Wohnung, einen Tag nachdem die Nationalsozialisten die Macht übernommen hatten.
Im selben Jahr heiratete Manfried Menco am 1. September 1933 die ein Jahr jüngere Hamburgerin Erna Paula Görski (geb. 31.7.1911). Als Trauzeugen fungierten sein 54-jähriger Onkel Lippmann Weinberg und der 40 Jahre alte Klempner Ernst Mußmann. Es ist anzunehmen, dass Manfried Menco seine Braut bei der Arbeit kennengelernt hatte, da Erna Görski bei der Bottina Schuhgeschäft m.b.H beschäftigt war, für die er Schuhreparaturen vermittelte. Erna Paula Görski war zuvor zum Judentum übergetreten; am 9. Juli 1935 war sie in den liberalen Tempelverband aufgenommen worden.
Am 19. September 1936 erstattete der Beamte Bremer des Nachlöseschalters vom Hauptbahnhof Hamburg Anzeige bei Kriminalsekretär Kurzrock gegen Manfried Menco, der vor seinem Schalter stand. Er war drei Tage zuvor mit einer Arbeiter-Rückfahrkarte, für die er keine Berechtigung besaß, nach Berlin gereist. Auf seiner Rückfahrt nach Hamburg wurde ihm das zum Verhängnis. Es nützte ihm nichts, dass er den doppelt so hohen Nachlösebetrag sogleich bezahlte.
Auch gegen seinen Freund, den Orthopäden Herbert Eisenstädt (geb. 18.5. 1906) und gegen Erna Gursch, beide bei Bottina-Schuhe, Hamburgerstraße 64, beschäftigt, wurde ermittelt. Sie stammten aus Berlin. Es kam zu einem Verfahren; am 3. Dezember 1936 wurden sie alle drei beim Amtsgericht Hamburg vorgeladen. Manfried Menco sowie sein Freund Herbert Eisenstädt wurden wegen gemeinschaftlichen Betruges zu je 100,- RM und drei Wochen Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Eine monatliche Ratenzahlung wurde ihnen zugestanden.Die Begründung des Richters Bülter lautete: "Als Nichtarier, die in Deutschland lediglich das Gastrecht genießen, hätten die Angeklagten […] sich besonderer Zurückhaltung befleißigen müssen." Der Mitangeklagten nichtjüdischen Erna Gursch wurden mildernde Umstände zugebilligt, da sie nicht die treibende Kraft gewesen sei.
In der folgenden Zeit trafen die Verfolgungsmaßnahmen der nationalsozialistischen Machthaber Manfried Menco besonders hart. Anfang März 1937 wurde er auf Betreiben der Schuhmacher-Innung von der Bottina-Schuhgesellschaft als Reparaturenvermittler entlassen. Erwerbslos bezog er vom Fürsorgewesen wöchentlich 7,- RM. Seine monatliche Ratenzahlung von 10,- RM für die Strafverbüßung konnte er nicht mehr leisten.
Manfried Mencos erste Ehe hielt nicht lange, sie wurde am 5. April 1937 vor der Zivilkammer des Landgerichts Hamburg geschieden. Durch Erklärung trat Erna Görski danach am 28. Oktober 1937 aus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde wieder aus.
Kurz nach dem Scheidungsurteil ging Manfried Menco am 28. Mai 1937 eine zweite Ehe ein, seine Ehefrau war die acht Jahre jüngere Lisa Mathias. Das junge Ehepaar lebte zunächst bei Lisas Eltern am Grindelberg 3a, 2. Stock. Ihre Mutter Minna, geb. Rosenthal (geb. 31.10.1895), stammte aus Osterholz-Scharnbek, ihr Vater Willy Mathias (geb. 12.7.1886) aus Perleberg. Er war der Sohn von Louise und des Kaufmannes Louis Mathias. Seit 1912 ist Lisas Vater im Adressbuch Cuxhaven als Bankbeamter geführt. Lisa war als erste Tochter am 13. Oktober 1918 in Cuxhaven zur Welt gekommen. Zu dieser Zeit hatte die Familie dort in der Deichstraße 19 gewohnt. Als ihre Schwester Vera fünf Jahre später am 15. Dezember 1923 geboren wurde, hatte sich die Familie in Hamburg niedergelassen und 1926 in der Rentzelstraße 12, Haus 20, gewohnt. Der Vater hatte als Kraftwagenfahrer, später als Vertreter gearbeitet. Lisa und ihre Schwester Vera hatten die höhere Tochterschule von Dr. Jakob Löwenberg in der Johnsallee 33 besucht.
Die Möglichkeit einer anschließenden guten Berufsausbildung war ihnen jedoch durch die nationalsozialistischen antijüdischen Gesetze versagt geblieben. Lisa hatte sich ab 1936 nicht mehr als Lehrling ausbilden lassen können; sie arbeitete als Hausangestellte. In der Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde ist Lisa bei Heidemann in der Isestraße 69 eingetragen. Demnach arbeitete sie dort bei der praktischen und Kinderärztin Dr. Charlotte Heidemann.
Lisa und Manfried Menco wurden bei ihrer Hochzeit mit einem Brautlegat des Jüdischen Religionsverbandes im Werte von 300,- RM unterstützt.
Manfried Menco beabsichtigte, zusammen mit einer Berliner Familie nach Argentinien auszuwandern und bereitete sich darauf vor. Nach einem dreimonatigen Schulungskurs der jüdischen Kolonisationsgesellschaft in Berlin sollte mit deren Unterstützung im September 1937 die Überfahrt stattfinden. Er bat vom Ausbildungsgut Neuendorf bei Fürstenwalde aus um Aufschub für die Ratenzahlung seiner Strafe. Lisa, seine Ehefrau, verfasste für ihn ein schriftliches Ersuchen um Herabsetzung des noch ausstehenden Restbetrages von 15,- RM auf 7,70 RM – wegen längerer Arbeitslosigkeit und Rückständen, die Manfried Menco noch zu begleichen habe.
Lisa und Manfried Mencos erstes Kind, ihr Sohn Rolf Jacob, kam am 20. Juli 1938 in Hamburg im Israelitischen Krankenhaus, Eckernförder Straße, zur Welt. Seinen zweiten Vornamen erhielt er nach seinem Großvater, Manfrieds allzu früh verstorbenem Vater. Lisa und Manfried Menco wohnten weiterhin bei Lisas Eltern im Grindelberg 3a.
Am 18. Dezember 1938 schrieb Manfried an die Devisenstelle und meldete sein Umzugsgut mit Listen von gebrauchten Sachen und Handwerkszeug an. Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung und einen Brief der jüdischen Wohlfahrt legte er bei: "Ich gehe als Siedler nach Argentinien und bitte Sie freundlichst mir zu gestatten die aufgeführten Sachen mitnehmen zu dürfen." Diese Ausreise kam nicht zustande. Manfried Menco wurde in der folgenden Zeit von der Jüdischen Gemeinde unterstützt und bekam eine Arbeits- und Wohnmöglichkeit auf dem Jüdischen Friedhof Ihlandstraße (heute Ilandkoppel), nachdem der langjährige Friedhofsverwalter Max Reich, der von August 1926 bis Mai 1941 dort tätig war, mit seiner Ehefrau Erna, geb. Levy, und Tochter Hilde in die USA ausgewandert war. Die kleine Wohnung im Nebengebäude der Friedhofskapelle teilten sich Manfried Menco und seine Familie mit Siegmund Falkenthal (siehe deren Biographie).
Lisa Mencos Eltern Minna und Willy Mathias wurden zusammen mit Lisas 17-jähriger Schwester Vera Mathias am 8. November 1941 nach Minsk deportiert und ermordet. Lisas Mutter war 46 Jahre und ihr Vater 55 Jahre alt.
Kurze Zeit später, am ersten Tag des Jahres 1942, brachte Lisa ihr zweites Kind, Tochter Reha, im Israelitischen Krankenhaus, das sich nun in der Johnsalle 68 befand, zur Welt. Das Krankenhaus war ab September 1939 von den Nationalsozialisten zwangsweise in die Johnsallee 68 verlegt worden, in die ehemalige "Calmannsche Frauenklinik". Familie Menco wohnte zu dieser Zeit im Verwaltungsteil des Friedhofsgebäudes auf dem Jüdischen Friedhof, Ihlandstraße 68 (heute Ilandkoppel).
In einem Zeitzeugenbericht erinnert sich Heinz Biehl an die Zeit um 1942, als er als Siebenjähriger in der Fuhlsbütteler Straße mit seinen Eltern wohnte – und an eine junge Frau mit "Judenstern", die auf dem Jüdischen Friedhof wohnte, mit einem Säugling auf dem Arm und an Begegnungen mit ihr beim Milchmann. Er erlebte, dass sie als Jüdin im Laden als Letzte bedient werden musste, dass die junge Frau zurücktreten musste, wenn ein "Arier" den Laden betrat. So konnte es sein, dass, wenn sie an die Reihe kam, keine Milch mehr da war. Er erlebte die "Linientreuen", die auf dieses Recht der Bevorzugung pochten, er erlebte aber auch, dass Kunden ihren Eintritt in den Laden verzögerten oder verschämt wegschauten. Es war ihnen anscheinend unangenehm, die Not mit dem Säugling mitzuerleben. Heinz Biehl bemerkte auch, dass die Milchfrau der jungen jüdischen Mutter etwas mehr gab als erlaubt, wenn es keiner sah. 1942 bekamen Juden nur Magermilch. Auf der Kreis-Dienst-Nebenstelle im Kellergeschoß des Verwaltungsgebäudes des Ohlsdorfer Friedhofes gab es einen "Sondertisch", wo die Juden ihre Lebensmittelkarten, gekennzeichnet mit Davidstern, abholen mussten. Eines Tages liefen Heinz Biehl und seine Spielkameraden in die Trauerhalle des Jüdischen Friedhofes und entdeckten dort auf dem Boden liegend ein totes Paar, die Hände ineinander gefasst. Vermutlich hatten sie sich unter dem Druck ihrer bevorstehenden Deportation an diesem Ort das Leben genommen.
Auch Albert Hirsch (geb. 24.9.1878 in Mogilno) aus Elmshorn, hatte sich am 1. Dezember 1941 aus Verzweiflung dort das Leben genommen. Manfried Menco fand ihn erhängt im Toilettenraum des jüdischen Friedhofsgebäudes. Seiner Existenz beraubt, seine Fabrik für koschere Gemüse- und Obstkonserven, die unter der Aufsicht des Oberrabbiners Dr. Joseph Carlebach gestanden hatte, war im Jahre 1938 "arisiert" worden, seine Ehefrau Gertrud, geb. Schmerl, war am 16. September 1938 verstorben, sein Stiefsohn Horst war nach Peru und sein Sohn Heinz-Walter in die USA emigriert. Albert Hirsch hatte nach dem Erhalt seines Deportationsbefehles für den 6. Dezember 1941 nach Riga keine Hoffnung mehr gesehen.
Manfrieds Onkel Lippmann Weinberg (geb. 18.9.1879 in Hamburg), der Bruder seiner Mutter, von einer Nachbarin als ein "großer schwerer Mann" beschrieben, war ein Handelsvertreter für Schuhwaren. Seine Frau Lisa, geb. Nussbaum, war bereits 1936 verstorben. Lippmann Weinberg wurde am 14. Juni 1938 verhaftet und in der Strafanstalt Fuhlsbüttel inhaftiert. Mit seinem Beruf als Vertreter war er unter die Verhaftungsaktion von "Vorbestraften Asozialen, Reisenden" gefallen. Am 23. Juni 1938 wurde er von dort in das KZ Sachsenhausen verbracht, wo er bis zum 30. November 1938 inhaftiert war. Sein Sohn Norbert Weinberg (geb. 23.7.1922 in Hamburg), Manfrieds Cousin, konnte der Verfolgung mit dem Schiff am 10. August 1938 in die USA entkommen, schweren Herzens, ohne seinen Vater nach einer vergeblichen Anfrage im KZ Sachsenhausen noch einmal sehen zu können. Am 15. Juli 1942 wurde Manfrieds Onkel Lippmann Weinberg nach Theresienstadt deportiert. Fünf Monate später, am 16. Dezember 1942, verstarb er dort. Ein Stolperstein erinnert an ihn in der Bismarckstraße 58 (Biographie siehe www.stolpersteine-hamburg.de).
Auch Manfried Mencos holländische Verwandte blieben nicht verschont. Sein Onkel Henri Menco, einer der sechs Geschwister seines Vaters, war einige Jahre nach dem Tod seiner Mutter nach Arnhem zurückgekehrt. Er wurde am 8. Oktober 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Manfrieds Tante Julia Schaap, geb. Menco (geb. 3.10.1884 in Arnhem), ihr Ehemann Elias Schaap (geb. 16.9.1884 in Hilversum) und ihre Tochter, Manfrieds Cousine Kaatje Schaap (geb. 6.12.1909 in Arnhem) wurden am 15. Oktober 1942 ebenfalls nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Am 10. März 1943 wurden Manfried und Lisa Menco mit ihren kleinen Kindern Rolf und Reha zusammen mit 46 Betroffenen, zumeist Mitarbeiter*innen der Jüdischen Gemeinde, nach Theresienstadt deportiert. Manfried Mencos Tante, Bertha Weinberg, wurde nach ihnen am 23. Juni 1943, in das Getto Theresienstadt verbracht. Sie kam dort am 8. April 1944 um, kurz vor ihrem 62. Geburtstag. Ein Stolperstein im Kleinen Schäferkamp 32 soll dort an sie erinnern.
Nach eineinhalb Jahren in Theresienstadt wurden Manfried, Lisa, Rolf und Reha Menco am 6. Oktober 1944 in einem der letzten Deportationszüge nach Auschwitz verschleppt und ermordet. Manfried Menco war 34 Jahre, Lisa Menco, geb. Mathias, 25 Jahre, ihr Sohn Rolf war sechs Jahre und ihre Tochter Reha ein Jahr, zehn Monate und fünf Tage alt.
Eine Postkarte von Manfried Menco, eigenhändig geschrieben, die er in Magdeburg in seinem Deportationszug nach Theresienstadt an "Herrn Dr. Plaut, Hamburg, Beneckestr. 2" geschrieben hatte, die herausschmuggelt und in Leipzig abgeschickt werden konnte, ist heute ein Zeugnis für dieses ungeheure Verbrechen an der Menschlichkeit:
"Magdeburg 11.3.43 Sehr geehrter Herr Dr. Plaut! Wir sind gestern abend um 12 Uhr abgefahren und haben eine sehr kalte Nacht verbracht. Ich empfehle ins Handgepäck in der Hauptsache Decken u. Kissen mitzunehmen anderes Handgepäck ist absolut überflüssig da sehr hinderlich. Die zu leistende Arbeit war sehr schwer aber dankbar und haben sich alle ruhig und ordentlich verhalten. Auch die Sauberkeit ließ nichts zu wünschen übrig. Die Verpflegung klappte reibungslos. Ich danke Ihnen nochmals für alles was Sie an mir und meiner Familie getan haben recht herzlich. Ich bitte Blumenthal und Bruder ebenfalls meinen aufrichtigen Dank für die treue Hilfe beim Transport zu übermitteln. Grüßen Sie bitte Ihre Frau Mutter und alle Kollegen sehr herzlich Es grüßt Manfried Menco."
Stand: Januar 2023
© Margot Löhr
Quellen: 1; 4; 5; 7; 8; StaH, 314-15 Oberfinanzpräsident, Str. 244 Neumann Simon Weinberg; StaH, 331-5 Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle, 3 Akten 1942/241 Albert Hirsch; StaH, 332-3, Zivilstandsaufsicht, Heiratsregister, B 52 Nr. 550/1873 Nathan Weinberg u. Friederike Jacobsen, B 60 Nr. 603/1874 Simon Weinberg u. Therese Arnheim; StaH, 332-5 Standesämter, Geburtsregister, 1888 u. 5075/1876 Neumann Weinberg, 1910 u. Nr. 3983/1877 Neumann Weinberg, 1958 u. 4358/1879 Lippmann Weinberg, 1999 u. 86/1881 Sophie Weinberg; StaH, 332-5 Standesämter, Heiratsregister, 8665 u. 349/1909 Jacob Menco u. Sophie Weinberg, 14109 u. 847/1933 Manfried Menco u. Erna Görski, 14870 u. 176/1937 Manfried Menco u. Lisa Mathias; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 7999 u. 477/1909 Nathan Weinberg, 8015 u. 191/1913 Helena Nanni Menco, 856 u. 554/1922 Sophie Menco, 856 u. 605/1922 Leni Weinberg, 8120 u. 57/1933 Friederike Weinberg, 8144 u. 157/1937; Henriette Jacobsohn, 8168 u. 226/1940 Raphael Plaut, 9926 u. 691/1941 Albert Hirsch; StaH, 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, AIf, Bd. 178, Nr. 221 D Nathan Weinberg, B VI 146 Sophie Weinberg; StaH, 332-8 Meldewesen, A 24 Bd. 339 Nr. 12723/1926 Manfried Menco; StaH, 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 45402 Norbert Weinberg; StaH, 351-14 Jüdische Fürsorgeempfänger, 1522 Willy Mathias; StaH, 352-5 Gesundheitsbehörde, Todesbescheinigungen, 1913 Sta 3 Nr. 191 Helena Nanni Menco, 1922 Sta 2a Nr. 554 Sophie Menco, 1922 Sta 2a Nr. 605 Leni Weinberg, 1933, Sta 20, Nr. 57 Friederike Weinberg, 1940 2a Nr. 226 Raphael Plaut, 1941 Sta 1b Nr. 691 Albert Hirsch; StaH, 376-2 Gewerbepolizei, Spz VIII C 1 Nr. 58 Nathan Weinberg, SpzVIII C 75 Nr. 5657/1908 Jacob Menco; StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, Geburtsregister, 696 c Nr. 57/1837 Nathan Weinberg; StaH, 622-1 Familienarchive, 173, B 11/4 Ralph Plaut, Familie Plaut 1887–1973 D 38; StaH, 741-4 Fotoarchiv, K 3856, K 7144, LS 15832, Sa 1246; Standesamt Hamburg 2a, Geburtsregister, 263/1938 Rolf Menco, 4/1942 Reha Menco; Adressbuch Cuxhaven 1912–1919; Adressbuch Hamburg 1873–1943; Auskünfte Martin Kriwet ITS Archives, in conformitywiththe ITS Archives, Bad Arolsen, Copy of Doc. No. Copy of Doc. No. 4958969#1 (1.1.42.1/0027/0039), 4959193#1 (1.1.42.1/0028/0109) Transportlisten des Ghettos Theresienstadt, Copy of Doc. No. 504993#1 (1.1.2.1/0001-0123/0056/0112) Zu- und Abgänge nach Konzentrationslager Auschwitz/Kdo. Golleschau, Copy of Doc. No. 560403#1 (1.1.2.1/0324-0522/0326/0011) Laboruntersuchungen des SS-Hygiene-Instituts Auschwitz, in conformity with the ITS Archives, Bad Arolsen; Auskünfte Mag. Alexander Legniti, Stadt Innsbruck, Sterberegister Menco; Aus alter und neuer Zeit, Illustrierte Beilage zum Israelitischen Familienblatt Hamburg, Nr. 61, 28.10.1926, S. 486, M. Leßmann, Hamburg, 1924–1935; Susanne Lohmeyer: Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel und Hamburg-Hoheluft-West, 2 Bde., Hamburg 2013, Bd. 2, S. 520-522 (Lippmann Weinberg); Wilhelm Mosel: Wegweiser zu ehemaligen jüdischen Stätten in den Stadtteilen Eimsbüttel, Rotherbaum, Hamburg 1985, S. 80, Abb. 61 (Foto Waisenhaus Papendamm 3); Helmuth Warnke: Sonntags gönn’ ich mir die Alster. Hamburger Schubladengeschichten, Hamburg 1994; Personendatabase, https://www.geldersarchief.nl/bronnen/personen?mivast=37&mizig=128&miadt=37&milang=nl&misort=pla%7Cdesc&miview=tbl&mizk_alle=Menco, eingesehen am: 8.4.2022; Gespräche im Jahr 2005 mit dem Zeitzeugen Heinz Biehl (verst. 2010).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".